Ein Messer! Warum hatte sie ein Messer? Was zur Hölle wollte sie damit?
Okay wahrscheinlich wollte sie sich nicht ihr Brot damit schmieren. Aber was wollte sie damit von mir? Ich meine ich hatte ihr doch nichts getan oder? Ich kannte sie nicht einmal.
Sie musste ihre Schuhe getauscht haben, denn nun waren sie kaputt und mit dicken Blutstropfen bekleckert. Ich war in einem meiner schlimmsten Albträume gefangen. Das war die einzige logische Erklärung...oder? Und wenn ich aufwache, dann werde ich wieder in meinem bequemen Bett liegen und die Sonnen wird mir durch das Fenster auf die Augen strahlen, so doll, dass ich blinzeln muss oder? Ich werde froh sein in diesem Haus nicht wohnen zu müssen oder? So musste es sein!
Sie kam mir immer näher und ich wusste keinen Ausweg mehr, also drehte ich mich ruckartig um und schrie so laut ich konnte:
„Was willst du von mir?“ Doch meine Stimme klang nicht besonders überzeugend. Sie war so kratzend und ächzend, wie die eines kleinen Kindes. Sie spürte meine Angst und das machte sie noch gefährlicher. Die Anspannung stieg, mein Herz raste immer weiter, mein Atem ging zu schnell und genau in diesem Moment platzte mein Vater herein.
„Was ich von dir will? Dass du endlich leise bist! Ich hab dir doch schon tausend Mal gesagt, du sollst gefälligst leise sein, wir schlafen! Was schreist du hier also so rum?“ Erschrocken und gleichzeitig verwirrt starrte ich ihn an und bekam kein Wort heraus. Noch bevor ich mich fangen konnte, verschwand er wieder und schmiss die Tür so laut zu, dass der Boden bebte. Als wäre das jetzt so viel leiser gewesen. Ich hätte schwören können vorhin die Tür zugeschlossen zu haben, aber das war jetzt wohl meine kleinste Sorge.
Immer noch stand ich wie angewurzelt dar, mein Vater hatte mich noch mehr in Schrecken versetzt und mir das Gefühl gegeben ich würde mich doch nicht in einem Traum befinden, obwohl ich davon auch nicht besonders überzeugt gewesen war. Angespannt starrte ich die geschlossene Tür an und wagte es nicht mich zu rühren oder gar in die Richtung des Mädchens zu schauen. Eine Weile verharrte ich in dieser Position, doch irgendwann gestand ich mir ein, dass ich so nicht vorwärts kommen würde und so wagte ich einen kurzen, riskanten Blick in ihre Richtung.
Erleichtert atmete ich auf. Sie war weg. Weg, wie nicht da, verschwunden, unsichtbar, nicht existierend, abwesend. Wie um alles in der Welt konnte das sein? Eigentlich könnte es mir egal sein, denn was nicht da war konnte mir keine Schwierigkeiten bereiten, aber die Tatsache, dass sie genauso schnell wieder auftauchen könnte, bereitete mir doch große Sorgen.
Schwer atmend seufzte ich und versuchte mich wieder zu fangen. Mit zittrigen Hände fuhr ich mir durchs Haar und versuchte damit die aufsteigende Hitze in mir zu verlieren. Meine Hände waren immer noch schwitzig und kalt. Unsicher hob ich die heruntergefallene Zahnbürste auf und wagte es dabei nicht, auch nur ein mal zu blinzeln.
Schließlich brachte ich meinen Körper dazu sich aus dieser steifen Lage zu befreien und mich langsam und mit immer doller werdenden Herzschlag zum Waschbecken zu bewegen. Schnell griff ich nach meiner Waschtasche und rannte mir Panik-Attacken auf den Flur.
Leise schlich ich in mein Zimmer und legte meine Sachen auf dem Beistelltisch ab. Dann setzte ich mich erschöpft aufs Bett und starrte die Decke an. Natürlich saß ich bei hell scheinenden Licht und blickte aufgeregt immer wieder abwechselnd in jede Ecke. Zugegebener Maßen hatte ich panische Angst, dass sie wieder aus dem Nichts auftauchen würde und dann ihr begonnens Ziel weiter verfolgen würde.
So könnte ich definitiv nicht einschlafen, also griff ich nach meinem Handy und schloss es an die Steckdose an. Nachdem es hochgefahren war und ich das Internet wieder angeschaltet hatte, tauchten unzählige Nachrichten von Anne und Gruppenchats auf. Alle ließen sie mir ihre tollen Urlaubsbilder zukommen, die mich immer genervter machten. Es konnte doch echt nicht sein, dass ich die Einzige war, die sich im Nirgendwo mit ihren spießigen Eltern rumtreiben musste. Wieder seufzte ich und legte mein Handy frustriert zur Seite, da ich diese quälenden Bilder nicht mehr ertragen konnte.
Eins stand fest, ich musste etwas machen und vor allem musste ich mich davon überzeugen, dass ich nicht kurz vor dem Wahnsinn stand. Ich war mir nicht sicher ob ich hoffen sollte, dass ich es mir nicht eingebildet hatte oder mich lieber als Verrückt erklären lassen sollte. Im Enddefekt wäre beides scheiße, nur würde mich die eine Variante nicht umbringen wollen. Das Problem bei der zweiten Variante war nur, dass ich mich selbst für perfekt hielt. Das hatten mir schon viele Leute gesagt und natürlich glaubte ich ihnen. Also würden mir Halluzinationen sicher nicht gut tun.
Es war eine Mischung aus Ehrgeiz, Neugierde und Dummheit, die mich dazu trieb das Zimmer wieder zu verlassen und mich selbst davon zu überzeugen, dass es hinter diesem Bild einen weiteren Raum geben musste. Es würde einfach nicht zu meinem Image passen verrückt zu sein und zugegebener Maßen hatte ich den Drang dazu, mich selbst von meiner psychischen Gesundheit zu überzeugen.
Gedankenversunken verließ ich also das sichere Gebiet und wagte mich erneut auf den dunklen Flur. Schnell machte ich das Licht an und ließ dabei die Tür ins Schloss fallen. Mist, ich hatte vergessen den Schlüssel mitzunehmen. Egal an meinem Vorhaben konnte das nichts mehr ändern. Also lief ich vorsichtig zur Treppe und tapste einige Stufen nach unten, um an das Gemälde ranzukommen. Dabei knarrte jede einzelne Stufe verboten laut und weckte wohl möglich das gesamte Schloss auf. Gespannt streckte ich mich über das Geländer und blendete alle Ängste aus, die sich bis eben in meinem Kopf befunden hatten. Dabei rutschte mein Pullover etwas hoch, sodass mein Bauch auf dem kalten Treppengeländer lag und ich die Kühle spürte, die durch meinen Körper floss. Angestrengt hob ich es nur ein wenig an.
Doch die Enttäuschung war groß, als ich nichts dahinter erkennen konnte. Das Geländer war viel zu weit davor. Ich fasste hinter das Bild an die Wand... wieder nichts.
Fluchend ließ ich es wieder los und verlor dabei das Gleichgewicht. Unkontrolliert fiel ich auf eine der morschen Treppenstufen und verursachte damit nicht nur ein Knarren, sondern auch einen dumpfen Aufprall. Es dauerte keine drei Sekunden, bis die Tür unseres Apartments aufgeschlagen wurde und mein Vater wutentbrannt auf mich zu gestapft kam. Sein Kopf war knallrot und schon jetzt konnte ich mir vorstellen, welche Worte gleich über seine Lippen kommen würden.
„Was machst du denn jetzt schon wieder? Testest du aus wie sich die Treppen anhören? Komm endlich ins Bett! Es ist bereits 23:30 Uhr! Ich werde dich nicht noch ein weiteres Mal ermahnen, ansonsten schmeiße ich dich raus und du kannst gefälligst draußen schlafen!“, zischte er wütend und baute sich bedrohlich vor mir auf. Doch damit hinterließ er keinen Eindruck bei mir. Augen rollend stand ich wieder auf und stellte mich vor ihn.
„Ich hatte Hunger und wollte noch was essen“, log ich. Er zog die Augenbrauen kritisch hoch und schüttelte ungläubig den Kopf.
„Deswegen hast du dir auch vorher die Zähne geputzt, das macht natürlich Sinn. Und wo wolltest du um diese Zeit Essen herbekommen?“, hakte nach, wobei er immer mehr ins Schreien verfiel. Das er auch jedes Mal aus einer Mücke einen Elefanten machen musste.
„Verarsch' mich nicht!“
„Ähm ich habe mir die Zähne noch gar nicht geputzt.“, meinte ich schnell und dieses mal schwindelte ich ihn nicht einmal an.
„Das ist mir egal. Komm jetzt schlafen!“
„Dann ist es aber deine Schuld, wenn ich Karies bekomme.“
„Mir egal“, brummte er und verschwand nach drinnen. Dabei ließ er die Tür einen Spalt offen und ersparte mir weitere Unannehmlichkeiten. Wir hatten uns anscheinend so laut unterhalten, dass es meine Mum mitbekommen hatte, denn nun stand sie an der Tür und winkte mich mit einer verärgerten Kopfbewegung rein. Seufzend tat ich das, was von mir verlangt wurde und legte mich nicht weiter rührend ins Bett.
Die Nacht schlief ich nur unruhig, was wohl daran lag, dass mir das Mädchen immer noch Angst machte. Ich träumte immer wieder von einem Amulett... Doch plötzlich hörte ich eine Geräusch und schreckte hoch. Ich war mir zwar nicht sicher was ich machen sollte, aber ich wollte auf keinen Fall nach sehen. Die heutigen Ereignisse hatten mir gereicht und ich konnte auf weitere ungewöhnliche Erscheinungen verzichten.
Es lag nicht an meinem fehlenden Mut oder der Kraft, ich entschied mich einfach dazu liegen zu bleiben, da ich heute schon genügend Unerklärliches erlebt hatte. Irgendwann war einfach Schluss.
Mitten in meinen Überlegungen wurde ich jedoch aus meinem Bett gerissen und auf den Flur geschleppt. Als wäre ich in einer Schlafparalyse gefangen, konnte ich meinen Körper nicht mehr bewegen und wurde von einer unsichtbaren Kraft ins Badezimmer gezogen. Nicht einmal schreien konnte ich. Wieder verfiel ich in Panik und dieses Mal war es noch stärker als zuvor, da ich mir nur zu gut vorstellen konnte, was auf mich zukommen sollte.
Die Zeit verging rasend schnell und bevor ich mich versah, befand ich mich schon im Badezimmer. Den ganzen Raum hatte jemand mit grauen Zeichnungen versehen, die den unheimlichen Grafen mit seinem Amulett zeigten und einen grauen Tunnel, den ich mit nichts hier in Verbindung bringen konnte. Alles hier klatschte mir ein fettes Fragezeichen ins Gesicht und schien nicht damit aufhören zu wollen. Nur kurz hatte mich diese Kraft in der Mitte des Badezimmers verharren lassen. Schnell schleppte sie mich weiter, direkt vor den Spiegel und zwang mich dazu, mich meiner größten Angst zu stellen.
Doch es war nicht das Mädchen was mich erschrecken sollte. Stattdessen hing am Spiegel ein schwarz- weißes Bild von einem Mädchen, das blutüberströmt auf dem Boden lag und mit aufgerissenen Augen in den Himmel starrte. Eine Weile schaute ich es an, bis ich die Gesichtsstrukturen erkannte und voller Schrecken feststellen musste, dass es sich um eine Zeichnung handelte, die mich abbildete. Auf diesem Bild lag ich tot, erstochen auf dem Boden! Mein Herz machte einen Aussetzer und in mir pausierte alles für einen kurzen Augenblick. Was hatte ich ihr nur getan? Sie musste hinter diesen Bildern stecken und sie musste meinen Tod wollen. Aber warum? Und warum hatte sie mich noch nicht getötet, wenn sie das so sehr wollte? Wo zur Hölle war sie?
Mit einem Schlag wurde es hell um mich herum und ich erkannte, dass ich mich nicht mehr im Badezimmer befand. Nur langsam konnte ich mich beruhigen, als ich erkannte, dass ich in einer halbwegs sicheren Umgebung war und in dem Bett unseres Apartments lag. Für einen Moment erfüllte mich das Gefühl von Freude und Erleichterung, doch dann realisierte ich, dass ich mich immer noch in diesem Horrorurlaub befand. Heute würde ich abhauen! Extrem genervt richtete ich mich auf und versuchte meinen rasenden Herzschlag zu normalisieren. Still und regungslos starrte ich die Wand vor mir an und versuchte zu verstehen, dass ich nur geträumt hatte. Doch leider war es nur ein Traum von diesem Bild gewesen. Alles was ich gestern erlebt hatte war wirklich passiert und das beunruhigte mich selbst am helllichten Tage.
Plötzlich hörte ich die hysterisch, kreischende Stimme meiner Mutter und konnte mir einfach nicht verkneifen, die Augen zu verdrehen. Warum musste sie jede Reaktion so unglaublich übertreiben, dass sie sich jedes Mal lächerlich machte?
„Alexandra, seit wann kannst du so gut Zeichnen?“, fragte sie und stürmte ohne anzuklopfen in mein Zimmer. Privatsphäre war ihr immer noch ein Fremdwort. Seufzend zog ich meine Decke wieder etwas höher und blickte ihr mürrisch entgegnen.
„Hier ist es kalt“, klagte ich ohne auf ihre Frage einzugehen. Schnell lief ich zu meinem Fenster und wollte es schließen. Doch dann erinnerte ich mich wieder daran, dass es kaputt war und stöhnte genervt auf. Draußen herrschte ein ungemütliches Wetter. Der dichte Nebel hatte das Schloss immer noch umkreist und der Regen musste wieder eingesetzt haben.
„Gute Idee, mach es auf. hier ist schreckliche Luft.“
„Bloß nicht, ich wollte es schließen, aber es ist bereits zu.“
„Du könntest wenigstens ein wenig lüften, hier ist es ganz stickig.“ Ach was, ist ja auch ein uraltes Gebäude, wonach sollte es schon riechen? Blumen?
„Hier ist es aber kalt.“
„Das ist mir egal, also? Wie kommst du auf die Idee so einen komischen Menschen zu malen, der macht Mia mit Sicherheit Angst“, erklärte sie und hielt mir ein, mit Bleistift gemaltes Bild vom Grafen, unter die Nase. Erschrocken wich ich einen Schritt nach hinten und überlegte wie ich ihr möglichst logisch von den gestrigen Begegnungen erzählen könnte.
„Das war ich nicht und...“
„Sicher, wer soll es denn sonst gewesen sein? Alle anderen haben schon lange geschlafen“, unterbrach sie mich unfreundlich und musterte mich mit kritischer Miene. Warum hatte sie schon wieder so einen vorwurfsvollen Unterton? Selbst wenn ich es gezeichnet hätte, dann wäre das doch wohl kein Weltuntergang.
„Vielleicht haben das andere Gäste hier vergessen?“
„Es lag in meinen Sachen, warum gibst du es nicht einfach zu?“
„Weil ich es eben nicht war“, zischte ich und vergaß, dass ich mich eigentlich zusammenreißen wollte. Wahrscheinlich konnte ich ihr den Verdacht nicht mal übel nehmen, aber ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass ich so gut nicht zeichnen konnte. Dafür konnte ich andere Sachen natürlich um so besser.
„Wann ruft ihr mir ein Taxi?“, fragte ich genervt und warf einen Blick auf die Uhr.
„Gar nicht, du bleibst hier, dass habe ich dir von Anfang an gesagt.“
„Sicher nicht!“
„Ohne uns kommst du hier nicht weg, also wirst du dich die zwei Wochen mit diesem Ort wohl zufrieden geben müssen.“
„Das ist nicht dein Ernst oder? Ich halte es hier keine Minute länger aus. Hast du mal gesehen, wie die Bettdecken und die Laken aussehen? Von den verstaubten Schränken ganz zu schweigen“, antworte ich zunehmend fassungslos und fragte mich, wie sie es überhaupt übers Herz bringen konnte, uns hier festzuhalten. Meinen Bruder konnte man mit Sicherheit auch nicht für diese Bruchbude begeistern. Immerhin gab es hier kein Wlan und auch der Fernseher musste noch aus dem letzten Jahrhundert übrig geblieben sein.
„Jetzt hab dich mal nicht so, in den Koffern haben wir eigene Bettwäsche, wenn dir das so wichtig ist kannst du dein Bett nachher beziehen.“
„Ich?“ Ich sollte ein Bett beziehen? Jetzt wurde es verrückt, dass hatte ich das letzte mal in der siebten Klasse auf Klassenfahrt machen sollen und auch dort hatte ich mich geschickt darum drücken können, da der Depp von nebenan das in die Hand genommen hatte.
„Werd mal ein bissen eigenständiger“, schlug meine Mum gespielt, begeistert vor, drückte mir das Bild in die Hand und verschwand in das Zimmer von Tom.
„Wir gehen schon mal essen, komm du einfach hinterher, wir brauchen eh länger“, brüllte mein Dad durch das Zimmer und schließlich verschwanden sie mit einem lauten Rums. Ich war kurz davor an die Decke zu gehen. Die wollten mich doch verarschen, keine Sekunde länger könnte ich es hier aushalten. Den dreckigen Umständen wegen und vor allen wollte ich von diesen mysteriösen Ereignissen Abstand gewinnen. Wenn ich jetzt gehen würde, dann könnte ich sie in einigen Wochen vielleicht vergessen haben und alles würde wieder so werden, wie es nun mal war. Ohne dass ich an meinem Verstand zweifeln müsste. Darüber würde ich mir allerdings später Gedanken machen.
Aber wie zur Hölle war dieses Bild zu den Sachen meiner Mum gekommen? Wie? Langsam fing ich an zu glauben, dass dieses Mädchen nicht nur mich auf dem Kicker hatte, auch wenn ich immer noch nicht verstehen konnte, was sie von mir wollen könnte. Eigentlich wollte ich nichts mit ihr zu tun haben, aber ich konnte nicht anders. Natürlich machte sie mir Angst und wahrscheinlich war es dumm von mir, sich mit ihr beschäftigen zu wollten, aber ich hatte das Gefühl, als hätte ich keine andere Wahl, immerhin wollte sie mich töten. Die Zeichen die sie mir hinterließ konnte man jedenfalls kaum anders deuten. Vielleicht wollte sie mir auch nur Angst machen und mich testen, testen wie schnell ich davon laufen würde.
Misstrauisch musterte ich das Bild und entdeckte ein paar merkwürdige Zeichen am unteren Ende des Bildes, die mir bekannt vorkamen. Ich konnte sie nicht lesen, doch ich war mir sicher, dass ich sie von irgendwoher kannte. Das Bad! Schoss es mir in den Kopf und ich fing an mich daran zu erinnern, sie gestern am Spiegel entdeckt zu haben. In dem Moment wo das Mädchen aufgetaucht war, hatte ich sie erst gar nicht richtig mitbekommen, doch jetzt konnte ich mich ganz genau an sie erinnern.
Langsam fing ich in meinen kurzen Sachen an zu frieren, also legte ich das Blatt auf mein Bett, zog mich um und widmete meine Aufmerksamkeit für einen Moment wieder meinem Handy. Ich hielt es für das Beste diese Zeichen abzufotografieren. Schließlich wäre es nicht besonders verwunderlich, wenn sie mit einem Mal verschwinden würden. Doch als ich es anschalten wollte, stürzte es direkt wieder ab und zeigte mir an, dass es nur noch ein Prozent Akku hatte. Wie konnte das sein? Es hatte die ganze Nacht geladen. Was funktionierte an diesem ekelhaften Ort überhaupt? Seufzend zog ich das Kabel aus der Steckdose und suchte mir einen anderen Ort, wo ich es laden könnte. Dieses Mal kontrollierte ich länger, ob es auch wirklich lädt. Da ich damit erst mal nichts anfangen konnte, suchte ich nach der Kamera meiner Eltern, doch auch diese war unauffindbar. Wahrscheinlich hatten sie sie mit nach unten genommen. Aber wofür? Um zu filmen wie Mia das ungenießbare Essen wieder auskotzte?
Schon bei dem Gedanken hier etwas essen zu müssen, kam in mir alles wieder hoch. Doch es half ja alles nichts. Also verließ ich das Zimmer und wagte mich auf die Treppe nach unten. Ich steuerte die Rezeption an, um mich dort nach dem Essensaal zu erkundigen, doch ich zweifelte stark daran, dass sich dort überhaupt jemand rumtreiben würde. Schließlich war die Wahrscheinlich, dass es jemanden in diesem Schloss gab, der sich freiwillig an die Rezeption stellte, so groß wie die, dass dieser Urlaub noch schön werden könnte, also genau 0 Prozent!... oder vielleicht lag die Wahrscheinlichkeit schon im Minusbereich.
Es war eigenartig, dass ich direkt wieder an diesen Jungen denken musste. Umso länger ich mich an ihn erinnerte, desto mehr kam dieses aufgeregte, nervöse und mulmige Gefühl zurück. Es war mir klar, dass er verrückt sein musste, trotzdem war da etwas in mir was ihn unbedingt näher kennenlernen wollte. Vielleicht war seine mysteriöse Reaktion genau der Grund dafür.
Zögernd ließ ich die letzte Treppenstufe hinter mir und warf einen flüchtigen Blick zu der Rezeption. Direkt begann mein Herzu zu rasen, als ich in das Gesicht des Jungens erblickte und erkannte, dass es der Typ von gestern Nacht war. Schnell richtete ich meine Haare und versuchte dann selbstbewusst auf ihn zu zu laufen.
Nach einer kurzen Begrüßung hatte ich ihn nach dem Essenssaal gefragt, dabei war in mir eine ungewohnte Unsicherheit aufgetaucht. Warum zur Hölle war das nur so? Er war doch nur ein ganz normaler Mensch, den ich nicht einmal kannte.
Eine Weile hatte er mich nur anstarren können, bis er eine Antwort zustande bekam, doch diese war mehr als nur enttäuschend.
„Du... du... bist ein echter Mensch!?“ Diese Antwort nahm mir für einen Moment die Aufregung und so kehrte mein gewohntes, schnippisches und schlagfertiges Ich zurück.
„Bitte? Natürlich bin ich ein Mensch, was denn auch sonst?“
„Du bist ein echter Mensch“, wiederholte er sich ohne dabei jedoch zu stottern.
„Sag bloß, vielleicht bin ich aber auch ein Wolf, also der Unterschied ist wohl kaum zu erkennen!“, zischte ich genervt und versuchte dabei meine Enttäuschung zu überspielen, die mir wohl wie ins Gesicht geschrieben war.
„Also kannst du mir jetzt sagen wo der Essensaal ist oder stehst du hier nur dumm rum um
„Menschen“ zu begaffen?“
„Du … du bist ein echter Mensch“, stellte er erneut fest und starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. Kopfschüttelnd stieß ich mich vom Tresen weg und suchte selbst nach dem Essensaal, er könnte mir mit Sicherheit nicht weiterhelfen, der hatte ja komplett einen an der Waffel.