Auf dem Weg ins Hotel hatten sie kaum die Finger voneinander lassen können. Sie hatten sich gierig und zärtlich zugleich geliebt und sich viel Zeit dafür genommen. Danach hatten sie beieinander gelegen und still die Nähe des jeweils anderen genossen.
Jan spielte verschlafen mit einer von Isabelles Haarsträhnen.
"Wir müssen besser auf uns aufpassen", sagte er und sah ihr in die Augen.
"Unbedingt", antwortete sie. Sie rollte sich in seinen Arm und bettete ihren Kopf auf seine Brust.
"Ich habe dir was versprochen Jan, aber du musst ein wenig mithelfen." Sie streichelte seinen Oberkörper und wartete auf seine Reaktion. Jan schluckte und nickte leicht.
"Ich weiß. Es tut mir so leid. Bitte glaub mir, ich werde alles tun. Auf gar keinen Fall will ich dich verlieren oder verletzen." Er schlang seine Arme um sie und zog sie an sich heran. "Alles, was du verlangst", flüsterte er leise. Seufzend gab sie ihm einen kurzen Kuss auf die Stirn.
"Wir werden uns ganz in Ruhe hinsetzten, Jan. Aber jetzt sollten wir schlafen. Die Nacht ist kurz. Und ich bin ja jetzt bei dir." Gemeinsam kuschelten sie sich unter die Decke. Bereits nach wenigen Minuten entspannte sich Jan und sein Atem ging ruhig.
Isabelle wartete noch einen Moment, dann löste sie sich von ihm und verschwand auf leisen Sohlen im Badezimmer. Schnell zog sie sich ein Schlafshirt über und putzte sich die Zähne. Lächelnd saß sie auf dem Badewannenrand. Das Wiedersehen war sehr viel besser verlaufen, als sie gedacht hatte. Sie hatte ehrlicherweise mit einem verschlossenen Jan gerechnet und sich auf ein hartes Stück Arbeit eingestellt. Stattdessen war er derjenige gewesen, der sich sofort seinen Gefühlen gestellt hatte. Und vor allem, er hatte sie mit ihr geteilt. Als er auf der Bühne gestanden und mit seinem Solo begonnen hatte, hatte sie ihn sofort verstanden. Und er hatte die magischen Worte gesagt, auf die sie noch gar nicht gehofft hatte. Überhaupt wirkte er so weich. Während sie den Becher spülte, lächelte sie ihr Spiegelbild an. Dennoch hatte sie auch gesehen, wie es ihm ging. Hinter der Fassade. Er wirkte mager, etwas fahrig in seinen Bewegungen. Seufzend wusch sie sich die Hände. Die Arbeit mit ihm würde nicht leicht werden, aber Isabelle hatte sich entschieden. Plötzlich stutze sie.
Auf der Ablage zwischen Zahnpasta und Wasserglas lag eine Schachtel, darauf ein fast leerer Streifen. Jan nahm ihres Wissens keine regelmäßigen Tabletten, außer die leichten Stimmungsaufheller, die ihm schon vor Wochen verschrieben worden waren. Deren Packung sah aber anders aus, die kannte sie. Sie studierte den Aufkleber. Mit dem Medikament konnte sie auf Anhieb nichts anfangen. Leise huschte sie zurück ins Zimmer und holte ihr Handy. Einige Minuten später wusste sie, dass es sich um Beruhigungsmittel handelte. Keine schweren allerdings. Seit wann hatte er denn die? Wie oft nahm er sie? Es fehlten 15 Tabletten. Gut, darüber musste sie mit ihm sprechen. Morgen, beschloss sie, denn Jan schlief ruhig, tief und fest, als sie ins Bett zurückkam. Was machst du nur, fragte sie sich und gab ihm einen sanften Kuss.
Der Start in den Tag verlief holprig. David freute sich unbändig sie zu sehen und auch Jule begrüßte sie freudig. Doch schon vor der Abfahrt an den Bahnhof bemerkte sie, dass es Jan überhaupt nicht gut ging. Das Frühstück hatte er ausfallen lassen und er klagte wieder über Bauchschmerzen und Übelkeit. Zusammen mit Jule hatte sie seine Sachen gepackt. Auch Alex wirkte besorgt, als sie die Abteile bezogen, die er für die Fahrt reserviert hatte. Schwerfällig hatte Jan sich in seinen Sitz fallen lassen und er antwortete nur wortkarg auf jedwede Ansprache. Er reagierte gereizt auf die Kinder, die sich um den besten Fensterplatz stritten. Zu ihrer großen Erleichterung nahmen sich Jule und Flo den Jungs an und suchten mit ihnen zusammen den Speisewagen.
Zwei Stunden vor der geplanten Ankunft in Wien nahm Alex ihnen eine erste Entscheidung ab. In dieser Verfassung würde Jan auf keinen Fall auf die Bühne gehen. Mit einem ernsten Blick bot er Jan und Isabelle gar an, direkt nach Hause zu fliegen. Sie würden die Reihe ohne ihn zu Ende bringen. Florian telefonierte schon von unterwegs mit seinem Hausarzt, der Jan sofort dazwischenschieben konnte, sie sollten sich melden. Währenddessen wuchs in Isabelle die Sorge weiter. Jan hatte Fieber und wirkte beinahe lethargisch. Nachdenklich lehnte Florian an der Abteiltür, als sie nur noch 20 Minuten vom Hauptbahnhof entfernt waren.
"Ich habe meine Nanny angerufen. Sie kann David mitnehmen, wenn sie Max einsammelt. Was hältst du davon, dass ihr nicht ins Hotel eincheckt, sondern bei mir unterkommt, bis eure Heimreise organisiert ist?", fragte er. Dankbar sah Isabelle ihn an, während sie Jan eine Strähne aus der warmen Stirn schob. Er hatte eindeutig hohes Fieber und behielt mittlerweile nichts mehr bei sich. Jule hatte die Jungs in ein anderes Abteil mitgenommen, so dass David seinen Vater so nicht erleben musste.
"Danke. Ich denke, das ist ganz in Jans Sinne." Sie zuckte mit den Achseln. "Kein Ahnung, wann er überhaupt in einen Flieger steigen kann. Vielleicht organisiere ich besser ein Auto", überlegte sie weiter. Florian sah zur Uhr. "Ich helfe Jule mal mit dem Einpacken und Anziehen der Jungs. Eure Koffer hole ich dann. Wir haben ein bisschen Aufenthalt. Jan soll liegen bleiben, Alex und ich helfen ihm dann raus." Aufmunternd zwinkerte er ihr zu, während Isabelle am Liebsten geweint hätte. Die Fürsorge der Kollegen rührte sie. So wie sie schon der Vermittlungsversuch beeindruckt hatte.
Am Bahnhof herrschte dann ein kleines Durcheinander. David heulte, da er Jan nirgends sehen konnte und weigerte sich mit Jule auszusteigen. Erst Isabelle konnte ihn dazu bewegen, den Zug zu verlassen. Fest drückte der Junge seinen heißbeliebten Teddybär an sich und stand etwas verloren neben Max auf dem Bahnsteig. Mia, Felix und Gina wurden mit ihrem Gepäck und Jule zum Theater vorgeschickt. Während Alex mit Jans Gepäck ausstieg, half Florian seinem Freund zu einer Bank. Er sah zu Isabelle, schüttelte den Kopf und hangelte nach seinem Handy. Mit einem Ohr bekam Isabelle mit, dass er den Hausarzt kontaktierte. Jan schien noch blasser als vorhin und konnte sich kaum aufrecht halten. Hilflos sah sie zu Alex, der an ihr vorbei ging und sich ebenfalls vor Jan kniete. Obwohl sie auf einmal eine große Angst spürte, versuchte Isabelle die Kinder abzulenken. Laut Florian müsste die Nanny jeden Moment da sein.
Dann ging alles furchtbar schnell. Florians Hausarzt, der seine Praxis auf der Rückseite des Bahnhofs unterhielt, war herbeigeeilt und rief nach einem kurzen Blick auf Jan den Rettungswagen. gleichzeitig mit jenem traf die Nanny ein. Unter lautstarkem Protest wurde David mit Max und Johanna ins Taxi gesetzt. Isabelle wollte an Jans Seite bleiben und fuhr mit Alex und Florian in das vom Rettungsdienst genannte Spital.
Immer nervöser ging Isabelle auf und ab. Sie saßen seit einer gefühlte Ewigkeit in einem separaten Wartebereich vor den OP-Sälen. Nur kurz war ein Arzt bei Ihnen gewesen. Mehr, als dass Jan sofort operiert werden sollte, hatten sie nicht erfahren. Zwischendurch hatte Isabelle mit Alex einen Fragebogen ausgefüllt, den die Ärzte offenbar dringend benötigten. Dabei hatte Alex die Notfallunterlagen seines Schützlings überreicht, welche die Ärzte unter anderem von der Schweigepflicht ihm gegenüber entband.
Schon kurz nach 15 Uhr. Florian sah immer wieder zur Uhr. Ohne weitere Informationen über Jans Zustand wollte er hier nicht weg. Isabelle blieb an der Tür stehen.
"Da tut sich was", meinte sie, während sie an den Counter sah. "Ich glaube, dass ist der ältere Arzt, der vorhin mal da war." Alex und Florian standen von ihren Plätzen auf und kamen zu ihr. Der Arzt füllte etwas aus, sprach mit einer Schwester und sah dann zu ihnen. Isabelles Herz setzte einen Moment aus. Als der Arzt endlich näher kam, wurde ihr Mund ganz trocken.
"Guten Tag, Sie gehören zu unserem deutschen Gast?", fragte der Arzt freundlich und Isabelle mochte ihn sofort.
"Ich bin Dr. Tillmann, ich habe Herrn Lehmann soeben operiert", stellte er sich vor und nahm interessiert Alex´ Vorstellungsrunde zur Kenntnis. "Setzen wir uns doch kurz", schlug er vor. Als er saß, öffnete er die Kladde. Er bedankte sich bei Isabelle für die Informationen zu den Beruhigungstabletten. Irgendwann war ihr die Schachtel eingefallen, die sie noch immer bei sich trug und hatte es einer Schwester aufgeregt in die Hand gedrückt.
"Wir hatten ein paar Probleme mit der Narkose und dem Blutdruck. Das passt zu den Tabletten. Davon dürfte ihr Freund einiges im Blut gehabt haben, wir warten noch auf den Laborbefund. Es kann jetzt ein wenig länger dauern, bis er wach wird. Wir werden ihn auch länger als üblich beobachten, ehe wir ihn auf Station entlassen. Die Wechselwirkungen sind nicht ganz harmlos." Ernst sah er Isabelle an. "Es sind leichte Wirkstoffe in dem Mittel. Nichts desto Trotz führen größere Mengen auch hier zu einer gewissen Abhängigkeit. Ich hoffe, Sie haben das im Griff?"
Stumm liefen Isabelle einige Tränen über das Gesicht. Beruhigend nahm Alex ihre Hand.
"Darüber werden wir mit ihm sprechen", sagte er. Dr. Tillmann nickte.
"Nun gut. Ansonsten hatte er einen großen Schutzengel. Der Blinddarm muss erst kurz vor der Einlieferung durchgebrochen sein. Wir haben diesen entfernt, den Eiter absaugen können und verabreichen jetzt noch Antibiotika, um eine weitergehende Entzündung zu vermeiden."
Wieder sah er die Drei ernst an.
"Wir erwarten hier keine dramatischen Komplikationen, wir konnten ja direkt eingreifen. Das hätte aber auch anders ausgehen können. Jede Minute später hätte kritisch werden können."
Isabelles Tränen liefen nun unkontrolliert ihre Wangen herunter. Der Arzt nickte beruhigend.
"Wie gesagt, sehr viel Glück gehabt. Durch die verstärkte Narkose hatten wir während der Operation mit dem Kreislauf zu kämpfen. Im Moment überwachen wir ihn daher auf der Intensiv. Das kann gut und gerne noch zwei Stunden dauern, ehe er richtig zu sich kommt." Mit einer Hand wischte sich Isabelle die Tränen aus dem Gesicht.
"Kann ich ihn sehen?", fragte sie leise. Der Chirurg überlegte kurz und nickte dann vorsichtig.
"Ausnahmsweise, aber nur kurz. Ich nehme sie direkt mit." Dankbar drückte sie Alex` Hand und stand auf.
"Alles klar. Wir warten hier auf dich", meinte Florian und lächelte sie ermutigend an.
Sie folgte den Anweisungen der Schwester, die sich als Moni vorgestellt hatte und folgte jener in das Zimmer.
Im Vorbeigehen griff die Krankenschwester nach der Kladde, die der Chirurg für sie abgelegt hatte.
Zögernd ging Isabelle zum Bett, die vielen Geräte und Geräusche erschreckten sie. Die Schwester blieb an einem Monitor stehen und notierte sich ein paar der Daten, dann kontrollierte sie den Tropf.
Jan wirkte fast ein wenig verloren zwischen all den Schläuchen. Behutsam griff Isabelle nach seiner Hand.
"Ach, Jan", seufzte sie. Mit der anderen Hand streichelte sie kurz sein Gesicht. Noch immer fühlte er sich warm an. "Du machst Sachen. Wir wollten doch auf uns aufpassen", murmelte sie.
Aufmunternd sah die Schwester sie an.
"Das wird schon. Im OP hat er uns ein bisschen Kummer gemacht, aber jetzt sieht alles ganz gut aus. Vorhin war er schon kurz wach, aber noch ziemlich verwirrt. Das ist nach der Narkose aber normal." Dann sah sie kurz zur Uhr. "Nun kommen Sie, er braucht noch Ruhe und Schlaf ist da am Besten." Mit einem leichten Kuss auf die Stirn verabschiedete sich Isabelle und folgte der Schwester nach draußen.
Während Alex ans Theater fuhr, brachte Florian seinen Gast nach Hause. Dort wartete ein unruhiger David, der sich Isabelle sofort in die Arme warf. So altersgerecht wie möglich erklärte sie dem kleinen Kerl dann die Situation. Die sie selbst noch gar nicht richtig verstanden hatte. Als sich auch Florian für den Auftritt verabschiedet hatte, suchte sie für Jan ein paar Dinge zusammen und machte sich auf den Weg zurück ins Spital. David war Gott sei Dank durch Max und dessen reichhaltig vorhandenes Spielzeug abgelenkt gewesen. Entgegen der Voraussage von Schwester Moni war Jan dann aber doch nicht verlegt worden. Eigentlich hatte es geheißen, dass er noch vor der Nacht von der Intensiv- auf die normale Station hätte kommen sollen. Ihr wurde flau. Was hatte das zu bedeuten?
"Der Arzt wollte sowieso noch mit Ihnen sprechen, der ist in zehn Minuten da. Würden Sie so kurz warten?", fragte die Schwester sanft und nahm ihr den Kulturbeutel ab. Nervös setzte sich Isabelle auf eine Bank vor Jans Zimmer. Die Zeit wurde ihr lang. Aus dem Nebenzimmer kamen zwei weinende Personen, die sich gegenseitig stützten. Ihr lief es eiskalt den Rücken herunter. So kurz vor Weihnachten sollte niemand so leiden, dachte sie sich.
"Frau Paul?" Der Arzt riss sie aus ihren Gedanken und setzte sich zu ihr. "Wir haben vorhin entschieden, ihren Freund über Nacht zur Beobachtung hierzubehalten. Ich möchte betonen, dass es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme handelt." Er wartete kurz. "Wir haben die Laborergebnisse bekommen. Können Sie mit dem Begriff Diazepam etwas anfangen?", fragte er sie. Durch Isabelle Kopf huschte ein Gedanke, aber sie konnte ihn nicht greifen. Daher schüttelte sie den Kopf. Dr. Tillmann erläuterte ihr, dass der Wirkstoff vereinfacht auch als Valium bekannt sei und Jans Tabletten eben diesen Stoff beinhalteten. "Da das Medikament gut verträglich ist und damit Unruhezustände sowie Angst- und Panikattacken gut behandelt werden können, wird es sehr gerne verschrieben. Leider macht der Stoff aber auch schnell abhängig, so dass er nicht über einen längeren Zeitraum verschrieben wird. Im Blut Ihres Freundes haben wir den Wirkstoff in deutlich erhöhter Konzentration nachgewiesen. Gleichzeitig wirkte er bei der Narkose wie ein Katalysator. Wir hatten auf dem ersten Fragebogen ja nur den Hinweis auf das Baldrianpräparat."
Über den Rand seiner Brille sah er sie an. "Den Kreislauf haben wir nun im Griff, das war ein Resultat aus der hohen Dosierung aus Schlaf- und Narkosemitteln. An der Narkose hat Ihr Freund aber, salopp gesagt, noch zu knabbern. Zudem hat er sie nicht besonders gut vertragen. Wir werden über Nacht einfach noch ein wenig auf ihn aufpassen." Beruhigend legte er eine Hand auf die ihre. "Sie können kurz zu ihm und auch gerne ein paar Minuten bleiben. Er ist wach und ansprechbar."
Sie streichelte seine Hand und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Noch etwas benommen lächelte Jan sie schief an.
"Was ist passiert?", fragte er heiser.
Isabelle drückte liebevoll seine Hand. Fasste nur zusammen, dass seine Schmerzen der Blinddarm gewesen war und er viel Glück gehabt hatte.
"Du musst dich ausruhen. Morgen sieht die Welt bestimmt schon besser aus. David und ich sind bei Flo untergekommen. Mach dir um nichts Sorgen, hörst du." Er schluckte schwer und seine Lippen bebten ein bisschen. Ihr Herz zog sich zusammen. Wahrscheinlich kam noch gar nicht alles bei ihm an.
"Nicht weinen, bitte. Du bist in guten Händen und ich bin gleich morgen früh wieder hier. Versprochen", sagte sie sanft. "Das sind die Medikamente, die werden dir aber helfen, heute Nacht mal richtig gut zu schlafen, mein Schatz", fuhr sie fort und gab ihm einen Kuss in seine Hand.
Nur ungern hatte sich Isabelle nach einer Viertelstunde von Jan verabschiedet. Am liebsten wäre sie die ganze Nacht bei ihm geblieben. "Der stabilisiert sich, sie werden sehen", meinte die Schwester, während sie ihr den Kittel wieder abnahm.
Nun saß sie gut zwei Stunden später bei David am Bett und beobachtete den Kleinen beim Schlafen. Entgegen ihrer Befürchtung hatte er sich von Johanna ins Bett bringen lassen und war dann schnell zur Ruhe gekommen.
Erst gegen Mitternacht telefonierte sie nochmal mit Alex. Und auch mit Jule hatte sie gesprochen.
"Sag mal, habt ihr Jans Eltern eigentlich verständigt?", fragte sie. Am anderen Ende atmete Alex tief durch.
"Nein. Jule hat mich das vorhin schon gefragt, aber ich hatte es in dem Durcheinander vergessen. Wenn wir jetzt Mitten in der Nacht anrufen, versetzen wir sie nur in Angst und Schrecken. Jan ist stabil, also hat das bis morgen Zeit. Ich übernehme das, würde ihnen aber gerne deine Nummer geben. Sie werde sicherlich mit ihm sprechen wollen, sobald das möglich ist. Anke und Paul sind feine Menschen, die werden dankbar sein, von dir zu hören."
Nickend machte sie es sich auf dem Gästebett bequem.
"Was machen wir wegen der Tabletten?", fragte sie dann leise.
Sie hörte Jans Freund seufzen.
"Sobald es die Situation zulässt, werden wir mit Jan darüber reden müssen. Was glaubst du, steckt mehr dahinter?", wollte er wissen.
Isabelle zögerte. So gut kannte sie Alex noch nicht. Außerdem wusste sie nicht, ob ihr ein Urteil zu stand. Sie selbst hatte Jan für einige Tage allein gelassen. Obwohl sie um die angespannte Gesamtsituation gewusst hatte.
"Ich weiß es nicht", meinte sie ausweichend.
"Nun gut. Wir werden ja hören, was er zu sagen hat. Wir sollten schauen, dass er über die Weihnachtsferien Ruhe bekommt und erstmal gesund wird. Vorhin habe ich mit Florian gesprochen, er wird Jan bei zwei Konzerten im Januar vertreten. Somit kann ich ihm fünf Wochen Auszeit verschaffen. In denen sollte er fit werden, damit wir mit München kein Problem bekommen. Er braucht diesen Job, Isabelle."
Der Tonfall war ernst, wie Isabelle erkannte. Der Ernst der Lage wurde ihr bewusst. Nachdenklich wünschte sie Alex eine gute Nacht und kroch dann unter ihre Decke. Sie spürte, dass mehr dahinter stecke. Aber sie wollte Jan die Chance geben, sich selbst zu äußern. Sie betete, dass er den Warnschuss verstanden hatte.