Mit ganzer Kraft stieß Jebediah die eiserne Spitzhacke in die massive Felswand vor ihm. Der Schweiß rann ihm von der Stirn über das wettergegerbte Gesicht, tropfte von seinem Kinn hinab auf sein speckiges Hemd, welches er schon seit einiger Zeit nicht mehr gewechselt hatte.
Schlag auf Schlag ließ er folgen, immer wieder bröckelten einige Steine aus der Wand heraus, fielen auf den Boden und sammelten sich auf einem Haufen zu einen Füßen. Zumindest bis er eine Pause einlegte und den Schutt beiseite räumte. Aber er legte selten Pausen ein, zu groß war das Goldfieber, welches ihn gepackt hatte.
Jebediah stellte seine Spitzhacke kurz auf dem Boden ab und wischte sich den Schweiß aus den Augen. Er sah zurück in den Stollen, den er über die Wochen nach und nach ausgebaut hatte. Es wurde Zeit, wieder neue Stützbalken anzubringen, wenn er nicht von hunderten Tonnen Gestein zerquetscht werden wollte.
In Gedanken verfluchte er sich selbst. Natürlich war er spät dran. Hier am Klondike wurde schon lange nicht mehr nach Gold gesucht, aber er war sich sicher, dass er etwas finden würde. Deshalb schürfte er nicht am Fluss, sondern suchte im Gebirge nach seinen Schätzen. Er hatte es im Gefühl, dass er etwas finden würde. Und er hoffte, dass es eine unentdeckte Goldader wäre.
Er fuhrt sich mit der Hand durch seinen zottigen Bart. Kleine Steinchen rieselten aus ihm heraus. Dann trank er einen Schluck aus seinem Flachmann und machte sich zurück an sein Werk.
Verrückt hatten sie ihn genannt. Seit Jahren hätte hier niemand mehr Gold gefunden.
Das mochte sein, und vielleicht war er auch verrückt, aber das würde ihn nicht davon abhalten. Immerhin hatte sein Vater diesen Stollen vor Jahren begonnen, und mittlerweile zog er sich kilometerweit durch das Gebirge. Nachdem sein Vater die Suche aufgegeben hatte, hatte Jebediah den Stollen übernommen. Soweit war bisher niemand vorgedrungen, und so Gott wollte, würde er hier sein Glück finden.
Er holte zu einem mächtigen Schlag aus, die Spitzhacke traf auf den Felsen und ließ plötzlich die Wand vor ihn einstürzen.
Erschroclen trat er ein paar Schritte zurück, hielt sich schützend die Arme vor sein Gesicht. Hustend versuchte er den Staub aus seinen Lugen zu pressen, die wie Feuer brannten. Keuchend und mit einem unangenehmen Rasseln versuchte er Luft zu schnappen, während der Staub sich legte und das Geröll sich um seine Füße sammelte.
Er wedelte mit seiner Hand vor seinem Gesicht, vertrieb den Staub, der vor seinen tränenden Augen schwirrte, und starrte ungläubig auf das Bild, das sich vor ihm bot.
Er blickte auf eine weitere Wand. Doch diese war nicht wie die anderen.
Sie war aus hellem Gestein, welches er so noch nie gesehen hatte. Fast strahlend weiß und scheinbar unberührt glänzte sie.
Jebediah nahm einen weiteren Schluck aus seinem Flachmann und ging näher an die Wand.
Mit seinen Fingern fuhr er Zeichnungen nach, die in die Wand eingemeißelt waren und merkwürdige Kreaturen zeigten. Sie waren menschenähnlich, aber eher als Monster dargestellt. So sehr er sich auch bemühte, er konnte keinen Sinn in den Zeichnungen erkennen.
Dann entdeckte er eine Art Einlass in der Wand. Ohne groß Vorsicht walten zu lassen – dafür hatte ihn die Neugier zu sehr gepackt – griff er in den Einlass und tastete ihn mit seinen schwieligen Fingern ab. Etwas stach dort hervor, und als er etwas Druck darauf ausübte, hörte er ein leises Klicken, welches aus der Wand zu kommen schien.
Die Erde bebte leicht, und verunsichert trat Jebediah ein paar Schritte zurück, während die Wand vor ihm sich langsam teilte und zu beiden Seiten in den natürlichen Stein schob.
Ein breiter Gang tat sich vor ihm auf. Jebediah schnappte sich eine Fackel aus einer der Halterungen und folgte ihm, tiefer in das Gebirge hinein.
Konnte es vielleicht sein, dass doch schon Menschen vor ihm sich in diese Berge gegraben hatten? Aber wann sollte das passiert sein? Er konnte keine Anzeichen finden, wie alt dieser Gang war. Nur diese merkwürdigen Zeichnungen, die er noch immer nicht verstand, zogen sich an den Wänden entlang, die nun vollständig aus diesem merkwürdigen weißen Stein bestanden.
Jebediah folgte dem Gang immer tiefer in das Gebirge hinein, bis dieser sich schließlich ausdehnte und in einer großen Halle mündete.
Vorsichtig schritt er durch die Halle, in der nur seine kleine Fackel ihm Licht spendete. Der Lichtschein der Fackel traf nicht einmal mehr auf eine Wand, erhellte nur den weißen Boden unter seinen Füßen, der makellos erschien. So, als wäre dieser Raum erst vor kurzem gebaut worden.
Dann spiegelte etwas ein paar Meter vor ihm den Schein der Fackel. Neugierig, und gleichzeitig jetzt vorsichtiger, näherte er sich dem Objekt und traute seinen Augen kaum.
Es war ein Sarg, der vor ihm stand. Zumindest nahm er an, dass es sich um einen Sarg handelte.
Die Form stimmte, nur war dieser aus purem Gold! Edelsteine schmückten den Sarg, sie funkelten in allen Farben im Schein seiner Fackel, die er, wie er erst jetzt bemerkte, so fest umklammert hielt, dass seine Knöchel weiß hervorstanden.
Jebediah ging langsam um den Sarg herum, seine Hand fuhr über den goldenen Deckel und die Edelsteine. Er konnte es kaum fassen. Er hatte Gold gefunden! Wenn auch auf eine ganz andere Art und Weise wie erhofft. Aber er hatte es geschafft. Er konnte nach Hause zurückkehren, voller Stolz, und seinen Freunden und seiner Familie ins Gesicht sagen, dass er nicht verrückt war, dass er tatsächlich Gold und noch viel mehr gefunden hatte!
Er schaute sich den Sarg genau an, ging in der Halle umher und suchte nach Hinweisen oder Anhaltspunkten, wem dieser Sarg gehörte. Aber er konnte keine finden.
Also entschied er sich, den Deckel zu öffnen. Vielleicht würde sich im Inneren des Sargs ein Hinweis darauf verbergen, wer – oder vielleicht auch was, ausgehend von den Zeichnungen an den Wänden - dort begraben lag.
Er stellte sich rechts neben den Sarg, legte die Fackel vorsichtig neben sich auf den Boden, und stemmte sich mit ganzer Kraft gegen den Deckel.
Nur schwer und langsam bewegte dieser sich unter seiner Anstrengung, Erneut lief Jebediah der Schweiß von der Stirn. Doch am Ende siegte seine Kraft. Krachend fiel der schwere Deckel zu Boden, der Lärm hallte durch die große Halle. Jebediah nahm seine Fackel und schaute in den Sarg.
Das, was er dort vorfand, sollte sein Leben für immer verändern.