„Verfluchter Mist.“
Die Assistentin beobachtet den Konzerndirektor, der in sich zusammengesunken auf seinem Stuhl saß. Mit zittrigen Händen wühlte er sich durch die Akten, die vor ihm ausgebreitet waren. Schweiß rann ihm an der Stirn hinab, den er sich mit einem kleinen Tuch wegwischte.
„Was für ein verfluchter Mist!“, fluchte der Direktor, jetzt etwas lauter. „Wie konnte das passieren?“
Die Assistentin zuckte mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht, Herr Direktor.“
„Natürlich wissen Sie es nicht.“ Der Direktor seufzte, erhob sich mit einem Schnaufen von seinem Stuhl und ging zu seinem großen Panoramafenster.
Sie wusste, dass er in Schwierigkeiten steckte. Und obwohl sie den Direktor nicht mochte, musste auch sie nervös sein. Weil er es von ihr erwartete.
Dass sie bereits eine neue Stelle in Aussicht hatte musste er ja noch nicht wissen.
„Wissen Sie eigentlich, was passiert, wenn diese Unterlagen so vor dem Untersuchungsausschuss landen?“ Während er sprach, hielt er den Blick aus dem Fenster gerichtet. Er folgt dem Verkehr auf der Straße. Das würde ihm helfen, seine Gedanken zu ordnen. Zumindest hatte er das mal gesagt.
„Nein, Sir“, erwiderte die Assistentin.
„Das kann ich Ihnen sagen. Dann sind wir alle erledigt. Ich bin erledigt, Sie sind erledigt, die verdammte Firma ist dann erledigt!“ Nervös krempelte er einen Ärmel seines Anzugs hoch und schaute auf die Uhr. „Verdammt, das Meeting ist schon in einer Stunde!“
Der Direktor ging wieder zu seinem Schreibtisch und stemmte sich mit den Händen darauf. Sein Blick schweifte über die Dokumente.
„Wer war für die Unterlagen verantwortlich?“, fragte er plötzlich, ohne die Assistentin dabei anzuschauen.
Die Assistentin suchte die Liste heraus, doch der Direktor winkte ab. „Lesen Sie einfach vor.“
„Wie Sie wünschen“. Sie räusperte sich und begann eine Reihe von Namen vorzulesen, die ihr absolut nicht sagten.
„Moment!“, unterbrach er sie harsch und schaute sie nun doch an. „Wie war der letzte Name?“
„Thomas Ering“, wiederholte sie den Namen, den sie als letztes vorgelesen hatte. Sie blättere weiter in den Unterlagen. „Zuletzt auffällig geworden durch Äußerung von Kritik an der Firmenpolitik“, schloss die Assistentin dann.
„Verstehe. Dann machen wir ihn zum Sündenbock.“
Und da war sie. Die Art, die die Assistentin an dem Direktor nicht leiden konnte. Er konnte nichts beweisen, aber anstatt der Sache ordentlich auf den Grund zu gehen, wollte er einfach nur einen Sündenbock, dem er alles in die Schuhe schieben konnte. Da kam ihm jemand, der vor Kurzem erst auffällig geworden war, natürlich ganz recht.
„Sir, man müsste zunächst untersuchen, ob der Herr...“
„Dafür haben wir keine Zeit!“, donnerte der Direktor, und die Assistentin zuckte kurz zurück. „Hier geht es um die Zukunft der Firma, da ist es mir egal, wer wie Schuld hat!“
„Natürlich, Sir.“ Es würde eh nichts bringen, sich gegen seine Entscheidung zu stellen.
„Er soll die Zahlen überarbeiten, bevor die Dokumente zum Untersuchungsausschuss gehen. Danach richten Sie ihm dann aus, dass er fristlos entlassen ist und seinen Schreibtisch zum Feierabend geräumt haben soll.“
„Mit Verlaub, Sir, aber die Dokumente sind bereits beim Ausschuss.“
„Bitte was?!“ Der Direktor lief feuerrot im Gesicht an, und er brüllte so laut, dass selbst einige der Angestellten vor der Tür die Köpfe zu ihm drehten. „Welcher verdammte Vollpfosten hat denen die Dokumente gegeben, ohne dass ich sie vorher gesehen habe?!“
Jetzt erlaubte sich die Assistentin ein leichtes Grinsen. „Ihre Frau, Sir.“
Plötzlich wurde der Direktor still und setzt sich schweigend auf seinen Stuhl. Den Kopf legte er auf die vor sich gefalteten Hände.
Auch wenn dem Direktor der Konzern mit 51% der Aktienanteile gehörte, so würde er niemals etwas gegen seine eigene Frau sagen.
„Dann ist es jetzt auch egal. Der Herr Ering wird mit sofortiger Wirkung fristlos entlassen. So kann ich dem Ausschuss zumindest zeigen, dass ich an einer Lösung für das Problem arbeite.“ Damit entließ er seine Assistentin.
Die Assistentin wusste, dass der Direktor sich irgendwie aus der Sache raus reden würde vor dem Ausschuss. Aber ihr sollte es egal sein, denn sie würde bald sowieso nicht mehr für ihn arbeiten. Und es würde ihm gar nicht auffallen, wenn der Herr Ering morgen doch noch für ihn arbeiten würde.