Nass vom Regen draußen betrat ich den Supermarkt und musste erst einmal durchatmen. So war der ganze Tag nicht geplant gewesen.
Zuerst war ich frühzeitig zu meinem Arzttermin gefahren, nur um dann dort zu erfahren, dass sie versucht hätten mich zu erreichen, weil der Termin verschoben werden musste.
Gut und schön, kann mal passieren. Also hatte ich die Praxis verlassen, stieg in mein Auto, welches durch die Klimaanlage noch gut aufgewärmt war, drehte den Zündschlüssel um … doch nichts geschah. Gedanklich hatte ich schon die Augen verdreht und versuchte gelassen zu bleiben. Ich versuchte es nochmal, doch wieder nur mit demselben Ergebnis. So blieb mir nichts anderes übrig als den ADAC anzurufen, weil niemand in der Nähe war, der mir sonst hätte helfen können. Der Mann vom ADAC kam auch schnell, konnte aber den Fehler nicht finden, der mein Auto daran hinderte, vernünftig zu starten. Also musste er zur Werkstatt gebracht werden.
So stand ich ohne Auto da, mitten im Regen, denn einen Leihwagen gab es momentan nicht mehr.
Gut, dann also die drei Kilometer nach Hause laufen, im strömenden Regen. Gar kein Problem. Gesagt getan. Am liebsten wäre ich ja auch zuhause geblieben, wäre da nicht noch der dringende Einkauf gewesen, der wie ein gemeiner Schatten auf mich wartete und mich in Form einer Einkaufsliste an der Pinnwand finster angrinste.
Ich zog mich regenfest an und bin dann mit dem Fahrrad in die Stadt gefahren.
So stand ich jetzt hier im Supermarkt und musste erst einmal durchatmen. Ich warf einen Blick auf die Einkaufsliste und kämpfte mich dann durch die Regale. Eigentlich wollte ich nur noch nach Hause. Ich spürte einfach, wie mein Nervenkostüm immer dünner wurde.
Endlich hatte ich alle Sachen zusammen und konnte zur Kasse gehen. Natürlich war dort eine lange Schlange, und der Kassierer hielt es irgendwie nicht für nötig, einen Kollegen für eine weitere Kasse zu rufen. Großartig.
Während die Ungeduld und der Frust in mir wuchsen, und meine nach außen ruhige Fassade langsam Risse bekam, wartete ich und bewegte mich langsam mit der Schlange mit.
Endlich konnte ich zumindest die Einläufe auf das Kassenband legen.
Ich griff in meine Manteltasche und erstarrte. Langsam tastete ich mit meinen Fingern in der Tasche herum. Der leeren Manteltasche, in der eigentlich mein Portemonnaie hätte sein sollen. Dann ertasteten meine Finger den Grund, weshalb nichts mehr in der Tasche war. Die Naht hatte einen Riss, es klaffte ein großes Loch in der Tasche, und mein Portemonnaie musste herausgefallen sein, ohne dass ich es gemerkt hätte.
Aber wo konnte das passiert sein? Den Mantel trug ich schon den ganzen Tag, zuhause hatte ich nur meine Hose gewechselt und die nassen Schuhe durch Stiefel getauscht.
Am liebsten hätte ich einfach meinen Frust laut herausgeschrien. Was verflucht noch eins hatte ich der Welt angetan, dass mein Tag so hundsmiserabel laufen musste?
„Entschuldigung?“, hörte ich jemanden etwas weiter hinter mir rufen und drehte mich um. Dort stand ein Mann, und er hielt etwas in der Hand, während er sich umschaute. „Gehört jemandem von Ihnen vielleicht dieses Portemonnaie? Ich habe es im Gang bei den Konserven gefunden!“
Ungläubig schaute ich auf das Portemonnaie, und erleichtert stellte ich fest, dass es wirklich meines war. Ich ging sofort zu ihm hin.
„J-Ja, mir gehört es“, gab ich etwas verlegen zu, und er gab es mir. „Meine Tasche hat einen Riss, und da muss es durchgefallen sein.“
„Das kann jedem mal passieren. Hauptsache, es ist wieder bei seiner Besitzerin.“
In dem Moment ging alles mit mir durch. Ich war so glücklich, dass ich mein Portemonnaie am Ende doch nicht verloren hatte, dass ich gar nicht darüber nachdachte und den jungen Mann einfach umarmte und „Danke“ sagte.
Gleichermaßen überrascht traten wir beide einen Schritt zurück. Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden. Schnell drehte ich mich um und ging zum Kassierer, der schon auf mich wartete. Ich packte meine Einkäufe ein und warf dem jungen Mann, der noch immer etwas überrascht schaute, einen gleichermaßen scheuen wie dankbaren Blick zu. Dann verließ ich den Supermarkt und machte mich im strömenden Regen mit dem Fahrrad auf den Weg nach Hause. Jetzt jedoch mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen.