Ich seufzte laut und fuhr mir mit einer Hand durch die Haare, während ich mit sturem Blick auf das weiße Blatt vor mir starrte. Es lag auf dem Schreibtisch, und hätte es Augen gehabt, ich war mir sicher es hätte mich anklagend angeschaut.
„Ich will ja was schreiben!“ Zu wem sagte ich das? Zu mir oder zu mit Papier? Ganz genau wusste ich es selbst nicht.
So ging das schon seit Tagen, und langsam, aber irgendwie auch nicht langsam genug, fing die Situation an, unschön an mir zu nagen.
Ich fühlte mich irgendwie ausgebrannt. Hohl innerlich. Zumindest im Kopf.
Es war auch nicht so, als hätte es mir an Ideen gemangelt, ganz und gar nicht. Aber ich schaffte es nicht, sie auf das Papier zu bringen.
Als würde alles in meinem Kopf frei herum schweben, so fühlte es sich an. Aber in einem Hohlraum war ja auch genug Platz dafür, oder?
Erneut ging ein Seufzen über meine Lippen. Was mache ich mir eigentlich schon wieder für Gedanken? Ich sollte mich lieber konzentrieren.
Ich griff nach meinem Handy, gab das Passwort ein, und suchte einen speziellen Kontakt heraus. Sammy, meine Beste, sie würde sicher Zeit haben.
Ich klimperte ungeduldig mit den Fingern auf dem Schreibtisch. Nun geh schon ran. Ich spürte, dass ich irgendwie hibbelig war. Mein Nervenkostüm war schon seit einigen Tagen ziemlich dünn, und die andauernden Kopfschmerzen machten es mir auch nicht leichter.
„Hey Sweety!“, erklang Sammy‘s fröhliche Stimme auf der anderen Seite der Leitung.
Ich selbst bekam irgendwie nur einen Laut zustande, der irgendwo zwischen einem genervten Brummen und einem ätzenden Seufzen lag.
„Aha? Heute wieder bei bester Laune wie ich höre?“
„Ja. Total. Ey, es ist alles ätzend“, begann ich ihr das Dilemma zu erzählen. „Es ist WriteInktober, weißt du? Und ich möchte eigentlich jeden Tag eine Geschichte schreiben, aber seit Tagen herrscht eine völlige Leere in meinem Kopf. Es fühlt sich an, als wäre ich-“
„Hohl“, beendete sie meinen Satz. „Stimmt‘s oder habe ich Recht?“
„J-Ja, das trifft es ganz gut. Machst du nicht auch mit?“
„Jap.“
„Und wie weit bist du?“
„Ich hab schon vorgeschrieben und Tag Zwölf fertig.“
Am liebsten hätte ich das Handy gegen die Wand geworfen und laut geheult.
„Tag Zwölf?“, fragte ich ungläubig. „Wie … warum?“ Jetzt war es soweit, ich stammelte schon wie eine Irre.
„Ganz einfach, Sweety. Ich schreibe, wenn mir danach ist, und nicht, weil ich mich dazu zwinge.“
„Ich zwinge mich doch nicht“, protestierte ich gereizt. „Ich möchte einfach nur mithalten.“
„Ja, und dann zwingst du dich. Schau mal, du sagst, du fühlst dich ausgebrannt, und trotzdem klemmst du dich an den Schreibtisch und versuchst, irgendwas auf‘s Papier zu bringen. Glaubst du, so entstehen gute Geschichten?“
„Ich … nein, nein tun sie nicht“, antwortete ich leicht geknickt. Hatte sie vielleicht Recht?
„Und weil du deine Ziele nicht schaffst, bist du von dir selbst enttäuscht. Und solange du von dir selbst enttäuscht bist, bist du auch leicht zu reizen. Wie man ja gerade gemerkt hat. Und schlafen kannst du auch nicht richtig, oder?“
Sie traf den Nagel immer wieder auf den Kopf.„Hast du solche Tage denn auch, Sammy?“
„Andauernd!“ Sammy lachte, als ob ich die unsinnigste Frage der Welt gestellt hätte. Obwohl, nein, das bildete ich mir sicher nur ein.
„Und was machst du dann?“
„Ich lenke mich ab und versuche an etwas anderes als meine Geschichten zu denken. Einfach, um auf andere Gedanken zu kommen und das alles mal bei Seite zu legen. Das Schreiben soll ja Spaß machen. Wir sind keine beruflichen Autoren, das musst du immer im Hinterkopf haben. Und wie gewinnen auch keine großen Preise und Auszeichnungen mit der Challenge.“
„Hast du Vorschläge, was ich ansonsten machen kann? Ich mach ja meist nicht viel anderes als Schreiben oder meinen Sport.“
„Sport! Das ist doch schon mal super. Oder fang endlich mal an zu zocken, ich brauche noch jemanden für die Shooter.“
„Du willst mich doch nur dabei haben, damit du nicht mehr wie der größte Noob aussiehst“, erwiderte ich, und wir beide lachten.
„Das mag sein. Aber es wäre auch eine Ablenkung.“
„Danke, Sammy. Du hast mir sehr geholfen.“
„Ich weiß. Mach ich doch immer. Aber ich mache das auch gerne.“
„Wollen wir uns gleich im Cafè treffen?“
„Oh ja, bitte befreie mich hier aus dem Gefängnis!“, bettelte sie gespielt.
„Wieso? Was machst du denn?“
„Mein Freund zwingt mich zu einem Star Wars Marathon um mich davon zu überzeugen, seinem Kult beizutreten. Creepy.“
„Seinem Kult?“, fragte ich und zog dabei eine Augenbraue nach oben. Dabei spürte ich, wie dieses hohle Gefühl in mir sich langsam auflöste. Sie half mir mehr als sie annahm. Dachte ich jedenfalls.
„Naja … ich soll es halt auch so mögen wie er, wenn es nach ihm geht. Und bevor du fragst: Er zwingt mich natürlich nicht, ich hab freiwillig zugestimmt weil ich es mal versuchen wollte. Aber eine helfende Hand wäre jetzt doch ganz lieb.“
Noch während sie sprach war ich bereits aufgestanden und hatte angefangen mich umzuziehen.
„Gut, ich mach mich auf den Weg, Sammy. Wenn dein Freund meckert, droh ihm, seine Kekse zu stibitzen.“
„Du meinst, das klappt?“
„Na hör mal“, erwiderte ich mit einem Lachen, „ich werde doch wohl wissen, wie man meinen Bruder ruhigstellen kann. Außerdem wird er das als Star Wars Insider verstehen.“
„Auch wieder wahr! Gut, ich bin auch auf dem Weg. Bis gleich!“
Damit trennte sie die Verbindung zwischen unseren Telefonen.
Ich packte meine Schlüssel und mein Portemonnaie ein und verließ das Haus.
Tief in mir spürte ich, dass diese Pause mir gut tun würde. Und wer weiß? Vielleicht würde ich noch auf neue Ideen für Geschichten stoßen.
Also machte ich mich mit einem breiten Grinsen auf den Lippen und einem weniger hohlen Gefühl im Kopf auf den Weg zum Café.