„Wieso habe ich mich dazu nur von dir überreden lassen?!“, schrie ich gegen den dröhnenden Lärm der Triebwerke an, die das Flugzeug in vier Kilometern Höhe hielten.
Ich spürte mein Herz in meiner Brust hämmern, der Schweiß rann mir den Rücken hinab, und an das, was unaufhaltsam folgen würde, wollte ich gar nicht denken.
Anders als mein Freund. Voller Euphorie in seinen Augen grinste er mich breit an.
„Weil ich so eine einnehmende Persönlichkeit habe, Schatz?“, rief er als Antwort zu. „Es wird schon alles gut gehen!“
„Sag das nicht!“ Er wusste ganz genau, dass ich es hasste, wenn er das sagte. Meist passierte dann etwas, und es ging eben nicht gut aus.
„Ich bin schon mal mit dem Fallschirm gesprungen! Mach dir keine Sorgen!“
„Keine Sorgen machen? Ist das dein Ernst?“ Ich spürte förmlich, wie seine Euphorie meine Hysterie weckte. Wie konnte er das nur so unbeschwert angehen?
„BEREIT MACHEN FÜR DEN SPRUNG!“, kam die Ansage des Piloten knackend durch die Lautsprecher.
„Es ist soweit, Schatz!“, rief mein Freund und winkte mich zu ihm an die Luke.
Unsicher näherte ich mich ihm und klammerte mich förmlich an ihn.
„Mach dir keine Sorgen!“, wiederholte er. „Wir sind super abgesichert! Und ich kenne den, der unsere Schirme gepackt hat!“
„Das beruhigt mich kein bisschen!“
„Ich weiß, aber einen Versuch war es wert!“
Er sah mich mit diesem findigen Lächeln an, das mir damals den Kopf verdreht hatte. Jetzt gerade wollte ich lieber ihm den Hals umdrehen.
Mein Freund beugte sich vor und öffnete die Luke.
Ich krallte mich sofort an die Metallstange neben mir, als ich nur weit entfernt unter uns den Boden sah. Soweit das Auge reichte erstreckten sich unter uns grüne Weideflächen. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, aus dem Flugzeug zu springen.
Aber ich wollte meinen Freund auch nicht enttäuschen.
„Komm her, Schatz!“, rief er, jetzt noch lauter, da sich keine Luke mehr zwischen den Triebwerken und unserer Kabine befand. Nannte man die Dinge überhaupt so? Ich hatte doch keine Ahnung.
Nur langsam löste ich mich von der Stange und ging auf ihn zu.
Er nahm mich sanft an den Schultern und stellte sich hinter mich.
„Du wirst zuerst springen, und ich bin direkt hinter dir! Du musst wirklich keine Angst haben! Und wer weiß? Vielleicht willst du danach ja gleich nochmal springen?“
So wie er lachte als er mich ansah, musste ich eine wirklich lustige Grimasse gezogen haben.
„Ich schwöre dir!“, drohte ich ihm und schaute nun ganz über meine Schulter zu ihm auf. „Wenn sich mein Schirm nicht öffnet, dann bringe ich dich um, Schatz!“
„Wenn du dann noch dazu kommst!“. Wieder dieses Lächeln und der sanfte Druck seiner Hand auf meiner Schulter ließen mich tatsächlich etwas ruhiger werden.
Vielleicht würde ich mich ja doch von seiner Euphorie anstecken lassen? Zumindest hatte er es geschafft, mich dazu zu überreden. Er hatte es ja auch lange genug versucht.
Das rote Licht der Signallampen flackerte kurz und wandelte sich in ein blattgrünes Licht. Der Sprung war freigegeben.
„Ich liebe dich, Schatz!“, hörte ich meinen Freund noch rufen, dann lösten sich seine Hände von meinen Schultern.
Nur mit Mühe gelang es mir, meine zitternde Hand vom Metall der Luke zu lösen.
„Ich dich auch!“, antwortete ich.
Dann sprang ich.