„Und? Bist du bereit?“ Pascal schaute Timo fragend an und klopfte ihm auf die Schulter.
Timo nickte. „Ja, aber wir müssen wirklich leise sein, klar?“
„Ja ja, ich weiß schon. Lass uns gehen.“
Timo klemmte seinen Laptop fest unter den Arm und öffnete ganz leise die Tür. Als sie zu quietschen begann, stoppte er sofort und horchte in den Flur. Es war kein Geräusch zu hören. Er gab Pascal ein Zeichen, und beide schlüpften aus ihrem Zimmer.
In der gesamten Jugendherberge herrschte Stille. Es war Mitternacht, seit zwei Stunden galt absolute Ruhe .
Pascal und Timo hatten gar keine andere Wahl, sie waren nicht freiwillig hier. Sie waren mit ihrer Klasse auf Klassenfahrt her gekommen, und die ganze Reise war ein völliges Desaster.
Erst wurden aus sechs Stunden Busfahrt beinahe acht, weil der Bus auf halber Strecke schlapp gemacht hatte. Dann war die Jugendherberge wirklich nicht die beste, und es gab so gut wie keine Zeit, einfach mal die Gegend und vor allem die Stadt zu erkunden. Immer wieder mussten sie auf irgendwelche Fahrten zu uninteressanten Orten, dann gab es diese nutzlosen Rallys mit Fragebögen und Rätseln, die sie während der Mittagszeit in der größten Hitze lösen mussten. Und wo immer sie etwas essen gingen, war das Essen auch mehr schlecht als recht.
Zusätzlich dazu hatte man ihnen verboten, im nächsten Supermarkt einkaufen zu gehen.
Nachdem einige Schüler dort einkaufen waren und sich mit Energy Drinks eingedeckt hatten, hatte der Lehrer gedacht, es würde sich um Alkohol handeln. Als dieser dann ausgeflippt war und allen eine Standpauke gehalten hatte, ohne auf die Einwände der Schüler einzugehen, hatte er ihnen verboten, noch einmal selbst einkaufen zu gehen.
Und um dem ganzen auch noch die Krone aufzusetzen, wurden die Handys der Schüler über Nacht einkassiert.
Natürlich hatten sie sich alle beschwert, aber was sollte eine gesamte Klasse schon gegen das Wort ihres Lehrers ausrichten? Sie hatte keine andere Wahl. Mal abgesehen davon hatte man ihnen angedroht, dass jeder, der sich nicht an die Regeln hielt, alleine nach Hause geschickt wurde. Timo war sich nicht sicher, ob das überhaupt erlaubt war.
Pascal und Timo schlichen den Flur entlang und hielten an der Tür neben ihrem Zimmer.
Timo drückte sein Ohr gegen die Tür.
„Und?“, fragte Pascal, doch Timo legte den Finger auf seine Lippen und gebot Pascal, ruhig zu sein.
Timo lauschte, doch es war nichts zu hören.
„Er schläft“, wisperte er, und beide setzten den Weg fort bis an andere Ende des Flurs.
Dort klopften sie gegen die Tür auf der linken Seite, und Karin, eine Mitschülerin, öffnete ihnen.
„Da seid ihr ja. Wir warten schon“, sagte sie und trat zur Seite, damit die beiden Jungs reinkommen konnten.
Im Raum warteten tatsächlich schon alle Klassenkameraden.
„Wir haben dir da ein bisschen Platz gemacht“, sagte Karin und deutete auf einen kleinen Tisch neben ihrem Bett.
„Sehr gut.“ Timo hockte sich hin und öffnete seinen Laptop. Auf dem Desktop war nur ein Programm, welches er auch sofort startete. „Und ihr habt alle die App auf euren Smartphones installiert, ja? Und sie sind auch alle angeschaltet, richtig?“
Er schaute über seine Schulter, alle Blicke waren auf ihn gerichtet, und seine Mitschüler nickten.
Ihr Lehrer hatte natürlich angeordnet, dass die Smartphones aus zu sein hatten, sobald er sie einsammelte, aber er kontrollierte das nie. Solange er nur ein schwarzes Display sah, war er schon glücklich.
„Gut. Dann werden wir ihm jetzt mal zeigen, was er davon hat, unsere Smartphones einzusammeln.“
Timo tippte ein paar Zeilen in sein selbstgeschriebenes Programm ein. Das Programm war mit der App verbunden, die die anderen Schüler auf ihren Handys installiert hatten. Es steuerte direkt die Wecker-Funktion der Geräte an, und mit dem Programm konnte er alle Wecker gleichzeitig aktivieren.
„Mach schon“, drängelte Pascal aufgeregt hinter ihm. Auch die anderen konnten es kaum erwarten.
Timo hielt mit dem Finger über er Enter-Taste inne. „Es geht los in Drei, Zwei, Eins!“
Er drückte die Enter-Taste, und nur kurz danach hörten sie im Flur eine Kakophonie aus Liedern und allerhand anderen Geräuschen. Einige seiner Klassenkameraden hatten ihren normalen Wecker-Sound durch Tiergeräusche und andere, unästhetische Klänge ausgetauscht.
Natürlich lachten und grölten sie. Als Timo die Tür des Lehrers auffliegen und ihn fluchend den Gang herunterkommen hörte, klappte er schnell seinen Laptop zusammen und versteckte ihn in Karins Schrank.
Gerade, als er die Schublade geschlossen hatte, flog die Tür des Zimmers auf, und ihr Lehrer stand vor ihnen. Zornesröte zierte sein Gesicht, und er schnaufte ganz fürchterlich.
„Was habt ihr euch dabei gedacht?!,“ donnerte seine Stimme durch den Raum. „Jetzt werdet ihr eure Spielzeuge ganz sicher nicht wiederbekommen!“
Doch sie lachten einfach. Timo wusste, dass der Lehrer die Smartphones nicht einfach behalten durfte, und zu groß war die Freude darüber, dem Lehrer eins ausgewischt zu haben. Was machte schon eine Strafe, wenn man zumindest ein Mal auf der Klassenfahrt Spaß haben konnte?