Rico fuhr sich mit seiner Hand durch seine roten Locken und schaute gebannt auf den Bildschirm. Blind griff er nach seinem Kakao, der wie immer rechts neben ihm stand, und verfolgte die Personen, die sich auf seinen zahlreichen Monitoren vor ihm bewegten. Er liebte Kakao.
Das „British Museum“ war ein ziemlich gut bewachter Ort, und es gab dort neben zahlreichen Kameras, Lichtschranken und weiterer Technik auch ziemlich viele Wachen. Daher war es wichtig, dass er die Laufwege und Verhaltensweisen der Wachen – ihre Muster – genau kannte. Um die Technik hatte er sich schließlich bereits im Voraus gekümmert.
Rico schaute zur Uhr. 17:00 Uhr, und sein Blick ging auf den Monitor links. Auf einem kleinen Bild sah er zwei Wachen. Sie lösten sich gerade gegenseitig ab, und wie immer hielten sie noch einen kleinen Plausch. Er hatte sie schon oft dabei beobachtet, und selbst Rico wusste, dass das eigentlich gegen die Regeln dort verstieß.
Dass zum jetzigen Zeitpunkt so viele Wachen anwesend waren war kein Wunder.
Derzeit stellte das Museum die letzten verbleibenden Besitztümer des alten böhmischen Königreiches aus. Darunter war auch die „Böhmische Wenzelskrone“, eine 2,5 Kilogramm schwere, aus 22-karätigem Gold gefertigte Krone, die mit kostbaren Edelsteinen verziert war.
Bei dem Gedanken, diese schwere Krone zu tragen, rieb Rico sich den Nacken und grinste. Die würde auf Dauer echt schwer werden.
Aber zuerst musste die Krone in seinen Besitz gebracht werden, und dafür kam eine Person ins Spiel, die ihm sehr viel bedeutete. Seine kleine Schwester Camilla. Oder „Rose“, wie sie sich mit ihrem Decknamen nannte, sobald sie auf einer Mission waren.
Mit ihr zusammen hatte er schon einige Dinger rund um den Globus gedreht, und immer waren sie sauber aus der Sache herausgekommen. Rico war echt stolz darauf, so eine talentierte Schwester zu haben. Und zusammen waren sie einfach unschlagbar.
Sie war bereits vor Ort, schaute sich das Museum unauffällig an, und wartete auf seine Meldung.
Erneut nahm er einen Schluck von seinem Kakao. 17:30 Uhr, das bedeutete eine Wachablösung an Tor Zwei. Er schaute irritiert auf seinen Monitor und fluchte leise. Es war nicht nicht mehr Tor Zwei, sondern Tor Drei, also hatten sie den Ablauf also doch verändert. Das musste er sich unbedingt merken, weil dieses Tor wichtig für die Flucht seiner Schwester werden würde. Von da aus sollte sie unbemerkt durch die Gassen Londons zur Waterloo Bridge gelangen. Dort würde sie dann ein Boot erwarten und sie über die Themse in Sicherheit bringen. Aber das alles würde nicht passieren, wenn er sich die Muster nicht richtig einprägen konnte oder auf Änderungen nicht rechtzeitig reagierte.
Er lehnte sich vor und schnappte sich sein Mikrofon.
„Schwesterchen? Kannst du mich hören? Over.“
„Ich hab dir doch gesagt, dass du mich nicht Schwesterchen nennen sollst, wenn wir auf einer Mission sind“, gab sie missmutig zurück.
Rico grinste, weil er wusste, dass er sie damit ärgern konnte.
„Du musst Over sagen, wenn du deinen Satz beendest. Over.“, antwortete er schnippisch. Das Seufzen auf dem anderen Ende konnte er sich geradezu vorstellen.
„Nenn mich Rose, wenn wir auf Mission sind. Over.“, sagte sie schließlich mit einem betonten Seufzen. „Warum meldest du dich? Over.“
„Wir müssen das Vorhaben auf morgen Abend verlegen. Die Muster der Wachablösungen sind schwer zu durchschauen, und an einigen kritischen Punkten bin ich mir noch nicht sicher. Das ist mir zu riskant. Zieh dich erst mal zurück. Over.“
„Verstanden. Also dann morgen zur selben Zeit. Over.“
Damit brach der Kontakt zu seiner Schwester ab. Rico nahm einen letzten Schluck von seinem Kakao und notierte sich die Änderungen in seiner Tabelle.
Morgen Abend würde es klappen. Da war er sich sicher.