Nesseltiere sind eine sehr alte Tiergruppe. Schon in der sogenannten Ediacara-Fauna des späten Proterozoikums vor etwa 550 Millionen Jahren sind sie vertreten gewesen und gehörten und gehören damit zu den ersten bekannten Tierfossilien überhaupt. Hierbei handelte es sich vor allem um Korallen, viele Fossilien die für Quallen gehalten wurden, wurden bereits in den 1990ern zu anderen Taxa zugehörig erkannt. Die Quallen hatten nur wenig später ihre erste Blütezeit im Kambrium, welches vor 541 bis vor 485,4 Millionen Jahren existierte. Im Karbon erreichten die Quallen eine erneute Blütezeit, in der sie die Meere dominierte, sie lag im Karbon (358,9 Millionen Jahren bis vor etwa 298,9 Millionen Jahren). Über die Jahrmillionen entwickelten sich Korallen und Quallen weiter, bis wir nun im Quartär angelangt sind. Das Quartär ist Teil des Känozoikum, der Erd-Neuzeit oder wie man es weniger wissenschaftlich auch nennt "Das Zeitalter der Säugetiere". Diese Gruppe ist nun die vorherrschende Spezies, zumindest war sie das vielerorts. Denn in den Meeren hat sich das Bild in den letzten Jahren gewandelt. In manchen Meeren stärker als in anderen. Die Quallen sind wieder auf dem Vormarsch. In rasanter Geschwindigkeit, in manchen Meeresgebieten wie im Gelben und im Chinesischen Meer steigen Bestände von Arten, wie der Nomurai-Qualle (Nemopilema nomurai), seit Jahren exponentiell an. Doch warum?
Ein treibender Faktor in dieser durchaus beunruhigenden Lage ist der anthropogen verursachte Klimawandel. Quallen gedeihen in wärmeren Meeren und können sich so schneller fortpflanzen und ihr Wachstum vorantreiben. Doch der Klimawandel wirkt sich noch mehr positiv für die Quallenbestände aus, in dem eine verstärkte verstärkten Stratifizierung der Ozeane, eintritt. Eine Stratifizierung ist eine Form von Schichtbildung, durch den Klimawandel sammelt sich das Plankton vor allem in den Schichten, in denen vor allem Quallen leben, was weitere ihre Zahl steigen lässt. Das hat unter anderem auch zur Folge, dass immer mehr Fische verhungern. Jene Fische, welche sich vor allem oder ausschließlich von Quallen ernähren, werde, wie die anderen Fischarten durch die immer stärker ausrufender Überfischung dezimiert. Wie es an der Küste Namibias nach Jahrzehnte langer Überfischung der Sardinenbestände zu beobachten ist.
Doch neben dem Klimawandel und der Überfischung kommt noch ein dritter entscheidender Faktor hinzu. Den der Mensch leitet jedes Jahr enorme Mengen an Düngemitteln über Flüsse direkt in die Meere, die Zahl des Phytoplanktons steigt, was vorteilhaft gegenüber der CO2-Emission ist, aber den Quallen noch mehr Nahrung garantiert. Zusätzlich entzieht Phytoplankton dem Meer Sauerstoff, Quallen können mit selbst geringen Sauerstoffmengen überleben und so weitere Vorteile gegenüber Fische erzielen. Durch den Anstieg der CO2-Emissionen versauern zusätzlich auch noch die Meere, kalkbildene Organismen sterben früher und die Nahrungskonkurrenz der Quallen schwindet weiter.
Wir haben also ideale Entwicklungsbedingungen, Nahrung in Massen und fehlende Prädatoren. Ein rasches Wachstum der Bestände scheint unvermeidlich. Sind die Bestände etabliert, ist es kaum möglich ihnen Herr zu werden. Ein massenhaftes Artensterben stünde bevor.
Doch nicht nur das, durch das endgültige Wegbrechen der Fischbestände würden auch viele Fischer arbeitslos werden, Existenzen würden verschwinden. Neben diesen würden unzählige Menschen hungern, denn die Fischerei ist einer der wichtigsten globalen Nahrungsversorger. Es geht hierbei um eine ökologische und eine soziale Krise, die gestoppt werden muss.
Gibt es Lösungen? Vermutlich braucht es mehrere Ansätze, wir müssen dringend unsere CO2-Ausstoß verringern, die Überdüngung der Felder muss verringert und die Überfischung gestoppt werden. Das sind große Ziele und zwingend müssen sie realisiert werden, aber es gäbe da noch eine Idee, bizarr, ungewöhnlich und vielleicht könnte sie genau deshalb funktionieren.
Anstatt Fische zu fangen und sie zu überfischen, sollte man sich auf Quallen konzentrieren.
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Warte sind Quallen essbar?
Tatsächlich, zwar nicht alle Arten, aber in der asiatischen Küche werden einige nicht giftige und teilweise auch giftige Quallen als Speise zubereitet und gegessen. Alle essbaren Arten gehören zu den Wurzelmundquallen (Ordnung Rhizostomae). In den meisten Fällen handelt es sich um große, relativ derbe Arten mit Schirm. Die jährliche Ernte beträgt 321.000 Tonnen, würde man diese Fangzahlen allein von der 200 Kilogramm schweren Nomurai-Qualle beziehen, wären es gerade einmal um die 1605 Tiere jedes Jahr. Der Bestand dieser Quallen lag 2009 bei etwa 20 Milliarden, trotz Quallenfischerei und häufiger Beifangquote exponentiell steigend. 1605 Tiere jedes Jahr sind gerade einmal 0,00000008 Prozent des Gesamtbestandes. Wir könnten vermutlich mehrere Millionen bis Milliarden allein von dieser einen einzigen Quallenart fangen, ohne ihre Bestände zu gefährden, sondern einfach nur ihr Bestandswachstum zu verringern oder gar stabil zu halten. Das wären bei einer Milliarde Quallen jedes Jahr 200.000.000 Tonnen Frischmasse. Diese verringert sich nach dem Fang um 90 bis 95 Prozent, da Quallen sehr wasserhaltig sind. Das wären dann immer noch 10.000.000 Tonnen Nahrung von diesen sind 2.500.000 Tonnen Proteine und Eiweiße. Zudem liefern sie, ähnlich wie Fisch, viele Spurenelemente, zum Beispiel Natrium, Kalzium, Kalium und Magnesium. Quallen sind eine nahezu fettfreie Nahrungsquelle und haben kein Cholesterin. Dafür besitzen sie einen hohen Anteil an Kollagen, ein Strukturprotein, was bei der Bildung und Reparatur von Hautschichten von Bedeutung ist (und auch in Anti-Ageing-Produkten vorkommt). 100 Gramm Quallen entsprechen etwa 36 kcal. 10.000.000 Tonnen dieser Quallennahrung würden 27.777.777 kcal bedeuten, das wäre genug um einen Mann über 26 Jahre zu ernähren. Oder eben eine große Ansammlung an Menschen.
Ein weiterer Vorteil von Quallen als Nahrung: Ihre Haltbarkeit, sie sind bis zu einem Jahr lang genießbar, damit kann kein Fisch mithalten.
Eine Steigerung des Absatzmarktes für Quallen könnte die Bestände der Quallen besser regulieren, die der Fische schonen und zusätzlich eine Menge Menschen versorgen.
Auch eine Qualle?
Quellen
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