26.05.2021 ich sitze gerade auf Arbeit fest, die Chefin ist im Urlaub und wäre die Bestellung unserer Materialien nicht so spät angekommen, hätten wir erst recht nichts zu tun gehabt. In meiner Langeweile lese ich im News Feed, nichts Weltbewegendes, nichts was ich lesen würde, wenn ich mich nicht gerade langweilen würde. Doch diese Langeweile, sie führt mich zu einem Artikel, welcher mich sofort elektrisiert.
""Historischer Erfolg: Tasmanischer Teufel erfolgreich auf Festland angesiedelt", lautet die Kopfzeile, bevor ich den Artikel überhaupt geöffnet habe, entfährt mir ein: "Bitte was?!?", gefolgt von Gänsehaut und purer Faszination!
Vermutlich geht es dem Leser dieser Zeilen ähnlich wie meiner Kollegin, der ich mit überschlagender Stimme erläuterte, warum diese Meldung bedeutsam ist.
Was ist ein Beutelteufel?
Es ist wohl die erste Frage, die man klären sollte, für mich ist der Beutelteufel ein Tier, wie der Koala, kennt man einfach. Aber in Anbetracht das meine Kollegin ihn nicht kannte, wird es vermutlich auch anderen so ergehen. Also was ist ein Beutelteufel?
Der Beutelteufel (Sarcophilus harrisii) ist eine Tierart aus der Familie der Raubbeutler (Dasyuridae) und deren größter lebender Vertreter. Dabei ist das größter lebender, besonders zu betonen, den der noch größere Beutelwolf (Thylacinus cynocephalus) starb 1936, nach Jahrzehnten erbarmungsloser Jagd, aus. Beutelteufel sind deutlich kleiner als Beutelwölfe, sie sind eher so groß wie ein Schoßhund, aber besitzen einen deutlich stärkeren Biss. Bekannt sind sie für ihre markerschütternden Rufe. Ihren Namen erhielten sie, weil sich bei Aufregung ihre Ohren rot färben und das, mitsamt dem Ruf, dazu führte das Menschen sich an den Teufel erinnert fühlte. Sein Beiname "Tasmanischer Teufel" rührt von einem der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Beutelteufel.
Tasmanischer Teufel
Der Beutelteufel ist seit etwa 3.000 Jahren auf dem australischen Festland verschwunden. Sein Verschwinden war die Folge verschiedenster Punkte, deren Ursache aber allesamt der Mensch gewesen ist. Zum einen wurde die australische Megafauna von den Aborigines ausgerottet, viele Beutegreifer, die so Kadaver für den Beutelteufel produzierten, waren damit nicht mehr existent. Da auch die Pflanzenfressende Megafauna großteils ausgerottet wurde, verringerte sich die Anzahl der Beutelteufel auf dem Australischen Festland deutlich. Doch er existierte noch bis in das 18. Jahrhundert auf dem Festland, den erst vor 3000 Jahren starben sie dort aus - lange nach der Megafauna. Was hat den Beutelteufel also letztlich ausgerottet?
Ein Jahrhundert vor dem Aussterben auf dem Festland erreichten die ersten Europäer den Kontinent mit der Zeit brachten sie Katzen und Füchse in das neue Land. Diese verwilderten oder waren es schon immer gewesen und wurden zu Konkurrenten des Beutelteufels, der gegen die größeren Beutegreifer keine Chance hatte und letztlich verdrängt wurde.
Der Beutelteufel wäre ausgestorben, doch er existierte noch auf Tasmanien, Australiens größter, vorgelagerter Insel. Doch auch hier rückte man ihm zu Leibe insbesondere in den 1930er Jahren, eben jenem Jahrzehnt, welches den Beutelwolf von der Erde tilgte (welcher ebenfalls ursprünglich auch auf dem australischen Festland existierte). 1941 erkannte man, dass die Ausrottung des Beutelteufels keine Option war und stellte die Tiere unter Schutz. Die Bestände begannen sich zu erholen.
Doch das Glück der Beutelteufel, es währte nicht all zu lange. In den 1990er Jahren verbreitete sich rasend schnell die Krankheit DFTD, Devil Facial Tumour Disease ("Beutelteufeltypische Gesichtskrebserkrankung").
Die Krankheit bildet oft mehr als einen Primärtumor im Gesichtsbereich aus. Sichtbare Anzeichen von DFTD sind weiche Klumpen um den Mund, die Geschwüre bilden und weiter streuen. Die Tumore sind lokal aggressiv, zerstören den darunter liegenden Kieferknochen, was die Nahrungsaufnahme stört, bis der Beutelteufel verhungert. Die Tumore können auch die Augen bedecken, was zum Erblinden und benefalls Tod führt. Beutelteufel sterben normalerweise innerhalb von sechs Monaten an Organversagen, Sekundärinfektion oder Stoffwechselmangel.
Zwischen dem Jahr der Entdeckung (1996) der Krankheit und dem Jahr 2005, also nicht einmal neun Jahre später, war die Hälfte des Ausbreitungsgebiets des Beutelteufels betroffen und die Bestände in diesen Gebieten um 85 Prozent zurückgegangen. 2015, zehn Jahre später, waren es 95 Prozent der infizierten Population. Die Krankheit war hauptsächlich aus dem Osten Tasmanins bekannt und gelangte aber auch in den Süden. Würde sich diese Krankheit weiter so schnell ausbreiten, es wäre das Ende des Beutelteufels in 20 bis 30 Jahren.
Doch warum breitet sich die Krankheit so rasend schnell aus? Es ist eine Spätfolge unserer radikalen Verfolgung gegenüber dem Beutelteufel. Aufgrund der massiven Bejagung ist der genetische Pool nahezu zusammengebrochen, je geringer die genetische Vieltfalt, desto weniger besteht die Chance für einen Organismus die richtigen Anlagen zu besitzen, um eine Immunreaktion auszubilden. Man wollte diese Entwicklung nicht hinnehmen und versuchte mit Maßnahmen zu helfen, doch wie sich herausstellte, waren diese sogar kontraproduktiv und begünstigten die Evolution des Virus, da es mehr als einen Tumorstamm gab.
Jüngere Tiere sind die einzigen, welche weniger von DFTD betroffen werden, das haben auch die Beutelteufel erkannt und ihre Paarungsgewohnheiten verändert, sie paaren sich in jungen Jahren deutlich häufiger, als sie es früher taten, mit der Folge, dass nun sie durch dieses Verhalten eher an Erschöpfung sterben und ihre Lebenserwartung weiter sinkt.
Keine Hoffnung für den Teufel?
Es schien lange Zeit so, dass die einzige Hoffnung des Beutelteufels die Zoologische Haltung sei, dass man ausharrt bis der Virus die gesamte wilde Population ausgerottet habe und dann die Bestände von Grund auf neu errichtet. Ein weiteres Projekt wurde von dem Australian Reptile Park in die Wege geleitet. 47 Beutelteufel wurden in australische Wildtierparks auf dem Festland verschifft, mit diesem Projekt wollte man die genetische Vielfalt der Beutelteufel steigern bzw. diese erhalten. Hierbei ist das Devil Ark-Projekt in Barrington Tops, New South Wales besonders zu nennen, da hier 26 der 47 Beutelteufel ausgewildert wurden. Um dies zu realsieren wurde ein 400 Hektar großes Reservat nördlich von Sydney gegründet. Streng kontrolliert man die seltenen Tiere und noch strenger, ob ungebetene Gäste wie Füchse, Dingos oder Katzen den Teufeln zu nahe kommen. Dies wird mit Zäunen gewährleistet und regelmäßigen Kontrollen. Seit 2020 sind Beutelteufel wieder auf dem australischen Festland. Eine Meldung die mir durch eine Pandemie oder anderer lauterer Nachrichten entgangen ist und das obwohl ich den Aktivitäten des Australian Reptile Parks, zumindest auf Instagram, regelmäßig folge.
Eine neue Hoffnung
Nur ein Jahr später trägt das ehrgeizige Projekt die ersten Früchte. Mehere Weibchen hat insgesamt sieben Jungen bekommen. Das ist für Beutelteufelverhältnisse schon eine eher kleine Zahl, die Tiere bekommen meist 20 bis 30 Jungtiere, doch die ersten Tage überleben maximal 4. Der Grund dafür: Beutelteufelweibchen besitzen nur 4 Milchzitzen, nur die Jungtiere, welche diese als erste erreichen und damit die kräftigsten sind, können überleben. Auslese am ersten Tag. Doch die Jungtiere, welche man in den Beuteln der Weibchn fand erfreuen sich laut Aussie Ark "Bester Gesundheit".
Es ist ein kleiner Schritt für ein Auswilderungsprojekt, aber ein großer für die Rettung des Beutelteufels. In den kommenden Jahren sollen weitere Versuche unternommen werden, den Beutelteufel aus auf dem asutralischen Festland anzusiedeln. Wie auch Beutelmarder, Nasenbeutler und Felsenkängurus.
Zurück in die Wildnis
Die Nachzucht von Beutelteufeln im Devil-Art-Projekt ist nur einer von vielen zahllosen Schritten in dem großen Projekt, dass wir als Auswilderung verstehen. Doch was versteht man genau unter "Auswilderung"?, hierbei versteht man den Prozess, Tiere, die in menschlicher Obhut gelebt haben, wieder langsam an ein Leben in der freien Natur zu gewöhnen, mit dem Ziel einer dauerhaften Besiedelung und selbständigen Fortpflanzung. Solche Auswilderungsprojekte sind Zeit- und Kostenintensiv und ganz sicher nicht die Erlaubniss weitere unsere Natur auf barbarischste Weise zu behandeln. Auswilderungsprojekte sind der Versuch der Schadensbegrenzung, sie zeugen von Geduld, vielleicht sogar Reue, die ein Menschenleben bei weitem übersteigen kann, wie bei den Prewalski-Pferden (Equus przewalskii), wo es fast 100 Jahre gedauert hat, bis man soweit war, wie die Beutelteufel letztes Jahr. Natürlich waren die Prewalski-Pferde in ihrem Bestand deutlich stärker zusammen geschrumpft und besitzen eine längere Reproduktionsrate, aber es zeigt, wie lange Auswilderung dauert und es ist noch nicht vorbei, weder beim Beutelteufel noch bei den Prewalski-Pferden. Insbesondere Säugetiere und Vögel gelten als besonders schwierig auszuwildern, da sie von ihren Eltern erlernen müssen, wie sie Futterquellen erkennen oder Gefahren und Feinde als solche identifizieren. Ein gutes Beispiel dafür sind Waldrappen (Geronticus eremita), welche im 17. Jahrhundert in Mitteleuropa ausgerottet wurden und nun langsam seit den 2000er in diversen Auswilderungsprojekten zurück gebracht werden. Diese Vögel sind Zugvögel, sie müssen erst ihre Wanderrouten erlernen, dass ist eine überlebenswichtige Tradtion.
Richtig ausgewildert bzw. wild sind die Beutelteufel erst, wenn sie außerhalb des Reservats als Population überstehen können, außerhalb des schützenden Zauns, dass wird nicht in den nächsten 10, 20 Jahren zu erwarten sein. Aber wir befinden uns auf einem, noch wackligem, aber guten Weg.
Wünschen wir den Beutelteufeln eine glückliche Zukunft, sie haben sie verdient.
Quellen
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