"Wer Wölfe für blutrünstige Bestien hält, ist falschen Informationen aufgesessen" - Carl-Albrecht von Treuenfels am 8. Dezember 1973. Geboren am 7. November 1938 in Schwerin als Sohn eines Landwirtes entdeckt er bereits in seiner Schulzeit die Liebe zum Schreiben und zur Natur(fotografie). Er begann daher schon früh für regionale Zeitungen zu schreiben und auch zu fotografieren. Später folgte der Auszug aus seiner norddeutschen Heimat nach Frankfurt am Main, wo Treuenfels Jura studierte und Rechtsanwalt wurde. Da in Frankfurt sowohl die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, als auch der Zoo Frankfurt, damals unter der Leitung von Bernhard Grzimek existierten, bot die Stadt einen Hotspot des Naturverbundenen Sachverstandes.
1973 schrieb er das erste Mal für die F.A.Z einen Artikel, dessen Kern der Natur- und Artenschutz stellte. Fast 48 Jahre schrieb Carl-Albrecht von Treuenfels rund 500 Artikel, in einer nüchternen, unbestechlichen Art. Dabei vergaß Treuenfels nie die Landwirte oder Jäger und versuchte sie stets mit dem Naturschutz zu verbinden. Er hatte erkannt, dass Arten- und Naturschutz nur in einer Gemeinschaft zu lösen sind und das so eine Gemeinschaft Kompromisse braucht, bei denen für alle ein Vorteil entsteht, der die eigenen Nachteile überwiegt.
Von 1990 bis 2004 war Treuenfels Vorstandschef und Präsident des WWF Deutschland.
Besonders den Vögeln Norddeutschlands war er verbunden und so war er seit den 70ern in diversen Projekten zum Schutz verschiedenster Vogelarten vertreten oder deren Gründungsmitglied. Da sie alle einen Lebensraum brauchen, gründete er u.a. auch Projekte, welche sich dem Schutz von Lebensräumen, wie etwa Feuchtgebieten verschrieben.
Am 7. September 2021 verstarb Carl-Albrecht von Treuenfels in Lübeck im Alter von 82 Jahren. Noch gerne hätte er einen weiteren Artikel für die F.A.Z. über das schleichende Verschwinden des Mäusebussards aus der Landschaft geschrieben. Er hatte bereits viel Material gesammelt, doch dazu kam es leider nicht mehr.
In einer Zeit eines Klimawandels, dem 6. großen Artensterben und so vielen weiteren Naturproblemen, bräuchten wir einen wie ihn und noche so viele von seinem Schlag mehr.
Dieser Artikel ist in Gedenken an Carl-Albrecht von Treuenfels verfasst und seinen Verdiensten für den Naturschutz gewidmet.
Mäusebussard
Der Mäusebussard (Buteo buteo) ist ein mittelgroßer Greifvogel. Er kann sehr unterschiedliche Gefiederfärbungen besitzen, von fast weiß bis dunkelbraun. Allen Mäusebussarden ist aber eine hellere Querbinde eigen, welche die etwas dunklere obere Brust und den etwas helleren Bauch teilt. So ist auch der Schwanz bei allen Farbmorphen weiß-grau mit grauen, dichten Querbänderungen und erlaubt so die Unterscheidung der Tiere von anderen Greifvögeln vergleichbarer Größe. Er bewohnt vor allem kleine Waldgebiete mit angrenzenden, offenen Landschaften, wo er fast ausschließlich seine Nahrung sucht. Diese offenen Landschaften in Waldnähe sind meist Weiden, Wiesen, Heide und Feuchtgebiete oder durch Menschen kurzgehaltene Vegetation. Der Vogel besiedelt große Teile Europas und ist in kälteren Regionen ein Zugvogel. In Mitteleuropa ist der Mäusebussard aber ein Standvogel und somit ganzjährig anzutreffen.
Wie sein Name vermuten lässt bevorzugt der Mäusebussard vor allem Kleinsäuger, wie Wühlmäuse, Kaninchen oder Maulwürfe. Ist allerdings nicht auf diese beschränkt und jagt auch Amphibien und kleine Reptilien. Während Kleinvögel eher selten bejagt werden und Aas vor allem im Winter an Wichtigkeit in seinem Speiseplan zunimmt.
LC - Least Concern
Der Mäusebussard hat ein extrem großes Verbreitungsgebiet und gilt als der häufigste Greifvogel Mitteleuropas. Daher erreicht er nicht die Schwellenwerte der IUCN für eine Beurteilung als gefährdet. Dabei wird vor allem das Verbreitungsgrößenkriterium (Ausmaß des Vorkommens kleiner als 20.000 km2 kombiniert mit einer abnehmenden oder schwankenden Verbreitungsgröße, Habitatausdehnung/-qualität oder Populationsgröße und einer geringen Anzahl von Standorten oder starke Fragmentierung) gelten gemacht.
Der Populationstrend der Art scheint ebenfalls stabil zu sein, und daher nähert sich die Art nicht den Schwellenwerten, um als gefährdet betitelt zu werden. Hierbei gilt das Populationstrendkriterium (mehr als 30 Prozent Rückgang über zehn Jahre oder drei Generationen (in diesem Fall beides etwa gleich lang)). Die Größe der Gesamtpopulation ist extrem groß und nähert sich daher auch nicht den Schwellenwerten für die Kategorie gefährdet gemäß dem Populationsgrößenkriterium (weniger als 10.000 geschlechtsreife Individuen mit einem anhaltenden Rückgang von schätzungsweise mehr als 10 Prozent in zehn Jahren oder drei Generationen oder mit einer bestimmten Populationsstruktur).
Aus diesen beschriebenen Gründen wird die Art als von der IUCN als nicht gefährdet bezeichnet.
Gefährdet?
Aufgrund der Daten der IUCN kann man davon ausgehen, dass der Mäusebussard, welcher in den letzten zwei Jahrhunderten deutlich durch die Kultarlandenwicklung profitiert hat, in absehbarer Zeit nicht gefährdet ist. War also die Besorgnis von Carl-Albrecht von Treuenfels unberechtigt?
Wenn wir unseren Blick nicht von der globalen Sicht lösen, dann scheint es so. Doch blicken wir tiefer, auf mitteleuropäischer oder sogar auf (nord)deutscher Ebene, dann sieht die Sachlage etwas anders aus.
Der Mäusebussard gilt auch in Deutschland zurzeit als nicht gefährdet. Mäusebussarde unterliegen in Deutschland zwar prinzipiell dem Jagdrecht, er untersteht aber einer ganzjährigen Schonzeit gemäß der EU-Vogelschutzrichtlinie, außerhalb der EU insbesondere in den Überwinterungsgebieten und auf dem Weg dorthin, wird der Mäusebussard bejagt. Da dies nicht auf die mitteleuropäische Population zutrifft, sei dies nur der Vollständigkeithalber erwähnt.
Für den Mäusebussard sind in Mitteleuropa daher Unfälle ein deutlich wahrscheinlicheres Todesszenario als eine Bejagung. Ein Großteil der Todesfälle wird durch Kollision auf Straßen und Bahntrassen oder an Freileitungen verursacht. So sterben allein in NRW nachweislich 600 bis 1000 Mäusebussard durch Kollision mit Autos jedes Jahr, was allein für NRW 7 Prozent des dortigen Bestandes darstellt.
Unter den Vögeln wird der Mäusebussard in besonderem Maße durch die Rotorenblätter von Windrädern erschlagen. Dies gilt vor allem für Nordeutschland, wo besonders viele Windräder stehen. Knapp 8 Prozent der nordeutschen Population, was 8500 Mäusebussarden entspricht, sterben jedes Jahr durch Rotorenschlag.
Im Bundesland Schleswig-Holstein kam es zu einem Bestandsrückgang des Mäusebussards um 76 Prozent in den letzten 15 Jahren.
Da die Windenergie in den kommenden Jahren ausgebaut werden soll, würden auch die Bestände der Mäusebussarde stärker unter Druck geraten.
Allerdings darf man hier keinem Trugschluss unterliegen.
Den der radikale Rückgang der Schleswig-Holsteiner-Population ist nur zu einem geringen Teil auf die Windkraft zurückzuführen.
Das eigentliche Problem liegt woanders...
Denn gerade in diesem Bundesland kam es in den letzten Jahrzenhten zum großflächigen Ausbau von Energiemais für Agrargasanlagen. Nicht nur verschwanden so unzählige Gründflächen, welche als Brutgebiet genutzt werden konnten, sondern vor allem wurde den Mäusebussarden die Nahrungsgrundlage entzogen. Denn in solchen Maisfeldern überleben die wenigsten Tiere, ein Grund warum auch der Feldhase (Lepus europaeus) in den östlichen Bundesländern stark zurückgegangen ist, wo großflächig Mais angebaut wird und ist bereits Bundesweit als gefährdert eingestuft. Durch dieses verringerte Nahrungsangebot sinkt der Bruterfolg zur Zeit des größten Nahrungsbedarfs von Mai bis Juni für die Jungenaufzucht. Die Folge ist der beobachtete Rückgang, drei Viertel der Brutpaare sind in dieser Zeit verschwunden (von 5000 auf 1250 Brutpaare). Verschwindet eine solche große Zahl an Brutpaaren, können sie die vergleichweise geringen Verlustzahlen nicht mehr kompensieren und verschwinden. Das bei ausreichender Nahrungsgrundlage Mäusebussarde in der Lage sind nicht nur den Fallwildschaden zu kompensieren, sondern sich sogar in ihrem Bestand zu verdoppeln, zeigen die Hamburger Bestände, obwohl hier die Möglichkeit einer Störrung der Brut durch die Dichte zum Menschen deutlich größer ist, als im ländlichen Raum. Hier blieb das Nahrungsangebot die letzten Jahrzehnte über nahezugleich, dass Verkehrsaufgebot stieg und denoch verdoppelte sich der Bestand. Übertragen wir im Gedankenexperiment die Sterberate von Mäusebussarden durch Windräder stellen wir fest, die Bestände würden immer noch steigen, wenn auch nur noch gemächlich. Was untermauert, dass die Hauptursache des verschwindenen Bestandes unsere Argrawirtschaft ist.
Um also den Mäusebussard zu retten bzw. in seinem Bestand zu unterstützen, ist es relevant, dass sich unsere Agrarwirtschaft grundlegend wandelt. Nur so kann ihr überleben gesichert werden.
Fazit & Schlusswort
Der Mäusebussard müsste bei uns als gefährdet gelten, was umso dramatischer ist, bedenkt man, dass Deutschland über 50 Prozent des mitteleuropäischen Mäusebussard-Bestands beherbergt. Wir tragen in diesem Fall eine internationale Verantwortung.
Und wenn nicht aus der internationalen Verantwortung, dann vielleicht aus dem Wunsch eines Mannes der sich für unsere Natur so verdient gemacht hat. Es war Carl-Albrecht von Treuenfels wichtig, dass wir nicht nur von dem Schwund des Mäusebussards erfahren, sondern die Materie in ihrem Kern verstehen und zu hinterfragen beginnen.
Wir sollten nicht aus Respekt das Thema ruhenlassen, wir sollten aus Respekt handeln.
Quellen
- Alfons Kaiser, Ein Leben für die Natur, In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. September 2021 https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/carl-albrecht-von-treuenfels-mit-82-jahren-gestorben-17525805.html - Abgerufen am 17.09.2021
- Carl-Albrecht von Treuenfels: Ich habe einen Specht erschossen: So wurde ich zum Vogelschützer. In: www.riffreporter.de. 21. Dezember 2016, https://www.riffreporter.de/de/umwelt/flugbegleiter-von-treuenfels-specht Abgerufen am 17.09.2021
- Umweltstiftungen stellen sich vor Bundesverband Deutscher Stiftungen https://web.archive.org/web/20200326150528/https://shop.stiftungen.org/media/mconnect_uploadfiles/u/m/umweltstiftungen_3_final.pdf Abgerufen am 17.09.2021
- Die Gremien. Stiftung Feuchtgebiete https://stiftung-feuchtgebiete.de/index.php/die-gremien.html Abgerufen am 17.09.2021
- https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/portraets/maeusebussard/ Abgerufen am 17.09.2021
- H.-G. Bauer, Einhard Bezzel, W. Fiedler: Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel. 2., vollst. überarb. Auflage. AULA-Verlag, Wiebelsheim 2005, ISBN 3-89104-647-2, S. 346
- Stanley Cramp, K. E. L. Simmons (Hrsg.): The Birds of the Western Palearctic. Vol. 2, Oxford University Press, Oxford 1980, ISBN 0-19-857505-X, S. 178.
- D. Forsman: The Raptors of Europe and the Middle East: A Handbook of Field Identification. T & A D Poyser, London 1999, ISBN 0-85661-098-4.
- U. Glutz von Blotzheim, K. M. Bauer, E. Bezzel: Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Band 4: Falconiformes. Akademische Verlagsgesellschaft, Frankfurt am Main 1971, ISBN 3-400-00069-8, S. 490.
- T. Mebs, D. Schmidt: Die Greifvögel Europas, Nordafrikas und Vorderasiens. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-440-09585-1, S. 359–360, 366.
- U. Mammen, M. Stubbe: Jahresbericht zum Monitoring Greifvögel und Eulen Europas. 12, 2000, S. 1–110.
- ↑ R. F. Ruttledge: Ireland’s Birds. London 1966.
- R. Clements: Range expansion of the Common Buzzard in Britain. In: British Birds. 93, 2000, S. 242–248.
- R. G. Bijlsma, A.-M. Blomert, W. van Manen, M. Quist: Ecologische Atlas van de Nederlandse Roofvogels. 4., verbesserte Auflage. Schuyt & Co, Haarlem 1996, S. 177.
- U. Hohmann: Untersuchungen zur Raumnutzung und Brutbiologie des Mäusebussards (Buteo buteo) im Westen Schleswig-Holsteins. In: Corax. 16, 1995, S. 94–104.
- Buteo buteo in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2008. Eingestellt von: BirdLife International, 2004, https://www.iucnredlist.org/species/61695117/181770099 Abgerufen am 17.09.2021
- https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit/21698-rtkl-artenschutz-windenergie-und-voegel-die-opferzahlen-sind-viel-hoeher Abgerufen am 17.09.2021
- https://schleswig-holstein.nabu.de/politik-und-umwelt/energie/windenergie/22684.html Abgerufen am 17.09.2021
- https://www.dda-web.de/downloads/texts/publications/falke/63/falke_63_3_windenergie.pdf Abgerufen am 17.09.2021
- K. Richarz, E. Bezzel, M. Hormann (Hrsg.): Taschenbuch für Vogelschutz. AULA-Verlag, Wiebelsheim 2001, S. 40 u. 224–225
- https://schleswig-holstein.nabu.de/politik-und-umwelt/energie/windenergie/22684.html Abgerufen am 17.09.2021
- https://nrw.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/jagd/jagdbare-arten/greifvoegel/04693.html Abgerufen am 17.09.2021
- https://www.ornithologie-hamburg.de/maeusebussard Abgerufen am 17.09.2021