Als ich diesen Montag (9.08.2021) meinen Fundus an Online-Zeitungen öffnete, begann für mich Freitag der 13. ein paar Tage früher. Der neue IPCC-Bericht zur Erderwärmung war draußen. Bereits 2030 droht eine Erderwärmung um 1,5 Grad - zehn Jahre früher als bisher prognostiziert. Eine katastrophale Aussicht.
Was ist der IPCC?
Der Intergovernmental Panel on Climate Change (Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen), auch als Weltklimarat bezeichnet, wurde im November 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) als zwischenstaatliche Institution ins Leben gerufen. Ziel war und ist es für politische Entscheidungsträger den Stand der wissenschaftlichen Forschung zum Klimawandel zusammenzufassen um so Grundlagen für eine wissenschaftsbasierte Entscheidung zu treffen. Mitglieder des IPCC's sind 195 Regierungen, also im Grunde die gesamte Welt. Darüber hinaus sind mehr als 120 Organisationen als Beobachter des IPCC registriert.
Insgesamt wurden 6 Berichte vom IPCC, seit seines Bestehens erstellt:
- 1990: Erster Sachstandsbericht des IPCC (AR1)
- 1995: Zweiter Sachstandsbericht des IPCC (AR2)
- 2001: Dritter Sachstandsbericht des IPCC (AR3)
- 2007: Vierter Sachstandsbericht des IPCC (AR4)
- 2013/2014: Fünfter Sachstandsbericht des IPCC (AR5)
- 2021/2022: Sechster Sachstandsbericht des IPCC (AR6)
Der Sechste Sachstandsbericht befand sich in der Entwicklung seit 2017 und spiegelt die Arbeit von drei Arbeitsgruppen wider. Von diesen liegt bisher nur ein Bericht vor, die Berichte zur "Folgen, Anpassung und Verwundbarkeiten" und "Bewältigung des Klimawandels" folgen in den ersten Monaten des Jahres 2022.
Die physikalische Basis
Die Atmosphäre und der Ozean sind wärmer geworden, Schnee und Eis sind zurückgegangen, der Meeresspiegel und die Konzentration an Kohlendioxid in der Atmosphäre sind angestiegen. Eine Erwärmung des Klimasystems ist eindeutig, so auch die Ursache. Weder kosmische Strahlung, noch Vulkanismus sind dafür verantwortlich zu machen, Veränderungen in der Intensität, wie sie seit den 1950er Jahren zu beobachten sind, sind nur durch einen Faktor zu erklären und der sind wir selbst.
Von 1880 bis 2012 stieg die Durchschnittstemperatur der Erdoberfläche um 0,85 °C, also pro Jahr stieg die Temperatur um 0,006 °C an. Von 2011 bis 2020 stieg die Durchschnittstemperatur der Erdoberfläche sogar auf 1,09 °C an, also pro Jahr stieg die Temperatur damit um 0,03 °C, was einen deutlichen Zuwachs darstellt. Dabei ist die Periode von 1983 bis 2013 vermutlich die wärmste 30-Jahre-Periode in den 1400 Jahre. Die zurückliegenden fünf Jahre waren die wärmsten seit 1850. Das hat u.a. zur Folge dem Hitzeereignisse sich häufen und vermutlich auch länger anhalten als sie es sonst tun würden. Die meiste Energie, welche in den Jahren 1971 bis 2010 produziert wurde, wurde zu großen Teilen von den Meeren aufgenommen. Das hatte zur Folge, dass die oberen 75 Meter der Meere pro Jahrzehnt um 0,11 °C stiegen. Betroffen von dieser Erwärmung sind aber mindestens 700 Meter des Meeres. Der Eisschild der Arktis verlor von 2002 bis 2011 215 Milliarden Tonnen pro Jahr, also 1835 Milliarden Tonnen geschmolzenes Eis für diesen Zeitraum. In der Antarktis verringerte sich der Eisschild in der gleichen Zeitspanne um 147 Milliarden Tonnen pro Jahr, was 1.323 Milliarden Tonnen geschmolzenes Eis entspricht. Also ein Gesamtverlust der Eismasse von 3.258 Milliarden Tonnen. Damit verbunden ein Rückgang des arktischen Meereises um 9,4 bis 13,6 Prozent und ein Meeresspiegelanstieg von 17 bis 21 Zentimetern. Dieser Meeresspiegelanstieg hat sich in den Jahren 1993 bis 2010 beschleunigt, nun steigt der Meeresspiegel um 3,2 Millimeter das Jahr.Die Rate des Meeresspiegel-Anstiegs hat sich seit 1970 fast verdreifacht.
Die aktuelle Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre ist die höchste seit 800.000 Jahren. Seit 1750 wurden durch den Menschen 555 Milliarden Tonnen Kohlenstoff freigesetz, weshalb der Gehalt an Kohlendioxid seit dieser Zeit bis heute um 40 Prozent zugenommen hat. Seit etwa 22.000 Jahren hat es nicht mehr eine so schnelle Zunahme an Kohlendioxid gegeben, wie es im 20. Jahrhundert geschah.
155 Milliarden Tonnen des freigesetzten Kohlenstoffs (also 28 Prozent) wurden vom Ozean aufgenommen. Der pH-Wert des Ozeans hat seitdem in der obersten Schicht um 0,1 abgenommen, was einem Zuwachs an Wasserstoff-Ionen von 26 Prozent entspricht. Mit hoher Wahrscheinlichkeit führt der Klimawandel zu häufigerem und intensiverem Starkregen. Global betrachtet könnte sich Extremregen pro Grad Erwärmung um etwa sieben Prozent intensivieren. Überschwemmungen wie wir sind in den letzten Monaten erlebt haben, werden häufiger und schlimmer verlaufen. Da bei solchem Ereignissen auch dutzende Materialien in die Meere gelangen, werden diese weiter verschmutzt und vermutlich ebenfalls in ihrem pH-Wert gesenkt, wenn auch eher lokal.
Gemittelt über die nächsten 20 Jahre ist zu erwarten, dass die global gemittelte Oberflächentemperatur im Vergleich zum Zeitraum 1850 bis 1900 um mehr als die Marke von 1,5 °C ansteigen wird, die Teil des Pariser Übereinkommens war.
Zeit für Domino
Aufgrund dieser Klimaumwälzung in eines der sog. Kippelemente (vgl. hierzu das Kapitel Domino Day) die Atlantische Umwälzströmung, kurz AMOC, so schwach wie in den letzten 1000 Jahren nicht. Sie steht kurz vor dem Zusammenbruch. es ist eines der wichtigsten Zirkulationssysteme unseres Planeten. Sie transportiert warme Wassermassen aus den Tropen nach Norden an der Meeresoberfläche und kaltes Wasser nach Süden am Meeresboden, was für die relativ milden Temperaturen in Europa am relevantesten ist. Bricht AMOC zusammen, heizen sich die Gewässer der Tropen rascher auf, eine Ausbreitung von Todeszonen in den Meeren würde rasanter zunehmen, wie auch die lokalen Temperaturen. Hingegen würde es in Europa und Nordamerika zu massiven Kälteeinbrüchen kommen, Ernteausfälle und Hungersnöte inklusive. Zudem würde das Zusammenbrechen von AMOC Wetterkonstellationen auf der ganzen Welt beeinflussen. Weiter würde diese abrupte Klimaschwankung zu einem Massenaussterben in der Fischwelt führen, welche auf die stetige Zirkulation der Meeresströmungen angewiesen sind. Im schlimmsten Fall würde beim Zusammenbruch von AMOC weitere Kippelemente folgen.
Aus Computersimulationen und der Erdgeschichte, wissen wir, dass AMOC verschiedene Betribsmodi besitzen kann. Aktuell befindet sie sich im starken Modus und ist so schwach wie nie.
Der Zusammenbruch von AMOC ist eines dieser Ereignisse, das nicht passieren sollte, versuchen wir uns weiter dagegen aufzulehnen, werden wir zermalmt.
Apokalypse now
Alle Weltregionen haben gleich mit mehreren Klimaveränderungen zu kämpfen (etwa steigende Temperaturen bei weniger Niederschlag), die sich teils auch noch gegenseitig verstärken. Je größer die Erwärmung, desto höher die Risiken. Extremtemperaturen werden die Landwirtschaft in weiten Teilen der Welt vernichten, Hungersnöte werden folgen. Aus Hungersnöten folgen Unruhen, Konflikte und Flucht. Steigt, die Erderwärmung wird die "Flüchtlingskrise 2015" uns wie ein laues Lüftchen vorkommen. Nicht nur, weil mehr Menschen als jemals zuvor ihre Heimat verlassen müssen, weil der Meeresspiegel steigt, Land versinkt und Hunger sie treibt. Sondern auch, weil die steigenden Temperaturen zu mehr lebensfeindlichen Regionen führen werden und nicht nur das, denn der Meeresspiegel macht auch vor den reichen Ländern nicht halt, Städte wie Hamburg werden ebenfalls versinken, auch hier werden alle zu Flüchtlingen. Ein gefundenes Fressen für Parteien, die sich von der Angst vor den Flüchtlingen am Leben halten, man fragt sich, ob solche Parteien genau aus diesem Grund das Klima leugnen und Mauern bauen wollen.
Doch in der Krise bauen die Weisen Brücken und die Narren Mauern, gerade am 13.08, 60 Jahre nach dem Mauerbau, eine Weisheit die wir nicht vergessen sollten. Die Wahrheit ist, diese Geschichte kann nicht mit Hoffnung allein gelöst werden, es braucht Taten, Wut, Verzweiflung, aber auf die richtigen Stellen. Die Klimakatastrophe ist ein Beispiel für das politische Versagen, man hat es kommen sehen, ignoriert und heruntergespielt.
Wir müssen handeln drastischer den je, nicht aus Hoffnung, sondern weil uns keine andere Option zum Überleben bleibt.
Quellen
- ipcc.de: Vereinbarungen für die Übersetzung englischer Fachbegriffe aus den Klimawissenschaften ins Deutsche (Memento vom 2. März 2017 im Internet Archive) Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle, https://web.archive.org/web/20170302170723/http://de-ipcc.de/_media/Begriffe_IPCC_online.pdf Abgerufen am 13.08.2021
- ipcc.ch: Liste der Beobachterorganisationen des IPCC, https://www.ipcc.ch/apps/contact/interface/organizationall.php Abgerufen am 13.08.2021
- ipcc.ch: Sixth Assessment Report cycle: „The 43rd Session of the IPCC held in April 2016 agreed that the AR6 Synthesis Report would be finalized in 2022 in time for the first UNFCCC global stocktake when countries will review progress towards their goal of keeping global warming to well below 2 °C while pursuing efforts to limit it to 1.5 °C. The three Working Group contributions to AR6 will be finalized in 2021.“ („Die 43. Tagung des IPCC im April 2016 vereinbarte, dass die AR6-Synthese 2022 fertig gestellt werden soll, zur ersten globalen Bestandsaufnahme der UNFCCC, ob die Länder Fortschritte erreicht haben im Hinblick auf ihr Ziel, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 °C zu begrenzen, wobei Anstrengungen unternommen werden, sie auf 1,5 C zu begrenzen. Die Beiträge der drei Arbeitsgruppen werden 2021 fertiggestellt.“), Abgerufen am 13.08.2021
- IPCC WGII AR6 Timeline. Website des IPCC https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2021/05/WG2AR6_Timeline_v4.pdf Abgerufen am 13.08.2021
- Arbeitsgruppe I: Climate Change 2013 – The Physical Science Basis mit Langfassung und Summary for Policymakers. (Fünfter Sachstandsbericht des IPCC (AR5)) https://www.ipcc.ch/report/ar5/wg1/ Abgerufen am 13.08.2021
- https://www.n-tv.de/wissen/Das-erste-Klima-Kippelement-koennte-fallen-article22727988.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE Abgerufen am 13.08.2021
- https://belletristica.com/de/books/30336-felix-for-future/chapter/176771-domino-day Abgerufen am 13.08.2021
- https://www.sueddeutsche.de/wissen/klimawandel-ipcc-weltklimarat-erderwaermung-co2-duerre-starkregen-meeresspiegel-1.5377150?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE Abgerufen am 13.08.2021