Bevor es den Klimawandel im kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft gab, tauchte das Ozonloch auf. Häufig genug wird dieses von Klimaleugnern verwendet, mit der Behauptung, dass es zwar in den Medien heißt gekocht worden wäre, aber nie wirklich so schlimm gewesen sei und nur zu unnötigen Handlungen und Verboten geführt habe.
Eine neu veröffentlichte Studie legt nahe, dass das Montreal-Protokoll, eine dieser "unnötigen Handlungen" uns überhaupt die Möglichkeit gab, überhaupt noch gegen den Klimawandel vorzugehen.
Was ist eigentlich ein FCKW?
FCKW ist die Kurzform von Fluorchlorkohlenwasserstoffe (sie werden nach der chemischen Nomenklatur nach IUPAC auch Chlorfluorkohlenwasserstoffe (CFKW) oder auch Freone genannt). Es handelt sich dabei um eine umfangreiche chemische Gruppe niedermolekularer organischer Verbindungen, also Verbindungen mit einer Masse von weniger als 800 Gramm je Mol. FCKW sind Kohlenwasserstoffe, bei denen Wasserstoffatome durch die Halogene Chlor und Fluor ersetzt wurden, sie stellen damit eine Untergruppe der Halogenkohlenwasserstoffe. Verwendung fanden die FCKW als Treibgase, Kältemittel oder Lösemittel verwendet werden.
Radikalmechanismus
Die Chemiker Harold D. Johnston, Emanuel Sassim, Paul J. Crutzen (eigentlich ein Meteorologe), Frank Sherwood Rowland und Mario J. Molina entdeckten in den frühen 1970er Jahren den Radikalmechanismus.
Dieser wird auch radikalische Substitution genannt. Der Mechanismus betrifft nicht nur FCKWs überführt aber diese und andere Moleküle in reaktive Radikale. Als Radikale bezeichnet man in der Chemie Atome oder Moleküle mit mindestens einem ungepaarten Valenzelektron, sie sind aufgrund dieser Struktur meist kurzlebig und reagieren in kürzester Zeit mit anderen Stoffen. Dabei gilt je länger ein Radikal existiert, desto höher ist seine Reaktivität.
Die niedermolekularen, wasserstofffreien Clurflurkohenstoffe (CFK), ein Abbauprodukt der FCKW, gelangen aufgrund ihrer chemischen Stabilität und ihrer großen Flüchtigkeit in die Stratosphäre. Dort treffen Lichtteilchen (Photonen) auf die CFK, welche dazu führen, dass sich die CFK in ein größeres und kleineres Molekül zersetzten, welche beide die Eigenschaften eines Chlor-Radikals besitzen. Diese Chlorradikale bauen Ozon (O³) zu biatomarem (molekularem) Sauerstoff ab. Das Chlor, welches sich mit dem Sauerstoff verbunden hatte, wird wieder frei und verbindet sich mit einem weiteren Clor, sodass molekulares Chlor entsteht. Dieses kann durch ein weiteres Photon (und in der Stratosphäre gibt es durch die Sonne davon einige) erneut zu zwei Chlorradikalen umgesetzt werden und der Prozess beginnt von neuem.
Ozonschicht
Das wäre alles nicht so schlimm, wenn es nicht gerade die Ozonschicht betreffen würde. Die Ozonschicht ist ein Bereich erhöhter Konzentration des Spurengases Ozon in der Erdatmosphäre, sie befindet sich hauptsächlich in der unteren Stratosphäre (ca. 15 bis 80 Kilometer über der Erdoberfläche). Ozon entsteht in der Stratosphäre aus molekularem Luftsauerstoff, indem dieser durch den energiereichsten Anteil des Sonnenlichts (UV-C) zu Sauerstoffatomen gespalten wird. Diese Sauerstoff-Radikale verbinden sich in kürzester Zeit mit einem weiteren molekularen Sauerstoff zum Ozon (O3).
Ozon selbst ist viel lichtempfindlicher als molekularer Sauerstoff. Es absorbiert UV-C- und UV-B-Strahlung und schützt damit alle Lebewesen auf dem Planeten vor Strahlenschäden.
Zwar führt die Absorption einer solchen Strahlung dazu, dass sich das Ozon wieder spaltet, aber durch das erneute Entstehen eines Sauerstoff-Radikals bildet sich in der Regel ein neues Ozon in kürzester Zeit.
Es sei den es kommt zu dem bereits beschrieben Radikalmechanismus. Denn durch die Freisetzung der FCKW in die Stratosphäre wurde immer mehr Ozon zersetzt, es bildete sich aber weniger neues Ozon. Der Beginn des Ozonlochs war geschaffen.
Ozonloch
Wir haben festgestellt, dass Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) Chlor und Brom in die Stratosphäre bringen, die dort dann zum Abbau des stratosphärischen Ozons beitragen. Dies führt zu einer Erhöhung der harten UV-B-Strahlung auf der Erdoberfläche, was nachteilige Auswirkungen auf Mensch und Natur hat.
Eigentlich würde sich die Ozonschicht weitestgehend global gleichmäßig abbauen, allerdings kommt es über der Antarktis zur Zeit der Polarnacht Wolken ins Spiel, welche sich zu anderen Zeiten in der trockenen Stratosphäre nicht bilden können. An anderen Orten können sich die Wolken nicht bilden, da es nur in der Antarktis kalt genug wird um auf die Stratosphäre Auswirkung zu nehmen (eine Ausnahme erfolgte in der Arktis im März 2020 für zwei Wochen).
Auf diesen Wolken verbleiben die FCKW und andere Schadstoffe und verbleiben in diesem "Filter" bis zum Frühjahr. Wenn die Sonne nach der Polarnacht wieder aufgeht, verschwinden die Wolken und eine große Menge dieser Schadstoffe wird in kürzester Zeit frei. Binnen kürzester Zeit wird das umliegende Ozon abgebaut und die Ozonschicht verschwindet in einem größeren Bereich, den man Ozonloch nennt.
Erst wenn der Polarwirbel instabil wird, dringen ozonreichere Luftmassen aus anderen Erdregionen in das Ozonloch ein und schließen es wieder. Die ozonarme Luft drang zu Ozonlochzeiten u.a. bis nach Südamerika und Australien vor, wo es zu einem starken Anstieg der UV-B-Strahlung kam.
Historischer Handlungsbedarf
Vor dem Einsatz von FCKW wurde erstmals 1974 gewarnt, allerdings wurde die Warnung nur von den USA ernst genommen. Im Jahr 1981 beschrieb Veerabhadran Ramanathan, dass allein der sehr starke Treibhauseffekt der Fluorchlorkohlenwasserstoffe die Erdatmosphäre bis zum Jahr 2000 um einen ganzen Grad erwärmen würde, wenn die Emissionen dieses Gases nicht dramatisch reduziert werden. Doch noch immer sah sich die Welt nicht in einem Handlungsbedarf.
Dies änderte sich mit der Entdeckung des Ozonlochs 1985.
Nur zwei Jahre später, am 16. September 1987, im Zuge des Montrealer Protokolls verpflichteten sich viele Staaten zur drastischen Reduktion der Herstellung von FCKW.
Fast drei Jahre später am 29. Juni 1990 beschloss die internationale Konferenz zum Schutz der Ozonschicht in London (siehe auch Londoner Konferenz), die Herstellung und Anwendung von CFK und FCKW ab dem Jahr 2000 zu verbieten oder zumindest stark einzuschränken. Grund für die Anpassung des Montrealer Protokolls waren wissenschaftliche Untersuchungen, welche die Sorge aufkeimen lassen hatten, dass die darin geplanten staatlichen Aktivitäten zum Schutz des Klimas und der Ozonschicht nicht ausreichend sein dürften.
Die Einigung sah dabei vor, den FCKW-Einsatz bis 11995 um 50 Prozent, bis 1997 um 85 Prozent zu reduzieren.
Allerdings beträgt die Lebensdauer der meisten FCKW-Verbindungen viele Jahrzehnte, weshalb sich das Ozonloch erst in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts schließen dürfte.
Da FCKWs außerdem Sonnenstrahlung im Infrarotbereich (stärker als CO2) absorbieren tragen sie gemäß ihrem jeweiligen Treibhauspotenzial (in CO2-Äquivalent) unterschiedlich zur globalen Erwärmung bei.
Dabei übersteigen einige FCKW das Treibhauspotenzial von Kohlendioxid um das Zehntausendfache.
What if...
Doch was wäre, wenn man nicht gehandelt hätte, wenn man ähnlich lange gewartet hätte, wie bei den Kohlenstoff-Emissionen oder gar länger?
Genau dieser Frage stellte sich ein Wissenschaftlerteam nun ein hypothetisches Szenario in Form einer Modellrechnung.
Es zeigte sich, dass mit dem Montreal-Protokoll die Welt vor einer zusätzlichen, dramatischen Erwärmung bewahrt wurde. Hätte man weiter ungebremst FCKW bis ans Ende dieses Jahrhunderts weiterproduziert, wäre die Erderwärmung bereits 2,5 Grad wärmer, als sie es ohnehin schon ist. Das Pariser Klimaabkommen hätte es, in der Form wie wir es kennen, so nie geben können.
Grund für diese dramatische Klimaerwärmung ist die doppelte Klimawirkung der FCKW, da sie teilweise stärkere Treibhausgase sind als Kohlendioxid oder Methan und so schon allein die Welt um 1,7 Grad erhitzen würden.
Neben dieser Wirkung hätten die FCKW die Ozonschicht großteilig verschwinden lassen, die damit verbundene, stärkere UV-Einstrahlung hätte das Pflanzenwachstum verringert und so würde weniger Kohlenstoff gebunden werden. Vergleichbar, wäre dieser Schaden, als würden 325 bis 690 Gigatonnen Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre entlassen, was eine Erwärmung von rund 0,8 Grad bedeutet.
Selbst wenn die Menschheit von heute auf morgen ihren Treibhausgasausstoß auf null reduzieren könnte, wäre die Durchschnittstemperatur in diesem Szenario durch die beiden genannten Effekte der FCKW um rund 2,5 Grad Celsius gestiegen.
Da dies aber nicht erfolgte, muss man annehmen das zusätzlich zu der FCKW-Erwärmung ein Temperaturanstieg von einem weiteren Grad zu Beginn dieses Jahrhunderts. Also insgesamt ein Temperaturanstieg von 3,5 Grad Celsius. Was einem gestiegenen Meeresspiegel von 15 bis 25 Metern entspräche. Damit hätten wir im Bremen, Hamburg und die Niederlande bereits um die Jahrhundertwende erfolgreich versenkt. Auch Venedig gäbe es nicht mehr und das Stadtgebiet von Kairo wäre auch weitestgehend in den Fluten versunken.
Vermutlich würden bei einer solchen Entwicklung aber bereits der Klimawandel "außer Kontrolle" geraten. Diverse Kippelemente würden fallen, wenn nicht sogar alle, der Worst Case eintreten.
Fazit
Es steht damit außer Frage, dass der Erfolg des Montreal-Protokolls weit über den Schutz der Ozonschicht und der menschlichen Haut hinaus gegangen ist, es hat maßgeblich dazu beigetragen, dass wir noch eine Chance haben den Klimawandel von der absoluten Katastrophe zu einem immer noch verherenden, aber überlebbaren Ereignis zu wandeln. Doch dafür müssen wir mindestens so aktiv werden wie im Fall der FCKWs.
Quellen
- Vollhardt, K. Peter C.; Schore, Neil E.; Butenschön, Holger: Organische Chemie. 5. Aufl. New York: John Wiley & Sons, 2011, S. 133. Abgerufen am 26.08.2021
- Ulrich Schurath: Fluorkohlenwasserstoffe – ein Umweltrisiko? In: Chemie in unserer Zeit, 11. Jahrgang, 1977, Nr. 6, S. 181–189, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ciuz.19770110604
- Klaus Schwetlick: Organikum. 23. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2009, ISBN 978-3-527-32292-3. Abgerufen am 26.08.2021
- Spencer Weart: The Discovery of Global Warming: Other Greenhouse Gases. Center of History am American Institute of Physics, aip.org https://history.aip.org/climate/othergas.htm Abgerufen am 26.08.2021
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- David Archer, Victor Brovkin: Millennial Atmospheric Lifetime of Anthropogenic CO2. In: Climatic Change, Vol. 90, 2008, (3) https://link.springer.com/article/10.1007/s10584-008-9413-1 Abgerufen am 26.08.2021
- http://flood.firetree.net/ Abgerufen am 26.08.2021