Es ist ein seltener Anblick, aber ein Anblick der mich immer wieder verzaubert: Häuser im Kleid von grünen Blättern. Schon als Kind waren es diese Häuser, die ich stets als besonders erachtete und ihnen eine besondere Aura andichtete.
Doch auch wenn wir uns von meiner kindlichen Romantik entfernen ist die Thematik "begrüntes Haus" eine Überlegung wert.
Begrüntes Dach oder Gartendach?
Bei der Dachbegrünung wird zwischen Intensiver Begrünung und Extensiver Begrünung unterschieden. Während eine Intensive Begrünung einer vollwertigen Gartenanlage entspricht und damit mit hohem Pflegeaufwand und Kosten verbunden ist, lassen sich dort auch grßere Pflanzuen wie Lavendel, Taglilien und kleinere Ziergehölze anpflanzen. Deutlich billiger ist die Extensive Begrünung, der Pflegeaufwand ist gering und das Anlegen einer solchen begrünung wenig kostenintesiv. Dafür ist die Auswahl der verfügbaren Pflanzen und der damit verbunden Biodiversität und Fotosyntheseleistung begrenzt.
Die Vorteile einer Dachbegrünung
Eine Dachbegrünung verbessert das Mikroklima in seiner Umgebung und macht sommerliche Hitze erträglich. Grund dafür ist die konstante Verdunstung von Wasser, ein Nebenprodukt der Photosynthese. Diese wiederum setzt Kohlenstoffdioxid zu Glucose und Sauerstoff um. Die Glucose ist gut für die Pflanze und der Sauerstoff gut für uns. Doch nicht nur Kohlenstoffdioxid wird aus der Luft gefiltert, so ist beispielsweise der Gemeine Efeu (Hedera helix) in der Lage besonders gut Benzol abzubauen: innerhalb von 24 Stunden kann er bis zu 90 Prozent davon abbauen. Zusätzlich baut er Trichlorethan (bis zu 1%) ab. Insgesamt werden pro Quadratmeter Dachbegrünung jährlich 0,2 Kilogramm Staub und Schadstoffe aus der Luft gebunden. Eine Steigerung der Luftqualität ist die Folge, was zu seltener Smog in der Stadt und einer Verringerung von Atemwegserkrankungen führt. Dachbegrünungen federn im Fall von Starkregen ebenfalls größere Wassermengen ab, zum einen halten die Pflanzen Wasser zurück, um es für sich selbst zu nutzen, zum anderen ist der Widerstand der Wurzeln und Blätter auch für Wasser nur mit einer zeitlichen Verzögerung zu überwinden. Diese zeitliche Verzögerung kann bei einem starken Regen ein Kollabieren des Abwassersystems und damit vollgelaufene Keller o.ä. verringern. Aber nicht nur für Wasser ist das Pflanzenmaterial ein Widerstand, so wird auch Schall besser durch eine Dachbegrünung gedämpft, als durch ein nicht begrüntes. Die Schallreflexion nach außen sinkt um drei Dezibel, und nach innen sind die Umgebungsgeräusche etwa um acht Dezibel leiser. Zusätzlich können durch grüne Dächer und Fassaden viele Tiere und auch weitere Pflanzen einen neuen Lebensraum finden. Ein großes Nahrungsangebot, in Form von Nektartragenden Pflanzen, würde die Situation der Fluginsekten deutlich verbessern. Diese sind in den letzten Jahren um 80 Prozent in ihrem Bestand gesunken, u.a. weil die Landwirtschaftsindustrie vorrangig in Monokulturen agiert. Dachbegrünungen sind kein Ersatz für eine nachhaltige Landwirtschaft, aber sie könnten in diesem Fall ebenfalls abfedern wirken und so seltener werdende Arten in ihrem Bestand stabilisieren. Die intensive Dachbegrünung kann ebenfalls für die Eigenversorgung genutzt werden, so lassen sich dort auch einige essbare Nutzpflanzen einrichten.
Eine Dachbegrünung kann die Lebensdauer eines Dachs zudem um bis zu 25 Jahre verlängern, da das Pflanzenmaterial die Hitze der Sonne und UV-Strahlen abschirmt, welche die Hauptzersetzungsfaktoren bei Dächern sind.
In Städten und Gemeinden, wo die sogenannte gesplittete Abwassergebühr eingeführt wurde, zahlt man weniger, je mehr Versicherungsfläche beziehungsweise je weniger versiegelte Flächen das eigene Grundstück besitzt.
Nachteile eines begrünten Hauses
Ein begrüntes Haus ist ein eigenes Biotop, das Leben darin kann auch mit den Bewohnern des Hauses interagieren. Große Fluginsekten, wie Nachtschwärmer, sind vermehrt an den Fenstern und im Haus selbst zu erwarten.
Wie in "Wie man einen Wald pflanzt" bereits erläutert heizen Pflanzen, insbesondere Bäume, mit ihrem dunklen Kronendach, welches Licht absorbiert, die Erdoberfläche auf. Allerdings ist dieser Faktor im Fall von begrünten Häusern eher geringfügig, denn die meisten Dächer sind schwarz, braun oder dunkelrot, sie würden also auch ohne Bepflanzung zu einer gewissen Aufheizung führen.
Eine Umrüstung des Daches kostet, ebenso dessen Pflege. Dabei sind extensive Dachbegrünungen nur mit geringem, anfänglichen Pflegeaufwand bverbunden, während intensive Dachbegrünungen regelmäßige Bewässerung benötigen und weniger autark, als die extensive Dachbegrünung, argieren.
Das größte Gegenargument einer Dachbegrünung ist wohl die Statik, so wunderschön eine intensive Dachbegrünung aussehen kann, sie erzeugt ein hohes Gewicht, dass das Dach auch im Regenfall (wenn alles noch schwerer wird) tragen muss. Bei Kiesdächern gilt im übrigen, dass ein Dach in der Regel 10 Zentimeter Substrat tragen kann, sodass für solche Dächer eine extensive Dachbegerünung im kleinsten Stile problemlos und ohne großen Aufwand realisiert werden kann.
Doch woher weiß man, ob das eigene Haus geeignet ist für so ein Unterfangen?
Eine Frage, welche für Bewohner des Bundeslandes NRW leicht zu beantworten ist. Denn vor kurzem wurde dort eine interaktive Karte, auf welcher man sehen kann, ob das eigene Haus, für eine Dachbegrünung, geeignet ist. Weiter gibt die Karte an, wie hoch, je nach Bepflanzung, der ökologische Nutzen durch CO²- und Staubspeicherung und Regenrückhaltemengen wäre und mit welchem Preis man ungefähr rechnen sollte. Ein Pilotprojekt, was hoffentlich bald in ganz Deutschland und darüber hinaus verfügbar seien wird.
Anschauliches Beispiel
Irgendwo in Essen, also einer Großstadt mit Stadtklima, liegt ein Haus dessen Dach 98 Quadratmeter Fläche und eine Neigung von 4 Grad besitzt. Es eignet sich sehr gut für eine Dachbegrünung und so nutzen wir es als unser Beispiel. Die Sonne erfasst das Dach vollständig und so schlägt uns die Karte dem Standort entsprechend Sonnenliebende Pflanzen. Über den beigefügten Link erhalten wir eine Auswahl verschiedenster Pflanzen (insgesamt 25). Die Pflanzen werden mit ihrem gängigen Trivialnamen vorgestellt, sowie ihrem lateinischen Artnamen. Dazu kommen Angaben über die Wuchshöhe, ob die Art bei uns Heimisch ist, wie sie idealerweise anzupflanzen ist, welche Blütenfarbe sie haben und wann die Pflanzen blühen. Heimische Arten werden mit grüner Schrift hervorgehoben, wer ein ökologischeres Dach haben will, sollte sich lediglich auf heimische Arten beschränken. Zusätzlich wird empfohlen Regiosaatgut zu verwenden. Dieses stammt aus direkter Umgebung des Wohnortes und ist neben geringeren Transportkosten, wirklich ein Stück "Heimischer Natur".
Wir entscheiden uns in Beispiel 1 für die einfachste Variante mit 10 Zentimeter Substrat.
- Gewicht im wassergesätigten Zustand: 12.740 Kilogramm
- Retentionspotenzial bei Starkregen 1.960 Liter die Stunde (Retenionspotenzial = Wie viel (Wasser) kann zurückgehalten werden)
- Potenzieller jährlicher Niederschlagsrückhalt 42 Kubimmeter pro Ar (1 Ar = 100 m² also ungefähr unser Dach)
- Mittlere Verdunstungskühlleistung pro Jahr 28.959 KiloWattstunden (pro Ar) CO2-Bindungspotenzial: 78 Kilogramm (pro Ar)
- Feinstaubbindung: 137 Gramm (pro Ar)
- Geschätze Kosten: 11.573 Euro
In Beispiel 2 entscheiden wir uns beim selben Dach für 30 Zentimeter Substrathöhe, der höchste Wert den die Karte kennt, alles darüber hinaus sind Spezialaufträge.
- Gewicht im wassergesätigten Zustand: 41.160 Kilogramm
- Retentionspotenzial bei Starkregen 3.136 Liter die Stunde
- Potenzieller jährlicher Niederschlagsrückhalt 59 Kubimmeter pro Ar (1 Ar = 100 m² also ungefähr unser Dach)
- Mittlere Verdunstungskühlleistung pro Jahr 40.542 KiloWattstunden (pro Ar)
- CO2-Bindungspotenzial: 98 Kilogramm (pro Ar)
- Feinstaubbindung: 137 Gramm (pro Ar)
- Geschätze Kosten: 37.198 Euro
Der Mittelweg wären 20 Zentimeter, wie in Beispiel 3 veranschaulicht.
- Gewicht im wassergesätigten Zustand: 27.440 Kilogramm
- Retentionspotenzial bei Starkregen 2.548 Liter die Stunde
- Potenzieller jährlicher Niederschlagsrückhalt 51 Kubimmeter pro Ar (1 Ar = 100 m² also ungefähr unser Dach)
- Mittlere Verdunstungskühlleistung pro Jahr 34.750 KiloWattstunden (pro Ar)
- CO2-Bindungspotenzial: 88 Kilogramm (pro Ar)
- Feinstaubbindung: 137 Gramm (pro Ar)
- Geschätze Kosten: 22.851 Euro
Dachbegrünung oder Photovoltaik-Anlage?
Warum nicht beides? Gründächer und Photovoltaik schließen sich nicht aus, ganz im Gegenteil! Die Vegetation kühlt die Solarzellen und macht sie effektiver, als sie ohne Pflanzen wären. Der Schatten der Photovoltaik-Anlage schützt die Pflanze vor übermäßiger Austrockung durch Sonnenstrahlung. In unserem Beispiel (1 - 3) könnten wir knapp die gesamte Fläche für eine Photovoltaik-Anlage nutzen und so jährlich über 6.000 KiloWattstunden erzeugen. Eine vierköpfige Familie verbraucht im Jahr 4.500 KiloWattstunden.
Groß gedacht
Lanuv-Präsident Dr. Thomas Delschen geht davon aus das jeder dritte Quadratmeter Dach in NRW als potenzielle Grünfläche eignet. NRW besitzt 3.902.264 Gebäude, welche zusammen eine Fläche von über 1200 Quadratkilometern einnehmen. Also etwa die Fläche von Singapur und St. Lucia zusammen. Ein Drittel davon also 400 Quadratkilometer Dachbegrünung entspräche der Fläche von Köln.
Gehen wir, ausgehend von unserem ursprünglichen Beispiel vom Mittelwert von 20 Zentimeter Substrat aus, da es Häuser gibt, welche nur 10 Zentimeter und Häuser die 30 Zentimeter oder mehr Begrünung aufweisen können. 400 Quadratkilometer entspricht einer Fläche von 4.000.000 Ar.
- Retentionspotenzial bei Starkregen 10.192.000.000 Liter die Stunde
- Potenzieller jährlicher Niederschlagsrückhalt 204.000.000 Kubimmeter
- Mittlere Verdunstungskühlleistung pro Jahr 139.000.000.000 KiloWattstunden
- CO2-Bindungspotenzial: 352.000.000 Kilogramm (352.000 Tonnen)
- Feinstaubbindung: 548.000.000 Gramm (548 Tonnen Feinstaub)
- Geschätze Kosten: 91 Milliarden Euro
Oder vereinfacht gesagt, würde man wirklich alle Dächer in NRW begrünen die begrünt werden können, würde sich der CO2-Ausstoß Deutschlands von 805 Millionen Tonnen (Stand 2019) um eine ganz Tonne senken. Das ist nicht viel, (ich hatte in einer früheren Fassung dieses Artikels einen Übertragungsfehler und dadurch die CO2 Emissionen um die Hälfte reduziert, leider ist das doch zu groß gedacht. Ich bitte dies zu entschuldigen.) aber es würde das Klima in unseren Städten deutlich verbessern, zumal wenn alle Bundesländer solche Dachbegrünungen besäßen, würden wir noch einen gewissen Prozentsatz an Emissionen mehr verringern. Zu mal bei neidrgieren Temperaturen in der Stadt, die Klimaanlagen weniger laufen, welche meist mit Kohlestrom betrieben werden.
[Der verringerte Feinstaub ist kaum merklich da 2018 211.000 Tonnen Feinstaub emitiert wurden.]
Quellen
- https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/kampf-gegen-klimawandel-wie-die-h%C3%A4user-in-nrw-gr%C3%BCner-werden-sollen/ar-BB1fH1Yi Abgerufen am 16.04.2021
- https://www.haus.de/bauen/dachbegruenung-anlage-pflege Abgerufen am 16.04.2021
- https://www.klimaanpassung-karte.nrw.de/?feld=gruendach Abgerufen am 16.04.2021
- http://www.klimaanpassung-karte.nrw.de/itnrw/pflanzlisten/Pflanzliste_sonnig_10.pdf Abgerufen am 16.04.2021
- www.gruendachkataster.nrw.de Abgerufen am 16.04.2021
- https://www.lanuv.nrw.de/klima/klimaanpassung-in-nrw/fis-klimaanpassung-nordrhein-westfalen/gruendachkataster /parameter#c16881 Abgerufen am 16.04.2021
- https://www.statistik.rlp.de/fileadmin/dokumente/gemeinschaftsveroeff/zen/Zensus_GWZ_2014.pdf Abgerufen am 16.04.2021
- https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/bilanz-umweltbundesamt-1730880 Abgerufen am 16.04.2021
- https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1090854/umfrage/feinstaub-emissionen-in-deutschland/ Abgerufen am 16.04.2021