Eine neue KfW-Studie hat ermittelt, dass das Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 rund 5 bis 6 Billionen Euro kosten wird - nicht für die Welt, allein für Deutschland. Eine gewaltige Summe: Aber machbar.
Was ist eigentlich klimaneutral?
Zunächst scheint die Frage banal zu sein, denn es scheint eindeutig, was "klimaneutral" bedeutet. Schaut man sich den Begriff aber nun etwas genauer an, wird schnell klar, dass unterschiedliche Dinge damit verbunden werden.
Allgemein bedeutet der Begriff klimaneutral, dass durch das Produkt oder die Dienstleistung die Menge an klimaschädlichen Gasen, vorrangig von CO2, in der Atmosphäre nicht erhöht wird.
Allerdings gibt es zwei Varianten diese Klimaneutralität zu erreichen:
Variante 1: Klimaschädliche Gase werden nicht am Ort der Entstehung, sondern irgendwo anders in der Welt, wo es billiger ist als hier bei uns, in gleicher Menge reduziert. Diese Variante wird auch als Kompensation bezeichnet.
Klimaneutral wird die Produktion dann, wenn das Unternehmen eine Summe an eine Organisation spendet, welche dem Unternehmen ein Zertifikat ausstellt, das besagt, dass es seine Emissionen kompensiert hat. Die Organisation fördert mit diesen Spenden wiederum Projekte in Entwicklungsländern, um dort Emissionen zu senken und diese Sekungen dem Unternehmen "gutzuschreiben".
Variante 2: Das Unternehmen passt seine eigenen Prozesse an und nutzt zum Beispiel klimafreundliche Rohstoffe und klimafreundliche Energie zur Herstellung seiner Produkte. Auch der Vertrieb der Produkte wird umgestellt und erfolgt mit geringsten möglichen Schadstoffgasabgaben.
Bei beiden Varianten gelangt am Ende weniger CO2 in die Atmosphäre. Allerdings ist es nicht egal, welche Variante gewählt wird. Denn langfristig betrachtet ist Kompensation kein Weg in die Zukunft, da hier eine negative CO2-Bilanz in ein anderes Land verschoben wird. Ohne einen Anreiz auf Innovation zementiert sich der Ausstoß und es ist möglich, dass der CO2-Ausstoß so sogar steigt. Zudem ist Kompensation mit Unsicherheiten behaftet und bedarf eines hohen Kontrollaufwands; am Ende muss überprüft werden, ob alle Angaben auch der Wahrheit entsprechen. Wer bezahlt das? Wer realisiert das? Niemand.
Am Ende ist Kompensation ungerecht und belastet die Allgemeinheit, da es eben nicht langfristig dazu beiträgt, dass gegen den Klimawandel voran gegangen wird. Den Preis dafür überlässt man der nächsten Generation. So sieht kein verantwortungsvolles Handeln aus.
Weiter ist der Begriff klimaneutral oft nur auf ganz bestimmte Unternehmensbereiche zutreffend. Nur selten werden alle Emissionen eines Unternehmens betrachtet, sondern nur ein bestimmter Teilaspekt, wie bestimmte Lebensmittel o.ä..
Es zeigt sich, dass der Begriff klimaneutral mit Vorsicht zu genießen ist und leider nicht so griffig für wirklich gute Handlungen verwendet werden kann.
Klimaneutral bis 2045
Um das Ziel der Klimaneutralität in Deutschland bis zum Jahr 2045 zu erreichen, sind, laut einer Studie, Gesamtinvestitionen in Höhe von rund 5 bis 6 Billionen Euro erforderlich. Die Studie wurde vom Prognos Institut, Nextra Consulting und dem Institut für nachhaltige Kapitalanlagen (NKI) im Auftrag der staatlichen Förderbank KfW erstellt.
Jedoch ist die Summe nicht wirklich bei 5 bis 6 Billionen Euro liegend.
Denn es wurde bereits solche Investitionen mit eingerechnet, welche ohnehin getätigt hätten, werden müssen bzw. würden.
Der eigentliche zusätzliche Bedarf beträgt laut der Studie zwischen 1 und 1,9 Billionen Euro. Immer noch eine gigantische Summe, welche einer jährlichen Mehrinvestitionen von durchschnittlich 40 bis 72 Milliarden Euro bis 2045 bedeuten würde.
Immer noch viel Geld, aber allein durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen würden, im teuersten Fall, zwei Drittel der erforderlichen Mehrinvestitionen abgedeckt. Klimaneutral zum Nulltarif. Allerdings nur wenn wir sofort handeln und nicht weiter die Zeit zu Handeln verpennen, sonst steigen die jährlichen Mehrausgaben auf bis zu 24,48 Milliarden Euro jedes Jahr. Das wäre vergleichbar mit einer erneuten Wiedervereinigung und durch die aktuelle Wirtschaftskraft Deutschlands immer noch bezahlbar.
Zudem sind die Kosten für den Wiederaufbau allein durch die diesjährige Flutkatastrophe mit mindestens 30 Milliarden zu beziffern, vermutlich deutlich mehr. Es kommt uns letztlich billiger, wenn wir investieren.
Die Uhr tickt
Die Uhr tickt, die Zeit wird knapp. Es ist leider so dass die nächsten zehn Jahre die entscheidenden seien werden für uns und alle zukünftigen Generationen. Jeder Tag der vergeht ist eina verlorener. Noch immer dümpeln wir umher, dabei müssten wir schon jetzt die Geschwindigkeit, mit der wir Dekarbonisieren, fast verdreifachen. Jahrelange Genehmigungsverfahren, Bürokratie-Wahnsinn - das können wir uns nicht mehr leisten. Wir müssen handeln.
Je weiter der Umbau verzögert wird, desto schneller müssten die Maßnahmen umgesetzt werden, eine Kostenexplossion wäre die Folge.
Nehmen wir beispielsweise den Energiesektor, gut 32 Prozent der deutschen Emissionen werden hier verursacht, allein bis 2030 müsste der Ausstoß klimaschädlicher Gase doppelt so schnell verringert werden wie in den vergangenen 30 Jahren. Um das zu ermöglichen muss neben der Energiewirtschaft auch beispielsweise der Energieverbrauch reduziert werden. Insbesondere bei der Industrie, im Verkehr und im Haushalt. Denn mit geringerem Verbrauch muss auch weniger produziert werden.
Von dem Geld, das in den Umbau der Wirtschaft fließt, wird letztlich die Wirtschaft profitieren - oder wann war Investionsföderung für den betreffenden Industriezweig schon mal hinderlich? Wo die Wirtschaft floriert, entstehen Arbeitsplätze.
Hält sich die Weltgemeinschaft an das Pariser Abkommen und begrenzt den Klimawandel auf unter 1,5 Grad, könnte damit immenser sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Schaden verhindert werden.
Doch selbst wenn das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu sein, tatsächlich erreicht wird, würde Deutschland noch weit hinter den Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens für das 1.5 Grad-Ziel zurückbleiben. Dafür müsste die deutsche Klimabilanz schon im Jahr 2038 auf Null stehen. Das wäre in der Tat ein schwer zu stemmendes Projekt, aber vielleicht sollten wir es anpeilen.
Auch damit die Klimaneutralität 2045 und vielleicht schon früher kommt, sind auch wir gefordert. Gefordert der Politik Feuer unter dem Hintern zu machen, die Unternehmen belohnen, welche wirklich klimaneutral handeln und bei uns selbst zu reduzieren, was entbehrlich ist.
Wir müssen weiter kämpfen.
Quellen
- https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/klimaneutralitaet-investitionen-2045-kfw-studie-billionen-101.html Abgerufen am 8.10.2021
- https://www.handelsblatt.com/technik/thespark/nachhaltigkeit-der-umbau-zur-klimaneutralen-wirtschaft-kostet-deutschland-sechs-billionen-euro/27596596.html?ticket=ST-10302214-9P4i4d6PyOm455uFZUqi-ap4 Abgerufen am 8.10.2021
- https://www.heise.de/news/Studie-Klimaneutralitaet-in-Deutschland-kostet-6-Billionen-Euro-6188554.html Abgerufen am 8.10.2021
- https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/klimaneutral-was-bedeutet-das-eigentlich/ Abgerufen am 8.10.2021
- https://www.focus.de/perspektiven/entwicklung-foerdern-klima-schuetzen/wissen-umwelt-klimaneutralitaet-was-wird-das-kosten_id_24261350.html Abgerufen am 8.10.2021