CN: Mobbing
Ich mochte meinen Vater nicht. Nein, das ist falsch. Aber wenn ich das andere Wort sage, dann wirkt das so abweisend und es wird der Situation nicht annähernd gerecht.
Mein Vater ist ... ein harter Mann. Er hält selten mit seiner Meinung zurück und so ist er immer verletzend. Bei der Taufe meiner Tochter gab er von sich, dass Bastarde früher nicht getauft werden konnten, weil sie eine Sünde vor dem Herren seien. Sie ist die Tochter von mir und meiner Ehefrau, die mein Vater als bessere Mätresse ansieht, bis ich mir etwas meines Standes entsprechendes suche. Und überhaupt, eine Tochter?
"Warum hast du sie nicht abtreiben lassen? Das geht heute doch."
Solche Sätze aus seinem Mund sind nichts, was mich in meiner Meinung zu meinem Vater etwas ändern lässt. Meine älteren Schwestern leben in seinem Schatten. Wenn ich zu Besuch komme, sind sie nie da. Nur ich mit meiner Familie darf mich dann mit ihm treffen. Als wenn er sich für mich und mein Gefolge schämen würde.
Wie sehr dies tatsächlich der Fall war, zeigte sich bei seinem 50 Geburtstag. Ich musste mir für meinen Besuch bei ihm extra Urlaub nehmen, weil er auf Montag Morgen um 11 Uhr bestand. Als ich dann mit meiner Frau im Rollstuhl und meiner nach dem Unfall beinlosen Tochter in ihren Armen bei ihm Auftauchte, wollte er mich zuerst nicht reinlassen.
Das Essen wurde zu einer Farce. Er würde meine Tochter in ein Heim geben. Meine Frau wäre ja auch in einem Hospiz besser aufgehoben. Sowas durfte ich mir zwischen geschmackloser Suppe und überwürzten Hähnchen anhören. Die ganze Zeit hatte ich dabei Nicoles Hand auf dem Arm. Als er dann meiner Tochter das Eis nicht gönnte, was es zum Nachtisch gab, war es vorbei. Nur meiner Frau war es zu verdanken, dass ich ihn da nicht einfach umbrachte.
"Wir gehen", sagte sie mit fester Stimme und verhinderte mit diesen klaren zwei Worten, dass ich in diesem alten dunklen Kasten einfach alles zerstörte. Das taten wir dann auch, ohne noch ein Wort zu sagen. Mein Vater ließ ich mit seiner grimmigen Miene in diesem abgedunkelten Kasten zurück, dass in hellen Tagen, als meine Mutter noch da war, ein Ort von zumindest etwas Freude war. Je weiter ich mich von diesem entfernte, um so mehr erhellte sich mein Geist, befreite ich mich von der Last, ihn als Vater zu haben.
Es würde sechs Jahre dauern, bis ich das nächste und dann auch letzte Mal in dieses Haus ging. Meine neue Frau würde an meiner Seite sein. Wieder eine neue Mätresse, würde mein Vater sagen. Aber ich würde dann alle retten, nicht so wie an jenem Abend, wo ich nur meine Frau und mein Kind vor diesem Mann schützen konnte.
Meiner Tochter Jannet kaufte ich zwei Dörfer weiter am Rhein ihr Eis. Frisch vom Italiener. Banane und Melone, weil das ihre Lieblingssorten sind. Nicole und ich sahen ihr beim Essen zu und es war uns klar, dass es so das richtige war. Ich hatte mich für sie entschieden und ich würde das immer wieder tun.