CN: Verzweiflung, Obdachlos, Schuldgefühle
Man hielt mir eine Tasse Tee hin, der noch dampfte, doch ich drehte mich weg. Ich wollte das nicht, denn ich war kein Mensch. Ich war niemand, der gerettet werden musste. Sollten sie ihn doch an jemand andern geben. An jemand, bei dem es sich lohnte, dass sie ihn retteten.
"Komm, nimm sie schon, Junge", sagte eine ältere Stimme.
Ich sah an der Tasse entlang und sah die Hand eines Mannes um die Sechzig. Er stand da ganz alleine. Er wurde nicht von den üblichen Trauben junger, noch begeisterungsfähiger Sozialarbeiterinnen begleitet, die noch glaubten, die Welt zu verbessern. Aber die Welt war ein Scheißhaufen. Gothem City war überall. Sin City grinste mit seiner hässlichen Fratze hinter jeder Straßenecke. Und ich? Ich war nicht Robin, nicht Bruce Wayne oder sonst einer der verkappten Superhelden der Comics, die ich früher mal gelesen hatte.
Ja, ich hatte in dieser stink normalen Welt den einsamen Rächer gespielt, aber komplett ohne Maske. Ich war mehr wie der Clown gewesen denn wie ein Held. Als ich die Kinder gerächt hatte, die von dem rücksichtlosen Fahrer bei einem illegalen Straßenrennen überfahren worden waren, den ich dann für sie getötet habe, habe ich wie ein Irrer gelacht. Und als ich wieder zu mir selber fand, an der Klippe, vor mir das brennende Wrack seines Autos, dass ich mit seiner Leiche darin angezündet hatte, da habe ich gewusst, dass es nichts ändert. Kein Raser würde langsamer fahren, nur weil jetzt dieser eine tot war. Ich war schlicht und einfach ein kaltblütiger Mörder. Und Mörder gehörten in keine Gesellschaft, also verließ ich sie. Und auch jetzt drehte ich mich vor der Tasse weg.
"Ich werde nicht eher gehen, bis du diese Tasse genommen und davon getrunken hast", sagte die Stimme, die zu der Hand gehörte.
"Warum lassen sie mich nicht in Ruhe?", sagte ich und starrte eisern zu Boden.
"Weil ich dich gesucht habe, Junge."
ich lachte bitter und fragte: "Sind sie ein Bulle?"
Der Mann lachte auch und seufzte dann wehmütig.
"Kein Bulle wird je nach dir suchen. Ich, das Mädchen und alle an dem Ort haben dafür gesorgt. Du hast ein unverrückbares Alibi."
Jetzt sah ich doch auf und erinnerte mich an ihn. Er war ein Arzt gewesen, der in einem nahen Café gesessen hatte, wo der Unfall mit den Kindern passierte. Es war sein Hochzeitstag gewesen, wie er während der Behandlung erzählt hatte. Ich hatte ihn nicken sehen, nachdem mich das Mädchen darum gebeten hatte, den Mann zum Schweigen zu bringen.
"Es ist nicht ihre Schuld", sagte ich. "Ich bin ein Monster."
"Eines, das Kinder in den Arm nimmt und von einem wunderschönen Ort über den Wolken erzählt. Die sanft in seinen Armen einschlafen, sich ruhig ins Krankenhaus fahren lassen und dort diesen schrecklichen Tag überleben. Nicht unversehrt, aber sie haben es überlebt. Ein Monster, dass ein anderes Monster angreift, der sich für unantastbar hält. Der einen reichen Vater hat, der dieses andere Monster höchst wahrscheinlich nach seiner Flucht vom Tatort in die Heimat verbracht hat. Ein Land, das nicht ausliefert. Ein Land, wo niemand an ihn rankommt. So ein Monster bist du nicht."
"Er ist in keinem Land."
"Das weißt du, das weiß ich, das weiß das Mädchen. Aber sonst weiß das keiner. Und dieser Version glaubt auch keiner. Sie glauben aber der Version vom Zusammenbruch des Sanitäters, der schreckliches gesehen hat. Der ausgebrochen ist, weil er niemanden hatte, dem er davon erzählen konnte. Und jetzt nimm den Tee, bevor er ganz kalt wird."
Und ich nahm ihn.