CN: Behinderung
Ab ihrem zwölften Lebensjahr begann Jannet sich immer mehr von unseren anderen Kinder zurück zu ziehen und für sich alleine zu bleiben. Ihre Behinderung machte ihr immer mehr zu schaffen. Sie konnte nicht mit ihren jüngeren Geschwistern Verstecken spielen. Auch Fangen und solche Spiele blieben ihr verwehrt. Sie saß mit einem traurigen Gesicht daneben und versuchte trotzdem tapfer zu Lächeln, wenn die anderen Stolz davon berichteten, dass sie wieder auf den hohen Baum hinten auf dem Grundstück geklettert waren, oder dass sie in der Schule den 50-Meter-Lauf gewonnen hatten. Und dann war da noch ihre Niedergeschlagenheit, die sie bekam, wenn sie daran dachte, dass andere nun ihren erste Freund haben würden und was sie vielleicht mit ihm machen könnten. Sie sah sich selbst als ein Freak und wollte nicht, dass jemand mit ihr nur aus Mitleid oder schlimmer, weil er auf Freaks stand, ging.
So kam es auch immer öfter vor, dass Pia mit den anderen Kindern zu unserem Hotel Burg Hirschberg fuhr, sie aber einfach nicht mitwollte und lieber Zeit im virtuellen Raum mit Jaqueline und den anderen Freaks verbrachte, wie sie es nannte. Hier war sie eine von Ihnen. Auch bei ihrem dreizehnten Geburtstag wäre sie lieber alleine in der Villa geblieben, aber alle bestanden darauf, dass sie mit ins Hotel fuhr.
Sie war nicht eben begeistert.
Auf der ganzen Fahrt von Belgien nach Bayern saß sie mit einer Untergangsmine in ihrem Spezialsitz zwischen den Zwillingen, die auch seltsam ruhig waren. Nur eine Reihe dahinter schwatzen Lena und Juliane wild herum. Die beiden störte es auch nicht, dass sie von der Landschaft nichts mitbekamen, weil um sie herum unser Gepäck gestapelt war.
Auf der Zugbrücke erwartete uns Jan in einem Ritterbot und begrüßte alle Familienmitglieder einzeln. Jannet nickte kurz und fragte, wo denn ihr Zimmer sei. Ihr wurde daraufhin beschieden, dass sie zwar auf ihr Zimmer gehen könne, dass jedoch derzeit das Netz überlastet sei, weshalb sie nicht ins Virtuelle fliehen könne. Sie stöhnte entnervt auf. Jan schob sie klimpernd und knackend durch den Park, während er ihr die Besonderheiten der Umgebung erklärte, die man, wenn man Beine hätte, auch sehr leicht Fußläufig erreichen könnte. Das hob die Stimmung von Jannet natürlich nicht.
Natürlich war die Überlastung des Netzes gelogen. Es sollte sie davon ablenken, dass wir ein ganz besonderes Geschenk für sie hatten. Alle waren eingeweiht. Sogar die Zwillinge und die platzen langsam förmlich vor Spannung, dass es endlich Abend werden würde und sie, so war es ausgemacht, Jannet ihr Geschenk übergaben. Sie hatten auch maßgeblich das Design bestimmt. Jannet beschloss wohl irgendwann, gute Miene zu in ihren Augen bösem Spiel zu machen.
Als es Abend wurde, beschied man ihr, dass ihre Party mit Tanz und Büffet oben auf dem Turm stattfinden solle. Da rastete sie dann richtig aus:
"Und wir soll ich da bitte hochkommen? Laufen? Wisst ihr was? Ihr könnt meinen Geburtstag ohne mich feiern. Wer mich sucht, ich bin auf meinem Zimmer. Und wisst ihr, warum ich da drin bin? Bis zu der Etage gibt es diesem Haus nämlich einen AUFZUG!!!"
Und schon war sie genau auf dem Weg, auf dem wir sie haben wollten: Genau in die Arme unserer Zwillinge.
"Ob sie mit ihr klarkommen", fragte Pia etwas zweifelnd.
"Wenn es jemand schafft, sie in das Kostüm zu bekommen, dann die beiden", grinste ich, hakte mich bei meiner Frau ein und wir gingen gemeinsam die Wendeltreppe auf den Turm hoch. Dort warteten wir gespannt.
Mia war auch mit ihrer Familie angereist. Besonders ihr Mann würde in nächster Zeit viel mit Jannet zusammen sein, hatte er doch die Grundlage für das Geschenk erschaffen. Wie gespannt schauten wir alle auf die Treppe.
Zuerst kam Albert um die Ecke und grinste triumphierend. Dann dauerte es noch etwas und Jannet tauchte steifbeinig und mit einem Arm rudernd um die Ecke der Wendeltreppe auf. Tosender Beifall und ein dreifaches Hoch soll sie leben schallte durch die ehrwürdigen Mauern des alten Bergfriedes. Jannet war vollkommen überwältig. Aber vor allem von dem Geschenk, in dem sie steckte. Wir hatten ihr einen Vollkörperprotesenanzug geschneidert, in dem sie nun das machen konnte, was auch unsere anderen Kinder taten. Sie umringten sie nun und gaben ihr nun all die Gutscheine, die sie gebastelt hatten: "Einmal Verstecken im Park." - "Wandern rund um die Burg." - "Reitausflug am See." - "Wandern hoch zur Berghütte" - "Besitzurkunde am Baumhaus und Einladung zur Einweihungsparty."
Bei soviel Aktivitäten, die sie nun wieder mitmachen konnte, hatte sie die ganze Zeit Tränen in den Augen.
Und das besondere Design war natürlich das große golden J im Schwarzen Kreis auf der Brust.
Die Kleinen erklärten das so: "Jannet ist unsere größte. Wer ist bitte Supergirl? Unsere Schwerster ist viel cooler."
Ich kann dem nichts mehr hinzufügen.