CN: Psychose, Mobbing
Das ist der Begriff dafür, sagte mal einer der Psychologen, zu denen ich musste, weil ich in der Schule einen anderen Schüler so verprügelt hatte, dass der ins Krankenhaus musste. Denn eigentlich war ich ruhig, sehr ruhig. Ein schlafender Vulkan. Das ich mich durchaus wehren konnte, das sah in der Schule keiner, weil mein Vater dafür sorgte, dass ich keinen Sportunterricht machen musste. Des Adels nicht würdig, sich vor dem Pöbel zu entkleiden, das war sein Argument und eine sehr großzügige und vor allem private Spende beim Schulamt und in der Schule sorgten dafür, dass keine Kinder der von Hirschberg je zum Turnen mussten.
Wenn wir dort aber uns umgezogen hätten, dann hätten andere vielleicht die Spuren adeliger Erziehungsmethoden gesehen, die deutlich strenger waren als die des Pöbels. Wenn ich nicht nach seinem Sinne handelte kam es schonmal vor, dass ich nur unter Tränen sitzen konnte und ich habe es gehasst. Aber dem Psychologen hatte ich davon nichts erzählt. Und was ich ihm erzählte, reichte für seine Diagnose:
asoziale Persönlichkeitsstörung.
Und so blieb ich 8 Jahre lang sein wöchentlicher Gast. Mit Achtzehn, bei meinem letzten Besuch, habe ich ihm dann gesagt, was ich all die Jahre von seiner Therapie gehalten hatte und das ich froh sei, nun selber entscheiden zu können, wie ich meine Freitag Nachmittage zu verbringen gedenke. Er habe genug Geld an mir verdient.
Die Frage, die sich mir danach stellte, war, ob er vielleicht trotzdem recht hatte. Immerhin hatte er sich mehr um mich kümmert als jeder andere davor in meinem Leben. Er musst es gesehen haben, das Tier in mir. Indes geholfen, es zu überwinden, das hatte er nicht. Ich war für ihn der goldene Esel, den man melken konnte, weil mein Vater ihn Bar bezahlte, an allen Büchern vorbei. Damit ja nicht in meiner Akte bei einer Krankenversicherung Psychisch krank gleich defekt zu finden war. Ich, sein Thronerbe. Aber auch das hatte ich hinter mir gelassen, als ich mit achtzehn ging.
Und warum war ich gegangen? Ich machte eine zivile Ausbildung. Was für eine Schande. Er war sogar soweit gegangen, bei meinem Chef an meiner Stelle den Ausbildungsvertrag zu kündigen und mich stattdessen in der Bundeswehr anzumelden. Offiziersschule. Das sei angemessen, nicht Sanitäter. Ja, meinem Vater war es wichtiger, dass ich lernte, einen Menschen auf Befehl zu töten, als einen wildfremden Menschen ohne ansehen der Person das Leben zu erhalten.
Ich wollte es verleugnen. Ich wollte ihn verleugnen. Was war ich doch für ein ignorant, dass ich meine vererbte Natur nicht erkannte. Ich bin der geborene Soldat, der geborene Kämpfer. Etwas, was in der Familie liegt. Alle Männer meiner Familie hatten gedient. Mein Großvater und mein Urgroßvater hatten in den Kriegen gekämpft. Das war ein Teil meines Erbes. Und das war in der Nacht durchgebrochen, als dieser Mann mit der Jacke des Mädchens, dass in meinen Armen gestorben war, ihr Blut von seinem ach so kostbaren Stern geputzt hatte.
Ich habe rot gesehen. Mein Tier ist vollkommen ausgebrochen. Und als die Frau, deren Kinder hier auf der Straße gelegen hatte, darum bat, dass den doch bitte mal einer aufhalten und zum Schweigen bringen solle, da habe ich das getan. Ich habe sein Blut auf den Straßen von Köln verteilt. Habe seinen Körper und seinen Götzen meiner dunkeln Natur in heißem Feuer geopfert und habe ihn danach in einem See versenkt.
Ich war ein Tier, ein asoziales Wesen. Und ich musste die Welt vor mir schützen und deshalb verschwand ich.