CN: Leichen erwähnt, Blut und Gedärme erwähnt
"Ich nehme zu Protokoll. Mein Name ist Gerald van Leeuv. Heute ist der 23. November 2030. Es findet eine Befragung von Herrn Martin von Hirschberg alias van Düren..."
"Das ist kein Alias. Das ist ein rechtmäßig von meinem Großvater geerbter Adelstitel. In Belgien heiße ich van Düren, in Deutschland von Hirschberg. Und wenn sie meinen vollen Namen im Protokol aufschreiben wollen, dann lautet er Martin Karl Albert Leok Freiherr von Düren und Graf von Hirschberg", ich lächelte freundlich. Es war nur ein Hinweis. Ich wusste, dass es nicht unbedingt klug war, mit meinem Grafen anzugeben. Vor allem war der Generalstaatsanwalt Gerald van Leeuv selber nur ein Freiherr. Aber er hatte sich gut im Griff, er lächelte zurück.
"Mit was wollen sie unterschreiben?"
"Mit Martin von Hirschberg."
"Dann schreibe ich nur das ins Protokoll."
Er strich das Angefangene durch und schrieb nur den Namen auf meinem Pass auf.
"Also Martin, darf ich sie Martin nennen?"
Er versucht es mit Vertraulichkeit. Wie nett, dann bin ich das auch mal.
"Wenn ihnen das lieber ist?"
"Okay Martin, wissen sie, warum sie hier sind?"
"Ich kann es mir denken. Wegen dem Vorfall auf meinem Besitz in Belgien. Die Kannibalenparty."
"Ja, so nennt es die Presse. Sie sind hier in Belgien als der Fürst der Unterwelt verschrien."
"Wenn die Presse das meint? Wissen sie in Deutschland nannte man mich auch schon Dr. Frankenstein, weil ich die Druckertechnologie mit Schlachtabfällen testete. Was glauben sie, was mich die Presse und deren Sensationslust juckt?"
"Sie sagen also. Dass sie mit dem Vorfall auf ihrem Grund und Boden nichts zutun haben. Wir haben die Reste von hunderten menschlichen Toten auf ihrem Grund und Boden gefunden. Speziell in einem Bereich, in so einer Hütte."
Jetzt wurde ich jedoch ungehalten. Sie hatten das Grab von meinem Urgroßonkel entehrt.
"Sie haben das Grab des Fürsten Leok Momasi entehrt? Das werden ihnen die Djafun aber sehr übel nehmen. Ich hoffe, sie bringen die geheiligten Gegenstände wieder zurück. Das könnte sonst leicht ein internationaler Zwischenfall werden."
"Das können wir nicht, sie waren in menschliches Blut getränkt. Wir sind verpflichtet, dem auf den Grund zu gehen. Mord in hunderten von Fällen ist ein schweres Verbrechen. Wir leben nicht mehr im Mittelalter. Heute kommt der Adel nicht mehr mit sowas durch."
"Also verhören sie mich wegen eines Verbrechens! Sollten sie mir dann nicht vorher meine Rechte vorlesen? Und sollte ich dann nicht meine Anwältin hier neben mir sitzen haben?"
"Das ist nur eine Befragung."
"Die ich hier jedoch erstmal beende und auf meine Anwältin bestehe."
"Dann wird dies hier aber offiziell ein Verhör und ich werde sie am Ende festnehmen lassen."
"Ich denke, dass sie das sowieso vorhatten", bemerkte ich weiter ruhig. "Deswegen habe ich meine Anwältin schon dabei. Sie müssen nur ins Wartezimmer gehen und die junge Frau mit dem rituellen Schmuck herein bitten. Sie ist leicht zu erkennen. Ihre Hautfarbe ist schwarz."
Der Staatsanwalt sah mich ernst an und nickte dann. Ein Wink, die Tür klickte und er ließ mich in dem Zimmer alleine. Ruhig betrachtete ich mein Spiegelbild und stellte mir vor, wie mehrere Beamte von allen möglichen Fachrichtungen analysierten, was und wer ich war. Ob sie mein Tier entdeckten? War ich wirklich nur der Arzt, der ein Jahrzehnt im geheimen an der Erforschung seiner Erfindung gearbeitet hatte? Der in den USA eine Transplantationsklinik besaß, die neben Organspenden auch maßgeschneiderte Ersatzorgane vertreib und in den letzten zehn Jahren über 450 Patente in diesem Bereich angesammelt hatte?
Oder war ich auch das Monster, was sie suchten. Das in der Abgeschiedenheit seines alten Landsitzes auf dem Gelände einer alten Zweiten Weltkriegsstellung ein Sadistenhotel mit Lebendverköstigung junger Menschen betrieben hatte, so wie die hundertfünfzig gefunden Gäste berichtet hatten, die die Polizei, aber vorher die Presse in Litern von menschlichem Blut und Gedärmen gefunden hatten. Die Fotos und Videos gingen sofort Viral und zerstörte das Leben dieser Menschen, die alle reich und zu einem guten Teil auch mit Einfluss waren. Das größte Politikereignis nach dem Auffliegen des Menschenhändler-Ring in den frühen 20er Jahren, wo ich auch nicht ganz unbeteiligt dran war.
Ich wartete ruhig, weil wenn gleich meine Anwältin auftrat, dann würde sich das Blatt sehr schnell gegen die Polizei wenden. Serevin würde nicht begeistert darüber sein, dass sie das Grab ihres Vaters geschändet hatten. Ich verbat mir trotz dieser Erwartung ein Lächeln und wartete auf die Dinge, die da kommen.
Meine Anwältin betrat in einem schwarzen Hosenanzug und weißer Bluse und der Kette mit den Knochen des Missionars und einer zweiten Halskette aus Zeigefingerknochen den Verhörraum. Der Staatsanwalt sah zu, wie sie mir zunickte und sich dann mit aufgeklappten Laptop neben mich setzte.
"Eine Frage vor weg, sind das ...", fragte der Staatsanwalt, der von Serevin sofort unterbrochen wurde.
"... Knochen von echten Menschen? Ja, das ist so. Und bevor sie jetzt denken, sie könnten sie mir zum Untersuchen wegnehmen, möchte ich sie auf den § 262 des Internationalen Rechts für die Kulturellen Besonderheiten hinweisen, in dem geregelt ist, dass Herrschaftszeichen unantastbar sind, auch wenn sie aus menschlichen Überresten bestehen."
"Und wer sind sie, dass sie das Recht für sich in Anspruch nehmen?"
"Da sie das ja sowieso für ihr Protokoll brauchen. Ich bin die Hausanwältin der Familie von Hirschberg und mein Name lautet. Serevin Nneka Momasi, Prinzessin von Hischberg, Oberster Führer, Richter und Ratgeber der Djafun."
"Sie sind mit ihm verwandt?"
"Eingeheiratet, sie kennen das ja bestimmt. Adelshäuser können recht weit verzweigt sein. Mein Mann stammt aus der Linie der Schwester der Mutter meines Mandanten."
"Okay", der Staatanwalt blätterte und wir warteten ruhig. Als es zu lange dauerte, wendete ich mich an Serevin.
"Sie haben Leoks Grab exhumiert."
"Sie haben das Grab meines Vater geöffnet? Ohne mich darüber zu informieren?"
Serevin sah den Staatsanwalt streng an.
"Das ganze Gebiet ist ein Tatort."
"Graben sie auf jedem Friedhof alle Leichen aus, weil dort jemand jemand anders umgebracht hat? Oder passiert das nur bei rituellen Begräbnisstellen, die nicht im richtigen Land sind?"
"Dort haben wir verbrannte Leichen gefunden. Es gab Anzeichen, dass sie auf einem Grillrost lagen."
"Und in ihrer Kultur werden in anonymen Hallen in Massen Särge in Öfen verbrannt, die Asche zusammengekehrt und man kann sich nicht sicher sein, dass man in der Urne Oma Emma, den zufällig gefunden Penner oder den wegen Massenmord lebenslänglichen verurteilten und in der haft verstorbenen Harald M bekommt. Bevor sie darin herum gewühlt haben, waren dort die höchsten Führer und solche, die es werden wollten aufbewahrt. Sie haben die Gedenkstätte meines Volkes entweiht. Das wird später noch ein Nachspiel haben. Aber heute ist das Thema Martin von Hirschberg."
Dem Staatsanwalt war es sichtlich unwohl in seiner Haut.
"Oder beruht etwa ihre gesamte Anklage auf den exhumierten Leichen MEINER Vorfahren?", setzte sie nach.
Gerald van Leeuv versuchte so zu wirken, als hätte er noch etwas anderes, aber da gab es nichts. Alles was er noch hätte finden können, war entweder gesprengt oder nicht mehr da, weil wir es mitgenommen hatten. Und das er meinen Urgroßonkel ausgegraben hatte, das würde Serevin an eine so große Glocke hängen, dass der Skandal um die paar Spinner wie ein Kaffeekränzchen unter Nachbarsfrauen in der Lüneburger Heide aussah. Serevin wusste das. Ich wusste das. Und jetzt wusste es auch der Staatsanwalt. Und er gab sich geschlagen.