Sie war ohne Ende nervös. Das konnte man ihr ansehen. Und sie war da nicht alleine. Auch ihre Schwester war das. Es war der erste Schultag ihres neuen Lebens und ich war ganz der stolze Papa. Mia, meine Schwägerin, stand neben mir und drückte sich eine Träne aus den Augen.
"Ich hatte nicht erwartet, dass mal zu erleben", sagte sie. "Deine Kinder, die auf ihren eigenen Beinen in ein neues Leben gehen. Du hast wirklich Großes geleistet, Martin."
"Ich weiß", sagte ich. "Aber manchmal denke ich, dass der Preis dafür doch zu hoch war. Die ganze Menschen, die ich über ein Jahrzehnt bei mir eingesperrt habe und an denen ich erforscht habe, wie es gehen könnte."
"Die jetzt auch alle glücklich wieder herumlaufen können. Künstlich gedruckte lebendige Körperteile. Wie lange hätte es auf Konventionelle Weise gedauert, bis das hier möglich gewesen wäre. Hättest du es noch erlebt?"
Ich dachte nach und schüttelte dann recht schnell den Kopf. Ja, ich hatte zur Rettung und Wiederherstellung das etisch derzeit schlimmste Verbrechen überhaupt begangen. Ich hatte Menschenversuche betrieben. Da half es auch nichts, dass man mir sagte, dass wenn ich es nicht getan hätte, dass diese ganzen Menschen recht schnell den Tod gefunden hätten.
Jacqueline, die gerade neben Jannet stand, Arm in Arm und trotzdem auch immer wieder zu ihrem Alex herüber schaute, der immer lächelte, wenn er das sah, wäre vor zehn Jahren von den Behörden abgeschaltet worden. Alex wäre in einem Hospiz gestorben, in das man ihn verfrachtet hatte. Von einem Hochhaus in einem Abrissbagger zerquetscht zu werden war etwas, was die Medizin zu seiner Zeit nicht hatte heilen können. Jetzt lief auch er wieder herum.
Oder Jan, der junge Rocker und in meinem Labor meine rechte Hand. Er wäre eine Woche nach seinem Motorradunfall auch im Krankenhaus verstorben. Jetzt stand er mit Jessica am Büffet und diskutierte mit einer der Lehrerinnen darüber, ob es sinnvoll wäre, Standardtänze zu üben. Jessica war dafür, er nicht.
Jannet kam auf mich zu, während ich noch in Gedanken war. Für mich unerwartet lag meine achtzehnjährige Tochter in meinen Armen.
"Danke Papa, dass du das für mich ermöglicht hast."
Sie gab mir einen Kuss und wollte sich wieder unter die anderen Schüler mischen, doch ich hielt sie auf und gab ihr eine kleine Tüte.
"Was ist das?" wollte sie wissen.
"Das ist eine Wundertüte. Sowas haben zu meiner Kindheit die Erstklässler bekommen. Ich habe auch eine für die anderen."
Jannet schaute rein und fand einen Haufen Süßkram, wie Brauseuhren, Blumenlutscher und Lutschmuscheln.
"Das ist ja cool", und schon lief sie zu ihrer Schwester, der sie ihre Tüte gab und gemeinsam erforschten sie den Inhalt.
"Eigentlich hätte das vor zwölf Jahren passieren sollen", sagte ich nicht ohne eine Spur von Trauer.
"Besser spät als nie", tröstete mich Mia.