CN: Gewalt gegen Frauen, Kannibalismus erwähnt
Traumstimmen:
"Pia, du musst sofort mit Nicole zur Burg Weiß in die Voreifel fahren. Bitte. Schnell."
"Was hast du getan, Johannes?", das war die Stimme meiner neuen großen Liebe, auch wenn sie verzerrt aus dem Lautsprecher eines Telefons kam.
"Martin hat Natascha angegriffen und sie hat Martin in die Brust geschossen. Jetzt liegt meine Natascha hier mit Wehen. Bitte."
Ich hörte ein Keuchen.
"Bitte, Pia, bitte rettet das Leben der drei."
"Ich komme", flüsterte Pia und ich freute mich. Warum, das wusste ich nicht, ich war doch tot.
Ich wusste noch, dass ich hier an dieser Burg war, um vor Johannes und seinem Rockerclan ein Statement abzugeben. Ihr kommt nicht in meinen Bereich, dafür komme ich nicht in euren. Um das zu untermauern, hatte ich die kleine, die Enkelin meines Mentors Erwin, die aber auch zu diesen Rockern gehörte, in den Burggraben dieser Burg getaucht. Um die Rocker zu zwingen, sich mir zu stellen. Damit ich ihnen von Angesicht zu Angesicht sagen konnte, was es bedeutet, mein Tier zu wecken. Das Tier der Vergeltung, dass Rache für den Tod meiner Frau Pia wollte. Das alles war ein Fake gewesen. Sie hatten es gewusst und hatten es nicht aufgeklärt. Stattdessen hatten sie sieben Tage meinem Tier Freilauf geben.
Ich war all die Tage mit diesem halbnackten Mädchen durch die Gegend gerannt, die sich mit einer Handschelle an meinen Arm gefesselt hatte. Ich hatte sie verletzt und gedemütigt und jetzt hier beinahe ertränkt, nur weil sie mich hatten Glauben lassen, dass sie meine Frau in meinem eigenen Kannibalenpalast geschlachtet hatten. Das hatte das Tier geweckt und ich hatte meine Rache an ihnen ausgelassen, sieben Tage lang. Und dann hatte Lea-Marie offenbart, wer sie ist.
„Opa Erwin hat mir gesagt, ich soll dich an Tante Nici erinnern“, sagte sie mir.
„Ich weiß nicht, wen du meinst“, hatte ich nur kalt geantwortet.
„Sie ist nicht meine richtige Tante, musst du wissen", sagte sie sehr vorsichtig. "Mein Opa hat sie nach einem sehr schrecklichen Erlebnis, was sie hatte, quasi adoptiert. Er sagte, sie wäre mal Kindergärtnerin gewesen und hätte mit ansehen müssen, dass so ein Raser vor ihren Augen in ihre Kinder hineingefahren ist. Sie hat dann den Rettungssanitäter und Feuerwehrmann geheiratet, der damals die Kinder gerettet hat. Die beide haben damals bei Opa gewohnt und sind dann auch noch ein paar Jahre immer mal zu Besuch gekommen. Ich hab die beiden das letzte Mal vor sieben Jahren gesehen, auf ihrer Hochzeit.“
Sie sprach von mir. Und sie sprach von Nicole. Sie sagte auch weiter, dass Pia den anderen unseren Kannibalenfake erklärt hatte und demonstrativ eine Kopie von sich selber auf einen Grill gelegt hatte. Ein Stück hatten sie dann für mich mitgenommen, ohne zu erklären, was es genau damit auf sich hatte. Wir waren so gut, dass selbst ich meine eigene Täuschung nicht erkannte.
„Ich verstehe euch nicht“, hatte ich ihr gesagt. „Ich verstehe Erwin nicht, ich verstehe dich nicht.“
Sieben Tage voller Gewalt langen hinter uns. Ich hatte mehr als einen Rocker ins Krankenhaus gebracht und auch Lea-Marie war reif, dort hin zu müssen. Die Folgen meines ungezügelten Tieres.
„Opa hat immer gesagt, dass in jedem Bösen auch das Gutes steckt.", antworte Lea-Marie daraufhin. "Es sind unsere Entscheidungen, die aus uns das eine oder das andere machen. Aber wenn man das Böse nicht kennt, dann ist es leicht zu glauben, man sei gut und wird doch böses tun, weil man sich nicht mehr hinterfragt.“
Das klang danach, als wollte Erwin seiner Enkelin etwas beibringen. Mir war das gerade egal. Ich wollte auch den Rockern was lehren, ihren Bossen: Natascha und Johannes. Und deshalb hatte mein Weg hier an dieser Burg geendet, vor dem Lauf von Natascha, die mir in die Brust geschossen hatte.
Und deshalb war ich auch jetzt tot. Mein Herz, Nataschas Kugel steckte in meinem Herz.
"Was für ein Mann", hörte ich die Stimme von Johannes. "Was hat er dir getan?"
"Nichts was ich nicht ertragen könnte. Er ist nicht so ein Tier."
"Es sieht aber so aus. Deine Brust?"
"War auch ein Statement. Wie das mit dem Wasser. Er hat es mir erklärt. Ich wusste, was mit mir geschehen würde."
"Warum verteidigst du ihn? Schau, was er mit Natascha gemacht hat."
"Er ist mein Onkel. Sein Frau Nicole ist meine Tante."
"Erichs Tochter? Warum hat er nichts gesagt? Das hier hätte alles ganz anders laufen können."
Danach war wieder Stille. Das nächste, was ich hörte, was das Quitschen von Bremsen und die Stimme von Pia.
"Martin!" sagte sie mit erstickender Stimme und dann: "Ohne dich hätten wir dieses Dilemma nicht."
"Pia! Nein!", hörte ich den harten Befehlston meiner Frau Nicole.
Es klapperte, als wenn eine Waffe zu Boden viel.
"Das muss aufhören", hörte ich Nicole weiter bestimmen. "Johannes. Trag die drei in den T6. Sofort. Ich werde sie retten, aber jetzt musst du auf die drei dort hinten aufpassen und Pia wird versuchen, uns auf dem Rückweg nicht alle zu töten."
Danach fühlte ich mich schweben. Alles war nur noch schwarz.