"Wie viele stehen auf deiner Liste?", wollte ich von meinen Frauen wissen.
"Dreihundertsiebenundvierzig", sagte Pia.
"Vierhundertsechzehn", sagte Nicole.
"Ich komme auf fünfhundertacht", gab ich zurück. "Wir brauchen einen Computer zum Sortieren."
"Soll ich Mark und Jan rufen?", fragte Nicole.
"Wir könnten auch welche nicht einladen", schlug ich vor und erntete dafür heftigen Protest.
"Das ist dein fünfzigster Geburtstag. Der wird mit allen gefeiert. Du sortierst da keine aus", Pia stemmte ihre Arme in die Seiten. Als ich mein kleines Schwarzes Buch zückte, sagte sie nur: "Damit kannst du mir heute nicht drohen. Ich habe Verbündete. Außerdem hast du mich sowieso in den letzten zwei Wochen vernachlässigt. Ich wollte mir schon einen neuen Meister suchen."
"Auf die Knie, Weib", sagte ich streng.
"Lass das, Martin. Wir haben keine Zeit für eure Spielchen", grätschte Nicole dazwischen. "Überlegt lieber, wo wir die alle unterbringen."
"Wir laden sie alle nach Belgien ein. Da ist Platz genug, jetzt wo da keiner mehr wohnen will", stellte Pia fest.
"Wir gehen nicht wieder zurück nach Belgien", stellte ich fest. "Das Kapitel ist endgültig abgeschlossen. Abgesehen davon ist im Bunker alles gesprengt."
"Aber nicht das Dorf. Auch die Küche in der ersten Ebene des Bunkers ist noch da. Und dann stellen wir noch ein paar Zelte für die kleinen in den Park. Das wird für die ein riesen Gaudi."
"Wahrscheinlich müssen wir erstmal mit einem Harvester über Gelände."
"Da dürfen die Jungs nochmal mit ihren Robotern spielen, das ist doch auch schön", bemerkte Nicole.
"Als wenn sie es nicht auch sonst tun", stellte ich richtig. Jan brüstete sich damit, dass seine Manipulatoren alle ausgiebig getestet würden, bevor er sie auslieferte. Ich stellte mir das gerne so vor, dass er und die Botpiloten in der Zentrale saßen und sich in ihrem Testzentrum einen Robofight lieferten. Doch nicht mit Kundenbots, hatte er stets bestritten, was aber die Sache mit dem Robokampf nicht verleugnete. Pia hatte sich indessen vor meine Liste gedrängelt.
"Du hast Jessica eingeladen und meine Eltern", sagte sie wenig begeistert.
"Ja, ich habe deine Mutter eingeladen. Es sollte doch ein Familienfest mit allen sein. Auch wenn sie dich eine schmerzliche Erinnerung nennt, sie ist Teil deiner Familie. Auf meiner Liste stehen auch Nicoles Mutter und ihr Bruder."
"Du hast meinen Bruder eingeladen?", schreckte Nicole auf und drängte sich vor meine Liste. "Warum hast du diesen überheblichen Arsch eingeladen?"
"Wenn ich deine Mutter einlade, dann muss ich ihn ja auch dazuholen. Er ist schließlich ihr Vormund."
"Er ist ihr Schmarotzer. Verprasst das Erbe meiner Eltern, weil meine Mutter es nicht mehr mitbekommt, das ist mein Bruder."
"Du könntest sie heimlich an dem Wochenende behandeln. Ihre letzten Tage damit lebenswerter machen."
"Das wird mein Bruder nicht zulassen und das weißt du."
"Wenn er es nicht mitbekommt? Wir haben so viel Ablenkung in der Familie", ich lächelte.
Nicole und Pia studierten weiter meine Liste.
"Du hast deinen Vater eingeladen", fragten beide fast gleichzeitig und voller Unverständnis.
"Ja ihn und seine neu Frau schräger Pflegerin."
"Warum, du hasst ihn. Deine Mutter und deine Schwestern haben Angst vor ihm. Deine meisten Freunde und Untergeben hassen ihn. Sein eigener Vater hält ihn für einen Fehler. Überleg nur, was er im Laufe deines Lebens alles mit seiner Familie gemacht und uns alle behandelt hat."
"Und trotzdem ist er mein Vater. Damit gehört er zur Familie. Ich habe auf meiner Liste auch Mias Vater stehen."
"Die dann nicht kommen wird. Die haben seit der Geburt von Lana nicht mehr miteinander geredet", stellte Pia fest.
"Ich meine eigentlich Max und seine Familie."
"Dann musst du aber auch Johannes einladen und wenn die dann sehen, dass es zum Bunker geht, dann kommt die halbe Schule und alle Rocker auch."
"Die ist doch schon fast hier. Soviel Hirschbergs, wie dort hingegangen sind, und unser Kinder. Es wäre unfair, wenn wir Max nicht einladen würden."
"Du bist wohl der erste stolze Vater, der zu seinem fünfzigsten auch noch die Schule seiner Tochter einläd." Pia sah wieder auf meine Liste. "Warum stehen da so viele Schatten drauf? Erwartest du Besuch von irgendjemanden?"
"Warum? Das ist nur Alpha, Serevine, Tamarra und Urma. Mit Kindern. Was kann ich dafür, dass meine Oma so viele noch lebende Kinder hat."
"Und wer sind dieses von Durium?", fragte Nicole. "Die kann ich fast gar nicht zuordnen."
"Das sind die Nachfahren von Opa Alberts Brüder und Schwestern. Uropa Karl hat den alten Ortsnamen von Düren gewählt und für diesen Teil der Familie, die nach dem Krieg nur ihre Ruhe haben wollten und vor allem das geschehene Vergessen wollten, die Besitztümer in Deutschland abgetrennt und diesen überlassen. Die Burg Weiß war auch mal darunter."
"Die Werkschule von Max gehört der Familie?"
"So sieht es aus. Und da jetzt der Name van Düren nicht mehr mit einem gruseligen Ort verbunden wird, sondern mit dem Doppelgeschlecht derer von Düren und von Hirschbergs, den Stars der Wiederherstellungsmedizin, können die sich ja auch wieder mit uns sehen lassen."
"Als du sie angesprochen hast, hast du das mit dem Fetischhotel nicht erwähnt oder? Meister?", gluckste Pia.
"Ich will sie wieder zurück in den Schoß der Familie führen, nicht auf ewig von mir schubsen."
Wieder Namen sie meine Liste und verglichen sie mit ihren Listen strichen bei sich viele Namen und fügten bei mir welche an. Bei einem Namen stutzte ich.
"Miriam Huwcow?"
"Unsere Miriam. Dass du sie nicht geladen hast finde ich echt scheiße", bemerkte Pia salopp."
"Sie ist noch immer eine glückliche Kuh!", stellte ich mit einigem Unverständnis in der Stimme richtig.
"Seit einer Woche ist sie wieder eine ganze Frau und das nur, weil sie sich bei dir bedanken will, dass du sie solange ihren Fetisch hast leben lassen. Aber sie sagt, dass eine alte Kuh reif für einen Schlachter ist. Und da wir das nicht mehr anbieten, muss ein neues Leben her. Ich habe sie als Pflegerin angestellt."
Ich schüttelte den Kopf.
"Ihr achtet darauf, dass sie nicht in den Bunker geht und die alte Jessica3000 ausgräbt", sagte ich streng.
"Die hat Jessica damals demontiert und verschrottet. Da gibt es nichts mehr zum Ausgraben", stellte Nicole richtig.
Ich sah nochmal auf die Liste und fand einen weiteren Namen: "Gerald van Leeuw? Den wollt ihr zu unserem Familientreffen in den Bunker einladen? Der wollte mich und alle meine Mitarbeiter in den Knast schicken."
"Hat er aber nicht", stellte Nicole fest. "Aber ich erinnere mich daran, dass du ihm erklärt hast, dass dieser Familienbesitz nur für Große Feste reaktiviert und dass du keine Ahnung hattest, das der Ort von diesem Abschaum der Gesellschaft benutzt wird. Willst du dich selber lügen strafen, in dem du deinen fünfzigsten in einem unbedeutenden Nest am Rande von Köln abhältst? Und nicht im Stammsitz der Van Düren?"
"Ist ja gut, ich gebe mich geschlagen. Wie viele sind wir jetzt?"
"Moment? Achthundertzweiundfünfzig."
Ich stöhnte.
"Allein vierhundertvierunddreißig Kinder." setzte Pia nach.
"Wenn sich Jannet beeilt, dann eins mehr", sinnierte Nicole.
"Ich fasse es noch immer nicht, dass ich schon Großvater werde."
"Was soll ich sagen?", fragte Pia, die elf Jahre jünger als ich war.
"Wir gehen heute noch immer als Eltern durch, wenn wir mal die Kleine zu besuch haben", lächelte Nicole.
Ja, ich hatte eine große Familie. Und sie wurde jedes Jahr größer.