Erich saß vor mir. Der Arzt, der mich von der Straße aufgelesen hatte, saß mir gegenüber. Drei Wochen war das jetzt her.
Er hatte mich in die Arme von Nicole gelegt, seiner Tochter. Sie hatte mich getröstet, mich gehalten in den Nächten, wen mich meine Dämonen überfielen. Sie war bei mir, hatte mich nicht verurteilt, obwohl ich ihr alles erzählt habe, meine komplette Geschichte. Ich hatte ihr von meinem Vater erzählt und von meinen Schwestern. Ich erzählte von meiner Mutter, die davon gelaufen war, weil sie das Tier meines Vaters nicht mehr ertragen hatte. Ich erzählte, dass mit meinen Schwestern, die genauso unter ihm gelitten hatten, wie ich. Und ich erzählte davon, dass ich wie er sei. Kalt, gemein, ein Mann, der ein Leben genommen hatte und dabei lachte.
Sie hatte sich das alles angehört, hatte wie eine Mutter über meinen Körper gestreichelt, meinen Kopf in ihren Schoß gebetet und hatte mich beruhigt. Mir die Kraft gegeben, aufzustehen, zu essen, aus mir wieder einen Menschen zu machen und hatte mich ganz am Ende zu Erich geschickt. Weil er einen Plan hatte. Und den wollte er mir nun nennen.
"Martin? Ich möchte, dass du Wiedergutmachung leistest."
"Ich soll mich stellen?"
"Nein, so habe ich das nicht gemeint. Ich möchte, dass du deine Intelligenz und deine Liebe zum Leben kultivierst. Ich möchte, dass du alles dafür tust, ein besserer Lebensretter zu werden."
Ich verstand nicht, was er von mir wollte. Meine Ausbildung als Sanitäter hatte ich gerade erst angefangen gehabt. Sie jetzt noch zu beenden würde viele Fragen aufwerfen. Und wenn eine davon einen Psychologischen Zusammenbruch beinhaltete, dann war sowieso sehr schnell Ende.
"Ich will, dass du studierst, ich weiß, dass du ein sehr gutes Fachabitur hast. Noch das große Latinum und eine entsprechende Empfehlung und du fängst an."
Ich lachte. Ich, ein Studium? Auf welchem Planeten sollte das passieren? Und vor allem, wer sollte mich schon unterstützen wollen?
"Ich möchte, dass du mit Nicole studierst. Ich möchte, dass ihr dafür beide hier wohnt. Natürlich nicht umsonst. Du wirst mir in meiner Klinik assistieren, genauso wie Nicole. Ich werde dir alles beibringen, was ich weiß."
"Wie ein Mentor", dachte ich laut.
"Wie Ein Mentor", bestätigte der alte Arzt und lächelte. "Haben wir einen Deal?"
Den hatten wir.