Die Tage vergingen und Snakeman wartete vergebens darauf, nochmals etwas von Vanessa zu hören. Zu seinem grossen Bedauern meldete sie sich nicht mehr bei ihm und als das Wochenende kam, hatte er noch immer nichts von ihr gehört. Ein wenig bekümmert packte er alles zusammen, was er für das Schwitzhüttenritual brauchte. Die grösseren Dinge, wurden in einem kleinen Autobus verstaut, den ein Mann des Vereins, welcher das Ganze initiiert hatte, an den Ort bringen sollte, wo das Ritual stattfand.
Frank und Marc, würden zusammen in Marcs Auto zum Ritualplatz fahren. Als sie aufbrachen, blickte der alte Indianer sich immer wieder um, als würde er hoffen, vielleicht Vanessa doch noch irgendwo zu entdecken. Doch diese liess sich nirgends blicken.
„Das war wohl nichts,“ dachte er bei sich. „Vermutlich traut sie mir nicht wirklich und empfand mein plötzliches Auftauchen, bei ihr zu Hause, als eher unangenehm, wenn nicht gar unheimlich.
Dabei hatte ich so ein sicheres Gefühl, das ich das Richtige tue. Nun… irren ist wohl einfach menschlich.“
„Du wirkst heute so nachdenklich,“ riss ihn Marcs Stimme aus seinem Grübeln. „Alles gut bei dir Frank?“
„Jaja, alles bestens,“ schwindelte der Angesprochene. „Ich bin nur etwas müde, denke ich.“
„Hast du denn nicht gut geschlafen?“
„Es geht.“
„Ich hoffe ich bin nicht daran schuld?“ fragte der jüngere Mann etwas unsicher.
„Nein, nein, mach dir keine Sorgen! Auch wenn du mir tatsächlich auch schon öfters mal schlaflose Nächte bereitet hast, hatte es diesmal nichts mit dir zu tun… Jedenfalls wenn, dann nur indirekt,“ vollendete er den Satz in seinem Inneren. Denn die Sorgen, die ihn wegen Vanessa plagten, hatten ja schlussendlich auch etwas mit Marc zu tun.
„Ich habe übrigens gesehen, dass du auf dem Festival ein Mädchen kennengelernt hast,“ meinte er stattdessen, um ein wenig von sich selbst abzulenken.
„Ja, das stimmt. Sie hiess Vanessa Meyer und ist sehr nett. Wir haben am Ende sogar die Telefonnummern ausgetauscht.“
„Hast du sie denn seither schon mal angerufen?“ hakte Frank nach.
„Nein, bisher noch nicht.“
„Warum denn nicht?“ fragte der Indianer und seine Stimme klang dabei einiges strenger, als er es ursprünglich beabsichtigt hatte.
„Nun ja… so lange ist es nun auch wieder nicht her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben.“
„Es ist immerhin schon wieder eine Woche. Wenn das mit euch wirklich etwas werden soll, dann müsstest du dich schon ein wenig mehr um sie bemühen. Hast du womöglich schon wieder Bindungsängste Cinksi?“
Marc zuckte bei dieser Frage leicht zusammen und auf einmal überlegte er sich, ob Frank womöglich tatsächlich recht mit seinen Vermutungen hatte. Dennoch erwiderte er: „Eigentlich hätte ja auch sie mich mal anrufen können.“
„Also wenn bei uns ein Mann Interesse an einer Frau hat, dann zeigt er ihr das auch und umwirbt sie. Frauen wollen umworben werden, das solltest du doch wissen.“
„Dennoch... zu einfach sollte man es ihnen auch nicht machen.“
„So ein Unsinn!“ rief Frank aus. „Was könntest du schon verlieren, wenn du dich als Erster bei ihr melden würdest? So muss sie ja glauben, dass du kein wirkliches Interesse an ihr hast.“
„Ich weiss ehrlich gesagt noch gar nicht, ob ich Vanessa wirklich näher kennenlernen soll…“ murmelte Marc.
Snakeman spürte, wie grosses Unbehagen in ihm aufstieg. „Aber warum denn bloss nicht?“
Der jüngere Mann nagte etwas nervös auf seiner Unterlippe herum und trommelte mit seinen Fingern leicht auf sein Steuerrad, als würde er sich bei dieser Frage unwohl fühlen.
„Du klammerst dich also immer noch an Nathalie fest?“ bohrte Snakeman weiter.
„Das mag sein. So einfach kann ich sie mir jetzt auch nicht aus dem Kopf schlagen.“
„Aber Nathalie ist mit Jonathan zusammen und sie sind sehr glücklich. Du musst lernen dieses Mädchen loszulassen!“
„Aber… das Ganze schmerzt so sehr…“ erwiderte Marc und seine Stimme klang nun richtig weinerlich.
„Ich weiss, ich weiss. Aber es bringt doch auch nichts, wenn du deswegen dein Herz vor einer neuen Liebe verschliesst. Vanessa scheint wirklich ein sehr nettes Mädchen zu sein.“
„Aber gerade deswegen will ich sie ja auch nicht als Lückenbüsserin missbrauchen,“ gab Marc zurück. „So lange ich Nathalie nicht wirklich vergessen kann, wäre sie das jedoch.“
„Dennoch, Vanessa einfach zu ignorieren oder wie ihr heute sagt, zu ghosten, fügt ihr ebenfalls grosse Schmerzen zu. Du solltest dich wenigstens nochmals bei ihr melden und ihr deine Lage schildern. Vielleicht hat sie ja Verständnis und ihr könntet einfach gute Freunde werden.“
„Ach… um sie nur als Freundin zu sehen, dazu fühle ich mich dann doch schon zu sehr zu ihr hingezogen. Sie reizt mich körperlich, wie auch von ihrem Wesen her sehr. Ich will sie aber nicht als Objekt benutzen und das wäre so, weil mein Herz noch immer einer anderen gehört.“
„Auch wenn dich diese Sichtweise ehrt, mein Sohn, so solltest du dich dennoch für etwas Neues öffnen. Rede mit Vanessa, berichte ihr von den Gefühlen, die dich bewegen. Ihr könnt es ja langsam angehen.“
„Ach, ich weiss nicht!“ rief Marc verzweifelt. „Das alles ist oft komplizierter als man denkt.“
„Aber nur weil du alles so kompliziert machst. Du bist manchmal so ein komplizierter Mensch Marc! Dein Verstand kommt dir immer wieder in die Quere. Stattdessen solltest du dich mehr auf dein Herz besinnen. Denn glaube mir, das Herz ist das Tor zu einem Feld der unendlichen Möglichkeiten, welches dir alles schenken will, was dir guttut. Wenn du Vanessa magst, dann zeige es ihr! Ich glaube nämlich, sie würde sehr gut zu dir passen.“
„Warum willst du mich gerade mit diesem Mädchen verkuppeln?“ fragte Marc etwas ungehalten.
„Weil ich glaube, du magst sie wirklich und sie mag dich auch. Ausserdem macht sie mir einen sehrt guten Eindruck.“
Der jüngere Mann seufzte, sagte aber nichts weiter dazu.
Eine Weile setzten sie dann ihren Weg schweigend fort, während jeder der beiden seinen eigenen Gedanken nachhing. Marc war nun doch etwas verunsichert und überlegte sich, ob sein Meister womöglich recht mit seiner Einschätzung hatte. Dennoch, wenn er Vanessa anrief, würde er ihr reinen Wein einschenken. Wenn sie sich davon dann nicht abschrecken liess, dann, nun ja dann… gab es vielleicht doch eine Chance für sie beide...