Shanora hörte fernab eine Stimme, sie schien ihren Namen zu rufen. Aber sie wollte garnicht hinhören, in ihrer Fantasie war sie wieder eine kleine Katze auf Allisters Schulter. Gemeinsam Monster bezwingen und Illutia retten, Heldentaten vollbringen. Shanora erinnerte sich an den Kampf gegen Marbas und Treplew und flüsterte: "Du hast schon immer zu viel riskiert..."
Die Erinnerung an den Kampf gegen Suma in der Gestalt des Dunklen kamen ihr hoch, als ein Sturm finsterer Energie sie beinahe alle getötet hatte. Allister hatte sie beschützt und war dabei auch beinahe gestorben. Sein Bruder hatte sich vor ihn geworfen, um ihn zu retten, ansonsten wäre es schlecht für ihn ausgegangen. Nach allem was sie zusammen überlebt hatten war nun der Punkt erreicht an dem Allister wirklich nicht mehr mit einem blauen Auge davon gekommen war.
Irgendwie hatte sie es in ihre Trance geschafft mit Aron dieses Grab auszuheben, der Waldboden war Gott sei Dank locker und so war es nicht zu schwer gewesen. Den Körper ihres Freundes mit Erde zu überdecken allerdings war ihr kaum gelungen, das hatte Aron übernommen.
"Shanora!", Arons Rufe hatten sie endlich erreicht, sie kniete, immer noch geschmiert mit dem Blut des Drachens, vor der lockeren Erde, unter die sie Allisters Körper gebettet hatten.
"Ich kann ihn doch nicht hier alleine lassen in diesem kalten Loch aus Erde!", schniefte Shanora, Tränen rannen ihr über die Wange, "Das hat er nicht verdient! Warum war ich zu Schwach?"
Aron legte ihr eine Hand auf die Schulter: "Shanora... Es tut mir so leid, dass du deinen Freund verloren hast. Auch wenn er für mich nur ein Fremder war... Er hat uns gerettet!"
Shanora strich über die lockere Erde, ihr Herz fühlte sich so schwer an, sie hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen.
Sein versuchte weiter sie zum Gehen zu überreden sie wusste, dass sie hier nicht bleiben konnten. In ihrer Wut hatte sie es irgendwie geschafft den Drachen mit einem einzigen Schlag zu töten, aber ihre Kräfte waren danach wieder verpufft. Sie hatten Allisters Körper begraben, in einem namenlosen Grab mit einem Kreuz aus versengten Zweigen.
„Dein Opfer war nicht umsonst mein Freund!“, flüsterte sie und erhob sich, „Ich werde niemals aufgeben, das verspreche ich! Für dich, Allister!“
Shanora überkamen wieder die Tränen, als sie daran dachte, wie sie Yalhan das erklären sollte, der in einer fernen Welt kämpfte, voller Hoffnung wieder zu seinem Geliebten zurückkehren zu können.
Entschlossen wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und wendete sich an Aron: „Wir müssen in die Berge gehen, das war sicher nicht der letzte Drache der versucht und aufzuhalten!“
Aron nickte: „Ich werde dir helfen, wir warten auf dem Pass auf deine Freunde!“
Shanora nickte, sie griff nach Arons Hand und folgte ihm weiter durch den Wald.
Nahe dem Hafen wo das Fischerboot angelegt hatte wanderten Delina und Church durch den Wald. Delina versuchte ihren unliebsamen Begleiter weitgehend zu ignorieren, aber er summte. Sie hätte nie gedacht das ein gesummtes Lied ihr so dermaßen auf die Nerven gehen konnte. Ob Church absichtlich summte um sie in den Wahnsinn zu treiben? Delina hoffte inständig das Arya eine weniger nervige Zeit durchlebte, aber sie war insgeheim auch froh, dass sie nicht zu dieser seltsamen Institution geschickt worden war.
Gerade als sie Church darauf hinweisen wollte das er doch bitte die angenehme Stille des Waldes nicht weiter stören sollte stieg ihr ein seltsamer Geruch in die Nase.
Verbrannter Wald, verbrannter Stoff. Verbranntes Fleisch.
"Church!", sie blieb stehen, die Stimmen in ihrem Kopf begannen unruhiger zu werden.
Das Ende eines so mächtigen Wesens...
Vielleicht kann man seinem Körper noch Macht entziehen.
Es regt sich etwas unter der Erde.
Grabt es aus.
Plötzlich schossen Bilder durch Delinas Kopf, sie sah Allister wie er die Hand ausstreckte, welche ein Schild trug. Dahinter Shanora und einen Jungen, die sich zu fürchten schienen. Dann nichts als Feuer, Schreie und Shanora die weinend einen Körper in den Armen hielt.
Delina stolperte weiter durch den Wald, ignorierte Churchs Rufe und fand schließlich die in den Wald geschlagene Richtung. Der rote Körper eines silbernen Drachens lag vor ihr, ein Stück weiter entdeckte sie etwas was ihren grausamen Verdacht bestätigte.
Ein Grab, die lockere Erde passte zu Allisters Größe.
Delina sank auf die Knie, das erste Mal seit ihrer Verwandlung spürte sie tiefer gehende Emotionen. Schmerz und Trauer, sie wurde an den Tod ihres Vaters erinnert. Allister. Allister der Heiler, Allister der Misstrauische. Allister ihr Freund.
„Delina!“, Church kniete sich vor sie, aber das interessierte sie nicht, was war das auf ihren Wangen? Eine Träne? Nein es waren viele.
Der Drache hat ihn verbrannt.
Der Drache, der aus dem Schloss kam.
Töte die Drachen.
Vernichte ihre Zuflucht.
Die Stimmen in ihrem Kopf wurden lauter, das Flüstern wurde zu verschiedenen Rufen aus der Dunkelheit, die nun in ihr steckte.
Plötzlich spürte sie Wärme, Wärme umgab sie, starke Arme sie sich um sie schlangen, ein vertrauter Geruch.
"Delina...", diese Stimme, da war wieder diese Stimme, "Beruhige dich..."
Diese Stimme, der sie so sehr vertraut hatte, schon als sie noch ein Kind gewesen war und ihre Stadt in den Feuern des Krieges untergegangen war.
Sie fühlte sich wieder wie das kleine Mädchen damals, unfähig ihre Schwester zu retten und etwas gegen diese Feuersbrunst zu unternehmen.
Der Geruch, dieser vertraute Duft nach Pfirsichblüten und einem frischen schwarzen Tee...
Schwarze Augen in welchen sich der Schmerz der Vergangenheit spiegelte, aber auch so viel Güte.
Langsam verstummten die Stimmen, sie flüsterten leise, aber sie beherrschten Delinas Gedanken nicht mehr. Stattdessen kamen andere Erinnerungen in ihr hoch, aber nicht ihre eigenen.
Sie sah Church, wenn auch verschwommen, und Arya, sie schienen zu diskutieren.
"Denkst du ich weiß nicht, was bei der Vernichtung von Solon vorgefallen ist?", Arya schien wütend zu sein, "Aber was habe ich von Finns kleinem Schosshund erwartet?"
Chruch sah Arya ernst an, Delina konnte so viel Schmerz in seinen Augen erkennen: "Arya ich weiß, dass es falsch war Sassy gehen zu lassen, es war falsch dieser Schlange Merlin zu trauen. Aber mein größter Fehler..."
Die Erinnerung verblasste, etwas schien sie zurückzuziehen in die Realität.
Schwarze Augen, schwarze Augen musterten sie besorgt.
"Mein größter Fehler war dich gehen zu lassen! Nicht auf deiner Seite zu sein nur, weil ich Angst hatte Delina!", Churchs Stimme ließ sie wieder klar sehen, alles um sie herum war wieder wie vor dem Moment als die Stimmen sie übermannt hatten. Delina verstand, was er sagen wollte, er hatte nicht gelogen. Er hatte Arya geschickt um sie zu beschützen, er war nicht in Kings Cross gewesen um sie an Finn auszuliefern.
"Warum bist du nicht eher zu mir gekommen?", Delina schluchzte, "Warum hast du zugelassen das all das passiert? Ich war alleine mit all meinem Schmerz, gezwungen die gehen zu lassen, die ich in diesem Moment der Trauer am meisten gebraucht hätte..."
Church legte ihr die Hände auf die Wangen: "Ich konnte nicht eher zu dir, Merlin hätte dich sonst gefunden und das konnte ich doch nicht zulassen! Ich wollte dich mit allem was ich nach euer Verbannung getan habe beschützen!"
Delina musterte ihn weiter kritisch: "Aber warum hättest du Finn verraten sollen, um mich zu beschützen?"
Churchs Augen wurden glasig und füllten sich mit Tränen: "Delina weil ich... Weil ich dich..."
Er konnte den Satz nicht beenden, ein gewaltiger arkaner Strom schoss auf die beiden zu und beförderte sie einige Meter auseinander.
"Wie rührend!", Merlins boshafte Stimme hallte durch den Wald, "Aber es wird Zeit das Delina sich den Stimmen hingibt. Und da du, Dämon, das verhindert hast muss ich dich wohl beseitigen!"
Ayra folgte dem rothaarigen Mädchen, das ihr als Caressa vorgestellt worden war, durch die Gänge voller nummerierter Türen. Natürlich versuchte die Rothaarige Arya alles zu erklären, aber sie hörte nicht wirklich zu.
"Kann es sein das dich etwas bedrückt?", Caressa war stehen geblieben und musterte Arya mit ihren wachen grünen Augen.
"Wie alt bist du eigentlich?", Arya blickte abfällig auf die nicht besonders groß gewachsene junge Frau, der sie kaum die Volljährigkeit zutraute.
"Ich bin 17!", antwortete Caressa freundlich, "Die Jüngste hier, aber lass dich davon nicht täuschen!"
Arya musterte ihr relativ hübsches Gesicht, welches voller Sommersprossen war. Ihre Statur wirkte schmächtig und ihre Uniform ließ sie nicht gerade erwachsener wirken. Dazu der schwarze Haarreifen der ihre glatten Haare streng nach hinten bändigte.
"Dich bedrückt doch etwas, das kann ich sehen!", Caressa ließ nicht locker. Und sie hatte recht, Arya bedrückte etwas.
"Ich kam mit einer Freundin hier her, aber wir haben uns getrennt, weil wir unterschiedliche Ziele verfolgen. Nun habe ich das Gefühl, das sie in Gefahr ist!", erklärte Arya ihr dann schließlich. Sie musste dringend mit Deseis reden, ihre Intuition täuschte sie selten.
"Du wirkst wirklich sehr besorgt...", stellte Caressa fest, "Weißt du wo deine Freundin gerade ist?"
Arya überlegte, wie hatte dieser Ort geheißen an welchen Silas Delina und Church geschickt hatte?
"Schloss irgendwas oder zumindest auf dem Weg dahin!", Arya ärgerte sich das sie sich den Namen nicht gemerkt hatte.
"Ihr kamt vom Hafen, sind sie nach Norden oder Westen gegangen?", fragte Caressa weiter.
"Nach Norden!", zumindest daran konnte Arya sich erinnern.
"Schloss Maloris liegt im Norden, die anderen alle im Westen!", Caressa sah sie fragend an und Arya nickte.
"Dann ist deine Freundin wahrlich in großer Gefahr, die Silberdrachen haben ein Abkommen mit einer bösen Zauberin geschlossen und sind seit dem noch furchtbarer geworden.
Arya schluckte, es musste sich bei der bösen Zauberin um Merlin handeln.
"Ich muss sie finden!", entschlossen wendete sie sich um, "Ich muss ihnen helfen, egal was ich hier finden sollte, das ist wichtiger!"
Caressa sah ihr verwundert nach: "Aber wohin gehst du?"
Arya blieb stehen: "Deseis suchen, den jungen Mann der mit mir ankam!"
Caressa seufzte: "Du läufst in die falsche Richtung, die Zimmer der Männer sind nach den Mädchenräumen!"
Arya seufzte tief, sie wollte dieses Mädchen eigentlich nicht darum bitten ihr zu helfen, aber ihr Orientierungssinn war einfach nicht der beste.
"Komm ich zeige dir wo du hinmusst!", bat Caressa von sich aus an. Konnte diese Peron nur nett sein? Arya konnte sich so jemanden auf keinen Fall als Attentäterin vorstellen.
Sie folgte der Rothaarigen einige Gänge weiter, wo sie schließlich an eine Türe klopfte.
Diese wurde kurze Zeit später geöffnet und Arya verdrehte sofort die Augen, in der Tür stand Rhondir.
"Was willst du kleiner roter Zwerg von mir?", murrte der große Mann, dann entdeckte er Arya, "Vor allem was will sie den hier?"
Caressa ignorierte seine Bemerkung: "Weißt du in welchem Zimmer der Neue ist?"
Arya seufzte: "Können wir das niemand anderen fragen?"
Rhondir sah zornig auf die beiden herab: "Den kauf ich mir sowieso noch, er hat Tony übel zugerichtet!"
"So schlimm war es doch garnicht!", hinter ihm erschien ein weiterer Mann, der Rhondir sehr ähnlich sah. Sein Arm steckte in einer Schlinge und sein Gesicht hatte wohl einige Schrammen abbekommen. Seine dunkelblauen Augen wirkten gütig und sein Haar war ordentlich zurückgekämmt.
"Das ist ein Notfall, wir müssen ihn schnell finden, Arya muss ihrer Freundin zur Hilfe eilen!", erklärte Caressa schnell.
"Und was geht mich das an?", fragte Rhondir gleichgültig, "Und dich, kleiner Zwerg?"
Tony klopfte Rhondir auf die Schulter: "Sei doch nicht so, Bruderherz. Wenn Arya Hilfe braucht, dann sollten wir ihr diese nicht verwehren weil wir besiegt wurden!"
Arya fand Tony um Meilen sympathischer als seinen Bruder, er schien auch ein wenig klüger zu sein.
"Rhondir ist garnicht so übel!", erklärte Caressa ihr dann, als ob sie ihren Gedankengang nachvollziehen hätte können.
Rhondir blickte erbost auf die Rothaarige: "Gut, ich bringe euch hin, aber dann will ich meine Ruhe vor euch Frauenzimmern!"
Arya lächelte gespielt freundlich: "Wir werden dich dann nicht weiter behelligen, keine Sorge!"
Tony schloss sich ihnen an: "Ich komme mit, schließlich muss ich Deseis noch zu seinem Sieg gratulieren!"
Rhondir verdrehte daraufhin die Augen und ging vor, einige Zimmer später blieb er stehen und pochte mit seiner Faust gegen die Türe.
Deseis öffnete diese, Arya musste schmunzeln, als sie seinen wie üblich völlig gleichgültigen Blick sah.
"Was willst du Fleischklops den?", fragte der Dämon mit kühler Stimme, dann sah er zu Arya.
"Delina ist in Gefahr!", verkündete diese, "Wir müssen zu ihnen!"
Deseis Blick veränderte sich, er schien plötzlich besorgt: "Nun gut, dann lass uns aufbrechen!"
Schnell schloss er die Türe und deutete Arya ihm zu folgen.
"Wartet!", Caressa rannte ihnen nach, "Ich helfe euch!"
Arya sah die kleine Rothaarige genervt an: "Das ist nichts für kleine Mädchen!"
Caressa ließ sich auch davon nicht aus der Ruhe bringen: "Keine Sorge, ich werde euch nicht aufhalten! Und immerhin kenne ich den Weg!"
Deseis nickte: "Ein Punkt für sie, gut du kannst mitkommen, aber wir können wirklich nicht auf dich aufpassen!"
Rhondir folgte ihnen ebenfalls: "Die Kleine geht auf keinen Fall mit!"
Arya ballte ihre Hände zu Fäusten und fragte sich, ob sie ihm einfach Vernunft einprügeln sollte.
"Zumindest nicht ohne uns!", Tony lächelte freundlich, "Ich helfe euch!"
Arya schüttelte den Kopf und auch Rhondir schien der Plan nicht zu gefallen.
"Macht doch was ihr wollt!", er ging zurück in Richtung seines Zimmers.
Tony aber blieb bei ihnen stehen: "Gut, Caressa wir sollten unsere Ausrüstung holen!"