wir kommen von hier:
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„… schmecken so unglaublich genial. Die gelben Blüten, oh Raban, die sind so herrlich. Daraus kann man cramaillotte machen, hast du das je probiert, das ist wie Sirup - nein wie Honig. Mit etwas Orange, Zitrone und Zucker ist das ein genialer Brotaufstrich zum Frühstück.“
Raban frühstückte nicht.
Marlik schon: „Die noch zarten, jungen Blätter kann man zum Salat hernehmen. Mit einem sanften Dressing schmeckt das sehr herb-würzig, fast nussig. Natürlich hat es einen sehr charakteristischen wild-bitteren Beigeschmack. Daher sollte man auf keinen Fall die großen, alten Blätter nehmen. Aber ich sage es dir, das ist ja noch nicht alles, hast du je Löwenzahnwurzeln probiert? Wenn dir die als Salat nicht schmecken, du kannst sie auch rösten und so etwas ähnliches wie einen Kaffee daraus brühen. Das muss man wirklich einfach mal ausprobiert haben, bevor man es ablehnt.“
Als Raban die Pusteblume zum Mund führte und zubeissen wollte, packte Marlik zu.
Er umklammerte den Arm seines Wanderkameraden: „Nicht.“
Der andere grinste fies: „Was? Kann man die weißen Schirmchen etwa nicht essen?“
Marlik schien für einen Augenblick ernsthaft zu überlegen und sein imaginäres Rezeptbuch durchzublättern. Nicht zum ersten Mal fragte sich Raban, woher der Idiot das alles bloß kannte und wieso er es auch noch behielt, das war doch alles total unnützes Wissen, oder wollte er Koch werden? Aber der Freund überraschte ihn, indem er den Arm hinunterzog mit aller Kraft, die Raban dagegen hielt.
„Ich nehme mal an, Herr Banause, dass man die wirklich nicht essen kann, da könntest du vermutlich auch gleich Luft kauen und schlucken.“ Dann deutete er an ihm vorbei: „Aber zum Glück, mein Freund, musst du das jetzt auch nicht testen, da ist nämlich unser Etappenziel.“
Raban schielte um den Wuschelkopf herum und seufzte erleichtert auf, der abgerissene Stengel, aus dessen Wunde die weißliche Milch tropfte, landete Marlik an der Stirn. Die einzelnen, winzigen Härchen stoben in alle Richtungen davon. Einige verfingen sich in den Locken des Mannes. Er kicherte vergnügt.
Raban freute sich auch: „Das sind doch die Dinger, bei denen man sich was wünscht, oder?“
„Ja, bevor man sie seinem besten Freund an den Kopf wirft, normalerweise.“
„Papperlapapp. Ich wünsche mir ein Einzelzimmer.“ Die letzten Schritte bis zur Herberge legte er regelrecht beschwingt zurück. Genau richtig, die Dämmerung setzte ein, Essen, Duschen, Schlafen, mehr wollte er heute nicht mehr.