Ich bin nicht traurig, ich fühle gar nichts sobald ich ein gutes Buch ausgelesen habe. Kennt ihr das? Wenn es euch so richtig gepackt hat. Regelrecht vereinnahmt? Ich hatte das jetzt schon eine Weile nicht mehr, das liegt weniger daran, dass ich keine fesselnden Bücher mehr gekauft habe, oder mich hier auf Belle angemeldet, nein eher daran, weil ich kaum dazu komme ein Buch zu suchten. Heute also mal ohne Rhetorik, Pfiff oder Clou. Einfach mal eine Beschreibung dessen, was mir als Leser beim Lesen so am Lesen gefällt.
Erst einmal bin ich Eine von denen, die sich in einen Comic vom Autor signieren lassen: „Weil Bücher gut riechen“. Das entstand in einem Panel auf einer Messe, weil der Autor/ Zeichner seinen Webcomic hat verlegen lassen in gedruckter Form und ich das auf der Stelle haben musste. Comics und Bücher, sowie Hörspiele gehen bei mir Hand in Hand und ganz so verachtend auf EBooks schaue ich inzwischen auch nicht mehr wie vor einigen Jahren. Man entwickelt sich eben, wächst und lässt sich auf Neues ein. Wer hätte zum Beispiel nach der CD und der MD und den jetzt digitalen Formen wie Spotify je damit gerechnet, dass sich Platten immer noch einer so großen Beliebtheit erfreuen könnten? So sehe ich das mit den Büchern dann eben auch. Ich liebe sie und ich werde sie niemals aufgeben. Das Haptische ist ja schon ein Argument für sich. Natürlich auch als Gegenargument, wenn man in der Badewanne nicht richtig sitzen kann, weil das Papier womöglich nass werden könnte.
Trotzdem haben wir vor einigen Jahren unseren EReader verkauft. Ich lese die wenigen EBooks, die ich mir gefallen lasse eben am Rechner oder Handy, so wie Belle auch. Ich komme damit gut zurecht. Und auch ein EBook kann es schaffen, dass ich mich ganz und gar in einer tollen Geschichte verlieren kann.
Aus der Zeit meiner aktiven Bloggerphase gab es zwar auch viele nur durchschnittliche oder sogar miese Titel, aber alles in allem überwiegt die Freude an tollen Geschichten. Und das betrifft auch die Kinderbücher, die ich jetzt hier habe, seit der MiniOrk rumhüpft. Und da gibt es dann Klassiker wie die „Raupe Nimmersatt“, neben „Unkaputtbarbüchern“ aus welchem Material die auch sind, es ist toll ein Buch zu haben, welches nicht seinen Zerstörerfähigkeiten zum Opfer fallen muss. Und ein Buch ist dabei, das bringt mich auf die Palme sobald ich es sehe. Na gut zwei.
Da wäre zum Beispiel vom DMMarkt und dem Duden ein Buch über die sieben Sinne. In dem ein einziges farbiges Kind spielt, aber sämtliche Namen den aktuellen Top Ten entsprechen, das ist, bei aller Liebe, einfach nur richtig fahrlässig gemacht. Meine Bekannte hingegen bemängelt die unzureichende Darstellung des ‚Riechens’ Aber wenigstens gibt es beim Gender mal kein Thema. Den Aufreger habe ich ja bei dem anderen. Ein „Badebuch“, das man toll mit in die Badewanne nehmen kann. Es ist eines der Bücher die zu „Der kleine König und die kleine Prinzessin“ gehören. Ich kann mir nur vorstellen, weil ich den Verlag nicht gefragt habe, warum das so ist. Aber ich könnte an die Decke gehen, wann immer ich es sehe. „So, so, die Mädchen dürfen also NUR Prinzessin sein, weil rosa glitzer Tütü eben immer noch vorgelebt wird.“ Dann sagen andere Leute mir, ich solle da nicht so viel reininterpretieren, denn wahrscheinlich durften sie „der Kleine Prinz“ einfach nicht drüber schreiben. „Ja und? Deshalb hat ER also eine Beförderung bekommen und sie nicht?“ Wieso nicht in Zeiten der m/w/d Elsa-lässt-jetzt-los „Die kleinen Monarchen?“ Und überhaupt, wen interessieren in Deutschland noch Monarchen. Aber bitte, ich bin ja froh, wenn die Lütschen das Fantasy-Genre kennenlernen dürfen.
Von wegen ich fühle gar nichts. Ich fühle echt viel. Wenn ich die Nachrichten damals über die Flüchtlinge als Beispiel nehme, die auch bei uns in der Stadt aufgenommen wurden. Erst in den Bierfestzelten der letzten Dult (vgl Kirmes) und dann umgezogen sind in ein ehemaliges Gefängnis. Da ist Platz, da ist es warm und trocken und eine Kantine gibt es auch, was will man mehr, außer der Frage nach der Pietät und die Fremdenfeindlichkeit: wer wird jetzt vor wem geschützt zu schüren? Und genau zu dem Zeitpunkt las ich ein weiteres Buch von Peter v Bretts Dämonensaga. In der, welch Zufall, es um Flüchtlinge ging. Alles in diesem Buch wurde fast schon unwichtig, ich habe einfach diesen Zufall so gefeiert und mich gefreut, dass es im Buch ‚besser‘ geht, als in der Realität. Jetzt wünsche ich mir inzwischen händeringend ein Buch in dem eine blaue Raubrittergruppe politisch, intellektuell und mit den eigenen Mitteln entmachtet wird und vorgeführt, entlarvt und vom Plebus davongejagt über alle sieben Berge.
Ich wünsche mir Bücher, in denen ich mich wiederfinden kann. Seien es kleinste Details, weil da noch jemand ist, der seine Socken immer umkrempelt, damit der Gummibund nicht ins Fleisch schneidet, oder seien es die großen weltpolitischen orangehäutigen Sturmtoupée tragenden Antagonisten. Ich möchte nicht nur oberflächlich mit der x. Ich-Perspektive die Jugend wieder heraufbeschwören und mir dabei denken, wie naiv und blöd die Protagonisten sind. Auch traurig sein gehört dazu, es hat schon mal ein Steampunk/Science Fiction/Mix geschafft mich vor lauter Spannung, in der letzten Sekunde, in der der Tag gerettet wurde, laut aufschluchzen zu lassen. Und ich habe auch schon mal ein Buch in die Ecke gefegt, weil es mich aufgeregt hat. Ihr kennt das? Kommt mit nem EReader nicht so gut.
Und deswegen bin ich nicht traurig, wenn ich ein Buch ausgelesen habe, weil es zu Ende ist. Ich fühle dann erst mal gar nichts. Ich klappe es zu und starre den Buchrücken an mit dem Klappentext und manchmal lese ich den nochmal und überlege mir, ob er im Nachhinein noch stimmt. Und dann, rollt die Welle an. Die erst einmal Anlauf genommen hat.
Die allerwenigstens Bücher übrigens haben einen ersten Satz, den ich länger als zwei Sätze behalte. Und die letzte Szene ist selten eine, die starke Gefühle in mir auslöst. Ich habe also alle Zeit der Welt, zwischen diesen beiden die gesamte Palette durchzumachen und sie beim Zuklappen noch einmal zu genießen, wenn ich mich an besondere Textstellen erinnere. Meine Lieblingsbücher schaffen es sogar mich in so viel ekstatische Vorfreude zu versetzen, wenn ich sie noch mal lese, dass, wenn die Stelle dann kommt, ich sie wesentlich mächtiger in ihrer Emotionalität (egal welcher) in Erinnerung hatte und geradezu enttäuscht bin, wenn ich meine eigene Fantasie inzwischen so viel hinzugedichtet hatte.
So, jetzt ist die eine Stunde auch so gut wie rum. Rein vom Tastenanschlag her könnte ich noch ein wenig mehr in der Zeit raushauen, über ein Thema wie dieses, welches mir so am Herzen liegt wie das Lesen und Bücher. Aber ich denke ich habe einen ganz guten Einblick dessen geben können, was mich so am Lesen fasziniert und in wie vielen Bereichen die Belletristik in mein Leben eingreift und sich spiegelt. Nein, ich bin überhaupt nicht traurig. Ich fühle nichts und dann alles.