Ein ganz normaler Tag für Maxine.
Ein normaler Tag in der Wüste. Er war vor allem eins: lang. Genauso lang wie die Wüste breit war. Man konnte Tagelang in eine Richtung rennen und kam doch nicht an ihr Ende. Der Sand war immer überall. Es gab Stellen mit Ginster und sehr widerstandsfähigem dornigen Kraut. Es gab Stellen mit Löchern im Boden, gegraben von Termiten und Fenneks. Es gab Steine die herausragten und zwischen denen Eidechsen und Skorpione hausten. Und es gab Wasserlöcher, versehen mit Deckeln, es gab Oasen und es gab Kakteen-Haine. Aber das waren auch wirklich schon die beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten. Sand, Sand, Sand und Wind und Sonne und Hitze und Fata Morganas.
Maxine kannte ihr Land gut, es war nicht immer so gewesen, aber es war dann, als es losging, sehr kurz und schmerzlos gewesen. Jetzt lebte die Menschheit immer knapp nah des Verreckens. Aber als hätten sie nie etwas gelernt, war Wasser immer noch nicht das Wichtigste in ihrer Welt und „Grün“ war nur noch ein Wort um eine Farbe zu beschreiben, die wie die Erinnerung verblasste. Grün war die Erinnerung und Gelb und Rot war das Überleben. Und die Nacht war herrlich klar und weit und brachte den Tod genauso wie die Sonne.
Vor allem jetzt im Sommer. Woran man unterscheiden konnte ob es Sommer oder Winter war? An der Länge der Nächte. Im Sommer waren sie kurz, zu kurz für das Manna. Im Winter fanden sie fiel, labten sich, regenerierten, bekamen die Kinder und tranken bis zur Besinnungslosigkeit. Im Sommer sparten sie Kräfte, lungerten in den Schatten, bewegten sich nur in der Dämmerung und warteten mit den größten Planen die sie finden konnten, dass das Wasser sich auf dem Material sammelte und dann die einzelnen Perlen im Morgengrauen abgeleckt werden konnten. An ertragreichen Morgenden rannen die Tropfen, klar und rein hinab zum tiefsten Punkt der Plane und sammelten sich in einer winzigen Lache.
Maxine liebte das Manna. Und das Manna kam zu ihr, sie war Mannasammlerin nicht aus Leidenschaft oder Überzeugung, weil es so gut schmeckte und sauber war, im Vergleich zu den brackigen unterirdischen Reservoirs. Nein, sie war Sammlerin geworden, weil sie ein Talent darin hatte. Sie spannte die Planen am besten, sie setzte die Pflöcke genau im richtigen Abstand, lagerte das Tuch im genauen Winkel, dass der Tau fliessen konnte wie Honig. Ging es zu schnell, setzte sich nicht genug ab, war die Plane zu gerade, konnte sich nichts sammeln und verdunstete schneller, als man es ablecken konnte.
Und viele trockene Zungen brauchten Talente wie ihres, um hier zu Überleben.
Doch es machte sie verrückt. Das Manna nicht, sondern die Last der Verantwortung. Sie war unentbehrlich geworden. Sie war wichtig. Sie wurde verfolgt, sie wurde nicht aus den Augen gelassen und sie wurde erwartet. Und sie hasste den Tag, als ihre kleine Gruppe entdeckt hatte, dass sie richtig gut war im Mannasammeln. Denn nun kamen sie, um sie zu holen. Ihre Familie würde untergehen ohne sie, weil niemand so gut war und genug Manna zusammenbrachte. Was sollte sie tun? Gegen die übermächtigen Despoten der Wüste, die in ihrer Zitadelle im Paradies lebten. Ihre Herrschaft durch Gewalt und Unterdrückung eroberten, wie sie nun auch ihre Familie bedrohen würden. Irgendeiner musste sie verraten haben, für eine Handvoll Früchte oder einen Kanister Öl.
Die Staubwolke der umgebauten Automobile und Lastkraftwagen zog auf wie ein unheilvoller Sturm. Und schon vom Weitem konnte Maxine die Trommeln hören, aber schlimmer noch war das Vibrieren der V8 Motoren im Boden. Sie spürte es in ihren Füßen. Insgeheim beneidete sie manchmal die voll motorisierten Gesellschaften, gegenüber dem bisschen was sie noch hatten. Aber Benzin war genauso rar war wie Wasser und beides waren Leben wert. Maxine sah sich um. Sie war benannt nach einem der berühmtesten und berüchtigtsten Legenden ihrer Zeit. Sie nahm die Hände von der Plane und richtete sich auf. Nein, sie würden sie nicht kriegen. Sie nicht und ihre Familie nicht.
Morgen würden sie leiden. Denn sie würden kein Manna haben. Und vielleicht würden die Planen in blinder Wut zerstört werden, es blieb keine Zeit sie einzusammeln, zu falten und mitzunehmen. Vielleicht würden sie ein paar Leute verlieren. Aber sie würden noch da sein, um hoffen zu können. Sie würden weiter machen. Überleben. Maxine nahm die quietschgrüne Pfeife vom Halsband und rannte los, pfiff unterwegs und trieb alle zur Eile. Sie mussten alle ins Versteck und hoffen, dass sie ihre Spuren so gut verwischen konnten, dass diese grobschlächtigen Idioten sie nicht finden konnten.
Leben. Hoffnung.
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Wenn ihr an TankGirl oder MadMax dabei denkt, liegt ihr richtig.