Aktuelles Gemeindeblättchen:
„Die Wiesen sind kein Hundeklo
Hundebesitzer zieht es weiterhin zusammen mit ihren Vierbeinern auf die Wiesen und Weiden abseits der Wege, um die Tiere toben und vor allem dort ihr Geschäft verrichten zu lassen. Die Wiesen der Landwirte dienen der Nahrungsmittelproduktion und der Tierernährung. Das mit Kot verdreckte Grünfutter macht die Tiere krank. Betreten Sie die Wiesen und Weiden nicht und entsorgen Sie die Hinterlassenschaften ihrer Hunde.“
Moment: Die Hundebesitzer zieht es AUCH auf die Wiesen? Verrichten die da auch ihr Geschäft? Laut diesem Hinweis schon, oder?
Und wie sollen sie denn den Kot aufsammeln, wenn sie nicht draufgehen sollen?
Chica blickte auf und schaute aus dem Fenster. Großer Auflauf draußen. Viele Kraftfahrzeuge standen am Wegesrand. Anwohner am Randstein. Der Bauer auf seinem Trecker stand neben dem riesigen, schwarzen Rad. Wenn er seinen Trecker fuhr, wirkte er nicht so klein, aber neben dem Reifen, war er winzig. Vor allem wenn er nach vorn über gebückt da stand. Fast konnte er einem Leid tut. Er hatte die Wiese frisch gemäht. Er mähte sie zwei Mal im Jahr. Mitten in der hübschen Siedlung gibt es allerhand leer stehende Parzellen. Ob das wirklich Absicht und bauplanerisch so gedacht war, wusste Chica nicht. Die neue Feldgeschworene mochte es wohl wissen, aber die konnte man gerade nicht fragen, denn sie kniete in der gemähten Wiese.
Gestern Abend war ihre Katze nicht nach Hause gekommen. Aber so sind Freigänger eben, die - entgegen der wütenden Hundebesitzer, die auch unter den Anwesenden Gaffern waren - nicht so oft in die Wiese machten. Die nahmen viel lieber das frisch angelegte Blumenbeet, weil die Erde so schön locker war. Oder den Sandkasten auf dem Spielplatz. Egal welches Haustier, irgendwas war immer falsch. Sind halt Tiere. Sie aber zu überfahren mit dem Mäher und das dann erst am nächsten Tag zu merken, wenn man das Gras wendete, um es noch mal in der Sonne liegen zu lassen und dann am Nachmittag mit der Heuballenpresse zu kommen, das war sicher keine Absicht gewesen. Hoffentlich.
Vorhin war die Nachbarin da gewesen und hatte sich einen Kaffee und Pfannkuchen geschnorrt. Da war noch nicht klar gewesen, wem das Tier gehört hatte. Jetzt war es das. Und allen anderen fiel ein Stein vom Herzen. Chica zum Beispiel. Denn sie war die ganze Zeit auf und ab gelaufen, hatte vorn geschaut, unterm Haselbusch, kein Kater. In der Einfahrt unterm Auto: kein Katertier. Auf dem Dach, in seiner Lieblingsecke: nope. Auch die Lieblingsplätze im Haus hatte sie abgesucht, wenn so ein verdammtes Katzenvieh nich gefunden werden wollten, konnten sie sich unsichtbar machen. Zwischendrin hatte sie es nicht mehr ausgehalten und angefangen zu backen. Im Ofen war ein Apfelkuchen und die Pfannkuchen direkt hinterher, von denen sie dann auch gleich acht Stück verputzt hatte. Sie hatte sie extra klein im Durchmesser gemacht, damit acht viel klang.
Sie hatte sich selbst so unter Streß gesetzte, dass sie einfach keine Ruhe mehr gehabt hatte. Diese blöde Nachbarin mit ihrem Geschwätz, natürlich war es nicht ihr Kater gewesen. Der irgendwann einfach vor der Tür saß wie dahingeglitcht. Kaum dass er drinnen gewesen war, hatte er sich verwandelt und sich schnell das Handtuch umgeschlungen.
„Was bei Bastet ist hier los?“
Chica knurrte ihn an und leckte sich die Pfote auf dem Fenstersims. Ihr Bruder starrte nun ebenfalls hinaus, wie die Feldgeschworene aus den blutigen Tausendschön ihre Katze anhob und in einen kleinen Schuhkarton legte. Viel erkennen konnte man auf diese Entfernung nicht. Die riesige Linde, die mitten auf der Wiese stand, war der geneigte Katzentreffpunkt. Heute Nacht würde es sehr laut werden.
„Wie konnte das passieren? Ist das etwa Myrrha?“
Chica maunzte kläglich und richtete sich auf, nach guter Katzenmanier saß sie da und umschlang mit dem Schwanz ihre Pfoten. Auch sie würde jammern heute Nacht, aber von hier aus. Sie ging nicht mehr gern zum Baum. Ihr Bruder hob sie hoch und drückte sie an sich, kraulte sie. Dann schnupperte er in der Luft: „Hm, backst du?“
Sie drückte sich schnurrend an ihn. Ein tragisches Ende für die Nachbarskatze. Sie wurde unsanft abgesetzt und verwandelte sich unterm Küchentisch in einen Menschen.
Dort blieb sie sitzen und angelte sich vom Teller auf dem Tisch einen weiteren Pfannkuchen.
„Du könntest dir wirklich mal angewöhnen pünktlich zu sein, Streuner. Die Nachbarin hat mich total panisch gemacht. Ich hatte schon Angst DU wärest das da drüben.“ Sie schniefte: „Die Nachbarin sagte der Bauer sei bei allen herumgegangen und hätte geklingelt und gefragt, wem das Tier gehörte und ich dachte sie will sich nur wichtig machen, weil hier niemand war und überhaupt eine Katze überfahren mit dem Mäher? Wann ist das bitte jemals vorgekommen?“ Sie redete sich schnell in Rage. „Als ob wir nur den Hörsinn hätten, wenn der schwere Trecker ankommt, spüren wir das doch bis in die Barthaare und können weg. Ich sage dir, da ist was faul. Wir sollten aufpassen, jemand killt Katzen und hängt es dem Bauern an.“
Ihr Bruder beugte sich herunter und packte ihre Fesseln, er zog sie heraus und half ihr beim Aufstehen, reichte ihr das Longshirt, welches über der Stuhllehne gehangen hatte und küsste ihre Stirn: „Chica, mach mal halblang. Erstens die olle Krawalle will sich wirklich nur wichtig machen. Und zweitens, wenn uns hier jemand auf die Schliche gekommen ist und uns nach dem Leben trachtet, würden wir das mitkriegen.“ Nur wie war die Frage.
Chica war nicht überzeugt und rieb sich die Augen. „Wir sollten um“-
Ihr Bruder unterbrach sie schnell: „Wir haben kein Geld mehr für noch einen Umzug. Aber vielleicht halten wir uns ein bisschen zurück die nächste Zeit und beobachten.“
Chica nickte: „Drinnen bleiben klingt gut.“ In Sicherheit bleiben, keine Streifzüge mehr in lauen Sommernächten in denen die Grillen noch lange zirpten und man unter den Laternen Motten verschnabulieren konnte.
„Hat Frau Krawalle noch was erzählt?“
Chica nickte und ging in die Küche, um den Kuchen rauszuholen.
Draußen löste sich die Menge langsam auf.
„Du sollst aufhören die Goldfische zu angeln.“
Der Katzer gluckste: „Wenn sie aufhört mich mit der Super Soaker nass zu spritzen, denke ich vielleicht mal darüber nach, verrückte Alte.“