„Wie der Lauf der Sonne“, murmelte Roux, als die Diener die massive Holzplatte auf den unzähligen Rädchen hereinschoben. Sie bestand aus mehreren Stücken, die abgeklappt werden konnten. Die Scharniere jedoch waren lose und wackelten. Die Rädchen quietschten unter der Last. Tonnenschwere Last aus Holzstückchen, Pappmaché und Klebstoff.
Mit einem dicken Taschentuch wischte sich der Architekt den Schweiß von der Stirn. Na bravo, er bekam schon wieder diese lästigen Hitzepöckchen. Mit einem Finger griff er sich in den Ausschnitt und zog, um sich mehr Luft zu verschaffen.
„Wie meint er?“, wollte der König wissen und die kleinen Perlen an seiner Haarnadel klimperten.
Roux wiederholte lauter diesmal und machte ausladendere Geste und schwenkte sein Taschentuch. Die anwesenden Adeligen fanden das widerlich, er beachtete sie aber nicht. Sein Modell beherbergte alles was er zu geben hatte. Seinen Sinn für Ästhetik, geschaffen in der strengen geometrischen Form. Seine Großzügigkeit, die sich erst offenbarte, wenn man die Relation betrachtete. Er wollte keine Cafés mehr bauen, er wollte ein Lebenswerk, ein Opus Magnum. Und er nannte es: „Chaux, Euer Exzellenz, meine Perspektive des Lebens und Arbeitens. Jedes Gebäude dient seinem Zweck, jeder Bewohner lebt seine Arbeit. Das Haus zeigt was es bietet.“ Er zeigte auf öffentliche Bäder, auf das pyramidische Gebäude des Köhlers, den runden Bau des Töpfers, das von Wasser durchflossene Haus des Wasserwerkers.
„Was ist das da?“, wollte eine der Schranzen wissen und öffnete ihren Fächer. Sie zeigte auf das phallusartige Gebäude.
„Der Lusttempel“, gab Roux Auskunft. Dieses Gebäude war sein persönlicher Favorit neben denen der Frauen, Mütter, Lehrerinnen und Hebammenhäuser. Er hatte sich so viel Mühe damit gemacht. Es war utopisch zugegeben, aber das Risiko war es wert.
Die Damen brachen in Gekicher aus. Die Herren warfen sich vielsagende Blicke zu, neugierig traten alle näher. Das älteste Gewerbe der Welt, zog jedes Mal.
Der König grinste: „Und wo gedenkt er, dass ich hingehöre?“ Die Hand des Monarchen fuhr über die ganze Anlage. Natürlich schwenkte sie zum Zentrum.
„Natürlich ist das höchste Haus, das des Direktors?“
Die Finger des Königs krümmten sich, die Hand ballte sich zur Faust. „Direktor?“, fragte er scheinheilig freundlich.
Roux hüstelte und rieb sich schnell wieder über die Stirn. „Ich meine natürlich…“
Doch schon hatte der König das Interesse an ihm verloren. „Wie gedenkt er mein Haus aussehen zu lassen? Wie sieht das Haus des Königs aus?“
Schnell schnippte Roux mit den Fingern und ließ sich von seinen Assistenten ein Kästchen reichen, er öffnete es und drehte es so, dass nur der Monarch es sehen konnte. „Hoheit“, machte er demütig.
Der König starrte gebannt in den Kasten und hob dann das Kinn. „Bau er es. Er soll diese Sonnenuhr für mich bauen.“ Er warf noch einen Blick auf den Tisch und all die winzigen Häuser der Skulptur. Es war ein perfektes Diorama mit allen Details, sogar Bäumen und Wegen und Hecken. Zöllern, Mauern und Dachrinnen neben gedrehten Säulen. Dann zog er seine Haarnadel aus dem Zopf und rammte sie in die Mitte.
Nicht nur Roux zuckte zusammen, als die Nadel den dünnen Teppich, der die Wiese darstellte, zerschnitt. Das Kästchen in seiner Hand zitterte.
Das Gefolge applaudierte gemäßigt. Roux’ Frau gratulierte ihm und nahm ihm das Kästchen aus den zitternden Fingern.
„Ich sagte dir, der Spiegel wird funktionieren.“