Ritter Hampel seufzte schwer und klappte sein Notizbuch zu, welches seine Tochter mit weißen und lilanen Wollbäuschen verziert hatte für ihn, damit er bei der Arbeit an sie dachte. „Ich meine ja nur, Hein Priest, das eine war definitiv eine Glamazone.“ Er schnippte mit den Fingern: „Die kannst du nicht ernsthaft zum Recall einladen.“
Der Mann in der außergewöhnlichen Robe, die ihm ausnehmend gut stand und alles unwichtige kaschierte (also alles unterhalb seines Halses) und alles wichtige an ihm hervorhob (also seinen Kopf), erhob sich langsam und nahm sein Klemmbrett. Denn verdammt, Klemmbretter verliehen einem Mann erst so richtig Stil und Wichtigkeit. Und auf kaum etwas legte Hein so viel Wert, wie auf seine Wichtigkeit. „Wir leben im 4.Jahrhundert, Sir Hampel, komm mal klar. Wenn er/sie das so will, dann bin ich der letzte Trottel, der sich ihm in den Weg stellt. Du kennst die Grundbedingungen.“
Sofort sprang die Hupfdohle vom Dienst hilfreich bei. Ihre Stimme klang wie eine Hyäne der gerade jemand über die Pfote gefahren war. Sie zitierte ungefragt, aber fehlerfrei: „Jungfrau, unter 20, hübsch, nicht all zu viel in der Birne, freiwillig, ein besonderes Talent und eine herausragende Haltung, sowie eine laute, deutliche Stimme, deren hohes Kreischen mindestens fünf Minuten ungebrochen lang gehalten werden kann.“
„Danke Michelle“, machte Sir Hampel und drückte sein Notizheft fest an sich.
Mit sich zufrieden grinste die Hupfdohle kokett.
Hein machte sich auf den Weg zum Ausgang des Rathaus-Saales, in dem sie die Auditions abgehalten hatten. Es hatte sie, wie jedes Jahr Stunden ihres Lebens gekostet die Spreu vom Weizen zu trennen. Er rückte seinen priesterlichen Kopfschmuck zurecht und schlenderte davon. Kam an den Steckbriefen vorbei, die sie aufgehängt hatten, um Werbung zu machen.
Hampel schloss sich ihm wieder an: „Es werden jedes Mal mehr Freiwillige, Hein Priest. Ich werde nie verstehen, was die daran so toll und sich davon versprechen. Sich freiwillig in die Höhle zu begeben und da diese Riesen-Show abzuziehen, nur um mit Haut und Haaren auf direktem Weg in die Hölle zu fahren.“
„Nicht mein Problem“, säuselte Hein, „ich kriege Geld dafür, dass ich die Tradition ausrichte, also richte ich sie aus.“
„Traditionen sind bescheuert.“
Hupfdohle schimpfte: „Das ist nicht wahr. In schweren Zeiten wie diesen brauchen wir Traditionen. Da weiss man woran man ist und für was man es tut. Unsere Tradition macht uns menschlich und wir halten den Dämon so im Zaun, auf dass er unser aller Leben verschont, diese Mädchen sind Heldinnen.“
Ritter Hampel biss sich auf die Unterlippe. Michelle war Zweitplatzierte von vor über zehn Jahren, seitdem coachte sie die Anwärterinnen. Aber sie war selber keine Kerze heller als die anderen.
Hein nickte: „Ja, meine Liebe, und damit das auch so bleibt, kannst du ja noch mal deinen text für morgen durchgehen, wenn wir auf dem Marktplatz die erste Competition ausrichten.“
Sie klatschte begeistert in die Hände: „Meine hübschen kleinen Täubchen, ihr seid die Krem la Krem der Jungfrauen unseres Landes. Und ihr seid alle hier, um uns und das ganze Volk davon zu überzeugen, dass ihr die Gewinnerin des ‚Lands New Drake Race‘ werden müsst. Also strengt euch an, geht bis an eure Grenzen und bringt euch nicht vorher um. Die Siegerin erhält den ‚ersten Kuss‘ ihres Lebens vom Lindwurm persönlich.“ Dann fing sie an rumzuschreien und zu jubeln.
Ritter Hampel tat als müsse er sich übergeben, grinste dann aber und verabschiedete sich von den beiden, um nach Links zu gehen.
Hein nahm seinen eigenen Weg und Michelle hüpfte vergnügt zur Taverne zurück, in der sie arbeitete.
Morgen dann auf zum fröhlichen Opfer aussuchen.
Zufälligkeiten mit real existierenden Showformaten sind nicht zufällig. Aber hier sind das alles natürlich nur MEtaphern