Sie hatten nach dem Eisessen noch eine Weile mit Felix zusammengesessen und hatten Abläufe und Aufgaben besprochen. Felix' Talent, solche Dinge zu organisieren, erwies sich als unschätzbar.
Schließlich hatten sie die daraus entstandene Agenda per Mail an alle Beteiligten verschickt und dann, nachdem sie Felix gedankt hatten, hatten sie sich alle auf den Weg nach Hause gemacht.
Felix zurück in seine WG, wo er mit Andre lebte. Marti zu Jako in ihr kleines Appartment.
Und Flo und Max in die Wohnung, die sie seit einiger Zeit gemeinsam bewohnten.
Und auf dem Weg nach Hause wurde ihnen mal wieder deutlich vor Augen geführt, einen wie großen und eigentlich selbstverständlichen Anteil die Subs und Doms an der Gesellschaft doch inzwischen hatten.
Auf dem Weg zur U-Bahn ging einige Meter vor ihnen ein Pärchen, das sich immer wieder verliebte Blicke zuwarf.
Die Frau trug dabei nicht nur das Halsband, das sie als eine gebundene Sub ganz unmissverständlich kennzeichnete, sondern wurde auch von ihrem Dom an der Leine geführt. Die beiden strahlten einen vertrauten Umgang miteinander aus; die Leine war für sie ganz offenbar Zeichen ihrer Zusammengehörigkeit; aber auch von Schutz und Geborgenheit.
Einige Straßen weiter kamen sie an einem Restaurant vorbei.
Dort saßen an einem Tisch zwei Frauen, die sich angeregt unterhielten. Sie hatten ihre Subs dabei, ein Mann und eine Frau. Beide knieten zu Füssen ihrer Herrin; sie nutzten dazu kleine gepolsterte und lederbezogene Kniebänkchen mit Aufprägung des Restaurants, das eines der wenigen war, die sich der Entwicklung nicht verschlossen und diese Bänkchen als Service zur Verfügung stellten.
Auch Flo und Max waren hier schon essen gewesen, da sie diesen Service zu schätzen wussten. Außerdem gab es hier echt gute Pasta.
Überall trafen sie auf Subs, die durch ein Halsband als solche zu erkennen waren, ob sie nun allein unterwegs waren oder mit ihrem Dom.
Max seufzte ein bisschen sehnsüchtig. Zwischen ihm und Flo hatte sich das mit dem Halsband noch nicht ergeben. Das war immerhin ein besonderer Moment zwischen einem Sub und seinem Dom. Etwas, was man ganz bewusst und mit allen Sinnen erleben sollte und nicht so zwischen Tür und Angel, und bei ihnen war einfach noch nie wirklich die Zeit dazu gewesen beziehungsweise der richtige Moment dagewesen.
Aber das würde noch kommen, da war er sich sicher. Denn so oder so. Flo war für ihn der Mann fürs Leben.
Auch an der U-Bahn Station und in der Bahn selber waren Subs und Doms unterwegs, ebenso als sie aus der U-Bahn traten und den kleinen Platz mit Grünanlage und Springbrunnen überquerten, der erst zum Supermarkt führen würde, bevor sie dann mit dem wichtigsten fürs Wochenende nach Hause gehen würden und, dachte Max zufrieden grinsend, vermutlich bis Montag Morgen die eigenen vier Wände nicht mehr verlassen würden.
Sie besorgten frische Lebensmittel, denn Flo wollte mal wieder für sie kochen, und das konnte er mindestens genau so gut wie Videos machen. Max freute sich schon auf köstliches, frisch gekochtes Essen.
Als sie in die Drogerieabteilung gingen – na ja, sie brauchten eben noch dieses Gel, ähäm... - da fiel Max' Auge auf das Regal genau gegenüber, dessen Schild den Inhalt unmissverständlich als „Sub-und-Dom-Bedarf“ auswies.
Da gab es neben Cremes zur Hautberuhigung und Wundpflege auch so überaus nützliche Dinge wie Kniekissen, Hand- und Fußmanschetten und sogar Halsbänder aus Leder oder Kunststoff. Selbst ein paar einfach Flogger konnte man hier erwerben.
Und abgesehen davon, dass ein Sub-Dom-Paar, dass es ernst miteinander meinte, diese Dinge sicherlich nicht im Supermarkt besorgen würde, zeigte das doch immerhin, wie tief verankert und wie eigentlich doch selbstverständlich solcherart Beziehungen inzwischen im Alltag und im Straßenbild waren.
Um so wichtiger, fand Max, dass man nun endlich auch dafür kämpfte, in der Medienpräsenz, in behördlichen Regelungen und in der Gesetzgebung berücksichtigt zu werden.
Als sie den Supermarkt wieder verließen, entdeckte Flo auf einer Anschlagwand draußen am Parkplatz ein Plakat, mit einem Aufruf.
Es trug die Überschrift:
„Ja, mein Dom, ich will!“
Und darunter rief es auf, an einer Internetpetition teilzunehmen, der Link war angegeben.
„Hochzeit auf Knien“ hieß es, und es ging um die Forderung, dass die Trauzeremonie in deutschen Standesämtern flexibler gestaltet werden sollte. Dass es eine spezielle Zeremonie geben sollte, bei der, wenn das Paar es wünschte, der Sub zu Füssen seines Dom knien könnte.
Dass die Trauformel auf Wunsch in etwa so lauten sollte:
„Wollen Sie, 'Name des Dom', den hier anwesenden 'Name des Sub', lieben und ehren, führen und beschützen, und die Ehe mit ihm / ihr eingehen, dann antworten sie sie mit Ja.“
„Und möchten Sie, 'Name des Sub', den hier anwesenden „Name des Dom' lieben und ehren, ihm / ihr dienen und gehorchen, bis das... und so weiter.“
Und dass darüber hinaus die Möglichkeit bestehen sollte, dass man die Zeremonie des Halsbandes, die die meisten Paare im privaten abhielten, auf Wunsch mit der Trauung verbinden sollte.
„Interessant“, sagte Max und nickte Flo zu.
„Ein bisschen was tut sich, wenn man sich so umschaut.“
„Ja“, sagte Flo, „und genau deswegen denke ich, unser Video wird einschlagen wie eine Bombe. Weil die Menschen einfach auch reif dafür sind.“
„Wir werden ganz schön Staub aufwirbeln, nicht wahr?“ Max' Mine war ein klein wenig sorgenvoll.
„Das hat uns doch noch nie von etwas abgehalten, oder?“, sagte Flo und grinste geradezu unverschämt.
Auch Max musste schmunzeln. Das war wahr, und es war eines der Dinge, die ihn vom ersten kennenlernen an Flo fasziniert hatten. Flo war mutig und abenteuerlustig, ohne dabei leichtsinnig zu sein.
Schließlich erreichten sie das Haus, in dem sich im zweiten Stock ihre Wohnung befand. Groß, hell, mit einem geräumigen Balkon.
Im Flur begegnete ihnen Herr Bernard, der Nachbar aus Parterre, der sie wie immer mit abschätzigen Blicken bedachte. Er war einer von denen, die die „Kinkies“ für eine Perversion hielten und der nicht mit seiner Verachtung hinterm Berg hielt.
Flo grüßte ihn mit freundlichsten Lächeln, dessen er fähig war und Max strahlte ihn geradezu an und hielt ihm zuvorkommend die Tür auf.
Sie hatten herausgefunden, das es den alten Grantler am meisten fuchste, wenn sie ausgesucht nett zu ihm waren und er so nichts hatte, über das er sich tatsächlich beschweren könnte.
Und dann betraten sie ihre Wohnung.
Dort war die Garderobe, der kleine schmale Schrank, das Schuhregal. Und das Kissen, das viele Doms in ihrem Flur deponiert hatten, als einen Platz, auf dem ihr Sub sie kniend erwartete, wenn sie nach ihm nach Hause kamen.
Flo schlüpfte aus seinen Schuhen. Dann ging er zielstrebig auf das Kissen zu, ließ sich auf die Knie sinken und senkte demütig den Blick.
Bereit, Frodo, seinem Dom, zu dienen.