Als Max und Flo durch die Straßen Berlins ihrem zu Hause zustrebten, waren sie beide hundemüde.
Flo, der bis eben noch wie ein Gummiball herum gesprungen war, schlurfte nun wie ein Zombie daher und hatte Mühe, nicht über seine hinlänglich bekannten Augenringe zu stolpern. Frodo, ebenfalls völlig erledigt, schaute ihm dabei zu und grinste ein zufriedenes Hobbitgrinsen.
Sie hatten es geschafft, und es war ein voller Erfolg gewesen.
Sie hatten die Dinge ins Rollen gebracht, und es blieb nun nur noch abzuwarten, welche Ereignisse das Ganze nach sich ziehen würde.
Auf dem Parkstreifen schräg gegenüber von ihrem Hauseingang stand ein Polizeifahrzeug. Das fiel Max nicht weiter auf, weil er zu sehr in Gedanken versunken war, und Flo war einfach zu sehr im Untoten- Modus, um überhaupt irgendetwas um sich herum zu bemerken. Er konnte schon von Glück sagen, dass es ihm gelang, einen Fuß vor den anderen zu setzen, ohne dabei auf die Nase zu fallen.
Sie betraten den kühlen Hausflur. Die Temperatur hier drinnen war nach der Hitze, die draußen schon am Vormittag wieder herrschte, eine Wohltat. Die dicken Mauern des Altbaus hielten einen Teil der Hitze draußen und die Steinfliesen strahlten ebenso eine angenehme Kühle aus.
Sie strebten der Treppe zu, doch noch ehe sie die erste Stufe erreichten, ging die Tür der Wohnung Parterre rechts auf und der alte Herr Bernard kam regelrecht herausgeschossen. Mit finsterem Gesicht wie ein schlecht gelaunter Kettenköter begann er auf der Stelle los zu schimpfen.
„So weit ist es schon gekommen! Das man das als unbescholtener Bürger erleben muss! Da hat man die Polizei im Haus, wegen so welchen da! Eine Schande ist das!“
„Wie bitte?!“ Max starrte ihn entgeistert an.
Der Alte giftete weiter.
„Die Polizei! Das muss man sich mal vorstellen! Aber es ist ja nur gut und recht, dass endlich was dagegen unternommen wird! Gegen diese Perversen! Jawohl, Perverse sind Sie, das ist meine Meinung, und das wird man ja wohl noch sagen dürfen ...“
Max hatte Flo, der mit einem Schlag genau wie er selber wieder hellwach war, beim Handgelenk gepackt und zum Kellereingang gezerrt. Er hatte die Kellertür hinter ihnen geschlossen. Herr Bernard schimpfte immer noch und beschwerte sich nun auch noch über die Verdorbenheit der jungen Leute heutzutage, die einem älteren Menschen keine Achtung mehr entgegenbrachten.
„Ich achte alte Menschen durchaus“, knurrte Flo angefressen. „Aber nicht diesen verbissenen alten Sack.“
Max stieß die Luft aus.
„Hast recht“, sagte er. „Der hat keine Achtung verdient. Aber ...“
Er schluckte.
„Polizei?!“
Sie sahen sich mit großen Augen und ein wenig bange an.
„Die sind sicher wegen des Videos da“, sagte Flo leise.
„Sicher. Ich meine, wir haben ja mit so etwas gerechnet. Stimmt's?“
„Schon“, sagte Flo. „Jetzt gerade fühlt es sich trotzdem Scheiße an.“
Einen Augenblick schwiegen sie. Im Flur ertönte ein Türenknallen. Dann war Ruhe. Anscheinend hatte sich Herr Bernard in die heile Welt seiner Wohnung zurückgezogen.
„Was machen wir jetzt?“, fragte Max leise. „Ich meine, sollen wir uns der Sache stellen? Oder sollen wir abhauen?“
„Was hältst du für richtig?“, fragte Flo.
„Nee, Kleener. Das ist nix was ich einfach so entscheide. Hier geht es um uns beide. Ich unterstütze dich bei allem, aber das müssen wir zusammen durchstehen.“
„Gut“, sagte Flo und reckte entschlossen das Kinn vor. „Dann lass uns rauf gehen. Schätze, sie werden oben auf uns warten.“
Er nahm Max' Hand.
„Ich will mich nicht verstecken. Ich meine, wir haben das ganze doch losgetreten, um was zu erreichen. Um die Gesellschaft wachzurütteln, damit endlich anerkannt wird, dass es uns gibt, und mit uns meine ich all die Menschen, die wie wir Subs und Doms sind. Und dass endlich auch auf unsere Bedürfnisse eingegangen wird. Daher will ich mich jetzt nicht verstecken.“
Max nickte.
„Hast recht, Kleener. Ich will das auch nicht. Und wir haben ja gegen kein Gesetz verstoßen.“
Flo zuckte mit den Schultern.
„Na ja, aber ich weiß nicht, ob uns das wirklich schützt.“
„Lassen wir es darauf ankommen“, sagte Max. „Hier geht es immerhin um viel mehr als um uns zwei.“
Flo seufzte wieder. Sein Blick war sorgenvoll und bedauernd.
„Ich hätte dich da nicht reinziehen dürfen...“
„Wie bitte? Das meinst du doch nicht ernst, oder?“
Max zog die Augenbrauen zusammen.
Dann nahm er Flos Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger seiner Hand.
„Jetzt hör mir mal gut zu, mein Sub.“
Flo schluckte und wollte den Blick senken, doch Max hielt ihn fest und ließ das nicht zu.
„So etwas will ich nie wieder von dir hören. Wir beide gehören zusammen, wir stehen alles gemeinsam durch, egal was da kommt. Wir gehen durch dick und dünn, mehr noch, ich als dein Dom bin für dich verantwortlich ...“
Flo wollte protestieren, aber Max legte ihm den Zeigefinger auf die Lippen.
„... ja, ja, ich weiß was du sagen willst und du hast recht. Du bist genau so für mein Wohlergehen verantwortlich. Also zusammen oder gar nicht, egal, was geschieht, klar, Sub?“
„Ja, Max“, sagte Flo mit warmer Zärtlichkeit in der Stimme.
„Weißt du“, fuhr Max fort, „wir haben das ja noch nicht gesagt, das mit den guten und den schlechten Zeiten. Aber für mich gilt das genau so, als hätten wir es schon getan. Und nur dass du es weißt, eines Tages möchte ich das, wenn du mich auch willst, doch bis dahin ist es für mich genau so, als wären wir schon verheiratet. Ist das angekommen?“
Flo grinste.
„Das war jetzt vielleicht der unromantischste Heiratsantrag aller Zeiten, so zwischen Tür und Angel auf der feuchten Kellertreppe mit den Bullen auf den Fersen. Aber trotzdem, ich könnte es mir nicht schöner vorstellen, du Bekloppter, und ja, nur fürs Protokoll, ich will das auch!“
Und sie küssten sich stürmisch.
Und so stiegen sie kurz darauf, ein wenig ängstlich, sicher, und doch glücklich und sich des Schutzes durch den jeweils anderen gewiss, Hand in Hand die Treppe zu ihrer Wohnung hinauf.