Jako hatte Angst.
Er hockte immer noch dahin gekauert und fühlte, wie sein Magen sich zusammenzog, als würde eine Faust ihn umschließen. Sein Herz klopfte wie ein Pferd auf der Flucht und er zitterte.
Das alles war so furchtbar.
Die Autobombe ... Herr Gott, wie leicht hätte sein Vater in Stücke gerissen werden können, er selber oder gar, noch schlimmer, Marti verletzt werden können ...
Und sein Vater war nicht der, für den er ihm immer gehalten hatte. Alles, was er in ihm gesehen hatte, schien nur Mummenschanz gewesen zu sein. Und wer war sein Vater denn nun? James Bond, oder doch eher The Evil Genius? Er hatte keine Ahnung.
Und dann ... eben hatte Klaus gesagt, er würde ihn, Jako, nie wiedersehen ... Und auch wenn er wütend auf ihn war, liebte er ihn doch noch immer, er war sein Vater, verdammt! Also tat das weh, einfach nur weh....
Allein die Tatsache, dass Marti bei ihm war, sorgte dafür, dass er nicht komplett den Halt verlor.
Marti hockte neben Jako und hielt ihn fest im Arm. Streichelte ihn, beruhigte ihn sanft, redete leise auf ihn ein.
Und schließlich wurde Jakos Zittern etwas weniger.
Daneben warf Marti immer wieder wütende Blicke auf Klaus, der unschlüssig dastand.
„Und was wird jetzt?“, fragte er. „Du haust jetzt einfach so ab? Schnappst dir den Renault, verschwindest und lässt uns hier die ganze Sauerei hinter dir aufräumen?!“
Klaus seufzte.
„Marti, ich muss fort. Es geht nicht anders, versteh doch. Ich bin in Gefahr, aber vor allem gefährde ich so auch euch, wenn ich bleibe.“
„Ja, ich verstehe schon“, schnaubte Marti. „Die Ausrede der Arschlöcher: 'Ich habe es doch alles nur für dich getan!' Schon klar.“
Er blickte zu Jako, der die Augen geschlossen hatte, und dann wieder zu Klaus.
„Und was wird mit Marita?!“
Klaus überlief ein unangenehmer Schauer.
Marita.
Herrjeh, wie würde er seine Frau vermissen!
„Nun, ich...“, setzte er an, doch die Worte blieben ihm im Halse stecken.
Er drehte sich um und wollte schweigend die Hütte verlassen.
Marti jedoch rief ihm hinterher:
„Warte!“
Erneut wandte sich Klaus um.
Marti stand nun, die Hände zu Fäusten geballt, da und schien beinahe explodieren zu wollen.
„Du willst ernsthaft einfach so abhauen? Einfach so? Ohne Marita in die Augen zu sehen, ohne ihr ins Gesicht zu sagen, dass du sie einfach so verlässt? Und was du ... wer du bist? Nach all den Ehejahren?“
„Es ist besser so ...“
„Ach verdammt!“ Marti schrie ihn wütend an.
„Das ist doch Bullshit! Sie hat etwas besseres verdient! Klaus, ich habe dich als meinen Schwiegervater immer gemocht und geachtet, habe großen Respekt vor dir empfunden. Ich habe nicht geahnt, dass du so ein ... Feigling bist! Ich weiß ja nicht, was du eigentlich getan hast. Ganz offensichtlich bist du jemand, der bei der ganzen Sub-Dom-Politik etwas zu sagen hat und hast dich auf die Seite derjenigen geschlagen, die gegen die Kanazé und ihre Rechte agieren. Warum auch immer, ich verstehe das nicht. Und ich verstehe erst recht nicht, wer dich jetzt umbringen will, und warum!“
„Ach Marti. Ich fürchte, es ist noch so viel mehr.“
„Dann rede mit uns!“, brüllte Marti und schlug wütend mit der Faust gegen die Wand.
„Rede mit uns und sag uns, was los ist!“
Klaus schüttelte den Kopf.
„Ich muss gehen. Schaut euch das Geheimfach an. Ich ... wünsche euch alles Glück der Welt, meine Jungs. Und ... sagt Marita, ich liebe sie.“
Dann drehte er sich um und ging aus der Tür.
Jako rappelte sich auf und kam auf die Beine, er taumelte ein wenig aber er lief seinem Vater hinterher.
„Papa! Warte!“
Doch Marti hielt ihn zurück.
„Lass ihn. Wir werden ihn nicht aufhalten können. Und ... wer weiß. Ich glaube nicht, dass das hier ein Abschied für immer ist.“
Jako klammerte sich an Marti fest, und als der blaue Renault mit Klaus von Joiko darin den Waldweg entlang davon fuhr, legte er den Kopf auf die Schulter seines Mannes und begann zu schluchzen.
Marti hielt ihn. Führte ihn irgendwann zurück zum Sofa, ließ ihn darauf nieder gleiten. Legte die Decke um ihn, trotz der Hitze, und streichelte ihn sanft.
Jako schniefte und kuschelte sich in die Decke, als ob sein Leben davon abhinge.
„Wir müssen Mama anrufen“, sagte er leise.
Marti nickte. Ja, sie mussten Marita anrufen.
Er nahm das Telefon zur Hand und wählte die Nummer der von Joikos.
Marita ging sofort dran, mit einem atemlosen: „Hallo? Klaus?!“
Marti holte tief Luft, dann sagte er:
„Hier bin ich, Marita. Marti.“
„Marti, ist Klaus bei euch?“
„Nein, er ... Mama, du musst uns bitte abholen. Jetzt gleich.“
Marita zögerte einen Augenblick.
„Warum? Was ist los? Oh Gott, ist etwas passiert?“
„Nein ... Ja ... ach es ist kompliziert. Bitte komm und hol uns.“
„Oh Gott. Marti, geht es euch gut? Ist Klaus bei euch?“
„Es geht uns gut. Klaus ist nicht hier, aber auch ihm geht es gut ...“
Na ja, zumindest einigermaßen ... körperlich waren sie alle wohlauf.
Marti nahm sich noch einmal zusammen.
„Hol uns bitte ab. Ich erkläre dir dann alles, wenn du hier bist, okay?“
Marita gab nur noch ein zustimmendes Schniefen von sich und legte auf.
Jako schaute ihn mit großen Augen an.
„Alles erklären“, schnaufte er. „Wie? Wie willst du Mama das alles erklären?!“
Ja, das ist eine verdammt gute Frage, dachte Marti.
Wie zum Teufel sollten sie Marita das alles erklären?