Epilog
Flo stand am Fenster und schaute hinaus in den grauen Oktobertag. Draußen tobte ein richtiger Herbststurm. Regen prasselte an die Fensterscheiben.
Der Sommer hatte sich lange gehalten, bis weit in den September hinein. Jetzt allerdings war er endgültig vorbei und das Wetter gebärdete sich nasskalt und stürmisch.
Der Wind blies in stürmischen Böen und trieb die Blätter vor sich her. Teilweise hatte er ganze Äste von den Bäumen gerissen.
Wer nicht unbedingt da hinaus musste, blieb in seiner warmen gemütlichen Wohnung und setzte sich nicht freiwillig den Elementen aus.
„Flo? Kommst du?“
Flo lächelte, als Max ihn rief. Max hatte ein spätes Frühstück für sie hergerichtet. Nach einer harten Arbeitswoche hatten sie an diesem Samstag lange in den Tag hinein geschlafen und Max hatte ihm erlaubt, sich noch ein wenig in die Kissen zu kuscheln, während er den Tisch für sie deckte.
Flo hatte es genossen; doch dann war er aufgestanden, um den Sturm zu beobachten, der ihn faszinierte.
Faszinierend und ein bisschen beängstigend zu gleich ... eigentlich eine gute Metapher für das ganze Leben, dachte Flo.
Gerade die letzten Monate, seit sie im Sommer jenes Umdenken veranlasst hatten und eine Menge Veränderungen ausgelöst hatten, waren genau das gewesen: faszinierend und beängstigend. Letzteres jedoch nur, weil nun auf einmal alles so schnell ging.
Und doch: genau das war andererseits so wunderbar. Das sich so vieles tat, veränderte, in der Politik, aber auch in den Menschen, besonders bei jenen, die vorher nicht so sehr über all das nachgedacht hatten.
Nun, die ewig gestrigen gab es auch, wie zum Beispiel Herrn Bernhardt, aber ihrer waren wenige und ...
„Florian Krüger! Komm frühstücken!“
Flos Lächeln wurde noch breiter, als er Max erneut rufen hörte.
Ja, er hieß jetzt Krüger. Zwei Wochen war es her, dass sie geheiratet hatten. Sie waren eines der erste Paare gewesen, die nach Erweiterung der Vorschriften zur Eheschließung die neue Möglichkeit genutzt hatten, die volkstümlich „Hochzeit auf Knien“ hieß, und sie hatten die Zeremonie des Halsbandes noch einmal offiziell vollzogen, vor ihren Freunden und Verwandten.
Es war wunderschön gewesen, und Max, sein Max war nun nicht nur sein Geliebter und sein Dom, sondern darüber hinaus auch sein Ehemann.
Es fühlte sich großartig an.
Flo hörte Schritte näher kommen, und dann öffnete sich die Schlafzimmertür.
„Sag mal, Florian“, sagte Max streng, „was soll das denn? Muss ich dich dreimal rufen, bevor zu kommen gedenkst?“
„Entschuldige“, sagte Flo. Er hatte nicht beabsichtigt, ungehorsam zu sein.
Max streckte die Hand nach ihm aus. Flo ergriff sie, und dann ging er neben seinem Mann her in die Küche.
Er wollte sich an den Küchentisch setzen, doch Max räusperte sich und schüttete den Kopf.
Flo blickte sich um und sah ein Kissen auf dem Boden, neben Max' Stuhl.
Er seufzte und kniete sich darauf.
Sie frühstückten gemeinsam, was so aussah, dass Max ihm kleine Häppchen machte und ihn fütterte. Und ja, Flo hatte inzwischen gelernt, das zu lieben. Er genoss es, die Bissen aus Max' Fingern zu erhalten und manchmal konnte er sich nicht zurückhalten, besagte Finger möglichst erotisch abzuschlecken ...
Nun, niemand konnte bestreiten, dass auch Max das genoss.
Nach dem Frühstück schickte Max ihn zurück ins Schlafzimmer.
„Zieh dich aus“, sagte er mit Blick auf Flos T-Shirt und Jogginghose.
„Du wirst den Rest des Wochenendes nackt bleiben.“
„Ja Max“, sagte Flo brav und trottete davon.
Er entkleidete sich und überlegte einen Augenblick lang, was er nun tun sollte. Da Max aber nichts anderes angewiesen hatte, kniete er sich auf den Boden, den Kopf gesenkt, die Hände auf den Schenkeln abgelegt.
Max räumte in Ruhe in der Küche auf, und ging dann ins Schlafzimmer.
Als er den Raum betrat und Flo dort so nackt und demütig knien sah, schwoll sein Herz vor Stolz.
Sein Ehemann, allein dieses Wort wärmte ihn und gab ihm Kraft und ein tiefes Wohlgefühl.
Er trat an Flo heran.
„Ich werde dir viel abverlangen an diesem Wochenende“, sagte er, „denn ich war in letzter Zeit zu nachlässig mit dir.“
Und das stimmte; seit den Ereignissen vom Sommer hatten sie beide soviel um die Ohren gehabt, dass er Flo vieles hatte durchgehen lassen und in vieler Hinsicht die Dinge hatte schleifen lassen.
Und er spürte, dass das für sie beide nicht gut war; nun, dieses Wochenende wäre der erste Schritt, Flo, aber auch sich selber klar zu machen, dass er hier der Dom war und das Sagen hatte und Flo am glücklichsten sein konnte, wenn er einfach er selbst sein konnte, indem er sich unterwarf.
Max trat an den Schrank heran, öffnete ihn und betrachtete nachdenklich die darin befindlichen Gegenstände.
Seine Hände fuhren über das glatte, kühle Olivenholz des Paddels, die weichen Riemen des Floggers, das dicke Leder des Riemens.
Nein, dies hier war der Augenblick für den Stock.
Er nahm einen dünnen, biegsamen Rohrstock zur Hand und ließ ihn durch die Luft pfeifen.
Flo biss die Zähne zusammen.
Er kannte diesen Stock; wenngleich er sehr selten zum Einsatz kam, wusste Flo, wie er sich anfühlte.
Er schluckte.
Ja, Max würde ihm viel abverlangen. Doch es würde für sie beide bedeuten, dass sie gestärkt und so eng verbunden, wie man nur sein konnte daraus hervorgingen.
Es war gut so.
Er spürte Max' fragenden Blick und nickte.
„Gut“, sagte Max und entnahm der Schublade des Schrankes noch einige weich gepolsterte Hand- und Fußriemen.
Er strich Flo sanft über das Haar.
„Ich liebe dich, mein Sub“, sagte er. Er ließ sich Flos Safeword bestätigen, und sagte dann:
„Du weißt, dass du es jederzeit verwenden kannst?“
„Ja, Herr“, sagte Flo und freute sich über das warme Lächeln seines Mannes und Doms.
„Dann komm, lass uns in die Küche gehen. Der Tisch dort wartet auf dich“, sagte Max.
Flo stand auf und lief, als Max erneut seine Hand ergriff, Hand in Hand neben ihm her.