Die kleine Küche war aufgeräumt und Marti war dabei, das Schlafsofa im Wohnzimmer für die Nacht herzurichten. Es gab zwar auch noch ein kleines Schlafzimmer mit einem Etagenbett darin. Aber sie wollten lieber noch kuscheln, vielleicht einen Film im Fernsehen anschauen und dann Arm in Arm einschlafen.
Jako stand im Badezimmer und putzte sich die Zähne.
Beim gemeinsamen Essen und anschließenden Reden mit Marti hatte er festgestellt, dass er tatsächlich ein wenig zur Ruhe gekommen war und sich erstaunlicherweise wirklich, zum ersten Mal seit diese ganze Sache angefangen hatte, in Sicherheit fühlte.
Sicher war das objektiv falsch. Man konnte sie hier aufspüren. Jederzeit konnte Polizei vor der Tür stehen oder auch andere, noch weniger wohlwollende Gestalten.
Und dennoch. Er hatte das Gefühl, beschützt und behütet zu sein. Und er war sich völlig klar darüber, dass das von Martis Gegenwart herrührte.
Er hatte darüber nachdenken wollen, allein; hatte ein paar Minuten für sich gebraucht. Das jedoch hatte er Marti nicht erklären wollen. Daher hatte er sich ins Badezimmer zurückgezogen, vorgeblich, um sich die Zähne zu putzen.
Nun, das tat er wirklich. Schließlich wollte er seinen Dom nicht anlügen und andererseits, der Abend begann gerade und ein frischer Atem konnte da sicher nicht schaden ...
Und während er mit der kleinen Bürste rhythmisch über seine Zahnoberflächen glitt, stellte er fest, dass das ganze offenbar nicht nur seine Zähne säuberte, sondern der frische, scharfe Minzgeschmack in irgendeiner Weise auch seine Gedanken reinigte und seinen Geist klärte.
Sein Denken umkreiste seine Beziehung zu Marti. Seinem Dom.
Es war nun noch keine ganze Woche her, seit sie diese Dinge zwischen sich geklärt hatten und er vor sich und anderen anerkannt hatte, dass er Martis Sub sein wollte.
Marti hatte sich seitdem überaus rücksichtsvoll verhalten. Er hatte ihn, Jako, das Tempo bestimmen lassen. Hatte dankbar alles angenommen, was Jako zu geben und zu tun bereit war. Hatte darüber hinaus aber nichts befohlen. Nichts gefordert.
War sanft und zurückhaltend gewesen.
Das war schön, es war genau das, was Jako gebraucht hatte.
Und doch...
Er staunte über sich selbst, wie sehr er seit den wenigen Tagen seine Rolle als Martis Sub angenommen hatte. Wie sehr er sich damit wohl fühlte und wie wichtig ihm das geworden war.
Vor einer Woche noch hatte er andere Subs als Schwächlinge beschimpft ...
Nun, zugegeben. Das war daraus entstanden, dass er die Veränderungen in sich wahrgenommen hatte, aber nicht hatte zugeben wollen. Und anstatt mit Marti, seinem Mann, oder auch einfach einem anderen vertrauten Menschen zu reden, hatte er das ganze in sich hineingefressen, bis es übergekocht war.
Den Mund nicht aufmachen, nicht reden, wenn ihn etwas bedrückte. Das war schon immer sein Schwachpunkt gewesen. Und auch ein Streitpunkt zwischen ihm und Marti.
Nun, jetzt, wo Marti sein Dom war, hatte der schlichtweg ganz andere Möglichkeiten, seinem dickköpfigen Gatten den Kopf zurecht zu rücken.
Jako grinste.
Er spuckte Zahnpasta aus, spülte sich den Mund und schaute sich im Spiegel an.
Sein Dom.
Verdammt, das hörte sich einfach gut an.
Er wollte das.
Martis Sub sein, das war das, was er war, daran gab es keinen Zweifel mehr, und das war auch das, was er sein wollte.
Er streckte sich, und während er die Zahnbürste ausspülte, um sie in das kleine Badschränkchen zu legen, wurde ihm noch eine Sache klar.
Es war schön und gut von Marti, dass er ihm keinerlei Druck machte und ihm alle Zeit der Welt ließ.
Aber ... Jako wollte mehr.
Er wollte sich Marti mehr als bisher hingeben, sich mehr unterwerfen. Wollte tiefer in die Submission hinein.
Das einfachste wäre sicher, mit Marti zu reden.
Aber...
„Da waren sie wieder, meine drei Probleme“, zitierte Jako über sich selbst schmunzelnd aus einem Film von Otto Waalkes.
Reden war eben nicht seins.
Also beschloss er, die Sache anders anzugehen.
Marti hatte das Sofa soweit fertiggemacht und Jako gebeten, sich schon einmal drauf zu kuscheln. Dann war er selber ins Bad gegangen und Jako hörte die Dusche rauschen.
Das ist der richtige Augenblick, dachte er.
Er sah sich suchend um.
Im kleinen Vorbau der Hütte, direkt neben der Eingangstür, befand sich eine Garderobe, ganz klassisch – kitschig aus einem Hirschgeweih hergestellt. Daran hingen eine Mütze, eine Lodenjacke und zwei Schals. Jako wollte nach einem der Schals greifen, als ihm auffiel, dass von einem der Haken auch eine Krawatte herunter baumelte.
Die mochte von einer Gelegenheit stammen, wo Klaus an einem mal wieder langen Freitag direkt nach der Arbeit hierher gefahren war, um mit Marita das Wochenende hier zu verbringen; sie mochte dann wohl hier vergessen worden sein. So ein Gegenstand, von dem man jedes mal, wenn man ihn im Blick hat, denkt: na diesmal vergesse ich dich nicht wieder! Und dann denkt man erst wieder daran, wenn man das nächste mal hier ist, und die Augen wieder darauf fallen.
Wie auch immer, für seine Zwecke war dieser Schlips genau das richtige und Jako nahm ihn an sich.
Als Marti kurz darauf das Wohnzimmer betrat, blieb er einen Augenblick überrascht in der Tür stehen ob des Anblicks, der sich ihm bot.
Jako, sein herrlicher, wunderschöner Mann, kniete in der perfekten Haltung eines Subs neben dem Schlafsofa auf dem Teppichs.
Er war nackt, und schon das allein raubte Marti immer wieder den Atem. Er konnte von Jako einfach nicht genug bekommen.
Jako hatte den Kopf gesenkt und den Blick zu Boden gerichtet. Er hatte die Hände auf den Oberschenkeln abgelegt und hielt eine Krawatte in den nach oben geöffneten Handflächen.
„Jako...“, flüsterte Marti hingerissen.
„Du bist ... das ist wunderschön.“
Jako schwieg. Es fühlte sich nicht richtig an, jetzt zu sprechen, ohne dass sein Dom es ausdrücklich erlaubte.
Er schluckte und hatte das Gefühl, sein Hals wäre ganz ausgetrocknet.
Er fühlte Martis Blick auf sich ruhen, und eine Zufriedenheit und Ruhe überkam ihn, wie er sie lange nicht gespürt hatte.
Ja, das hier war richtig. Er tat das richtige.
Er war genau da, wo er hingehörte.
An einem Platz zu Martis Füßen.