Rick kniete nackt und mit hinter dem Rücken gebundenen Händen auf einem Kissen in ihrer gemeinsamen Wohnung und musste zusehen, wie Anna das Abendessen für sie vorbereitete.
Er musste dabei zusehen!
Er hatte sich in den letzten Wochen, seit dem Video, regelrecht überarbeitet. Wenn es wichtiges zu tun gab, kannte er keine Grenzen, keine Muße; und es hatte eine Menge zu tun gegeben.
Man war von behördlicher Seite an Flo und den Freundeskreis herangetreten und hatte ihre Mitarbeit erbeten. Sie sollten ihre Vorstellungen einbringen, bezogen auf die Änderungen verschiedener Vorschriften, aber auch bezogen auf das angemessene einbringen der Sub-Dom-Kultur in verschiedene Bereiche des Lebens.
Rick hatte, genau wie die anderen, seine ganze Leidenschaft da hineingesteckt.
Er hatte regelrecht geschuftet. Hatte sich kaum eine Pause gegönnt.
Anna hatte versucht, ihn liebevoll zu bremsen, aber wenn Rick stur war, war er stur.
Sie hätte sicher strenger sein können. Doch sie hatte gesehen, wie wichtig ihm diese ganze Sache war, na klar, ihr selber bedeutete das ja auch viel. Daher hatte sie ihn bis zu einem gewissen Punkt gewähren lassen.
Selbst Pabu und Bolin, die beiden Katerchen, hatten ihn zum Schluss kaum noch mit dem Hinterteil angeschaut, weil sie sich vernachlässigt fühlten.
Rick hatte seine Grenzen nicht gesehen, und so war gekommen, was zu erwarten war:
letzte Woche war er schlichtweg zusammen geklappt.
Nichts dramatisches, einfach nur Erschöpfung. Doch Anna war zornig auf sich selbst, dass sie ihrer Verantwortung nicht früh genug nachgekommen war, und nicht eher die Bremse gezogen hatte.
Nun, das war jetzt vorbei.
Sie war zu lange zu nachlässig mit ihrem Sub gewesen, doch das würde sich nicht wiederholen. Rick würde zu spüren bekommen, dass sie als seine Domme das Sagen hatte und dass ihr größtes und eigentlich einziges wirkliches Anliegen sein Wohlbefinden war.
Das war der Grund dafür, dass er an diesem Samstag – wie übrigens dem ganzen restlichen Wochenende – nichts weiter tun durfte, als Anna die Arbeit machen zu lassen.
Er musste auf dem Sofa liegen und sich bedienen lassen; oder so wie jetzt auf dem Kissen knien und ihr zusehen.
Das war seine Strafe.
Und sie ging ihm tiefer, als wenn Anna ihm den Hintern versohlt hätte. Was sie im übrigen noch nie getan hatte. Körperliche Strafen spielten in ihrer Beziehung keine Rolle. Das passte nicht zu Anna, die sich das nicht vorstellen konnte; und es passte nicht zu Rick. Anna strafte ihn selten; aber wenn, dann reagierte er auf eine Bestrafung wie diese hier am stärksten.
Zu wissen, dass sie all das tat, was er sonst gern für sie getan hätte; ihr nicht dienen zu dürfen, ihre Wünsche nicht umgehend erfüllen zu dürfen;
ihren Körper nicht mit seinen Lippen und Händen verehren zu dürfen; ihren Launen nicht willfahren zu dürfen, das empfand er als eine Strafe, die ihm die Kehle ausdörren und die Augen in Tränen schwimmen ließen.
Sie waren, was das betraf, auf einer Wellenlänge. Das war sicher der Grund, dass sie so wunderbar zu einander passten.
Rick senkte den Kopf. Er wollte die Augen auf den Boden vor sich richten, das wäre etwas leichter zu ertragen.
„Ah, ah...!“
Anna hatte es sofort bemerkt und gestikulierte mit einem Paniermehl-beschmierten Finger, dass er sie anschaue sollte.
Rick seufzte und gehorchte.
„Fabian Rieck“, sprach sie ihn mit seinem richtige Namen an, „dir ist klar, warum ich dich bestrafen muss?“
Er schluckte. Natürlich wusste er das, er hatte es selbst über sich gebracht.
„Ja“, sagte er leise.
„Gut. Also sei bitte so ehrlich, deine Strafe so, wie ich es von dir erwarte, durchzustehen.“
„Ja, Anna.“
Natürlich hatte Anna recht.
Er hatte nicht auf sie gehört; und wenn er sich selbst und seiner Gesundheit schadete, war das eine Sache, bei der sie kein Pardon kannte.
Er ruckte sich ein wenig zurecht auf dem Kissen.
Ihre Hände arbeiteten flink und geschickt; Schnitzel landeten zischend in der Pfanne, Champignons wurden gehackt und gebraten und mit Sahne zu einer cremigen Soße geschmort.
Es duftete ganz köstlich.
Anna wusch sich die Hände und deckte den Tisch.
Dann trat sie auf Rick zu.
Sie löste die Fesseln um seine Handgelenke.
„Komm, mein Sub“, sagte sie. „Das Essen ist fertig.“
Er sah sie fragend an, und als sie nickte, stand er auf.
Am Tisch wartete er.
„Ist es mir erlaubt, mich zu setzen?“
Anna schien einen Augenblick nachzudenken. Dann nickte sie.
„Setz dich.“
Er gehorchte, und musste zusehen, wie Anna einen Teller liebevoll für ihn anrichtete, eine Aufgabe die sonst ebenfalls er mit Freuden übernahm.
Das Essen schmeckte gut. Auch wenn Anna selten kochte, da er das meist tat, beherrschte sie es doch gut.
Dennoch.
Die Kehle war ihm eng, und er kaute lange auf jedem Bissen herum.
Schließlich legte er sein Besteck an die Seite.
„Es tut mir leid“, sagte er leise.
„Dass du keinen Appetit hast?“ Anna schmunzelte amüsiert.
„Nein“, sagte Rick, „dass ich nicht auf dich gehört habe.“
Sie lächelte und griff nach seiner Hand.
„Ich weiß“, sagte sie, „ich weiß.“
„Ich liebe dich“, sagte er.
„Ich weiß“, sagte sie grinsend.
Es war okay, dass sie Han Solo zitierte; sie musste nicht sagen, wie viel Rick ihr bedeutete. Sie musste sich nicht in Liebesschwüre ergehen, das war nicht ihre Art.
'Ich weiß', dachte er und lächelte ebenfalls.
Sie strafte ihn, indem sie ihn verwöhnte. Sie tat das, weil sie wusste, dass er es brauchte.
Weil sie ihm geben wollte, was er brauchte.
Weil er ihr ein und alles war.
Und das zählte mehr als Worte. Heute, an diesem verregneten Oktobertag, und immerdar.