Montag morgen.
Marti und Jako hatten geplant, früh aufzustehen. Jako musste zur Uni. Er musste zugeben, dass er das aufgrund der jüngsten Stürme in seiner Ehe mit Marti, aber auch wegen der Arbeit am Video in der letzten Zeit vernachlässigt hatte. Außerdem gab es da ja noch das Paket, das dringend auf die Post gebracht werden sollte.
Marti dagegen wollte früh im Büro sein. Es gab eine Menge zu besprechen und zu planen für die nächste Folge des Bongo-Boulevard. Es wartete eine Menge Arbeit auf ihn und daher wollte er früh auf den Beinen sein.
Als der Wecker klingelte, murrte Marti in sein Kissen. Er hatte keine Lust, schon aufzustehen. Es war einfach viel zu früh für seinen kreativen Geist.
Er wollte sich gerade aufrappeln, da hörte er ein leises „Bleib liegen!“, und ein sanfter Kuss wurde auf seine Wange gehaucht. Gut, dachte er im Halbschlaf. Ich muss noch nicht aufstehen. Prima.
Also drehte er sich um und schlief noch einmal ein.
Kurz darauf fuhr er jedoch erschrocken auf. Was hatte er denn da gerade vor sich hin geträumt? Er musste aufstehen, ob er nun Lust dazu hatte oder nicht!
Also streckte er sich, schwang die Beine aus dem Bett, gähnte und trottete in die Küche, um schon einmal Kaffee zu machen.
Als er in der Küchentür stand, kam er aus dem Staunen nicht mehr raus.
Der Tisch war gedeckt, Brot aufgeschnitten, Käse, Obst, Marmelade, alles stand bereit. Sogar zwei frisch gekochte Eier.
Und Jako war gerade dabei, eine dampfende Tasse Kaffee ein seine Richtung zu tragen.
Jako blickte auf und sah Marti.
„Oh“, sagte er. „Ich wollte dir gerade Kaffee bringen.“
Marti schluckte. Das war tatsächlich neu.
Nun, nicht dass Jako nicht auch schon früher solche Dinge für Marti getan hätte. Aber – vor ihm auf sein? Frühstück machen? So früh am Morgen? Und auch noch Kaffee ans Bett bringen?
Marti fand, dass er sich allerdings durchaus daran würde gewöhnen können. Und wenn das etwas mit diese Sub-Dom-Sache zu tun haben sollte, na dann um so besser. Ihm war es nur recht.
„Danke“, sagte er und strahlte seinen Mann an.
Dann setzte er sich auf seinen Platz an den Tisch und wartete, bis Jako die Kaffeetasse vor ihm abgestellt hatte.
Marti begann zu frühstücken. Er biss herzhaft in sein Marmeladenbrot und sah dann zu Jako.
Der hatte sich an seine Kaffeetasse geklammert und machte keine Anstalten, etwas zu essen. Selbst das Ei blieb unangerührt.
Das war nicht ungewöhnlich. Viel zu oft geschah es, dass Jako nur mit jeder Menge Kaffee in den Tag startete. Marti gefiel das nicht besonders, zumal Jako oftmals auch tagsüber nur mal eben schnell im Vorbeigehen irgendwelche Müsliriegel oder dergleichen runter schlang. Und man merkte ihm solche Tage auch an: Abends war er dann erschöpft und schlecht gelaunt.
„Du solltest auch etwas essen“, sagte Marti und wusste doch, dass seine Worte vermutlich auf taube Ohren fallen würden.
„Keinen Hunger“, sagte Jako und nahm noch einen tiefen Schluck aus seiner Tasse.
Marti überlegte einen Augenblick.
„Jako?“, sagte er dann.
„Ja ...?“
„Ich möchte, dass du etwas isst. Wenigstens eine Kleinigkeit“, sagte Marti und legte dabei deutlich mehr Nachdruck in seine Stimme.
Jako schluckte. Man sah regelrecht, wie die kleinen Rädchen in seinem Kopf ratterten. Wie er versuchte, mit der Situation umzugehen.
„Ist ... ist das ein ... Befehl?“, fragte er leise, und seine Hände klammerten sich fester um die Kaffeetasse.
Oh Je. War das ein Befehl? Marti war sich nicht ganz sicher, was er antworten sollte. Es war für sie beide so neu; aber eigentlich ... nun eigentlich war es doch so, dass sie sich darauf geeinigt hatten, es langsam angehen zu lassen.
Also gut.
„Nein“, sagte er.
„Du bestimmst das Tempo, Jako.“
Jako atmete erleichtert auf.
„Aber ich fände es besser, wenn du auch etwas frühstücken würdest.“
In ihrer Küche herrschte Stille.
Die Wanduhr tickte, doch ansonsten schien einen Augenblick lang kein Geräusch zu hören zu sein.
Dann stand Jako auf und öffnete das Fenster. Ein bisschen der frischen Morgenluft reinzulassen, bevor es wieder so heiß werden würde wie in den letzten Tagen, schien ihm eine gute Idee, aber vor allem verschaffte es ihm ein paar Augenblicke des Nachdenkens.
Dann setzte er sich wieder und nahm sich eine halbe Scheibe Brot, bestrich sie mit Marmelade und begann, sie mit kleinen Bissen zu Essen.
Marti lächelte.
Seit sie aus Süddeutschland zurück gekommen waren, hatte er ständig das Gefühl gehabt, auf rohen Eiern zu laufen. Er wollte Jakos Seele nicht verletzten, wollte nicht zu schnell voran preschen, wollte Jako das Tempo überlassen.
Und er genoss es, wie Jako offenbar Befriedigung darin fand, ihn ein wenig zu bedienen. Das war schön. Doch ...
Jakos Seele war fragil, das war schon immer so gewesen und nach der stürmischen Aussprache mit Klaus und Marita war ihm das um so mehr klar geworden.
Er hatte sich damit abgefunden, dass sie auf lange Sicht kaum einen Schritt voran machen würden, was ihre Sub-Dom Beziehung betraf.
Und es war okay für ihn. Sicher, er gab zu, dass er sich eine intensivere Entwicklung ihrer Beziehung gewünscht hätte. Doch es ging hier nicht um ihn. Als Jakos Dom war er für ihn als seinen Sub verantwortlich, und er würde alles auf sich nehmen, um die Liebe und das Vertrauen, das zwischen ihnen herrschte, zu bewahren und zu stärken.
Er nahm einen letzten Schluck Kaffee und machte sich daran, sein Geschirr auf die Spüle zu räumen, da er sich auf den Weg machen wollte.
Jako jedoch sollte ihn an diesem Montag Morgen überraschen.
Als Marti im Flur sein Portemonnaie und den Schlüssel einsteckte, hörte er Jakos Schritte hinter sich. Dann ein Rascheln und ein Räuspern.
Er drehte sich um.
Jako kniete.
Herrgott, Jako kniete vor ihm und schaute ihn fragend und unsicher an.
Marti sog scharf die Luft ein.
Dann trat er zu Jako, strich ihm über den Kopf und sagte:
„Das musst du nicht ... wir machen es nach deinem Tempo, ja?“
Jako nickte.
„Ja, mein ...Dom. Aber ... ich möchte das. Das ist mein Tempo.“
Eine Welle tiefer Zuneigung durchströmte Marti.
„Marti ...?“
„Ja?“
„Würdest du ... das mögen, wenn ich dich heute Abend auch so begrüße? Also falls ich eher zu Hause bin als du?“
Marti drückte ihn an sich und wuschelte ihm durch das Haar.
„Und wie! Das wäre wunderschön, mein Sub.“
Er küsste Jako auf die Stirn.
„Ich liebe dich.“
„Ich liebe dich auch.“
Fröhlich pfeifend sprang Marti die Treppen hinunter.
Das versprach, ein guter Tag zu werden.
Eine halbe Stunde später verließ auch Jako das Haus, mit dem Paket unter dem Arm.
Gerade zur rechten Zeit.
Denn wäre er noch zehn Minuten länger geblieben, wäre er finster aber doch professionell dreinblickenden Leuten vom BND in die Arme gelaufen, die schnurstracks zur von Joikoschen Wohnung hinaufstiegen.