Matt stand da wie versteinert und konnte nicht glauben, was er sah.
Wie ein Trugbild seiner Fantasie kam sie lächelnd auf ihn zu, die Frau, die er geliebt und die ihn dann gnadenlos in die Hölle geschickt hatte – Marina - eingehüllt in ein zartblaues, traumhaftes Negligé, das ihre Figur umschmeichelte und nichts dem Zufall überließ. In den Händen zwei gefüllte Champagnergläser blieb sie dicht vor ihm verheißungsvoll lächelnd stehen.
„Auf uns beide, Matt“, sagte sie mit leiser verführerischer Stimme und reichte ihm eines der Gläser. „Auf unser Wiedersehen und einen wundervollen Neuanfang.“
Mechanisch griff er nach dem Glas und trank einen Schluck. Er starrte sie wie hypnotisiert an, immer noch halb in dem Glauben, sein überreiztes Gehirn spiele ihm hier und jetzt zum wiederholten Mal einen bösen Streich, und die ganze Szene würde sich jeden Augenblick in Luft auflösen.
Marina war sich in diesem Moment ihrer Wirkung auf ihn voll bewusst. Sacht nahm sie ihm das Glas wieder aus der Hand und stellte es weg. Dann trat sie ganz dicht an ihn heran.
„Hörst du die Musik? Erinnerst du dich? Das ist unser Lied... Tanz mit mir!“
Er war noch immer nicht fähig sich zu rühren, als sie die Arme um seinen Hals legte. Mit einem Mal war alles wieder da, so wie früher. Er spürte ihren Körper, nahm den Duft ihres seidigen Haares wahr und fühlte diese wundervolle Vertrautheit in sich aufsteigen, als seine Hände wie von selbst ihre schlanke Taille umfassten und langsam über ihren Rücken wanderten.
Sie sah ihn mit ihren blauen Augen an.
„Ich liebe dich Matt! Ich habe in Wirklichkeit nie aufgehört, dich zu lieben.“
Als ihre Lippen seine berührten, schien er urplötzlich aus diesem Déjà-vu zu erwachen.
Dieser Traum war real!
Abrupt stieß er sie zurück.
„Marina… Hör sofort auf damit! Was soll dieses Theater?“, rief er schweratmend vor Wut und Verwirrung. „Wieso zum Teufel bist du überhaupt noch hier?“
Sie sah ihn an und wusste sofort, dass der Zauber zerstört war. Enttäuscht und sichtlich beschämt ließ sie die Hände sinken.
„Matt, ich… ich wollte... ich hatte gehofft, du verzeihst mir. Ich möchte doch nur, dass alles so wird wie früher...“
Er sah ihr sekundenlang wortlos in die Augen, und eine unendliche Traurigkeit lag plötzlich in seinem Blick.
„Ich bin wegen dir durch die Hölle gegangen“, sagte er leise. „Selbst nachdem du mich so plötzlich und ohne Erklärung verlassen hast, habe ich jeden Tag gehofft, dass du zurückkommst, zwei endlose Jahre lang. Jetzt ist es zu spät. Ich liebe dich nicht mehr.“
Sie starrte ihn an, und er sah, wie der letzte Funken Hoffnung in ihren Augen erstarb.. Langsam nahm sie die Hände zum Mund, als wolle sie einen Aufschrei unterdrücken. Dann drehte sie sich hastig um, lief wie gehetzt die Treppe hinauf und schlug die Tür hinter sich zu.
*
Matt stand auf der Veranda, als Marina mit einem kleinen Handkoffer die Treppe herunterkam. Er trat ins Zimmer zurück und musterte sie fragend.
„Wo willst du jetzt hin?“
„Ich habe mir ein Taxi gerufen“, erwiderte sie leise, während sie beharrlich seinen Blicken auswich. „Das restliche Gepäck werde ich morgen abholen lassen. Dann bist du mich los und ich bin für immer aus deinem Leben verschwunden!“
Er schnaufte verächtlich.
„Das bist du doch schon seit langer Zeit.“
„Ich weiß, ich habe einen unverzeihlichen Fehler gemacht, und jetzt bekomme ich die Rechnung dafür. Leb wohl, Matt.“ Traurig senkte sie den Kopf und wandte sich zur Tür.
Er war mit zwei Schritten bei ihr und legte seine Hand auf ihren Arm.
„Warte...“
Sie drehte sich um, einen unübersehbaren Hoffnungsschimmer in den Augen.
„Hör zu, Marina“, begann Matt zögernd, und es war ihm deutlich anzumerken, dass ihm jedes einzelne seiner Worte schwerfiel. „Ich hasse dich nicht für das, was du getan hast, aber ich kann auch nicht so tun, als wäre das alles nicht passiert. Dazu ist einfach zu viel geschehen. Gib mir etwas Zeit.“
„Und dann?“
„Dann können wir uns vielleicht irgendwann als Freunde begegnen.“
Sie schüttelte enttäuscht den Kopf.
„Tut mir leid, Matt, aber das ist nicht genug.“
Er nickte, als hätte er genau diese Antwort erwartet.
„Zu mehr bin ich nicht bereit.“
Das klang endgültig.
Marina schluckte sichtlich schwer an ihrer Enttäuschung.
„Gibt es inzwischen wieder jemanden in deinem Leben?“, fragte sie.
„Selbst wenn es so wäre, das tut nichts zur Sache.“, erwiderte er vage.
Sie lächelte traurig.
„Dann viel Glück, Matt. Du findest mich in der nächsten Zeit bei meiner Mutter, falls du deine Meinung ändern solltest.“
„Das werde ich nicht.“
Als die Tür hinter ihr zufiel, schloss er für einen Moment die Augen.
„Warum?“, dachte er gequält. „Warum in aller Welt gerade jetzt?“
Aber er wusste im Grunde seines Herzens, dass die Zeit keine Rolle mehr spielte. Er hatte mit Marina abgeschlossen, und die Erkenntnis hatte ihn unendlich viel Kraft gekostet
Er setzte sich auf das weiße Sofa und vergrub sein Gesicht in den Händen. Lange saß er einfach so da, ohne Gefühl für Zeit und Raum, gefangen in seinen bittersüßen Erinnerungen an glückliche, unbeschwert schöne Tage, die er in diesem Haus verlebt hatte, gemeinsam mit ihr, seiner Frau...
Irgendwann forderte sein Körper Tribut, zwei schlaflose Nächte und die Zeitverschiebung von Tokio nach L.A. machten sich bemerkbar. Mit dem Gedanken an sie, die er einst über alles geliebt hatte, schlief er erschöpft ein. Im Traum veränderte sich ihr Gesicht, es verblasste und nahm dann natürlichere Züge an, die Augen wirkten groß, bernsteinbraun und verheißungsvoll...
„Danielle!“
Mit ihrem Namen auf den Lippen wachte er auf.
Erschrocken sah er auf die Uhr. Verdammt, es war fast Mitternacht! Schmerzlich wurde ihm bewusst, dass er sein erstes Rendezvous mit ihr buchstäblich verschlafen hatte.
Was musste sie bloß von ihm denken!
Er lief nach oben, duschte und zog sich Jeans und ein frisches Hemd an. Sein Blick fiel auf den Rosenstrauß, der bislang unbeachtet auf dem Tisch lag.
´Das ist total verrückt´, dachte er, als er nur Minuten später mit den Blumen in der Hand schnellen Schrittes über die Strandpromenade lief. ´Aber egal, ich versuche es trotzdem.´
*
Den ganzen Nachmittag über hatte Danielle vergeblich auf einen Anruf von Matt gewartet.
Es wurde Abend, und die anfängliche Aufregung wandelte sich allmählich in ein Gefühl der Enttäuschung, obwohl sie sich hartnäckig einzureden versuchte, er würde sich sicher jeden Augenblick melden. Also bürstete sie ihr Haar, bis es glänzte, legte ein dezentes Make-up auf und zog ihr neues Kleid an. Ihre Mitbewohner sparten bei ihrem Anblick nicht mit Komplimenten. Nur der, für den sie sich so sorgfältig zurechtgemacht hatte, ließ sich nicht blicken, um sie abzuholen.
Schließlich beschloss sie, nicht mehr länger herumzusitzen und zu warten. Innerlich schwer enttäuscht zog sie sich wieder um und gesellte sich in Jeans und Pulli zu den anderen, die gut gelaunt bei einem Kartenspiel um den Küchentisch saßen. Der gemütliche kleine Raum glich einem Casino, denn ihre Mitbewohner lärmten und lachten und schienen allesamt völlig vom Spielfieber erfasst.
„Dani!“, rief Chelsea erstaunt, als sie die Anwesenheit der Freundin bemerkte. „Wir haben gedacht, du bist schon lange mit deinem Traumprinzen auf und davon!”
Achselzuckend setzte Danielle sich zu ihnen und quälte sich ein verbindliches Lächeln ab.
„Ach was, Matt ist sicher aufgehalten worden“, versuchte Mitch sie aufzuheitern. „Komm, spiel eine Runde mit! Aber Vorsicht, wir sind hier von üblen Betrügern umgeben.“
„Das sagt der Richtige!“, protestierte Suki und rückte demonstrativ zur Seite. „Du bist doch derjenige, der dauernd in meine Karten schielt.“
„Wenn ich gucke, dann bestimmt nicht in deine Karten, Shugar!“
„Mein Name ist…“
„Shugar, sag ich doch! Du bist dran!“
Triumphierend knallte Chelsea Sekunden später ihre Karten auf den Tisch.
„Und du bist raus, Bruchpilot!“
Es dauerte gar nicht lange, und Danielle ließ sich trotz ihrer Enttäuschung von der guten Laune ihrer Freunde anstecken. Ausgelassen und fröhlich saßen sie zusammen und vergaßen völlig die Zeit über ihrem Spiel.
Erst kurz vor Mitternacht löste sich die lustige Runde auf.
Während sich einer nach dem anderen treppauf zur Nachtruhe begab, wagte Mitch den Versuch, Suki noch zu einem kleinen nächtlichen Strandbummel einzuladen.
Erstaunt sah sie ihn an, doch bevor sie ihm antworten konnte, signalisierte ihr Beeper, dass sie als Bereitschaftsärztin in der Klinik erwartet wurde. Sie eilte ans Telefon und war kurz darauf wieder zurück.
„Tut mir leid, aber ein Blinddarm- Durchbruch war schneller als du“, lächelte sie entschuldigend. „Würdest du mir eventuell deinen Wagen leihen?“
„Natürlich, kein Problem“, nickte er und angelte die Autoschlüssel vom Bord. „Der Strand ist ja auch morgen noch da.“
Sie warf ihm einen Blick zu, der sein Herz unwillkürlich schneller schlagen ließ.
„Gute Nacht, Mitch!“
„Gute Nacht, Shugar.“
„Ich heiße nicht…“
Ehe sie wusste, wie ihr geschah, trat er auf sie zu und verschloss ihre Lippen mit seinem Mund. Es war kein langer Kuss, viel mehr nur ein leichtes Berühren, hauchzart und vorsichtig, aber er reichte aus, um sie völlig zu verwirren.
„Mmh… ich wusste es!“, flüsterte er genießerisch. „Du heißt vielleicht nicht Shugar, aber du schmeckst zuckersüß.“
Einen kurzen Augenblick starrte sie ihn sprachlos an, dann drehte sie sich wortlos um und eilte hinaus.
Mit einem zufriedenen Lächeln schloss Mitch die Tür.
Das Zusammenleben mit einer Ärztin wäre bestimmt nicht langweilig, überlegte er, während er erneut die Küche betrat. Allerdings könnte dieser verdammte Beeper noch in ganz anderen Situationen losgehen...
Randy inspizierte soeben den Inhalt des Kühlschrankes und grinste, als er das nachdenkliche Gesicht seines Mitbewohners sah.
„Na, Herr Flugkapitän, das war wohl jetzt eine glatte Bauchlandung?“
„Nicht unbedingt. Dienst ist eben Dienst, da kann man nichts machen“, erwiderte Mitch und wies dann auf das Kuchenstück in Randys Hand. „Hey, das ist für morgen, Fresssack!“
„Ja und? Schau mal zur Uhr, es ist Morgen“, entgegnete dieser ungerührt und genüsslich kauend. Kurzentschlossen nahm sich Mitch auch ein Stück.
„Mmh... Stimmt, es ist bereits kurz nach Mitternacht. Schläfst du eigentlich wieder auf der Couch?“
Randy nickte.
„Morgen suchen wir eine Unterkunft für Kim. Ich werde Becky fragen, ob das kleine Zimmer über dem Café noch frei ist. Kim hat zwar momentan kein Geld, aber vielleicht könnte sie ab und zu im Shop helfen, anstatt Miete zu zahlen.“
„Gute Idee“, fand Mitch. „Becky kann bestimmt etwas Hilfe gebrauchen.“
„Eben. Ich möchte nicht, dass Kim jemals wieder am Strand schlafen muss.“
Mitch nickte.
„Sie kann von Glück sagen, dass sie nicht vergewaltigt oder von der Strandwacht aufgegriffen wurde. Ich wette, sie ist noch nicht mal volljährig.“
„Keine Ahnung.“ Randy, ehemals selbst in einem Heim aufgewachsen, kaute nachdenklich an seinem Kuchenstück. „Niemand sollte so leben müssen, egal wie alt er ist.“
Während sich die beiden ihren mitternächtlichen Snack schmecken ließen, klopfte plötzlich jemand an der Eingangstür.
„Nanu“, wunderte sich Mitch. „Suki kann doch unmöglich so schnell zurück sein.“
Er ging hinüber und öffnete neugierig die Tür.
„Du?“, begrüßte er den nächtlichen Besucher erstaunt. „Ein wenig spät für ein Rendezvous, findest du nicht? Na los, komm erst einmal herein.“
Matt trat näher und grinste etwas verlegen.
„Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt? Schlafen alle anderen schon?“
„Na ja, ich würde sagen, fast alle...“, lachte Mitch und fügte mit einem Blick auf den Rosenstrauß hinzu: „Aber ich nehme an, die sind nicht für mich, oder?“
„Wenn du auf Rosen stehst, gebe ich dir gern ein paar ab“, erwiderte Matt und blickte sich in dem leeren Wohnzimmer suchend um. „Sieht so aus, als hätte ich mein erstes Treffen mit Danielle gründlich vermasselt. Sicher war sie ziemlich sauer.“
„Weil du sie versetzt hast?“
„He, ich habe sie nicht versetzt. Ich war nur…Es ist kompliziert.“ Matt strich sich über die Stirn und wusste nicht, wo er anfangen sollte.
Mitch klopfte ihm gutmütig auf die Schulter.
„Lass gut sein, Mann. Was auch immer der Grund für deine Verspätung war, erklär es ihr, nicht mir. Sie hat die vergebliche Warterei mit erstaunlicher Fassung getragen. Ich hatte dir ja schon einmal gesagt, dass sie etwas Besonderes ist, erinnerst du dich?“
Matt nickte lächelnd, und Mitch wies auf die Treppe.
„Na los, versuch dein Glück, aber ich kann dir nicht versprechen, ob sie noch wach ist. Den Gang entlang, das vorletzte Zimmer rechts.“
„Danke Mitch. Du hast was gut bei mir!“
Matt sprang die Stufen hinauf und klopfte vorsichtig an Danielles Zimmertür.
Es rührte sich nichts.
Er startete noch einen Versuch, aber alles blieb still.
Sichtlich enttäuscht wandte er sich um und wollte wieder gehen, als hinter ihm die Tür leise geöffnet wurde.
„Matt?“
Erstaunt blinzelte Danielle durch den Türspalt. Eine Sekunde später huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, und sie trat auf den Flur heraus. „Vielleicht sollten wir beim nächsten Mal eine genauere Zeit verabreden!“
Matt betrachtete sie einen Moment lang lächelnd.
„Du siehst... bezaubernd aus“, sagte er leise. Er fand sie unwiderstehlich mit den zerzausten Locken, die ihr bis weit über die Schultern fielen, und dem viel zu großen Footballshirt, das sie allem Anschein nach als Sleepshirt trug.
Sie blickte ebenfalls an sich herunter und lachte.
„Lügner!“
„Das war nicht gelogen.“
Spontan griff sie nach seiner Hand und zog ihn ins Zimmer.
„Komm schon herein, die anderen schlafen sicher längst!“
Sie schloss die Tür, machte Licht und schlüpfte rasch in den hellen, seidenen Morgenmantel, der über dem Sessel hing.
„Entschuldige die Unordnung, aber ich hatte um diese Zeit nicht mehr mit Besuch gerechnet.“
Er reichte ihr den Rosenstrauß.
„Es tut mir leid, dass du umsonst gewartet hast. Ich kann es dir erklären...“
„Ist schon okay“, erwiderte sie lächelnd. „Nun setz dich erst einmal.“
Matt musterte sie erstaunt. Er hatte insgeheim damit gerechnet, dass sie wegen der geplatzten Verabredung etwas ungehalten wäre, aber das Gegenteil schien der Fall zu sein.
Das imponierte ihm.
Sie schnupperte an den Rosen.
„Mh, sie sind wunderschön, Matt. Vielen Dank!“
Während sie hinausging, um eine Vase für die Blumen zu holen, sah er sich kurz im Zimmer um.
Der Raum war nicht sehr groß und auch nur einfach möbliert, wirkte jedoch sehr hell und freundlich. Außerdem hatte ihm Danielle bereits eine ganz besondere persönliche Note verliehen. Über ihrem Bett hing ein großer geflochtener Sonnenhut mit verspielten bunten Bändern, und auf der kleinen Kommode mit dem runden Spiegel neben der Tür lagen einige persönliche Dinge von ihr, das Handy, ein Lippenstift und ein Flakon mit Parfüm. Am Kleiderschrank hing ein verheißungsvoll aussehendes, nachtblaues Cocktailkleid auf einem Bügel. Er vermutete, dass sie das zu ihrer Verabredung getragen hätte, wenn er – verdammt nochmal - pünktlich hier gewesen wäre.
Neben dem Bett auf dem Nachttisch stand ein gerahmtes Foto. Er betrachtete es genauer.
Das mussten wohl ihre Eltern sein, die Ähnlichkeit mit ihrer Mutter war unverkennbar. Und neben ihrem Vater, das war vermutlich ihre Schwester. Sie hatte dieselben ausdrucksvollen Augen, nur ihr Haar war viel heller.
Danielle war unbemerkt hinter ihn getreten und hatte seinen Blick bemerkt.
„Meine Mum, mein Dad und Robyn, meine jüngere Schwester“, erklärte sie kurz und stellte die Rosen auf den kleinen runden Tisch, der zwischen zwei Sesseln vor der Veranda stand. Liebevoll arrangierte sie die Blumen in der Vase. Dann wandte sie sich um und machte eine einladende Handbewegung Richtung Verandatür.
„Komm mit hinaus, ich habe hier einen ganz fantastischen Ausblick!“
Kurz darauf standen sie auf dem kleinen Balkon und sahen gemeinsam aufs nächtliche Meer hinaus. In den Wellen spiegelte sich das Mondlicht. Der Wind rauschte leise durch die Blätter der Palme neben dem Haus.
„Soll ich dir etwas verraten?“, flüsterte Danielle. „Als ich das erste Mal hier draußen stand, fühlte ich mich fast wie im Paradies.“
„Ja“, erinnerte sich Matt nur zu gut. „Das ging mir genauso, als ich damals hierherkam.“
„Und jetzt fühlst du dich nicht mehr so?“
Er legte lächelnd den Arm um ihre Schultern.
„Doch, momentan schon.“
Sie standen eine Weile schweigend eng beieinander und genossen einfach nur die Nähe des anderen.
Irgendwann löste sich Danielle aus Matts Arm und trat ins Zimmer zurück.
„Möchtest du etwas trinken?“
Er schüttelte den Kopf und setzte sich in den Sessel, den sie ihm zurechtrückte.
„Du wolltest mir erklären, was dich heute Abend aufgehalten hat“, erinnerte sie ihn und nahm in dem anderen Sessel Platz. „Oder hast du keine Zeit mehr?“
„Ich habe alle Zeit der Welt, Danielle“, erwiderte er, ohne den Blick von ihr abzuwenden.
Sie sah ihn abwartend an. Würde er ihr von Marina erzählen oder sich nur fadenscheinig herausreden?
„Irgendwie kam eins zum anderen“, begann er zögernd. „Erinnerst du dich noch an Edward Hamilton, meinen Geschäftspartner?“
Sie nickte.
„Der Mann aus dem Flugzeug. Natürlich.“
„Seine Frau hatte gestern Abend einen Unfall. Sie ist die Treppe in ihrem Haus hinuntergestürzt und erlitt kurz danach im Krankenhaus eine Fehlgeburt. Edward war völlig fertig. Ich bin dann nach Feierabend zu ihm gefahren und wir haben einfach nur geredet.“ Er machte eine Pause und maß Danielle mit einem bedeutungsvollen Blick. „Aber das war noch nicht alles. Eigentlich fing das ganze Dilemma schon am Abend zuvor an, als ich nach Hause kam.“
„Was ist passiert?“
„Meine Exfrau ist wieder in der Stadt.“
„Oh“, entfuhr es Danielle. Gespannt blickte sie ihn an.
„Ich habe nicht damit gerechnet, dass sie nach so langer Zeit wieder hier auftauchen würde“, gestand er. „Jedenfalls nicht mehr.“
„Und… Was genau will sie von dir?“
Er lachte freudlos auf.
„Gute Frage. Sie möchte, dass ich die letzten zwei Jahre aus meinem Gedächtnis lösche und wieder mit ihr zusammenlebe.“
Danielle unterdrückte ein Stöhnen.
„Und… wirst du das tun?“
Matt beugte sich vor und nahm Danielles Hände in seine, während er sich für einen Moment in ihren Augen verlor.
„Nein, das werde ich nicht.“
„Bist du sicher?“
„Ja, das bin ich. Gestern Abend war es ein Schock, als sie plötzlich vor der Tür stand. Sie wusste nicht wohin und hat im Gästezimmer übernachtet. Heute Morgen sollte sie dann wieder gehen.“
„…was sie anscheinend nicht getan hat.“
„Nein, jedenfalls nicht gleich. Als ich am Abend nach Hause kam, war sie noch da.“
`Im hellblauen Negligé`, dachte Danielle, sagte jedoch nichts.
„Und... wo ist sie jetzt?“ fragte sie stattdessen.
„Sie wollte zu ihrer Mutter.“
Sie sah ihn einen Moment lang schweigend an.
„Sag mir bitte die Wahrheit, Matt“, bat sie dann mit ernster Stimme. „Liebst du sie noch?“
Nachdenklich ließ er ihre Hände los, lehnte sich zurück und starrte an ihr vorbei auf einen imaginären Punkt im Zimmer.
„Bis vor ein paar Tagen hätte ich diese Frage nicht beantworten können, weder für mich selbst, noch für jemand anderen“, murmelte er, mehr zu sich selbst, doch dann suchte er erneut ihren Blick. „Ich wäre nicht hier, wenn meine Gefühle für Marina noch dieselben wären.“
Sie lächelte und stand auf.
„Das war ein verrückter Tag, Matt. Es ist spät und du solltest vielleicht erst einmal etwas zur Ruhe kommen, um klar denken zu können.“, sagte sie leise.
Matt erhob sich und nickte.
„Vielleicht hast du Recht. Wir müssen ja nichts überstürzen.“
An der Tür sah er ihr erneut fest in die Augen, legte er seine Hände auf ihre Schultern und streichelte sie sanft.
„Und du bist wirklich nicht böse wegen der geplatzten Verabredung?“
„Nein, überhaupt nicht“, erwiderte sie. „Ich danke dir, dass du ehrlich warst und mir von deiner... von Marina erzählt hast.“
„Ich wollte, dass du verstehst, warum…“
„Schsch“ Sacht berührte sie mit ihren Fingerspitzen seine Lippen.
„Ich verstehe es.“
Er strich ihr liebevoll über die Wange.
„Danielle?“
„Ja?“
Er deutete zum Schrank hinüber.
„Hättest du das dort zu unserem Date getragen?“
„Schon möglich.“
„Verdammt, ich bin ein solcher Idiot!“
Sie musste lachen.
„So ein Kleid trägt man nicht nur einmal, Matt.“
Er schüttelte lächelnd den Kopf.
„Mitch hat verdammt Recht.“
„Womit?“
„Mit dem, was er über dich gesagt hat.“
Erstaunt hob sie die Augenbrauen.
„Ihr habt über mich gesprochen?“
„Mhm…“
„Und was…“
Statt einer Antwort zog er sie in seine Arme und verschloss ihre Lippen mit einem zärtlichen Kuss. Dann sah er sie liebevoll an.
„Mitch hat gesagt, dass du ein ganz besonderer Mensch bist. Und er hat Recht.“ Erneut nahm er von ihren verheißungsvoll geöffneten Lippen Besitz. Sie zögerte kurz, bevor sie seine Zärtlichkeit erwiderte, doch als er leidenschaftlicher wurde, legte sie ihre Hände auf seine Brust und schob ihn sanft von sich.
„Matt, ich…“
„Schon okay“, erwiderte er sanft, aber nicht ohne Bedauern. „Ich würde sehr gern den morgigen Tag mit dir verbringen. Gibst du mir noch eine Chance?“
„Ich werde auf jeden Fall darüber nachdenken.“
Matt atmete erleichtert auf und zwinkerte ihr zu.
„Das ist mehr, als ich zu hoffen wagte.“
„Gute Nacht, Matt“, sagte sie leise, aber bestimmt.
Er verstand, und obwohl es ihn in diesem Augenblick fast um den Verstand brachte, sie zu verlassen, wollte er sie doch keinesfalls drängen.
„Bis Morgen! Ich hole dich gegen Mittag hier ab“, flüsterte er verheißungsvoll und verschwand auf den dunklen Flur hinaus.
Sie schloss die Tür und lehnte sich schweratmend dagegen.
`Lass dir Zeit...` mahnte eine resolute innere Stimme. Aber da war noch eine andere, nicht weniger energische, und die hielt sogleich dagegen:
`Warum hast du ihn gehen lassen?`
`Weil… weil das viel zu schnell geht mit uns…`
`Blödsinn! Von welchem Stern kommst du eigentlich, Belling? Einen solchen Mann schickt man doch nicht einfach weg!`
`Aber ich habe mir schon mal die Finger kräftig verbrannt…`
`Noch größerer Blödsinn! Du hast aus deinen Fehlern gelernt, aber willst du deswegen für immer allein bleiben?`
`Ich bin nicht ganz sicher, ob er wirklich schon über seine Ex hinweg ist!`
`Dann finde es gefälligst heraus!`
`Das werde ich. Aber nicht heute Nacht.`
`Und wieso nicht?`
Sie hörte wie untern die Haustür zuklappte.
`Weil er jetzt weg ist!`