„Hier scheint wirklich alles drunter und drüber zu gehen, wenn ich einmal einen Abend nicht zu Hause bin“, grollte Edward, als er am Abend von seiner Geschäftsreise ins Hotel zurückkehrte.
„Dass ich nicht lache“, fauchte Sophia, die soeben ihre Tochter aus der Klinik abgeholt hatte. „Woher soll deine Familie wissen, dass du zufällig einmal einen Abend mit uns verbringst.“
„Hör schon auf mit deinen ewigen Vorwürfen“, gab er mürrisch zurück und küsste Caroline zur Begrüßung liebevoll auf die Stirn, während ihre Mutter ihr die Kissen auf dem Sofa zurechtrückte. „Einer von uns muss ja schließlich das Geld verdienen, meine Liebe, sonst könntest du dir den ganzen Luxus hier gar nicht leisten.“
Sophia hielt empört in ihrer Bewegung inne und starrte ihren Ehemann wütend an.
„Jetzt hör mal gut zu...“, begann sie, doch Caroline verzog schmerzlich das Gesicht und hob abwehrend beide Hände.
„Hört sofort auf, Ihr beiden!“, rief sie erbost. „Dr. O`Malley hat gesagt, mein Kopf braucht viel Ruhe, und wo, bitteschön, soll ich die hier finden, wenn ihr euch pausenlos streitet!“
„Ja, du hast Recht, Schätzchen“, lenkte ihre Mutter sofort ein, griff nach einer der Illustrierten, die auf dem Couchtisch lagen und setzte sich in den Sessel, von wo aus sie Edward mit einem giftigen Blick bedachte. „Ich werde ein wenig lesen, und dein Vater hat sicher noch in seinem Arbeitszimmer zu tun.“
Bevor Edward etwas erwidern konnte, summte die Wechselsprechanlage des Sicherheitsdienstes.
„Mr. Hamilton?“
„Was ist?“
„Eine Miss Chelsea Hobbs ist hier und möchte Sie in einer dringenden Angelegenheit sprechen.“
Ein siegessicheres Lächeln zog über Edwards Gesicht.
Na also, jetzt würde er bekommen, was er wollte.
„Schicken Sie die junge Dame hinauf in mein Arbeitszimmer“, befahl er und wandte sich an Sophia. „Du hattest Recht, meine Liebe, ich habe wirklich noch etwas Geschäftliches zu besprechen. Ein sehr lohnendes Geschäft. Wenn alles klappt, lade ich dich nachher zu einem Glas Champagner in die Bar ein.“
Überrascht zog Sophia die Augenbrauen hoch und wechselte mit ihrer Tochter einen bedeutungsvollen Blick, während Edward gutgelaunt in seinem Arbeitszimmer verschwand und die Tür hinter sich schloss.
*
Die Sonne stand bereits ziemlich tief, als Matt endlich wieder auf seiner Insel ankam. Nachdem der Geschäftskunde aus Sacramento nicht wie vereinbart im Büro erschienen war, hatte er noch einmal bei Elisabeth erkundigt, was Mister Duncan denn am Telefon zu ihr gesagt habe, doch sie hob nur ratlos die Schultern und erklärte, sie wüsste es nicht genau, da Miss Parker dieses Gespräch angenommen hätte. Das erschien Matt dann doch irgendwie merkwürdig, zumal Mister Duncans Sekretärin kurz darauf anrief und ihm mitteilte, ihr Boss befände sich noch immer in einer wichtigen Besprechung und müsse den Termin in Sunset City für heute leider absagen.
Verärgert über die verlorene Zeit nahm sich Matt vor, Anni bei nächster Gelegenheit wegen dieses eigenartigen Telefonates zur Rede zu stellen.
Während er im tiefgoldenen Schein der Abendsonne mit dem Motorboot übers Wasser jagte, eine Spur aufschäumender Gischt hinter sich herziehend, verflog sein Frust jedoch in Windeseile wieder. Er freute sich auf Danielle und die Stunden mit ihr auf seiner Insel.
Dieser Abend würde ein ganz besonderer für sie beide werden…
Voller Vorfreude stoppte er das Boot am Anlegesteg und verankerte es sorgfältig. Er war erst ein paar Schritte in Richtung der Treppe gegangen, die zur Villa hinaufführte, als fröhliches Gelächter an sein Ohr drang.
Neugierig folgte er dem Klang der vertrauten Stimmen, denn er ahnte bereits, wo diese herkamen.
Seine Vermutung war richtig.
Vincent und Evita saßen mit Danielle auf der kleinen Terrasse vor ihrer Hütte und spielten Karten. Sie waren derart in ihr Spiel vertieft, dass sie Matt gar nicht bemerkten. Schmunzelnd blieb er stehen und beobachtete das Geschehen einen Augenblick lang.
Danielle wirkte entspannt und hatte vom Spieleifer leicht gerötete Wangen, während Evita ihren Ehemann lautstark beschuldigte, er würde schummeln und ständig versuchen, ihr in die Karten zu schauen. Vincent ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen und zwinkerte Danielle schelmisch zu.
Es war ein wahres Vergnügen, den Dreien zuzuschauen.
Als Danielle ihn schließlich bemerkte, sprang sie auf und lief voller Freude auf ihn zu.
„Schön, dass du da bist“, rief sie und umarmte ihn.
„Entschuldige, dass es so spät geworden ist“, sagte er lächelnd und küsste sie. „Ich hoffe, du hattest einen schönen Tag, mein Schatz.“
„Oh ja, den hatte ich“, erwiderte Danielle begeistert, mit einem Blick auf Vincent und Evita, die sich ebenfalls erhoben hatten, um Matt zu begrüßen. „Die beiden sind einfach wunderbar und haben sich ganz fantastisch um mich gekümmert.“
Evita lächelte gerührt.
„Nun, das Gegenteil war wohl eher der Fall. Señorita Danielle hat mir die ganze Zeit über im Haus und im Garten geholfen. Ich habe ihr gesagt, Señor Matt wird sicher böse sein, wenn sie sich ihre schönen Hände ruiniert, aber sie wollte einfach nicht hören.“
„Gartenarbeit?“, fragte Matt überrascht.
Danielle lachte.
„Zu Hause bei meinen Eltern habe ich so etwas jeden Tag gemacht. Und Evita konnte ein wenig Hilfe gut gebrauchen.“
„Sie können sich wirklich glücklich schätzen, Señor Matt“, sagte Evita mit einem liebevollen Blick auf Danielle. „Sie haben die netteste Señorita, die man sich denken kann. Sie ist algo muy especial… etwas ganz Besonderes!“
„Oh ja, das ist sie“, nickte er bestätigend und nahm Danielle fest in seinen Arm. „Das wusste ich bereits vom ersten Augenblick an.“
*
„Es tut mir leid, Dean. Ich konnte einfach nicht anders.“
Chelsea stand in der Tür zu seinem Zimmer und wagte nicht, ihm in die Augen zu sehen. „Ich habe dir gesagt, dass dieses Geld die Chance für mich ist, mir ein paar meiner ganz persönlichen Träume zu erfüllen. Und genau das werde ich tun.“
Dean nickte kaum merklich. Sein versteinerter Gesichtsausdruck verriet nicht, was er dachte, nur seine Wangenmuskeln zuckten verdächtig, als er leise sagte:
„Das war` s dann also mit uns. Jetzt weiß ich zumindest, was dir unsere gemeinsamen Träume wert waren, Chelsea. Ganz genau 50 000 Dollar! “
„Dean...“ Chelsea trat mit flehender Miene einen Schritt auf ihn zu, doch er hob nur abwehrend die Hand.
„Was willst du noch?“, fragte er, während er mühsam um seine Beherrschung rang. „Du hast nicht nur die Hälfte vom OCEANS verkauft, sondern auch unsere Freundschaft und - unsere Liebe.“ Er vergrub die Hände tief in den Hosentaschen und schüttelte verständnislos den Kopf, während er unablässig im Zimmer auf und abging. „Ich wüsste nur noch gern, was du unseren Freunden sagen willst, all denen, die ihre Freizeit geopfert haben, um uns zu helfen?“ Er schnaufte verächtlich. „Aber sicher hast du bereits deine Sachen gepackt und wirst verschwinden, bevor es jemand bemerkt und dir Fragen stellen kann. Genauso wie du dich jetzt mit dieser Entscheidung auch aus meinem Leben stielst!“ Er blieb stehen und sah sie an. „Wo willst du überhaupt hin?“
„Nach Hause, nach New York“, erwiderte sie leise.
Dean lachte bitter.
„Siehst du, das ist der Unterschied zwischen uns, Chelsea. Du meinst New York, wenn du von deinem Zuhause sprichst, aber ich fühle mich inzwischen hier zu Hause, in Sunset City.“
„Das ist nicht fair“, beschwerte sie sich.
Dean schüttelte verbittert den Kopf. Er fühlte sich so furchtbar hilflos, verletzt und hintergangen und funkelte sie wütend an.
„Nein, das ist es wirklich nicht.“
Sie standen sich gegenüber, sahen einander an und wussten doch beide, dass sie keinen gemeinsamen Kompromiss mehr finden würden. Jeder von ihnen hatte seine Entscheidung für sich allein getroffen.
Es war alles gesagt.
Nach ein paar endlos scheinenden Sekunden betretenen Schweigens wandte sich Chelsea langsam zur Tür. Das war der Moment, in dem Dean sich besann. So sollten sie vielleicht doch nicht auseinandergehen.
Er überwand seine Verzweiflung, trat auf sie zu und reichte ihr seine Hand, eine Geste, die sicher zu den schwersten seines bisherigen Lebens gehörte.
„Leb wohl, Chelsea. Es tut weh, dich gehen zu lassen. Aber du willst es so, und ich muss es akzeptieren, auch wenn es mir alles andere als leichtfällt. Ich wünsche dir von Herzen, dass du findest, wonach du suchst. Geh und erfülle dir deine ganz persönlichen Wünsche. Viel Glück, und pass gut auf dich auf.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich hastig um und verließ noch vor ihr das Zimmer. Wie von unsichtbaren Dämonen gehetzt rannte er die Treppe hinunter und schlug die Tür hinter sich zu. Keiner sollte die Tränen sehen, die in seinen Augen brannten.
Es würde weitergehen, auch ohne sie, irgendwie...
*
Die Sonne, einem riesigen Feuerball gleich, stand schon sehr tief und tauchte am Horizont bereits ins Meer. Der Himmel war heute von einem unvergleichlich intensiven Rot, das sich in allen nur denkbaren Farbtönen am Firmament ausbreitete.
`Ein ganz besonderer Abend`, dachte Matt, als er auf die Veranda hinaustrat.
Danielle stand an der Brüstung und beobachtete fasziniert das Spiel der Natur.
„Ich kann gar nicht genug bekommen von diesen Sonnenuntergängen am Meer“, schwärmte sie, als sie ihn bemerkte.
Er legte zärtlich den Arm um ihre Schultern.
„Mir geht es genauso, obwohl ich schon so viele Jahre hier lebe. Man wird süchtig danach. Aber ich muss gestehen...“ Er sah sie lächelnd von der Seite an, „Seitdem du hier in Sunset City bist, sind sie noch viel schöner geworden.“
Sie schmiegte sich lächelnd an ihn. So standen beide eine Weile eng umschlungen da und ließen den Zauber des Augenblickes auf sich wirken.
„Wie war dein Tag?“, fragte Danielle schließlich.
Matt erzählte ihr von dem geplatzten Treffen mit dem Kunden aus Sacramento, von Annis Besuch in seinem Büro und verschwieg auch seinen Lunch mit Marina nicht. Danielles Lächeln verschwand, als sie hörte, dass er sich mit seiner Exfrau getroffen hatte.
„Und was wollte sie so Wichtiges von dir?“, fragte sie vorsichtig.
Er hob ratlos die Schultern.
„Keine Ahnung. Ihr Verhalten wirkte, ehrlich gesagt, ein wenig verwirrend auf mich. Irgendetwas schien sie auf dem Herzen zu haben, aber dann kam der Anruf aus dem Büro, und ich bin sofort aufgebrochen. Aber ich denke, so wichtig wird das Ganze wohl nicht gewesen sein.“
Danielle sah nachdenklich hinaus auf die glitzernden Wellen.
„Marina liebt dich noch immer“, sagte sie nach einer Weile leise. „Sie will, dass zwischen euch alles wieder so wird, wie es war.“
Matt betrachtete sie einen Augenblick erstaunt von der Seite, dann aber schüttelte er entschieden den Kopf.
„Hör zu Danielle.“ Er umfasste ihre Schultern und zwang sie mit sanftem Druck, ihn anzusehen. „Es ist mir egal, was Marina will. Es interessiert mich nicht mehr. Nie mehr.“
Ein zärtliches Lächeln zog über sein Gesicht, als ihre Blicke ineinander tauchten. „Ich habe mich in eine andere Frau verliebt, in eine, die mein Leben von Grund auf verändert hat, und die mich jeden Tag aufs Neue bezaubert, genauso wie die Sonnenuntergänge am Meer. In eine, mit der ich mein ganzes restliches Leben verbringen möchte.“
Bevor Danielle den Sinn dessen, was er eben gesagt hatte, überhaupt begriff, strich er ihr behutsam über die Wange. „Schließ deine Augen.“
„Was?“
„Komm schon, tu es einfach!“
Verwirrt kam sie seiner Aufforderung nach. Was würde jetzt passieren? Würde er sie küssen?
„Danielle…“
Erwartungsvoll blinzelte sie - und traute ihren Augen nicht.
Der funkelnde Ring mit dem kunstvoll eingefassten Diamanten, den Matt in seiner Hand hielt, und in dessen edlem Schliff sich das Licht der untergehenden Sonne in allen Farben brach und ihn schöner glitzern ließ, als die Wellen draußen auf dem Meer, übertraf ihre kühnsten Erwartungen.
„Matt, was soll...“
Weiter kam sie nicht.
Seine unergründlich dunklen Augen waren ihr ganz nah, er blickte sie ernst an und was er sagte, war wohl das Schönste, was sie jemals gehört hatte.
„Danielle, ich wünsche mir nichts auf der Welt so sehr, als für immer mit dir zusammen zu sein. Willst du meine Frau werden?“
Sie schluckte und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Freudentränen.
„Ja“, flüsterte sie heiser und nickte heftig, weil ihre Stimme einen Augenblick lang versagte. „Ja Matt, ich will!“
Sie standen da, eng umschlungen und küssten sich, zwei Menschen, die das Glück hatten, einander gefunden zu haben, auf ihrer Insel mitten im Meer, während am Horizont die Sonne feuerrot im Meer versank.
*
Brendon betrat das Flughafengebäude und sah sich missmutig um. Erst vor ein paar Tagen war er hier angekommen, voller Optimismus und mit großen Plänen, und nun musste er sich eingestehen, dass alles ein riesengroßer Reinfall gewesen war, und er sich obendrein jede Chance auf ein zukünftiges Leben mit Danielle verscherzt hatte.
Es blieb ihm nur noch eines - heimzufliegen nach Oklahoma und zu versuchen, alles schnell hinter sich zu lassen und zu vergessen, was hier geschehen war.
Aber ob er das konnte?
Er blickte zur Bar. Ein starker Drink würde zumindest kurzzeitig manches erleichtern.
Eine Blondine, die seine Aufmerksamkeit erregte, saß mit dem Rücken zu ihm am Tresen. Abschätzend betrachtete Brendon sie, während er sein Gepäck aufnahm und langsam hinüberschlenderte.
Ob sie wohl von vorn genauso gut aussah wie von hinten?
Plötzlich drehte sie den Kopf ein wenig zur Seite, so dass er ihr Profil erkennen konnte. Ungläubig kniff er die Augen zusammen.
War das nicht diese Kleine aus dem OCEANS, wie hieß sie doch gleich...
„Chelsea?“, sprach er sie vorsichtig an.
Sie sah sich erstaunt um und taxierte ihn mit ihren grünen Augen einen Augenblick, bevor ein leichtes Lächeln des Wiedererkennens über ihr Gesicht huschte.
„Du bist... ach verflixt, ich habe deinen Namen vergessen.“
„Brendon“, erinnerte er sie. „Brendon Finley. Wir kennen uns aus dem OCEANS. Wenn ich mich recht erinnere, gehört dir der Laden.“
„Gehörte“, verbesserte Chelsea und sah dabei alles andere als glücklich aus. „Zumindest die Hälfte davon.“
„Was ist passiert?“, fragte Brendon interessiert.
Sie hob scheinbar gleichmütig die Schultern.
„Ich hab meine Hälfte verkauft. Nun fliege ich zurück in meine Heimatstadt New York.“
„Oh“, staunte Brendon ehrlich überrascht. „Ich dachte, du und Dean Lockwood...“
„Ja, das war einmal“, nickte Chelsea traurig und atmete tief durch. „Aber das ist nun vorbei. Anscheinend hatten wir beide zu unterschiedliche Auffassungen von Lebensglück.“ Sie sah Brendon abwartend an. „Und was ist mit dir? Wo fliegst du hin?“
„Nach Hause.“ erwiderte er resigniert. „Meine Pläne haben auch nicht so funktioniert, wie ich es gedacht hatte.“
„Na dann.“ Chelsea hob ihr Glas und blinzelte ihm mit dem ihr eigenen Galgenhumor zu. „Willkommen im Club!“
Er grinste gequält und deutete auf ihren Drink.
„Was kannst du mir als ehemalige Barbesitzerin empfehlen? Was hilft schnell und gründlich gegen allen möglichen Weltschmerz?“
„Keine Ahnung“, seufzte sie. „Ich für meinen Teil fühle mich verräterisch, schmutzig, feige und gemein. In dem Fall bringt es wohl eher die Menge der Drinks, als deren Zusammensetzung.“ Sie sah seinen erstaunten Blick und lachte bitter. „Keine Sorge, das ist mein erster und zugleich mein letzter Drink. Ein Abschiedsdrink sozusagen.“ Sie winkte dem Kellner und wies auf ihr Glas. „Der Herr nimmt dasselbe.“
Brendon betrachtete sie von der Seite.
„Ist das eine Einladung?“
„Oh nein, mein Lieber. Jeder zahlt seine Rechnung für sich allein. Genauso wie im wahren Leben.“ Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und wies dann auf den freien Platz neben sich. „Meine Maschine geht erst in einer Stunde. Setz dich zu mir, und wir erzählen uns gegenseitig, warum wir dieser legendären Sonnenuntergangsstadt heute ein für alle Mal den Rücken kehren.“
Als Chelseas Flug nach New York schließlich aufgerufen wurde, rutschte sie mit resigniertem Blick von ihrem Barhocker, warf die blonde Mähne zurück und reichte Brendon die Hand.
„Na dann, mach’s gut, ich wünsche dir viel Glück, was auch immer die Zukunft bringen mag!“
Entschlossen drehte sie sich um und ging zielstrebig davon. Augenblicke später war sie in der Menge verschwunden.
Brendon starrte ihr nachdenklich hinterher.
Dann nahm er kurzentschlossen sein Gepäck und eilte zu einem der Flugschalter.
„Ich möchte umbuchen“, sagte er zu der Angestellten und reichte ihr seinen Pass.
„Wohin soll` s denn gehen, junger Mann?“, fragte sie freundlich.
Brendon sah sie an und lächelte.
„New York City.“
*
„Miss Hamilton, ein Mister Lockwood ist hier und verlangt dringend Ihren Vater zu sprechen“, klang die Stimme des Sicherheitsdienstes durch die Sprechanlage.
Caroline verzog missbilligend das Gesicht.
„Sagen Sie ihm, wenn es sich um etwas Geschäftliches handeln sollte, dann möchte er sich bitte an das Büro in der HSE wenden, mein Vater wird in etwa einer Stunde dort sein.“
„Er meint, es sei privat und wirklich sehr dringend!“
„Einen Moment.“ Caroline rappelte sich von der Couch hoch und griff an ihre Stirn, weil ihr sofort wieder etwas schwindlig war. Die Kopfschmerzen machten ihr immer noch ziemlich zu schaffen, und in Augenblicken wie diesem bereute sie, nicht auf Dr. O`Malleys Rat, sicherheitshalber noch einen Tag länger in der Klinik zu bleiben, gehört zu haben.
Sie ging hinüber zum Arbeitszimmer ihres Vaters und klopfte an.
„Daddy?“
Edward blickte erstaunt von seiner Arbeit auf.
„Caroline, du solltest dich doch noch etwas ausruhen.“
„Ja, aber Tyler hat eben gemeldet, dass dich jemand dringend sprechen möchte.“
Edward schüttelte ärgerlich den Kopf und geleitete seine Tochter zurück zu ihrem Krankenlager.
„Ist dieser Trottel vom Sicherheitsdienst denn nicht in der Lage, auch mal jemanden abzuweisen?“, knurrte er. „Wer etwas von mir will, soll gefälligst die Geschäftszeiten in der Firma nutzen!“
„Er meinte, es sei privat. Ein Mister Lock... Verflixt, jetzt habe ich den Namen vergessen!“
„Lockwood?“ Edwards Gesicht hellte sich sofort auf, als Caroline bestätigend nickte.
Er trat an die Sprechanlage und drückte den Knopf.
„Tyler?“
„Ja, Sir?“
„Bitte schicken Sie Mister Lockwood herauf.“
Er drehte sich zu seiner Tochter um, die ihn erstaunt musterte. Mit einem selbstsicheren Grinsen rückte er ihr die Kissen zurecht. „Caroline, mein Schatz, dein Vater erreicht doch fast immer, was er will.“
„Wie meinst du das?“, fragte sie neugierig.
„Ich habe etwas Geld in eine äußerst verheißungsvolle Sache investiert. Die eine Hälfte des Projektes gehört mir bereits, und dieser junge Mann, der gleich hier erscheinen wird, präsentiert mir nun gleich die andere Hälfte auf einem goldenen Tablett.“
Caroline zog erstaunt die Augenbrauen hoch, als sich auch schon die Tür des Aufzuges öffnete und Dean ins Zimmer trat.
„Mister Hamilton“, nickte er Edward kühl zu, während sich in seinen blauen Augen verhaltene Wut widerspiegelte. Der Hausherr jedoch schien von alldem nichts zu bemerken. Hocherfreut eilte er seinem Gast entgegen und streckte ihm seine Hand zum Gruß entgegen.
„Dean! Ich darf Sie doch Dean nennen? Ich freue mich sehr, dass Sie sich die Mühe gemacht haben sofort herzukommen, und glauben Sie mir, ich weiß Ihr Entgegenkommen sehr zu schätzen! Bitte, treten Sie näher, mein Freund!“
Etwas überrumpelt von Edwards Begrüßung folgte Dean der Aufforderung, ohne jedoch die ihm dargebotene Hand zu ergreifen. Gleich darauf bemerkte er erstaunt, dass sie nicht allein waren. Die junge Frau, die dort auf dem Sofa in den Kissen lehnte und ihm interessiert entgegenblickte, hatte er schon irgendwo flüchtig gesehen. Vielleicht im OCEANS?
Etwas pikiert zog Edward seine Hand zurück, versuchte jedoch die deutlich frostige Situation geschickt zu überspielen. Er war Deans Blick gefolgt und lächelte gönnerhaft.
„Dean, darf ich Ihnen meine Tochter Caroline vorstellen? Sie hatte leider einen kleinen Unfall und muss sich noch etwas schonen.“
„Freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Hamilton“, sagte Dean höflich, bevor er sich wieder dem Hausherrn zuwandte.
„Der Grund, warum ich hergekommen bin...“
„Lassen Sie uns das in meinem Arbeitszimmer besprechen“, unterbrach Edward ihn ruhig, aber bestimmt und wies ihm den Weg. „Caroline braucht noch sehr viel Ruhe, und ich möchte sie nicht unnötig mit meinen Angelegenheiten belasten.“
„Entschuldigung“, murmelte Dean und warf noch einen kurzen Blick in Carolines Richtung, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie sie ihm mit unverhohlener Neugier hinterherschaute.
Kaum hatte sich die Tür hinter den beiden Männern geschlossen, schwang Caroline die Beine vom Sofa und stand auf.
„Autsch!“ Ihr Kopf signalisierte ihr sofort, dass sie etwas zu schnell reagiert hatte, doch sie ignorierte ihren Schmerz und das lästige Schwindelgefühl und lief hinüber zur Tür, die in den angrenzenden Flur führte, der diesen Raum vom Arbeitszimmer ihres Vaters trennte. Erleichtert bemerkte sie, dass Edwards Tür nur angelehnt war. Sie schlich sich auf Zehenspitzen heran und lauschte mit angehaltenem Atem heimlich, was ihr Vater mit diesem überaus interessanten, gutaussehenden Mann zu besprechen hatte.
*
„Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten, Dean? Oder vielleicht einen Drink?“, fragte Edward und lächelte zuvorkommend, nachdem die beiden Männer sich gesetzt hatten.
Dean verzog ablehnend das Gesicht.
„Danke, nicht nötig. Was ich Ihnen zu sagen habe, wird ohnehin nicht lange dauern.“
Erwartungsvoll blickte Edward ihn an.
„Nun, ich höre?“
„Ich will nicht unnötig um die Sache herumreden. Ich werde das OCEANS nicht verkaufen. Weder Ihnen, noch sonst irgendjemandem.“
Edward schluckte, versuchte jedoch, sich als äußerst cleverer Geschäftsmann seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Stattdessen räusperte er sich und strich sich nachdenklich übers Kinn.
„Ich weiß nicht, wer oder was Sie zu dieser Entscheidung veranlasst hat“, begann er langsam und maß Dean mit durchdringendem Blick. „Und ich hoffe, es ist kein plumper Versuch Ihrerseits, den Preis weiter in die Höhe zu treiben. Sie wissen, die Hälfte der Institution gehört mir bereits. Daran ist nichts mehr zu ändern.“
„Da wäre ich mir an Ihrer Stelle nicht so sicher“, erwiderte Dean mit einer Selbstsicherheit, die Edward überraschte. „Chelsea und ich waren gleichberechtigte Partner, so dass ich das Vorkaufsrecht für ihre Anteile am OCEANS besitze.“ Er grinste, als er bemerkte, wie Edwards gespielte Überheblichkeit ins Wanken geriet. „Vielleicht hätten Sie als erfahrener Geschäftsmann Chelsea vorher fragen sollen, ob ein solcher Vertrag zwischen ihr und mir existiert.“ Er zog einen Umschlag aus der Innentasche seines Jacketts und reichte ihn Edward. „Hier steht es drin, schwarz auf weiß: Wenn einer von uns beiden aus was auch immer für Gründen aus dem Partnerschaftsvertrag aussteigt, hat der andere das Recht, die Anteile seines Partners zu erwerben. Und zwar noch vor allen anderen Interessenten.“
Edward warf einen misstrauischen Blick auf das Papier und sah den notariellen Stempel mit Unterschrift darunter.
Verdammt!
Warum hatte das Miststück nicht erwähnt, dass ein solcher Vertrag existierte!
Er knirschte innerlich wütend mit den Zähnen, doch sein Gesicht verzog sich in der gleichen Sekunde wieder zu einem undurchsichtigen Lächeln.
„Das muss ich Ihnen lassen, Dean, Sie haben an alles gedacht. Oder sagen wir... an fast alles. Nur nicht daran, wo Sie so viel Geld herbekommen wollen, um die Anteile ihrer Partnerin zu übernehmen? Sie wissen, ich habe ihr allerhand dafür bezahlt.“
Dean hob scheinbar gleichgültig die Schultern.
„Das ist Ihr Problem, Mister Hamilton. Immerhin sind Sie der routiniertere Geschäftsmann von uns beiden, und Sie hätten wissen müssen, dass man erst nachfragt, ob gewisse Verträge existieren, bevor man ein solches Geschäft tätigt. Leider hat Ihnen Ihre eigene Überheblichkeit diesmal ein Bein gestellt. Ich nehme an, Sie sind fest davon ausgegangen, dass „Anfänger“ wie wir gar nicht auf die Idee kommen würden, uns in irgendeiner Weise abzusichern.“ Er lächelte schadenfroh. „Nun, dann habe ich Sie soeben eines Besseren belehrt.“
„Und was haben Sie jetzt vor?“, fragte Edward lauernd.
„Da ich nicht an einer Partnerschaft mit Ihnen interessiert bin, lasse ich das Lokal schätzen und zahle Ihnen genau die Hälfte des tatsächlichen Wertes aus. Somit wäre dann die Sache aus der Welt.“
„Woher zum Teufel wollen Sie das Geld dafür nehmen?“
„Das wiederum ist allein mein Problem, nicht Ihres.“
Edward beugte sich etwas vor und kniff wütend die Augen zusammen.
„Freuen Sie sich nicht zu früh, Dean!“, fauchte er. „Es gibt Mittel und Wege...“
„Wollen Sie mir etwa drohen?“
„Nein, ich will nur versuchen, Sie umzustimmen, bevor Sie sich in Ihrem jugendlichen Leichtsinn in etwas verrennen, was von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Das OCEANS wird Ihnen kein Glück bringen. Sie werden sich verschulden bis an Ihr Lebensende!“
„Immer noch besser, als es Ihnen in den Rachen zu werfen! Chelsea hat mir viel bedeutet, und Sie sind hauptverantwortlich dafür, dass sie Sunset City verlassen hat.“ Er nickte wie zur Bestätigung und straffte die Schultern. „Wie dem auch sei, eines sollte Ihnen hiermit jedenfalls klar sein: Meinen Lebenstraum werden Sie nicht zerstören!“
Er stand auf und ging zur Tür.
„Einen schönen Tag noch, Mister Hamilton.“
*
Danielle wachte mit einem Lächeln auf den Lippen auf. Das unbändige Glücksgefühl, das sie seit Matts Heiratsantrag ständig verspürte, gab ihr das Gefühl zu schweben. Sie hätte es am liebsten laut herausschreien mögen...
Alle sollten wissen, dass sie bald Mrs. Matt Shelton sein würde! Sie konnte kaum erwarten, ihren Freunden die Neuigkeit zu verkünden.
Plötzlich fiel ihr etwas ein.
Aber natürlich!
Da gab es Jemanden, dem sie die Neuigkeit unbedingt sofort mitteilen musste.
Sie kramte ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer der Ranch in Crawford.
„Belling“, meldete sich Sekunden später ihre Mutter.
„Mom, hier ist Danielle.“
„Danielle, mein Schatz! Wie geht es dir?“
Sie hörte die Freude in Jills Stimme und lächelte.
„Es geht mir phantastisch, Mom. Ich bin so unsagbar glücklich!“
„Das freut mich für dich. Wie war dein Wochenende mit Matt? Bei unserem letzten Telefonat sagtest du, er wollte dich mit einem Kurzurlaub überraschen.“
„Ja, das stimmt. Wir sind hier auf Paradise Island, das ist die Insel, die er gekauft hat.“
„Eine Insel?“, fragte Jill ungläubig. „Sagtest du eben, Matt hat eine Insel gekauft?“
Danielle lachte übermütig.
„Ja Mom, eine absolut traumhafte kleine Insel, direkt gegenüber vom Santa Monica Bay.“
„Kaum zu glauben!“
„Und hier werden wir auch unsere Hochzeit feiern!“
„Eure...“ Anscheinend hatte es Jill die Sprache verschlagen, denn es war mit einem Mal still am anderen Ende der Leitung.
„Mom? Bist du noch da?“, fragte Danielle vorsichtig.
Die Antwort war zunächst ein kurzes Schluchzen.
„Mom?“
Abermals ein unterdrücktes Schluchzen und Schniefen, dann schien Jill sich etwas gefasst zu haben.
„Danielle... willst du damit sagen, dass Matt...“
„Ja!“, fiel Danielle ihrer Mutter jubelnd ins Wort. „Ja, er hat mir gestern einen Heiratsantrag gemacht! Und du solltest den Ring sehen, den er mir geschenkt hat! Oh Mom, es ist alles wie ein schöner Traum!“
„Gordon, Robyn“, hörte sie ihre Mutter am anderen Ende der Leitung rufen. „Kommt schnell her, es gibt phantastische Neuigkeiten! Danielle und Matt werden heiraten!“
Es folgten liebevolle Gratulationen ihres Vaters, nachdem Jill ihrem Mann kurz den Hörer übergeben hatte, der ihm jedoch Sekunden später von seiner jüngsten Tochter förmlich wieder entrissen wurde.
„Danielle... Das ist ja Wahnsinn! Wann steigt die Verlobungsfeier? ... Am Wochenende? Hey, dann muss ich mir was einfallen lassen, wie ich die Herrschaften hier davon überzeugen kann, dass ich unbedingt dabei sein muss! Meine Güte, Schwesterchen, ihr legt ja ein ganz schönes Tempo vor ... Bist du etwa schwanger?“
Danielle hörte, wie Jill ihre Jüngste wegen der letzten Bemerkung scharf zurechtwies.
„Danielle, ich muss aufhören, Mom flippt gerade aus“, rief Robyn lachend und übergab wieder an ihre Mutter.
„Tja, an deiner Verlobungsfeier werden wir leider nicht teilnehmen können, mein Schatz, aber das ist ja ohnehin etwas für jüngere Leute! Steht der Hochzeitstermin denn schon fest?“
„Nein, aber allzu lange wollen wir nicht damit warten“, verriet Danielle. „Vielleicht an Weihnachten.“
„Oh, das würde gut passen, dann wäre dein Vater auf der Farm auch für eine Weile abkömmlich.“
Sie schwatzten noch über dies und jenes, als Jill plötzlich mit besorgter Stimme fragte:
„Und wie geht es dir inzwischen gesundheitlich, Danielle? Ich meine, nach dieser schrecklichen Sache mit... Matts Bruder?“
„Es geht mir gut, Mom“, erwiderte Danielle und nickte wie zu ihrer eigenen Bestätigung. „Mason wird niemandem mehr etwas antun.“
„Ja, ich weiß, ihr habt gesagt, er sei tot, aber ich habe so ein eigenartiges Gefühl, wenn ich nur daran denke, was er dir angetan hat. Was ist, wenn er doch noch lebt? Immerhin haben sie ihn nach seinem Unfall nirgends gefunden!“
Danielle spürte, wie sich ihr Magen unangenehm zusammenzog.
„Mom, er ist tot!“
„Du solltest auf jeden Fall vorsichtig sein, Kind!“
„Mach dir bitte keine Sorgen. Mason kommt nicht wieder, da bin ich ganz sicher“, erwiderte Danielle und hatte plötzlich das vage Gefühl, dass sie nicht nur ihre Mutter, sondern vor allem sich selbst mit diesen Worten überzeugen wollte. „Er kann keinem von uns jemals wieder Schaden zufügen. Weder Matt, noch mir, noch sonst irgendwem... Nie wieder!“