„Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?“, brüllte Edward seine Tochter wütend an. „Was, um alles in der Welt, hast du dir dabei gedacht?“
Caroline trat einen Schritt zurück und sah ihn aus großen Unschuldsaugen an.
„Aber Daddy... Ich verstehe nicht, weshalb du dich so aufregst! Schließlich habe ich Randy durch meine Aussage doch nur helfen wollen! Und wie es aussieht, werden sie ihn nun aus dem Gefängnis entlassen müssen.“
„Mein Gott, Caroline! Gar nichts müssen die! Wie naiv bist du eigentlich?“
Edward begann nervös im Zimmer auf und ab zu gehen. Schließlich blieb er stehen und tippte sich mit dem Finger an die Stirn. „Begreifst du denn wirklich nicht, dass du dich damit in allergrößte Gefahr begeben hast?“
Er trat auf seine Tochter zu und packte sie an den Schultern. „Habe ich euch nicht immer und immer wieder gesagt, ihr sollt über solche wichtigen Dingen grundsätzlich zuallererst mit mir sprechen?“
Rosita kam mit dem Handy in ihrer Hand herein.
„Mr. Hamilton, Telefon für Sie...“, sagte sie zögernd und blieb angesichts der spürbar angespannten Situation in sicherer Entfernung stehen.
„Jetzt nicht!“, brüllte Edward sie an, worauf sie sofort wieder kehrt machte und verschwand.
Caroline schüttelte verständnislos den Kopf.
„Hör auf herumzubrüllen, Dad. Du warst gerade nicht da, Onkel Andrew war ebenfalls nicht zu erreichen, und es schien mir wichtig, dass Randy... Na ja, ich wollte doch nur...“
„Caroline...“ Edward atmete tief durch und zwang sich mühsam, ruhig zu bleiben. Er ließ sich in einen der Sessel fallen und bedeutete seiner Tochter, sich ebenfalls zu setzen. „Was ich meine, ist Folgendes: Hast du dir überlegt, was passiert, wenn die Polizei diese Kerle, die du durch deine Aussage belastest, nicht fassen kann? Sie könnten leicht herausfinden, wer sie verraten hat, und was ist dann? Ich müsste ständig Angst um dich haben!“
Caroline senkte schuldbewusst den Kopf.
„Genau das hat Brendon auch gesagt“, murmelte sie kleinlaut.
„Wer?“, fragte Edward irritiert.
„Ach ... nichts!“ Fast erschrocken sah Caroline ihren Vater an. „Aber was... Ich meine, was wäre denn mit Randy geschehen, ohne meine Aussage?“, versuchte sie rasch das Thema zu wechseln, doch Edward hatte bereits Verdacht geschöpft.
„Den hätte Andrew auch so freibekommen“, meinte er kurz angebunden. „Eine seiner leichtesten Übungen. Laut Obduktionsbefund war es sowieso kein Mord, höchstens Totschlag. Aber...“ Er sah Caroline forschend an. „Wer ist Brendon?“
„Ein... Bekannter von mir“, erwiderte Caroline, vermied es jedoch, ihrem Vater dabei in die Augen zu sehen.
„Mit wem hast du denn noch alles über die Sache geredet, verdammt?“, wetterte dieser los, doch plötzlich ging ihm ein Licht auf, und er presste wütend die Lippen zusammen, während er Caroline mit seinen Blicken förmlich durchbohrte. „Jetzt verstehe ich... Du warst nicht allein in dieser Nacht, hab ich recht?“
„Daddy...“
„Lüg mich nicht an!“, forderte er in scharfem Tonfall.
Caroline zuckte zusammen. Sie wusste, sie hatte ihren Vater noch nie lange an der Nase herumführen können, ohne dass er sie durchschaute.
„Nein“, flüsterte sie mit erstickter Stimme. „Ich war nicht allein.“
„Also raus mit der Sprache: Wer ist Brendon?“, wiederholte Edward seine Frage mit dem ihm eigenen Nachdruck in der Stimme, während er aufstand und sich einen Drink einschenkte.
„Jemand, den du sowieso nicht kennst“, erwiderte Caroline hastig. „Mehr möchte ich im Augenblick nicht dazu sagen.“
„Na toll...“ Edward schüttete den Drink in einem Zug hinunter. „Jetzt fängst du auch schon mit solchen Spielchen an, genau wie deine verdorbene Mutter!“
Caroline horchte auf.
„Mom? Was hat sie damit zu tun?“
„Das will ich dir sagen.“ Edward zog die Zeitung aus der Innentasche seines Jacketts und warf sie aufgeschlagen auf den Couchtisch. „Während ich hier alles Erdenkliche tue, damit es meiner Familie gut geht, und auch wirklich keinem etwas passiert, amüsiert sich deine Mutter bestens in L.A., ohne sich auch nur im Geringsten darum zu scheren, ob wir uns hier Sorgen um sie machen.“ Er verzog angewidert das Gesicht. „Eine Schande ist das!“
Zögernd griff Caroline nach der Zeitung und sah verwundert auf das Bild, auf dem Sophia neben Ronald Austin zu sehen war.
„Wer ist dieser Mann?“, fragte sie erstaunt. „Kennst du ihn?“
Edward lachte abfällig.
„Nicht persönlich. Aber das wird sich bald ändern. Sobald die Sache mit deiner Aussage geklärt ist, fliege ich hinüber nach L.A. und sorge persönlich dafür, dass deine Mutter schneller wieder da ist, wo sie hingehört, als allen Beteiligten lieb sein wird!“
*
Los Angeles
Nachdenklich hielt Sophia das Handy in ihrer Hand.
Was hatte Rosita gesagt? Edward war momentan leider nicht für sie zu sprechen?
Was war passiert?
War er nur schlichtweg beleidigt, oder hatte er gar schon neue Schlösser in die Haustüren einbauen lassen?
Sophia lächelte bitter. Natürlich war sein Stolz verletzt, aber ihren Anruf hätte er doch wenigstens entgegen nehmen können!
Sie lehnte sich zurück, schloss die Augen und dachte an den gestrigen Tag...
Sie war nach der Modenschau sofort mit Kelly wieder in deren Appartement gefahren, ohne Rons Einladung zum anschließenden Empfang im Bonaventure-Hotel zu folgen, obwohl sie sich eingestehen musste, dass sie das Angebot, zu den Ehrengästen der Austins zu gehören, äußerst verlockend fand. Ron war überaus charmant, er verstand es ausgezeichnet, Komplimente zu machen, besonders einer Frau, die eben mal versuchsweise aus einer ziemlich trostlosen Ehe ausgebrochen war und sich nach Liebe und Anerkennung sehnte. Aber er war genauso gebunden wie sie, und sie verspürte keine Lust, ihre Situation durch einen Flirt oder gar eine Affäre zusätzlich zu verschlimmern.
Also zog sie sich zurück, solange noch Gelegenheit dazu war.
Ihr hatten schon diese aufdringlichen Zeitungsreporter gereicht, die mit einem wahren Blitzlichtgewitter über alle Beteiligten hergefallen waren, während sie die Modenschau verließen. Und das ausgerechnet im unpassendsten Augenblick, als nämlich Ron ihren Arm genommen und sie überaus charmant gebeten hatte, ihn auf den anschließenden Empfang zu begleiten. Sie konnte nur hoffen, dass diese Fotos nirgends auftauchen und für unnötige Aufregung sorgen würden...
Andererseits geschah es Edward ganz recht, wenn er sich ihrer Liebe für eine Weile einmal nicht so sicher war, wie das sonst immer der Fall zu sein schien.
In Kellys Wohnung in Beverly Hills angekommen, hatte sie sich erst einmal ein heißes Bad eingelassen, und während sie sich in der Badewanne zu entspannen versuchte, überlegte sie, was sie als nächstes tun könnte. Davonlaufen war wirklich keine Lösung, ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, einfach die Flucht ergriffen zu haben. Aber vielleicht war es Edward ja sogar recht, dass sie weg war. Vielleicht wollte er gar nicht, dass sie zurückkam?
Und was würden Caroline und Corey von ihr denken?
Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf, Gedanken, die ihre Laune zunehmend verdüsterten. Sie stieg aus der Wanne und versuchte sich zunächst mit ausgiebiger Körperkosmetik abzulenken. Aber irgendwann war sie auch damit fertig, und da ihre Stimmung noch immer auf dem Nullpunkt war, beschloss sie, einen Spaziergang zu machen. Sie hinterließ Kelly, die sich momentan in ihrer Agentur aufhielt, einen Zettel mit einer kurzen Nachricht und verließ das Appartementhaus.
Ziellos schlenderte sie durch die Straßen von Beverly Hills, betrachtete im Vorübergehen ohne viel Interesse die herrlich gelegenen Villen der Reichen und Schönen, bummelte einen Boulevard entlang, auf dem sich vornehmlich Touristen tummelten, die jeden, der vorüberging, aufmerksam betrachteten, weil sie hofften, vielleicht irgend einem berühmten Star zu begegnen.
Schließlich gelangte sie in einen vom lauten Gewimmel der ruhelosen Geschäftsstraßen etwas abgelegenen Park. Sie setzte sich auf eine der Bänke an dem kleinen See und sah gedankenverloren den Enten zu, die geschäftig auf dem Wasser hin und her schwammen.
´Zufriedene kleine Geschöpfe...´, dachte Sophia. „Sie brauchen sich keine Gedanken über Liebe und Glück zu machen. Ihr Lebensinhalt besteht einzig in der Jagd nach dem täglichen Futter, und ab und zu ziehen sie in dieser friedlichen Idylle ein paar Junge groß. Beneidenswert!“
Sie dachte an die Zeit zurück, als sie und Edward sich kennengelernt und bald darauf geheiratet hatten. Nicht lange danach war Caroline unterwegs gewesen, und Sophia musste unwillkürlich lächeln, als sie daran dachte, wie unendlich liebevoll Edward seine schwangere Frau umsorgt hatte. Bei Corey war es zwar ähnlich gewesen, aber zu seiner Tochter hatte Edward von Anfang an ein besonders inniges Verhältnis gehabt. Sie war Daddys unbestrittener Liebling, auch wenn er das niemals offen zugab.
`Liebe ist das Einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt!`, dachte Sophia und seufzte. Nein, dieses alte Sprichwort traf auf sie und Edward nicht zu, denn je mehr er sich seinen Kindern, und besondere Caroline widmete, desto weniger schien am Ende für seine Frau übrigzubleiben. Irgendwann hatte jeder von ihnen sein eigenes Leben geführt, neben dem anderen, anstatt mit ihm zusammen, und das tat ihr weh. Sie hatte es still ertragen, anstatt sich zu wehren, hatte versucht, Ablenkung in den verschiedensten Unternehmungen zu finden, aber nur Wohltätigkeitsveranstaltungen und hin und wieder ein Dinner mit irgendwelchen langweiligen Frauen von Edwards zahlreichen Geschäftsfreunden füllten ihr Leben nicht aus.
Doch es gab da einen Punkt in ihrem Leben, auf den sie bisher sehr stolz gewesen war: Obwohl sie überall als eine schöne und begehrenswerte Frau galt, war sie niemals fremdgegangen, hatte ihren Mann nie mit einem anderen betrogen.
Leider, so vermutete sie insgeheim, schien das nicht unbedingt auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Was Edward auf seinen zahlreichen, langen Geschäftsreisen so trieb, würde sie wohl nie erfahren. Und so, wie er sich verhalten hatte, als er von ihrer Schwangerschaft erfuhr, musste er wohl das selbe von ihr denken.
`Vielleicht ist es wirklich an der Zeit, damit aufzuhören, mich wie eine brave Ehefrau zu benehmen!`, dachte sie und schloss die Augen.
„Einen Cent für Ihre Gedanken“, hörte sie plötzlich eine angenehme Stimme dicht neben sich und blickte erschrocken auf.
Er stand da, das Jackett über dem Arm, die Hemdsärmel aufgerollt und blickte sie durch seine dunkle Sonnenbrille lächelnd an.
„Ron? Wie kommen Sie denn hierher?“, fragte sie erstaunt.
„Darf ich mich setzen, schöne Fremde?“
„Sind Sie mir gefolgt?“, forschte Sophia mit einem etwas ärgerlichen Unterton in der Stimme und rückte zur Seite, um ihm Platz zu machen.
Ron setzte sich, nahm die Brille ab und legte seinen Arm auf die Banklehne hinter ihr.
„Formulieren wir es ein wenig anders, meine Liebe...“ Er beugte sich ganz nah zu ihr herüber und flüsterte verschwörerisch: „Ich bin genauso ausgerückt wie Sie.“
Sophia sah in seine braunen Augen, in denen sich das Sonnenlicht in unzähligen, winzigen Lichtpünktchen brach, und konnte nicht verhindern, dass sie ein wohliger Schauer durchfuhr.
„Ich bin nicht... ausgerückt“, versuchte sie sich hastig zu rechtfertigen. „Aber warum sind Sie hier? Heute ist doch Ihr großer Tag, Ron, die Modenschau war so fantastisch, und auf dem Empfang wird man bestimmt nach Ihnen...“
„Schsch...“ Ron legte sanft einen Finger auf ihre Lippen. „Hier mit Ihnen zu sitzen, das bedeutet mir viel mehr, als irgend so ein langweiliger Empfang. Sie haben recht, Sophia, ich bin Ihnen gefolgt, und ich wäre Ihnen noch viel weiter hinterhergelaufen. Ich kann es nicht erklären, aber seit ich Sie das erste Mal gesehen habe, gehen Sie mir nicht mehr aus dem Sinn.“ Seine Stimme klang leise und zärtlich, und während Sophia ihn nur fasziniert anstarrte, näherten sich seine Lippen unmerklich den ihren. Sie hörten plötzlich nicht mehr das Geschnatter der Enten, den fernen Straßenlärm und das Geschrei der Kinder, die in der Nähe spielten, es gab für einen Moment nur sie beide, und als sich ihre Lippen berührten, schien es, als bliebe die Zeit für eine kleine Ewigkeit stehen...
An das alles erinnerte sich Sophia, während sie immer noch das Telefon in ihrer Hand hielt.
Kellys Stimme brachte sie wieder in die Wirklichkeit zurück.
„Sophia, was treibst du denn die ganze Zeit...“ Sie hatte soeben ihre Wohnung betreten, blieb stehen und maß die Freundin mit einem kritischen Blick. „Lass mich raten, du träumst von einem ganz bestimmten, gutaussehenden Herrn, bei dem es sich auf keinen Fall um deinen nichtsnutzigen Ehemann handelt, habe ich Recht?“
Sophia legte seufzend das Handy weg und verdrehte die Augen.
„Ja Kelly, natürlich hast du Recht“, erwiderte sie genervt. „Und du kannst mir jetzt eine Moralpredigt halten, wenn du willst. Ich habe sie verdient.“
„Als wenn das etwas nützen würde“, knurrte Kelly gutmütig und setzte sich. „Eigentlich habe ich dir ja schon immer gesagt, dass Edward nicht der Richtige für dich ist. Aber wenn ich dich jetzt so sehe, weiß ich auch nicht, wo die größeren Schwierigkeiten lauern: In deiner verkorksten Ehe oder in der von Ronald Austin. Vielleicht solltest du die Sache mit Würde beenden.“
„Welche Sache meinst du, Kelly?“, fragte Sophia.
„Mindestens eine von beiden, Schätzchen“, erwiderte ihre Freundin mit ernsthafter Miene. „Entweder du greifst zum Telefon und sagst Edward, dass es vorbei ist, oder du beendest die Romanze mit Austin, bevor sie richtig beginnt und dir über den Kopf wächst. Oder du tust beides…“
„Ja aber...“ Sophia biss sich nervös auf die Lippen. „Ich kann Ron doch nun wirklich nicht einfach anrufen und ihm sagen...“
Kelly schüttelte energisch ihre Locken.
„Wer redet von anrufen? Du kannst selbst mit ihm reden. Er steht unten in der Halle wie ein schwerverliebter Minnesänger und wartet auf dich.“
*
Als Matt an diesem Abend nach Hause kam und endlich seine Mailbox checkte, erwartete ihn eine Nachricht von Stefano, in der dieser ihm mitteilte, dass der Staatsanwalt mittlerweile offiziell Anklage gegen Randy erhoben hatte. Allerdings nicht wegen Mordes, sondern auf Grund des gerichtsmedizinischen Gutachtens wegen Totschlags. Außerdem habe Andrew Hamilton erreicht, dass sein Mandant bis zur Verhandlung auf freien Fuß gesetzt werden könne, vorausgesetzt, jemand würde eine angemessene Kaution stellen.
„Ich habe dabei an dich gedacht, Matt“, hörte er Stefanos Stimme. „Bitte ruf mich zurück, wenn du da bist, oder komm so bald wie möglich auf dem Revier vorbei.“
Matt atmete tief durch und wählte Stefanos Nummer.
„Natürlich werde ich die Kaution für Randy stellen“, sagte er, als sie Sekunden später miteinander verbunden waren. „Gib mir eine Stunde Zeit, ich muss noch auf der Bank vorbeifahren.“
Er legte auf und trat hinaus auf die Veranda.
Ein frischer Wind blies ihm ins Gesicht, und am Horizont zogen erste dunkle Wolken auf.
Matt erinnerte sich, dass Ronda vorhin erklärt hatte, es sei eine Sturmwarnung für Teile der Küste herausgegeben worden.
In ihm selbst tobte der Sturm bereits seit seiner Begegnung mit Mason am heutigen Nachmittag.
Warum konnte sein Bruder ihn nicht endlich in Ruhe lassen und ein für alle Mal verschwinden? Warum setzte er alles daran, sich schon wieder schmerzhaft in sein Leben einzumischen?
Danielle... sie war so verstört gewesen, und doch hatte sie einen kühlen Kopf bewahrt und ihn davon zurückgehalten, seinen jahrelang aufgestauten Frust abzulassen und sein Ebenbild windelweich zu prügeln. Sie glaubte wirklich daran, dass die Sache damit erledigt wäre, und Mason sie künftig in Ruhe lassen würde.
Aber Matt wusste es besser. Es war nicht vorbei, so leicht nicht...
Allerdings wäre alles halb so schlimm, wenn ihm nicht noch immer diese Sache mit Marina auf der Seele brennen würde.
Frustriert ballte er die Hände zu Fäusten.
„Verdammt, Mason, verschwinde endlich aus meinem Leben, und nimm Marina am besten gleich wieder mit!“
Er atmete tief durch, ging zurück ins Zimmer und schloss das Fenster. Randy sollte nicht unnötig in seiner Zelle auf ihn warten. Er nahm seinen Autoschlüssel vom Schreibtisch und wollte schon los, als ihm etwas einfiel.
Wenn Randy auf freiem Fuß war, dann würde morgen Abend auch die Party im OCEANS wie geplant stattfinden.
Und danach...
Sein Gesicht hellte sich auf. Er griff zum Handy und wählte eine Nummer.
Seine Anweisungen waren kurz und präzise.
„Ich möchte, dass am Sonntag alles soweit fertig ist. Schaffen Sie das? ... Gut, sehr schön, ich verlasse mich auf Sie. Den Schlüssel bringe ich gleich noch vorbei. Danke, bis dann.“
Er legte auf und lächelte zufrieden.
„Edward, mein Freund... Sieht ganz so aus, als würdest du in der nächsten Woche für ein paar Tage ohne mich auskommen müssen.“
*
Der Regen setzte schlagartig ein. Während binnen weniger Minuten grelle Blitze am Himmel zuckten, Donnerkrachen alles umher zu erschüttern schien und der Sturm bedrohlich heulte und durch die Straßen von Sunset City pfiff, alles vor sich hertreibend, was seiner Kraft nicht standhielt, lenkte Matt den Mercedes in die Garage.
„Ich hätte vielleicht doch noch einmal bei Danielle vorbeischauen sollen“, dachte er und schaute besorgt zum Himmel, der sich innerhalb kürzester Zeit rabenschwarz gefärbt hatte. Die Wolken jagten einander gespenstig und es goss wie aus Eimern.
Fluchend stellte Matt fest, dass er zwar das Garagentor mit der elektrischen Fernbedienung öffnen und schließen konnte, sein Wohnungsschlüssel allerdings lag versteckt unter einem der Blumenkübel an der Vordertür. Was blieb ihm anderes übrig, er musste zum anderen Eingang laufen.
So schnell er konnte rannte er, die Jacke schützend über den Kopf gezogen, durch die enge Gasse zwischen den Häusern. Der Sturm war hier nicht so stark, aber der Regen hatte ihn fast völlig durchnässt, als er nach Luft ringend ankam und die Tür zum Hausflur schwungvoll aufstieß.
Er schaltete das Hauslicht ein, schüttelte die Jacke ab und wollte sich gerade nach dem Blumenkübel bücken, um den Schlüssel zu seiner Wohnung hervorzuholen, als er plötzlich merkte, dass er nicht allein war.
Sie stand klatschnass und zitternd vor Kälte vor seiner Wohnungstür, die Arme schützend um sich geschlungen, und sah ihn mit großen Augen an.
„Danielle!“
Mit einem Schritt war er bei ihr und schloss sie in seine Arme. „Was tust du denn hier, allein und bei diesem furchtbaren Wetter?“
Ein Wassertropfen rollte ihr von dem nassen Haar über die Wange.
Oder war es eine Träne?
„Ich bin so froh, dass du da bist, Matt“, flüsterte sie mit erstickter Stimme.
Er spürte, wie sie zitterte. Schnell nahm er den Schlüssel und öffnete die Tür.
„Komm rein, du erkältest dich sonst.“
Er nahm eine Decke von der Couch und legte sie fürsorglich um ihre Schultern.
„Entschuldige Matt“, sagte sie leise. „Ich wollte eigentlich nur sehen, ob es dir gut geht, nachdem... Nach der Begegnung mit deinem Bruder.“ Sie senkte die Augen und strich ihr nasses Haar zurück. „Ich hätte auf Luke hören sollen. Er kam vorhin vom Strand und meinte, es würde ein Unwetter geben. Aber es ging so schnell...“
„Tja, hier an der Küste muss man mit so etwas rechnen. Und du bist extra hergekommen, um zu sehen, ob es mir gut geht?“
Sie nickte stumm.
Er strich ihr zart über die Wange.
„Ich bin froh, dass du da bist“, sagte er unendlich sanft und küsste zärtlich ihre Lippen. Danielle erwiderte seinen Kuss, doch er spürte, dass sie immer noch wie Espenlaub zitterte und in ihren nassen Sachen fror.
„Du solltest eine heiße Dusche nehmen“, schlug er vor. „Komm, ich bringe dich nach oben.“
Danielle nickte und folgte ihm widerspruchslos ins Bad.
Er reichte ihr einen flauschigen Bademantel.
„Ist der von Marina?“, entfuhr es ihr spontan.
Er warf ihr einen erstaunten Blick zu.
„Nein“, sagte er ernst. „Du wirst keine persönlichen Sachen mehr von Marina in diesem Haus finden.“
Sie trat schnell auf ihn zu und küsste ihn auf die Wange.
„Entschuldige bitte, das war nicht so gemeint.“
Er lächelte und wies auf die Duschkabine.
„Lass dir Zeit, ich werde inzwischen unten ein Feuer im Kamin machen.“
Danielle sah ihm einen Moment lang nachdenklich hinterher, als er hinausging.
Dann schlüpfte sie schnell aus den nassen Sachen und warf sie in den Wäschetrockner. Sie drehte die Dusche auf und schloss genießerisch die Augen, als sie das angenehm heiße Wasser auf der Haut fühlte.
Sollte doch draußen der Sturm toben und der Rest der Welt untergehen, hier bei Matt war sie in Sicherheit.
Als sie etwas später, eingehüllt in den weichen Bademantel, die Treppe herunterkam, brannte bereits ein knisterndes Feuer im Kamin und tauchte den ganzen Raum in ein äußerst romantisches Licht. Wohltuende Wärme strahlte ihr entgegen.
Matt hatte sich umgezogen, er trug eine Jeans und ein helles Shirt. Schweigend stand er vor dem Kamin und starrte gedankenverloren in die Flammen.
Er drehte ihr den Rücken zu und sie trat von an ihn heran und schlang von hinten die Arme um seinen Hals.
„Woran denkst du?“
Er legte lächelnd den Kopf zurück.
„Ich bin froh, dass du da bist“, sagte er leise.
Danielle nickte.
„Ich auch.“
Er drehte sich um und zog sie zärtlich in seine Arme. So standen sie beide eng umschlungen und schauten schweigend dem Spiel der Flammen im Kamin zu.
„Wo warst du denn vorhin?“, fragte sie nach einer Weile. „Hattest du noch im Büro zu tun?“
„Ich war bei Randy“, antwortete er. „Und bevor ich hierher kam, hab ich ihn zu Hause abgesetzt.“
Danielle hob erstaunt den Kopf.
„Was? Er wurde aus der Untersuchungshaft entlassen?“
Matt nickte.
„Er ist auf Kaution freigelassen worden.“
Während sie staunend lauschte, erzählte er ihr, was er vorhin von Stefano erfahren hatte. „Caroline hat versucht, ihm zu helfen, aber leider reicht die Aussage einer einzelnen Zeugin nicht aus, um die Anklage fallen zu lassen.“
„Das war sehr mutig von Caroline“, stellte Danielle beeindruckt fest.
Matt schmunzelte.
„Ich befürchte allerdings, dass Edward das etwas anders sehen wird.“
Danielle richtete sich auf und sah ihn mit großen Augen an.
„Wenn Randy zu Hause ist, dann kann ja morgen auch die Eröffnungsparty im OCEANS stattfinden!“
Matt zog bedeutungsvoll die Augenbrauen hoch.
„Seid ihr denn schon fertig?“
„Ja, Dean und Mitch holen morgen noch die restlichen Lieferungen ab, dann kann es losgehen.“
„Na, wenn das so ist, dann werde ich mir den morgigen Abend zur Sicherheit freihalten.“ Matt zwinkerte ihr zu und strich ihr zärtlich eine immer noch feuchte Haarsträhne aus der Stirn. „Natürlich nur, falls ich überhaupt willkommen bin.“
„Mal sehen, kommt drauf an...“, neckte sie ihn.
„Worauf?“
„Na ja, ob du dich bis dahin gut benimmst.“
Er lachte.
„Tja, dann werde ich dich jetzt mal nach Hause bringen...“
Sie sah ihn mit gespieltem Entsetzen an.
„Das verstehst du unter gutem Benehmen?“
„Mh...“ Er schien angestrengt zu überlegen und grinste dann. „Gut. Versuchen wir es mal damit...“ Er trat hinter sie und, schob mit den Fingerspitzen sanft ihr Haar beiseite und begann seine Lippen aufreizend langsam über ihren Nacken wandern zu lassen.
„Schon besser...“, schnurrte sie und schloss genießerisch die Augen. Der zarte Duft ihres Parfüms erinnerte ihn erneut an ihre erste Begegnung, und sein Herz schlug unwillkürlich schneller.
Mit heißerer Stimme flüsterte er ihren Namen, schob den Stoff des Bademantels etwas beiseite und ließ seine Lippen von ihrem Hals über ihre Schulter zu wandern. Sie legte genießerisch den Kopf zurück und schloss die Augen. Seine zärtlichen Berührungen jagten ihr unzählige, wohlige Schauer über den Rücken, und sie spürte, wie ihre Knie nachzugeben drohten. Langsam drehte sie sich zu ihm um. Ihre Blicke berührten sich und hielten einander fest. Aus den unergründlichen Tiefen ihres Bewusstseins heraus wusste Danielle in diesem Augenblick, dass sie drauf und dran war, sich an Matt zu verlieren.
Sie wollte ihn… Jetzt!
Matt schien ihre Gedanken zu spüren, er beugte sich vor und suchte ihre Lippen. Sein Kuss, tiefer und gewagter als je zuvor, zeigte ihr ebenso wie seine Erektion, die sich hart und verheißungsvoll gegen ihre lustvoll pulsierende Mitte presste, wie sehr auch er sie wollte.
Ihre Zungen tanzten einen erotischen Tanz miteinander. Als er den Kuss irgendwann löste, reagierte sie mit einem kurzen wohligen Seufzen.
Noch zögerte er kurz, doch ihre vor Erregung leicht geröteten Wangen und ihren verklärten Blick bestätigten ihm, dass sie genauso fühlte wie er.
Mit einer kräftigen Bewegung nahm er sie auf seine Arme und trug sie scheinbar mühelos die Treppe hinauf zu seinem Schlafzimmer.
Vor dem breiten französischen Doppelbett setzte er sie ab und sah in ihre Augen. Sie lächelte und berührte mit den Fingerspitzen seine Wange.
„Küss mich, Matt…“
Ihre Lippen fanden sich sofort, als würden sie magisch voneinander angezogen.
Matt küsste sie so intensiv und leidenschaftlich, dass sie glaubte, ihr würden die Sinne schwinden. Da war es wieder, dieses Kribbeln auf der Haut, die tausend Schmetterlinge im Bauch, das verlangende Ziehen im Unterleib und das unvergleichliche Gefühl, als würde sie schweben. Genauso hatte sie empfunden, als er sie auf dem Pier zum ersten Mal geküsst hatte.
Kurz darauf ließ er seine Lippen zärtlich über ihr Gesicht und ihren Hals wandern, um gleich darauf wieder ihren Mund zu finden und ihn abermals mit einem heißen Kuss zu verschließen. Seine Hände streichelten sie, zärtlich, lockend, glitten schließlich unter den Bademantel und begannen quälend langsam und genüsslich jeden Zentimeter ihres Körpers zu erkunden. Sie stöhnte vor Wonne unter seiner Berührung, während sie sich ihm sehnsüchtig entgegendrängte.
Langsam ließ er seine Hände nach und nach tiefer gleiten, bis er schließlich den Gürtel ihres Bademantels löste.
„Du bist wunderschön“, sagte er leise, fast andächtig, während seine Augen mit einem begierlichen Funkeln über ihren schlanken wohlgeformten Körper glitten.
Sie zog an seinem Shirt.
„Komm, hilf mir mal…“
Schneller denn je entledigte er sich seiner Sachen, und seine Erregung war ihm deutlich anzusehen, als er Danielle erneut in seine Arme zog.
Eng umschlungen landeten beide auf dem Bett, und seine Hände begannen quälend langsam, Zentimeter für Zentimeter, ihrer samtweichen Haut zu liebkosen. Sie kannten kein Tabu und brachten ihren hungrigen, erwartungsvollen Körper in Rekordzeit zum Glühen. Ungeduldig fieberte sie jeder Berührung entgegen und bekam nur am Rande ihres Bewusstseins mit, wie er sich hastig ein Kondom überstreifte, um sie beide ausreichend zu schützen. Bedingungslos gab sie sich ihm hin und verlor sich zunehmend in diesen wundervollen Gefühlen, die er in ihr weckte und die sie völlig willenlos machten.
Einem alles verzehrenden, ekstatischen Fiebertanz gleich ergriffen sie von einander Besitz, nur von dem einen Ziel besessen, miteinander zu verschmelzen und sich nie wieder loszulassen.
Danielle glaubte vor Wonne zu vergehen, als er schließlich in sie eindrang und sie vollkommen ausfüllte. Während sich ihre Lippen erneut gierig suchten und fanden, gerieten ihre Körper immer heftiger in Ekstase und bewegten sich schließlich in völligem Einklang. Sie klammerte sich haltsuchend an ihm fest und bog sich ihm zugleich stöhnend entgegen. Ihre Erregung schien ihn zusätzlich anzuspornen, und sein immer schneller werdender Rhythmus steigerte ihre Lust ins Unermessliche.
Sie liebten sich zärtlich und gleichzeitig wild und voller heißer Begierde und kannten kein Halten mehr auf ihrem Flug quer durch die Galaxie der Sinne.
Noch einmal flüsterte er inbrünstig ihren Namen, und mit einem Seufzer tief aus seinem Inneren nahm er sie mit sich über die Grenzen des Universums in jene wundervolle, einzigartige Dimension, die nur Liebende erreichen können. Der Orgasmus überrollte beide wie eine riesige Woge aus unkontrollierbarer Leidenschaft und ließ sie sekundenlang in eine wohlige, befriedigende Schwerelosigkeit gleiten.
Sie hielten sich fest umschlungen und hätten einander nicht näher sein können als in jenem unvergleichlich wundervollen Augenblick, in dem sich unstillbares Verlangen in absolute Erfüllung verwandelt hatte.
Dann war es vorbei.
Die Erregung ebbte ab und hinterließ ein wohliges Gefühl der Zufriedenheit. Draußen heulte und tobte der Sturm und ließ die Wellen meterhoch ans Ufer schlagen.
Blitz und Donnerkrachen folgten unmittelbar aufeinander und tauchten den nachschwarzen Himmel im Sekundentakt in ein skurriles, grelles Licht. Starke Windböen peitschten der Regen immer wieder aufs Neue an die Fensterscheiben.
Matt und Danielle bekamen von all dem nichts mit.
Beseelt von einem unendlich tiefen Glücksgefühl glitten sie nur gemächlich zurück in die Wirklichkeit.
Danielle bettete ihren Kopf erschöpft auf Matts Brust und fühlte, dass er genauso atemlos war wie sie. Glücksselig vor sich hin lächelnd lauschte sie seinem Herzschlag und spürte, wie sein muskulöser Brustkorb sich hastig hob und senkte, bis er sich schließlich, genau wie sie selbst, allmählich beruhigte. In den stillen Minuten dieser wunderbaren Zweisamkeit fühlte sie sich einfach nur glücklich. Ihm so nah zu sein, in seinen Armen zu liegen, seine Hände zu spüren, die ihre Haut zärtlich liebkosten, all das war wie Balsam für ihre Seele. Sie schloss die Augen, genoss jede Sekunde dieser kostbaren Augenblicke und wünschte, die Zeit würde hier und jetzt einfach für sie beide stehenbleiben…
*
Anni stand am Fenster und sah auf den Strand hinaus, wo die tosende Brandung bedrohlich aussehende Wellen auf das Ufer zutrieb, und der Sturm die Palmen und das hohe Schilfgras erbarmungslos bog und rüttelte. Der Regen prasselte gegen die Hausfassaden und das Fensterglas, und obwohl das Zimmer von der Hitze des Tages aufgeladen war, bekam Anni eine Gänsehaut.
Ihr Fuß tat weh, aber noch viel schlimmer schmerzte die Einsamkeit.
Sie hatte keine Ahnung, wie lange sich ihr Vater noch geschäftlich in Tokio aufhalten würde, und auch mit ihrer Tante Cloe war vorerst nicht zu rechnen.
Aber wenigstens hatte diese heute angerufen und ihrer Nichte erklärt, sie mache mit irgendeinem Mister „Sowieso“ ein paar Tage Urlaub in Acapulco.
Anni schnaufte spöttisch und verzog das Gesicht.
So, wie sie ihre lebenslustige Tante einschätzte, würde die zu ihrem Ferientrip gewiss keinen Cent dazu bezahlen. Schlimmstenfalls kam sie mit Ehemann Nr.5 von ihrer Reise zurück. Insgesamt vier chaotische Ehen hatte Cloe bereits hinter sich gebracht, da kam es auf eine mehr oder weniger auch nicht mehr an.
Annis Magen rumorte verdächtig und erinnerte sie an das gemütliche Frühstück mit Alex heute Vormittag auf der Terrasse.
Alex Franklyn... Dieser Kerl ging ihr einfach nicht mehr aus dem Sinn. Dabei war er überhaupt nicht ihr Typ...
Irritiert zog sie die Stirn in Falten.
Aber wer war denn eigentlich ihr Typ?
Matt Shelton?
Eigenartig, in den letzten zwei Tagen hatte sie so gut wie keinen Gedanken an ihn verschwendet. Genauer gesagt, seit sie ihm heimlich die Luft vom Reifen seines Sportwagens gelassen hatte und kurz danach in Edwards Büro Alex zum ersten Mal begegnet war.
Alex... Sie hatte sich ihm gegenüber wirklich zickig verhalten, absolut unmöglich, aber das schien ihn nicht im Geringsten zu stören. Im Gegenteil, sie mochte sich ihm gegenüber noch so abweisend verhalten, er setzte doch seinen Willen durch, auf eine Art, die ihr neu war und sie irritierte, die sie zugleich aber auch unsagbar wütend machte.
Anni presste in Erinnerung daran trotzig die vollen, roten Lippen zusammen.
Nein, sie würde sich nicht von ihm einwickeln lassen, auf gar keinen Fall!
Und doch musste sie sich insgeheim eingestehen, dass sie sich wünschte, er wäre jetzt hier, bei ihr...