Los Angeles
Sophia lächelte versonnen vor sich hin. Dieser Ron Austin hatte wirklich eine ganz besondere Art ihr zu imponieren.
Eigentlich war sie heute Nachmittag nur in die Hotelhalle hinuntergegangen, um ihm unmissverständlich zu sagen, dass sie an keinerlei Beziehung zu ihm interessiert sei, möge er die diversen Treffen mit ihr auch als noch so harmlos darstellen. Immerhin hatte er sie geküsst, und das gefährliche Funkeln in seinen Augen, wenn er sie ansah, sagte ihr mehr als tausend Worte.
Oh nein, Probleme dieser Art konnte sie momentan wirklich nicht gebrauchen.
Aber als sie ihm dann später gegenüber stand, hatten sich plötzlich alle Vorbehalte in Luft aufgelöst, ihr Verstand schien auf Stand by zu schalten, und ihr Herz begann so stürmisch zu klopfen wie in lange vergangenen Teenagerzeiten.
Nun saßen sie beide bereits seit Stunden in der kleinen Bar des HILTON- Hotels, in dessen Dachgeschoss sich Kellys Penthouse Suite befand.
Ron erwies sich nicht nur als außergewöhnlich charmant und liebenswürdig, er war auch ein geduldiger Zuhörer, und Sophia spürte, wie sich die Spannung in ihrem Inneren allmählich löste, je länger sie hier mit ihm zusammensaß. Da gab es endlich einen Mann, der sich wirklich für sie zu interessieren schien, und der ihr das wunderbare Gefühl gab, noch immer schön und begehrenswert zu sein. Seit unendlich langer Zeit fühlte sie sich wieder einmal nahezu unbeschwert und glücklich.
„Würdest du mit mir tanzen, Sophia?“, holte Rons Stimme sie irgendwann in die Wirklichkeit zurück.
Sie sah in seine Augen und nickte lächelnd.
„Ja, sehr gerne.“
Während sie sich beide zum einfühlsamen Klang der Musik bewegten, spürte Sophia seine Hände, die sanft ihren Rücken streichelten. Widerstandslos ließ sie es zu, dass er sie dicht zu sich heranzog. Sie legte den Kopf an seine Schulter, genoss den herb- würzigen Duft seines Aftershave und schloss die Augen.
Sunset City, Edward, ihre Familie - alles schien in diesem Augenblick unendlich weit…
Als der Tanz zu Ende war, blieb Ron stehen und sah ihr wortlos in die Augen. Da war etwas in seinem Blick, das in diesem Moment auch den letzten Zweifel in ihr auslöschte.
„Diese besondere Nacht gehört nur uns beiden, Sophia“, sagte er leise und nahm ihre Hand. In stillem Einvernehmen folgte sie ihm in Richtung Ausgang.
Draußen wartete eine Limousine. Der Chauffeur sprang aus dem Wagen und öffnete ihnen dienstbeflissen die Tür.
Sophia wollte soeben einsteigen, als sie eine Stimme unmittelbar hinter sich mitten in ihrer Bewegung innehalten ließ.
„Mom?“
Sie fuhr herum und sah geradewegs in das entrüstete Gesicht ihrer Tochter.
*
Es war bereits weit nach Mitternacht, als Manuel und Claudia von der Eröffnungsparty im OCEANS ins Hotel zurückkehrten. Der Nachtportier reichte ihnen den Zimmerschlüssel zusammen mit einer Nachricht.
„Die Dame hat schon mehrmals für Sie angerufen, Mr. Cortez“, erklärte er wichtig. „Sie möchten sich unbedingt bei ihr melden, sobald Sie zurück sind.“
Manuel warf einen Blick auf die Telefonnummer, die auf dem Zettel stand.
„Meine Mutter“, registrierte er und nickte dem Portier dankend zu. „Ich werde sie gleich morgen früh anrufen.“ Er wollte schon gehen, doch der Mann am Empfang hielt ihn zurück.
„Sir“ Er räusperte sich verlegen, als Manuel sich umdrehte, „Die Dame sagte, egal wie spät es sei, Sie sollen bitte sofort zurückrufen. Es schien sehr wichtig zu sein.“
Manuel zog erstaunt die Augenbrauen hoch und seufzte dann resigniert.
„Bei meiner Mutter ist alles sehr wichtig. Na schön…“ Tief durchatmend nickte Claudia zu, die abwartend stehengeblieben war. „Ich werde sie also sofort anrufen. Vielen Dank und gute Nacht.“
Als sich wenig später die Aufzugtüren hinter ihnen schlossen, sah Claudia ihren Mann, der abwesend vor sich hin starrte, fragend an.
„Das klang sehr ernst“, meinte sie nachdenklich. „Hoffentlich ist nichts passiert.“
Manuel lachte plötzlich, doch es war kein fröhliches Lachen.
„Oh ja“, erwiderte er mit einer vor Sarkasmus triefender Stimme, deren Klang Claudia völlig fremd an ihm war. „Bei meiner Mutter geschieht immerzu irgendetwas. Allein schon ein Blick in die Karten oder in diese lächerliche Kristallkugel genügt, und sie läuft zur Höchstform auf, tyrannisiert ihre Familie und sieht das Unglück in allen Ecken lauern.“
Er unterbrach sich, als die Türen des Lifts sich wieder öffneten.
Sie traten auf den Flur hinaus und gingen zu ihrem Zimmer.
„Aber weißt du was?“, überlegte Manuel laut, während er die Tür aufschloss. „Ich werde jetzt genau das tun, worum sie mit so viel Nachdruck gebeten hat.“
„Was?“, fragte Claudia ungläubig. „Du willst sie doch nicht wirklich um diese Zeit noch anrufen?“
Er nickte und griff nach dem Telefon.
„Bitte tu das nicht“, warnte seine Frau. „Sicher schläft sie schon und wird sich zu Tode erschrecken, wenn du sie jetzt aufweckst.“
„Das ist mir ehrlich gesagt egal. Wenn ich nicht anrufe, wird sie es mir morgen vorhalten“, erwiderte er. „Glaub mir, ich kenne meine Mutter, sie hat sich in den vergangenen Jahren kein bisschen geändert. Außerdem müsste Madame Wahrsagerin eigentlich wissen, dass sie in dieser Nacht noch einen Anruf erhalten wird. Also, probieren wir ihre berühmten mystischen Kräfte aus.“
„Das klingt fast so, als würdest du deine Mutter hassen. Warum?“, fragte Claudia so unvermittelt, dass Manuel das Handy wieder sinken ließ. Seine Lippen zuckten einen Augenblick lang verdächtig, aber er hatte sich sofort wieder unter Kontrolle.
„Ich hasse sie nicht“, sagte er leise, aber entschieden. „Ich kann selbst nicht erklären, was ich für sie empfinde, denn seitdem ich damals von zu Hause fortgegangen bin, habe ich über meine Gefühle nicht mehr nachgedacht. Es hat mich unendlich viel Selbstdisziplin gekostet, aber ich habe es schließlich geschafft, sie einfach zu ignorieren.“
Claudia musterte ihn mit großen Augen. Seine Familie war von Anfang an immer ein Tabuthema zwischen ihnen gewesen. Er wollte nicht über diesen Teil seiner Vergangenheit reden und sie hatte es stillschweigend akzeptiert. Aber jetzt waren sie hier, in Sunset City, er hatte sie als seine Ehefrau in sein Elternhaus mitgenommen, hatte ihr seine Mutter und seine beiden Geschwister vorgestellt, und sie fand, dass es nun endlich an der Zeit war, dieses Tabu zu brechen.
„Was ist damals zwischen euch geschehen, Manuel?“
Er sah sie lange an und schüttelte dann fast unmerklich den Kopf.
„Nicht jetzt, Claudia“, sagte er leise. „Irgendwann werde ich dir davon erzählen, ganz sicher, aber nicht heute Nacht. Entschuldige bitte…“
Mit diesen Worten drehte er sich um und wählte die Nummer seiner Mutter.
*
Annis Laune hatte sich während des Abends nicht wesentlich gebessert. Wie sollte sie auch, nachdem sie die ganze Zeit über mit ansehen musste, wie Matt hemmungslos mit seiner dahergeflogenen Stewardess flirtete und Alex sich mit allen möglichen Leuten unterhielt, die ihm wichtiger zu sein schienen als seine Begleiterin. Zu allem Überfluss sprachen sie auch noch über Themen, von denen sie absolut nichts verstand. Es war zum Verrücktwerden! Die Flucht nach vorn auf die Tanzfläche blieb ihr leider ebenfalls versagt, denn das wäre mit diesem lästigen Gipsfuß wohl etwas umständlich gewesen. Was allerdings für Alex absolut kein Grund zu sein schien, ihr zuliebe auf sein Vergnügen zu verzichten. Sämtliche Damen am Tisch forderte er abwechselnd zum Tanz auf und hatte dabei auch noch sichtlich Spaß.
Anni schmollte und hätte vor Ärger am liebsten ihr Champagnerglas angenagt. Verstohlen beobachtete sie ihren Begleiter und musste sich trotz allem innerlich angestauten Frust widerwillig eingestehen, dass er sogar beim Tanzen eine verdammt gute Figur machte.
Nun waren sie auf dem Heimweg, und Anni hatte endlich Alex` ungeteilte Aufmerksamkeit.
Langsam gingen sie die Strandpromenade hinunter. Die Luft war immer noch durchdrungen von der Hitze des vergangenen Tages, nur ein leichter Wind sorgte für etwas angenehme Kühle.
Annis Fuß schmerzte. Alex hatte wie selbstverständlich ihren Arm genommen, und sie konnte die Kraft seiner Muskeln spüren, während er sie stützte.
„Haben Sie Schmerzen?“, erkundigte er sich besorgt.
„Hätten Sie keine?“, gab Anni patzig zurück.
„Ich hatte bisher noch keinen Gips.“
„Es gibt Schlimmeres.“
Alex bedachte sie mit einem amüsierten Seitenblick.
„Zum Beispiel?“
Sie verdrehte wütend die Augen.
„Zum Beispiel, wenn man den ganzen Abend ignoriert wird.“
Er blieb abrupt stehen und brachte sie damit fast aus dem Gleichgewicht.
„Ignoriert?“ Abschätzend betrachtete er ihr knallrotes, Minikleid, das ihren wohlproportionierten Körper wie eine zweite Haut umschloss. „Also ich weiß nicht. Sie haben doch in diesem superkurzen Dingsda alle Blicke auf sich gezogen, zumindest die der männlichen Besucher.“
`Und was ist mit dir?`, hätte sie ihm am liebsten an den Kopf geworfen, konnte sich aber aufgrund seines Gesichtsausdruckes gerade noch mühsam beherrschen.
„Grinsen Sie nicht so blöd“, fauchte sie stattdessen erbost. „Wegen Ihnen und Ihrer dämlichen Höhlenkraxelei stecke ich doch erst in dieser Misere!“
Alex schüttelte verständnislos den Kopf, ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen.
„Soll ich Sie tragen?“, fragte er unvermittelt.
„Unterstehen Sie sich“, knurrte Anni und humpelte mit zusammengebissenen Zähnen weiter neben ihm her.
Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück.
Vor ihrer Haustür angekommen, angelte Anni ihren Schlüssel aus ihrer winzigen Umhängetasche. Sie ließ es widerstandslos zu, dass Alex ihr half, indem er die Tür aufschloss, und zu ihrem eigenen Erstaunen ertappte sie sich bei dem Wunsch, er möge doch noch bleiben. Aber anscheinend teilte er diesen Gedanken nicht, denn er reichte ihr lächelnd den Schlüssel.
„Danke für den bezaubernden Abend, Annabel“, sagte er charmant und versuchte, diesen Satz nicht allzu sarkastisch klingen zu lassen. „Gute Nacht!“
Fassungslos sah sie zu, wie er sich umdrehte und davonging.
Nach ein paar Schritten jedoch blieb er plötzlich stehen und drehte sich um.
„Ach, beinahe hätte ich es vergessen…“
Bevor sie wusste, wie ihr geschah, machte er kehrt, zog sie schwungvoll in seine Arme und küsste sie.
Ihr erster Impuls war, sich gegen diese unerwartete Umarmung zu wehren, doch als sie seine Lippen auf ihrem Mund spürte, erstarb ihr Widerstand sofort. Sein Kuss war fordernd und zärtlich zugleich und verursachte ihr ein unwiderstehliches Kribbeln auf der Haut. Verzückt drängte sie sich dicht an ihn und schlang ihre Arme um seinen Hals.
Doch bevor sie seine unerwartete Zärtlichkeit richtig erwidern konnte, spürte sie, wie Alex sich sanft, aber bestimmt von ihr löste.
Er trat einen Schritt zurück und hatte sofort wieder dieses Lächeln auf dem Gesicht, von dem sie nie wusste, wie sie es deuten sollte.
„Ich komme morgen vorbei und bringe dir Frühstück“, versprach er in sanftem Tonfall und deutete noch einen Kuss in ihre Richtung an. Dann drehte er sich um und ging davon, während er Anni in einem wahren Wirbelsturm der Gefühle zurückließ.
*
Los Angeles
„Caroline?“
Fassungslos starrte Sophia ihre Tochter an. „Schätzchen… meine Güte… Wo kommst du denn her?“, stammelte sie erschrocken und versuchte krampfhaft, ihrer Stimme ein gewisses Maß an Fröhlichkeit zu geben, was jedoch gründlich misslang.
Caroline kam die wenigen Stufen vom Hoteleingang herunter, während sie ihre Mutter und Ron abschätzend betrachtete.
„Ich habe mir Sorgen um dich gemacht“, sagte sie, und Sophia hörte nur allzu deutlich den Vorwurf in ihrer Stimme. Sie stand ihrer momentan sehr erwachsen wirkenden Tochter gegenüber und fühlte sich mit einem Mal klein und schmutzig.
Ron, dem die angespannte Stimmung zwischen den beiden Frauen nicht entging, räusperte sich auffällig und versuchte die peinliche Situation auf seine Art unter Kontrolle zu bringen.
„Sophia, willst du mich der jungen Dame nicht vorstellen?“, rief er gespielt freundlich und lächelte Caroline charmant an, doch die war dafür unempfänglich.
„Nicht nötig, ich weiß, wer Sie sind“, sagte sie abweisend. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Mr. Austin, würde ich jetzt gern mit meiner Mutter allein sprechen.“
Mit einer solch deutlichen Abfuhr hatte Ron nicht gerechnet. Er zog erstaunt die Augenbrauen hoch, doch bevor er etwas erwidern konnte, kam ihm Sophia zuvor.
„Ich danke dir für diesen schönen Abend, Ron“, sagte sie hastig, während sie beschwichtigend ihre Hand auf seinen Arm legte. „Wir sehen uns… vielleicht Morgen. Gute Nacht.“
Schnell, fast fluchtartig, wandte sie sich um und folgte ihrer Tochter, die Ron Austin zum Abschied knapp und ziemlich kühl zunickte, ins Hotel zurück.
Der berühmte Modedesigner stand da und starrte den beiden Frauen sekundenlang sprachlos nach. Dann wandte er sich abrupt um und stieg in den Wagen.
„Wohin, Mr. Austin?“, fragte der Chauffeur vorsichtig.
„In die nächste Bar, ich brauche einen Drink“, knurrte Ron ärgerlich und lockerte mit einer unwirschen Bewegung seine Krawatte. Dann ließ er sich sichtlich frustriert in die weichen Polster fallen, während sich die Limousine zügig in den fließenden Verkehr einordnete.
*
„So, fertig!“
Danielle verschloss ihre Reisetasche und sah sich prüfend im Zimmer um. „Hoffentlich habe ich an alles gedacht. Es ist nicht einfach, die passenden Sachen zu packen, wenn man nicht einmal ansatzweise ahnt, wohin die Reise geht“, stöhnte sie.
Chelsea, die mit verschränkten Armen am Türrahmen lehnte, lachte.
„Also ich finde das total romantisch. Hoffentlich besitzt Matts Bruder diese außergewöhnlichen Gene auch.“
Danielle musterte die Freundin eindringlich.
„Du solltest dir Mason aus dem Kopf schlagen, Chelsea“, mahnte sie. „Ich habe bisher schon mehrere Beschreibungen von ihm gehört, aber romantisch war nicht dabei.“
„Ach, komm schon, Dani“, widersprach Chelsea. „Der fährt total auf mich ab! So etwas spüre ich sofort. Und wenn mich nicht irgendein Vollidiot im Weinkeller eingesperrt hätte, glaub mir, dann wäre zwischen Mason und mir schon längst alles klar.“
Danielle seufzte. Sie kannte Chelsea zu gut. Wenn die frisch verliebt war, dann redete man gegen eine Wand.
Aber die Sache mit dem Weinkeller war tatsächlich ein wenig eigenartig, das musste sie zugeben.
„Bist du wirklich sicher, dass dich jemand absichtlich da unten eingesperrt hat?“, fragte sie zweifelnd. „Ich meine, vielleicht hat nur ein Luftzug die Tür…“
„Ach hör doch auf“, unterbrach Chelsea sie ungeduldig. „Wo soll da unten in dem alten Gemäuer ein Luftzug herkommen? Außerdem habe ich einen Schatten gesehen und auch etwas gehört, bevor die Tür plötzlich zufiel.“
Danielle hob resigniert die Schultern.
„Wer hat dich eigentlich wieder herausgelassen?“, fragte sie schließlich.
„Dean“, erwiderte Chelsea. „Irgendwann hat er mich anscheinend oben vermisst und sich zum Glück daran erinnert, dass er mich hinuntergeschickt hatte, um Nachschub zu holen.“
„Vielleicht hat Dean aus ganz anderen Gründen nach dir gesucht.“
„Wie auch immer, glücklicherweise hat er mich ja gefunden.“ Sie stöhnte voller Selbstmitleid. „Natürlich zu spät für mein Rendezvous mit Mason. Als ich nach oben kam, war die Party so gut wie vorbei und mein Kavalier fühlte sich von mir wahrscheinlich total verschaukelt und war gegangen.“ Sie verzog das Gesicht. „Soweit also zur Romantik von gestern Abend. Bestimmt ist Mason jetzt böse auf mich. Wenn ich mir vorstelle, wie schön es hätte sein können!“
Danielle schleppte ihre Reisetasche an Chelsea vorbei auf den Flur, setzte sie dort ab und legte der Freundin den Arm um die Schultern.
„Chelsea… Der Abend war auch so wunderschön. Ein absoluter Erfolg! Morgen veröffentlicht Alena Jenkins noch eine große Story im „SUN NEWS“ über die Neueröffnung des OCEANS, und spätestens dann ist eure Bar die angesagteste Adresse in Sunset City! Was willst du mit Mason, wo du doch einen tollen Kerl wie Dean an deiner Seite hast!“
„Ach der“, meinte Chelsea trotzig. „Der macht sich doch überhaupt nichts aus mir! Mason dagegen…“ Ihre grünen Augen blitzten schwärmerisch. „Er ist so… attraktiv... so männlich! Du hättest ihn unten am Strand erleben sollen.“
`Oh ja`, dachte Danielle erbittert. `Ich habe ihn erlebt, den wahren Mason!`
In Gedanken hörte sie noch einmal seine erpresserischen Worte, sah sein eiskaltes Lächeln und bekam sofort wieder eine Gänsehaut.
„Glaub mir, Chelsea, vielleicht war es ganz gut, dass du da unten eingesperrt warst“, sagte sie entschieden. „Wahrscheinlich ist dir auf die Art eine große Enttäuschung erspart geblieben.“
„Wie kannst du nur so etwas sagen“, beschwerte sich Chelsea entrüstet, während sie Danielle dabei half, die Tasche hinunter zu tragen. „Schließlich ist er Matts Zwillingsbruder.“
„Ja, kaum zu glauben“, murmelte Danielle, vermied jedoch weitere Bemerkungen, als draußen ein lautes Hupen ertönte.
„Matt ist da“, rief Luke, der in diesem Augenblick hereinkam. Er schnappte sich Danielles Tasche und hielt ihr fröhlich lachend die Tür auf.
„Dann mal los, hinein ins Abenteuer!“
Matt war ausgestiegen und gab Danielle einen Kuss.
„Sind Sie bereit mit mir durchzubrennen, Miss Belling?“, fragte er augenzwinkernd.
Sie schmiegte sich lachend in seinen Arm.
„So bereit, wie man nur sein kann!"
„Bring sie uns bloß heil zurück, Mann“, meinte Luke und klopfte Matt kameradschaftlich auf die Schulter.
„Und lasst keine Langeweile aufkommen“, fügte Chelsea grinsend hinzu.
„Darauf kannst du wetten“, gab Matt zurück und hielt Danielle die Wagentür auf. „Also dann, bis bald! In ein paar Tagen sind wir zurück!“
*
„Wo ist Mitch eigentlich die ganze Zeit?“, fragte Suki, während alle zusammen wieder ins Haus gingen. Heute war ihr freier Tag und sie hatte etwas enttäuscht festgestellt, als er nicht zum Frühstück erschienen war.
„Soviel ich weiß, hatte er einen Termin bei Edward Hamilton“, erklärte Luke. „Er sagte, er wolle wegen einer freien Stelle in der H&S ENTERPRISES nachfragen.“
„Er will in der HSE arbeiten?“, wunderte sich Suki.
Luke nickte.
„Wenn ich richtig verstanden habe, sucht Edward einen Piloten für den Privatjet der Firma.“
Dean, der in der Zeitung blätterte, blickte erstaunt auf.
„Die HSE kann sich einen Privatjet leisten? Alle Achtung, das hätte ich nicht erwartet.“
Luke hob gleichmütig die Schultern.
„Na ja, die Firma ist hier an der Südwestküste die Größte ihrer Art. Da gehört so etwas einfach zum Prestige, vermute ich.“
„Außerdem hat Edward Hamilton genug Geld, um sich solch einen Luxus leisten zu können“, fügte Suki hinzu.
„Woher weißt du das?“ fragte Chelsea neugierig.
Suki lächelte geheimnisvoll.
„Man hört so Einiges, vor allem, wenn man mal in der Pause mit den Krankenschwestern zusammen einen Kaffee trinkt“, verriet sie augenzwinkernd. „Edward ist wohl unbestritten der mächtigste Mann in Sunset City. Sein Ruf eilt ihm voraus.“
„Na ja“, erwiderte Luke, „Böse Zungen behaupten aber auch, seine Geschäfte wären mitunter nicht ganz legal, und wenn Matt ihm nicht ab und zu auf die Finger klopfen würde, wer weiß. Auf jeden Fall aber soll er ein brillanter Geschäftsmann sein, clever, kompromisslos und wenn es sein muss, knallhart. Und genau dasselbe sagen die Leute von seinem Bruder Andrew.“
„Tja, das wird sich erst noch zeigen“, schaltete sich Randy ein, der bisher geschwiegen hatte. „Clever, kompromisslos und knallhart – genau so einen Anwalt werde ich nämlich dringend brauchen.“
In diesem Moment flog die Tür auf, und Mitch sprang mit einem Satz die Stufen hinunter.
„Leute, Ihr werdet nicht erraten, wo ich gerade herkomme“, begrüßte er seine Mitbewohner aufgeregt.
Luke grinste.
„Bei dem Schwung, den du an den Tag legst, würde ich sagen, du hast den Job!“
Mitch stutzte.
„Was für ein Job?... Ach so, der…“, fiel es ihm Sekunden später wieder ein, als handle es sich hierbei um die nebensächlichste Sache der Welt. „Also das Gespräch wegen des Jobs muss noch warten, weil nämlich etwas passiert ist!“
„Was ist denn los? Nun rede schon, Mann“, meinte Luke ungeduldig.
Mitch holte tief Luft und straffte die Schultern.
„Es ist unglaublich! Ich war eben bei Edward Hamilton zu Hause. Stellt euch vor, heute Nacht ist seine Villa abgebrannt!“
*
Sophia saß auf dem Beifahrersitz ihres Sportwagens und schaute schweigend geradeaus. Während Caroline den Wagen die kurvenreiche Küstenstraße entlang steuerte, ließ sie selbst den gestrigen Abend in Gedanken noch einmal Revue passieren…
Auf dem Weg nach oben in Kellys Penthouse-Suite hatte Caroline kein Wort gesprochen. Mit zusammengepressten Lippen starrte sie vor sich hin. Egal, wie sehr sich Sophia auch bemühte, es trat keine Regung in das hübsche Gesicht ihrer Tochter. Sobald sich jedoch die Tür von Kellys Suite hinter ihnen schloss, fuhr sie herum und funkelte ihre Mutter wütend an.
„Das ist ja wohl das Letzte, Mom“, fauchte sie. „Du verschwindest einfach von zu Hause und lässt Daddy allein. Glaubst du wirklich, du bist die Einzige, die Probleme hat?“
„Nein, Schätzchen, das siehst du völlig falsch“, versuchte sich Sophia zu rechtfertigen, doch Caroline war noch nicht fertig.
„Daddy hat auch Probleme, aber er läuft wenigstens nicht davor weg“, rief sie anklagend und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen. „Er hat sich furchtbare Sorgen um dich gemacht! Und ich komme hierher und muss mit ansehen, wie du zu irgend so einem Galan ins Auto steigst!“
„Caroline, das war nicht so, wie es aussah…“
„Natürlich nicht“, lachte Caroline spöttisch. „Ich wette, es war sogar noch schlimmer! Ich habe euch beobachtet, in der Bar, als ihr miteinander getanzt habt! Gib doch zu, die nächste Station wäre sein Bett gewesen!“
„Caroline!“, rief Sophia schockiert. „Hör auf, solche Dinge zu sagen!“
„Weil du sie nicht hören willst? Oh nein, Mom, deswegen werde ich nicht schweigen. Ich bin kein kleines Kind mehr und werde nicht länger dabei zusehen, wie ihr euch gegenseitig fertigmacht, du und Daddy! Lieber ziehe ich zu Hause aus.“
Sophia sah, wie die Mundwinkel ihrer Tochter verdächtig zuckten und ging auf sie zu. Vorsichtig berührte sie ihre Schulter.
„Caroline, du bist wütend, das kann ich verstehen. Aber glaube mir, du siehst das völlig falsch.“ Sie überlegte kurz. „Woher wusstest du eigentlich, wo ich bin?“
„Von Tante Kelly“, erwiderte Caroline knapp. „Ich habe sie angerufen. Sie ist deine Freundin. Wo sonst hätte ich dich suchen sollen?“
„Oh…“, brachte Sophia nur heraus und fragte sich insgeheim, ob sie wirklich so leicht zu durchschauen war.
„Wie auch immer“, meinte Caroline und streifte die Hand ihrer Mutter mit einer energischen Bewegung ab. „Ich werde morgen nach Sunset City zurückfahren. Du hast die Wahl, zwischen diesem Mister Austin und den Menschen, denen du wirklich etwas bedeutest, deiner Familie. Ich werde dir die Entscheidung bestimmt nicht abnehmen, du musst selbst wissen, was du tust. Gute Nacht.“ Sie wandte sich um und rauschte hinaus.
An der Tür wäre sie fast mit Kelly zusammengeprallt.
Mit erstauntem Gesicht machte die Ältere Platz und schaute der davon stürmenden Caroline kopfschüttelnd nach.
„Deine Tochter sah aus, als hättet ihr beide eine recht angeregte Diskussion geführt“, bemerkte sie trocken und schloss die Tür.
Sophia funkelte sie wütend an.
„Kelly… Wie konntest du nur!“
„Wie konnte ich… was?“, fragte Kelly mit Unschuldsmiene und zog die bleistiftdünnen Brauen erstaunt in die Höhe.
„Wie konntest du Caroline sagen, wo ich bin!“
„Und wieso nicht, wenn ich fragen darf?“, erwiderte Kelly in harmlosem Plauderton. „Ich bin auf deiner Seite, das weißt du, aber das heißt nicht, dass ich deine Familie für dich anlüge.“
„Ich dachte immer, du bist meine beste Freundin!“
„Natürlich bin ich das.“
„Dann benimm dich gefälligst auch so!“, fauchte Sophia ungehalten.
„Wow“, entfuhr es Kelly, wobei sie mit den Händen wedelte, als hätte sie sich diese soeben verbrannt. „Was sind wir heute Abend gut gelaunt!“ Sie trat auf Sophia zu und blickte ihr mit ernster Miene ins Gesicht.
„Hör zu, meine Liebe, wenn der Begriff „beste Freundin“ für dich bedeutet, dass ich die Menschen, die dich lieben, anlügen soll, dann sollten wir die Basis unserer Freundschaft ernsthaft überdenken.“
Sophia spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss und räusperte sich verlegen.
„Entschuldige“, lenkte sie kleinlaut ein. „Mir geht nur momentan so viel im Kopf herum.“
„Vor allem ein Kerl namens Ron Austin…“, bemerkte Kelly trocken und schüttelte missbilligend ihre wilde Lockenmähne. „Sophia, ich kenne diesen Mann schon sehr lange, und genauso lange geht es mit seiner Ehe rauf und runter, aber keine…“ Sie hob den Zeigefinger „... hörst du, keine andere Frau würde ihm je mehr bedeuten als seine Estelle. Die beiden schlagen und vertragen sich wahrscheinlich bis an ihr Lebensende, und alles andere sind für ihn nur flüchtige Affären. Wenn du dich in deiner jetzigen Verfassung mit so einem Mann einlässt, dann schickt er dich unter Garantie noch viel weiter ins Tal der Tränen.“
Sophia sah sie entmutigt an.
„Und was soll ich deiner Meinung nach tun?“
Kelly grinste und zwinkerte ihr kameradschaftlich zu.
„Du schläfst dich erst einmal aus, und morgen früh packst du deine Sachen, steigst zu Caroline ins Auto und fährst mit ihr zurück. Dann gibst du deinem Nichtsnutz von Ehemann noch eine allerletzte Chance, und wenn er die nicht nutzt, weißt du ja, wo du die gute alte Kelly Morano findest!“
„Ich nehme an, du bist noch nicht auf den Gedanken gekommen, dich zu Hause zu melden“, holte Caroline ihre Mutter aus deren Gedanken. „Vielleicht sollte ich Daddy anrufen und ihm sagen, dass wir auf dem Heimweg sind.“
Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr sie auf den Randstreifen und stoppte den Wagen. Mit einem kurzen Seitenblick auf Sophia, die wortlos ihr vom Fahrtwind verwehtes Haar ordnete, kramte sie ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer ihres Vaters in dessen Büro.
*
Edward saß hinter dem schweren Eichenschreibtisch in seinem Büro und hatte den Kopf zwischen seinen Händen vergraben. Als Elisabeth ihn über die Sprechanlage besorgt fragte, ob sie irgendetwas für ihn tun könne, lehnte er widerwillig ab.
„Danke Liz. Ich bin momentan für niemanden zu sprechen, weder telefonisch noch persönlich. Es sei denn, die Männer vom Brandschutzdezernat oder die Polizei haben Fragen bzw. Neuigkeiten irgendwelcher Art“, ordnete er entschieden an und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: „Und falls meine Tochter sich meldet, stellen Sie den Anruf sofort durch!“
„In Ordnung, Mr. Hamilton“, erwiderte Elisabeth und nach einem kurzen Knacken in der Leitung der Sprechanlage war es wieder still im Zimmer.
Edward starrte vor sich hin.
Seine Gedanken wanderten zurück zu den Geschehnissen der letzten Nacht…
Zusammen mit diesem jungen Mann – Brendon - hatte er verzweifelt die gesamte obere Etage seiner Villa nach Caroline abgesucht, jedoch ohne Erfolg. Sie war wie vom Erdboden verschwunden.
Die Beamten der Feuerwehr hatten die beiden Männer gewaltsam aus dem Haus bringen müssen, da sie sich weigerten, die Suche abzubrechen, und erst, als die Feuerwehrleute selbst unter Einsatz ihres Lebens noch einmal alles durchsucht hatten und ihnen versicherten, dass sich wirklich niemand mehr in den Räumen befand, konnten die Löscharbeiten beginnen. Durch die Suche war zusätzlich wertvolle Zeit verstrichen, so dass das Feuer die Villa ziemlich übel zugerichtet hatte.
Die obere Etage schien zwar noch intakt, war jedoch vom Löschwasser völlig ruiniert, während unten nur noch die Grundmauern standen, so dass der Chef des Brandschutzdezernates nach Ende des Einsatzes bedauernd erklärte, ein Abriss des Hauses werde wohl nicht zu vermeiden sein. Edward hatte daraufhin später, als er die Ruine betreten durfte, den Safe geleert und die persönlichen Wertsachen in sein Bankschließfach gebracht, wo sie erst einmal sicher waren. Alles andere erledigten seine Leute für ihn. Sie waren zurzeit dabei, die wenigen Sachen, die noch einigermaßen zu verwenden waren, in eine der Lagerhallen der Firma zu bringen. Er selbst hatte vorerst die Penthouse- Suite im PACIFIC INN für sich und seine Familie gebucht.
Zum Glück hielt sich Rosita zur Zeit des Brandes nicht in ihrem Zimmer auf, sie hatte ihren freien Tag dazu genutzt, um ihrer Schwester in San Diego einen Besuch abzustatten.
Edward erwartete sie erst gegen Nachmittag zurück.
Stirnrunzelnd dachte er daran, wie er mit Brendon hinter der Absperrung, die die Polizisten noch während des Feuers in aller Eile errichtet hatten, ausharren und hilflos mit ansehen musste, wie die Männer in ihren Schutzanzügen gegen die Flammen kämpften, die sich unaufhaltsam durch sein schönes Haus fraßen. Es dauerte eine Ewigkeit, aber dann nahm der Wasserstrahl dem Feuer allmählich die Luft, während dicker schwarzer Rauch in den nächtlichen Himmel stieg.
Edward war wie betäubt gewesen.
„So, das wär`s, Leute, mehr können wir im Augenblick nicht tun“, drang irgendwann die Stimme des Einsatzleiters an sein Ohr.
Inzwischen war auch Detektiv Stefano Cortez vom örtlichen Polizeirevier eingetroffen und stellte ihm verschiedene Fragen, die er mehr oder weniger mechanisch beantwortete.
Ihn selbst beschäftigte momentan nur eine einzige Frage:
Wo war Caroline?
„Es ist ihr nichts passiert, Mr. Hamilton“, hörte er Brendons Stimme, als die Polizisten schließlich fort waren und nur eine Wache an der Brandstelle zurückgelassen hatten.
„Woher wollen Sie das wissen?“, fragte Edward überrascht und sah den jungen Mann, der unmittelbar neben ihm stand, zum ersten Mal in dieser Nacht direkt an.
„Na ja… ich habe zwei Männer weglaufen sehen… Aber sie waren allein, sie haben Cary nicht entführt… Glauben Sie mir, sie muss irgendwo anders sein“, stammelte der Junge erschrocken, als habe er mit dem eben Gesagten ein Geheimnis preisgegeben.
Sofort hellhörig geworden packte Edward Brendon am Revers seiner Jacke.
„Raus mit der Sprache, Freundchen, was ist hier los? Was genau haben Sie gesehen?“
„Ich habe… Na ja, ich war…“
„Jetzt verstehe ich“, knurrte Edward grimmig und ließ den jungen Mann los. „Sie waren das, Sie sind in besagter Nacht mit Caroline am Strand gewesen und haben diese Männer gesehen, die für den Mord verantwortlich sind!“ Er schnaufte verächtlich. „Aber anscheinend waren Sie zu feige, die Aussage meiner Tochter zu stützen! Stattdessen haben Sie sie lieber ins offene Messer laufen lassen!“
„Nein!“, beeilte sich Brendon zu sagen. „Nein, Mr. Hamilton, so war es nicht, ganz ehrlich…Bitte glauben Sie mir, ich… ich wusste doch gar nicht, dass Caroline eine solche Aussage gemacht hat!“
„Erzählen Sie keine Märchen! Die erste Sensation in Sunset City war der Mord am Strand, und die zweite war die überraschende Zeugenaussage meiner Tochter, mit der sie diesen Randy Walker schützen wollte“, giftete Edward ungehalten. „Ich gebe zu, das war reichlich unüberlegt von ihr, aber anstatt ihr beizustehen, haben Sie es vorgezogen, sicherheitshalber erst einmal von der Bildfläche zu verschwinden. Habe ich Recht?“
Edward spürte förmlich, wie Brendon krampfhaft nach einer Ausrede suchte. Nervös faselte er etwas von einem heimlichen Treffen am Strand, und dass vorerst niemand von ihrer Freundschaft erfahren sollte. Auch hätte er erst später von Carolines Aussage auf dem Revier erfahren.
Edward glaubte ihm kein Wort.
„Und warum sind Sie nicht direkt zur Polizei gegangen?“, hakte er misstrauisch nach.
„Deswegen bin ich doch hier“, versuchte Brendon aufgeregt sein Auftauchen an diesem Abend zu erklären. „Ich wusste nicht, ob es ihr recht ist, wenn alle erfahren, dass wir… ich meine…“
„Caroline hat ihr Leben unüberlegt in höchste Gefahr gebracht, das sollte Ihnen klar sein“, unterbrach ihn Edward äußerst ungehalten und schien ihn mit seinen Blicken zu durchbohren. „Da dürfte wohl das kleinere Übel darin bestehen, zugeben zu müssen, dass ihr beide ein heimliches Rendezvous hattet.“
„Ja… ähm, nein, natürlich nicht, Sir“, stotterte der junge Mann dümmlich und versprach eilig, sich auf dem Revier zu melden und Carolines Aussage durch seine eigene zu stützen.
Edward gab sich damit jedoch noch nicht zufrieden.
„Und Sie haben vorhin, als Sie hierher kamen, diese Männer gesehen? Dieselben, die Sie am Strand belauscht haben?“
„Na ja, so genau auch wieder nicht. Eigentlich habe ich nur zwei Gestalten weglaufen sehen, nachdem diese eine Fensterscheibe zerbrochen und etwas Brennendes ins Haus geworfen hatten. Ich vermutete, dass es die beiden Männer gewesen sein könnten, vielleicht ein Racheakt… Aber wie schon gesagt, wenn sie Caroline entführt hätten, dann wäre mir das aufgefallen. Die zwei waren allein.“
„Okay.“ Edward warf einen resignierten Blick auf sein ausgebranntes Haus. „Dann geben Sie das bitte mit zu Protokoll, wenn Sie später Ihre Aussage machen. Die Fahndung nach den beiden Kerlen läuft ja ohnehin schon auf Hochtouren. Hoffentlich werden sie bald geschnappt, dann erfahren wir vielleicht, wer die Drahtzieher der ganzen Aktion gewesen sind.“
Damit war die Sache für ihn erledigt, auch wenn dieser Brendon nach seinen letzten Worten wie ein begossener Pudel dastand und nach Luft rang.
Was für einen Jammerlappen hatte seine Tochter sich da nur angelacht!
Wenn diese ganze Misere ausgestanden war, würde er sich persönlich darum kümmern, dass Caroline die kleine Liaison schneller beendete, als dieser Kerl ihren Namen buchstabieren konnte.
Edward erinnerte sich auch, dass irgendwann plötzlich Corey hinter ihnen gestanden hatte.
„Dad, was ist hier los? Was um alles in der Welt ist denn passiert?“, fragte sein Sohn außer sich vor Sorge, während er fassungslos von einem zum anderen blickte.
„Vermutlich ein Brandanschlag.“, erwiderte Edward knapp. „Und wo kommst du jetzt her, mitten in der Nacht?“
„Ich war mit ein paar Freunden in South Bay, als irgendwer erzählte, in Sunset City sei ein Feuer ausgebrochen, in einer der Villen am Strand. Da bin ich sofort hergekommen… Geht es dir gut, Dad?“
„Natürlich geht es mir gut“, antwortete Edward etwas unwirsch, was Brendon darauf schließen ließ, dass das Verhältnis zwischen Vater und Sohn nicht das Beste zu sein schien.
Für einen kurzen Augenblick empfand er Mitleid mit Corey. Es war bestimmt nicht einfach mit einem Vater wie Edward…
„Wir haben nach Caroline gesucht, nachdem das Feuer ausgebrochen war, konnten sie jedoch nirgends finden“, erklärte er schnell.
Corey kniff ungläubig die Augen zusammen.
„Cary? Ihr sucht nach Cary? Ja aber… die ist doch nach L.A. gefahren, zu Tante Kelly!“
„Waaas?“ Edward fuhr herum. „Woher weißt du das?“
Corey zog nur gleichgültig die Augenbrauen nach oben.
„Na, weil sie es mir gesagt hat, kurz bevor ich aus dem Haus gegangen bin.“
Edward packte seinen Sohn bei den Schultern.
„Was genau hat sie dir gesagt, Corey? Wieso wollte sie nach L.A.?“, fragte er eindringlich.
Corey befreite sich unwillig aus dem Griff seines Vaters.
„Mach hier nicht gleich einen Aufstand, Dad“, meinte er und zog sein Sweatshirt glatt. „Sie hat Tante Kelly angerufen und erfahren, dass Mom sich dort aufhält. Genau weiß ich auch nicht, was Kelly gesagt hat, aber Cary hatte es auf einmal furchtbar eilig. Sie wusste, wenn sie dir davon erzählt hätte, würdest du dich nur wieder fürchterlich aufregen und ihr vielleicht verbieten, hinzufahren. Sie hat dir einen Zettel auf den Tisch in der Diele gelegt, dann ist sie mit Moms Wagen los.“ Corey hielt inne und griff sich plötzlich an die Stirn. „Ja klar, den Zettel konntest du natürlich nicht finden, als es im Haus brannte! Kein Wunder, dass du so in Sorge warst!“
Edward atmete tief durch und ließ sich auf einen der Gartenstühle fallen. Der teure Stoffbezug war feucht vom Löschwasser, aber das interessierte ihn nicht.
„Mein Gott…“, stöhnte er. „Was für ein Albtraum!“
Corey trat auf seinen Vater zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Komm mit, Dad, wir übernachten im PACIFIC INN, Hier können wir sowieso im Moment nichts tun. Es ist ja zum Glück niemand von uns zu Schaden gekommen, das ist das Wichtigste. Alles andere ist zu ersetzen.“
Edward nickte und erhob sich.
„Du hast recht, Corey“, sagte er leise, und seine Stimme klang seit langer Zeit einmal wieder etwas versöhnlich. „Caroline ist nichts geschehen. Ich bin so froh… Komm, lass uns gehen.“
Edward schreckte aus seinen Gedanken hoch, als die Wechselsprechanlage summte, und kurz darauf Elisabeths Stimme erklang:
„Mr. Hamilton, Ihre Tochter auf Leitung 1…!“