„Brendon!“
Danielles Stimme war eine Mischung aus grenzenlosem Erstaunen und Entsetzen zugleich. Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn fassungslos an.
„Was tust du hier?“
„Hi Danielle“, erwiderte er in einem gespielt harmlosen Tonfall, als sei er nur eben mal kurz weg gewesen. „Hier hast du dich also versteckt.“
Überlegen lächelnd beugte er sich vor, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben, doch Danielle schien sich in diesem Augenblick von ihrem Schrecken erholt zu haben. Mit einer Kraft, die er ihr gar nicht zugetraut hätte, stieß sie ihn weg, so dass er Mühe hatte, nicht zu stürzen.
„Verschwinde“, fauchte sie wütend. „Es hat niemand verlangt, dass du nach mir suchen sollst.“
„Ja aber... Was soll denn das?“ Eilig strich er seine Jacke glatt und versuchte krampfhaft ein cooles Lächeln aufzusetzen, was ihm jedoch gründlich misslang. Als er sah, dass sie ihre Augen drohend zusammenkniff, hob er abwehrend die Arme. „Dani.. hör mal…, ich meine, was ist denn schon passiert, Schatz? Gut, wir hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit und ich gebe zu, ich habe vielleicht ein paar Fehler gemacht… Aber wegen dieser Lappalie musst du doch nun wirklich nicht so...“
„Lappalie?“ Danielle und rang sichtlich um ihre Fassung. „Das Ganze war für dich eine kleine Meinungsverschiedenheit? Du verdammter Mistkerl hast mich mit meiner besten Freundin betrogen, und das auch noch am Morgen vor unserer Hochzeit!“
Nervös sah Brendon sich um und legte den Finger an die Lippen.
„Nun werde doch nicht gleich hysterisch, das muss doch nicht die halbe Stadt hören!“
Danielle atmete tief durch, um sich ein wenig zu beruhigen. Abweisend musterte sie ihren Ex-Verlobten, wie der mit diesem selbstgerechten Grinsen vor ihr stand, und urplötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Nein, sie hatte sich gestern an der Strandpromenade nicht geirrt, als sie einen Augenblick lang glaubte, ihn gesehen zu haben, bei Sonnenuntergang, mit irgendeiner Blondine im Arm.
Verächtlich schüttelte sie den Kopf.
Glücklicherweise hatte sie vor Monaten in Crawford seinen Charakter erkannt, bevor es zu spät war. Inzwischen war sie absolut sicher, dass er sich nie ändern würde. Glücklicherweise war sie sich über eines im Klaren: Es war ihr egal.
„Geh nach Hause, Brendon“, sagte sie leise, aber bestimmt. „Genieße deine Freiheit, lebe dein Leben und vergiss mich. Ich habe dich schon vergessen.“
Das saß.
Sein überhebliches Lächeln verschwand schlagartig, als er begriff, dass er verspielt hatte. Aber so schnell wollte er nicht aufgeben. Blitzschnell packte er sie bei den Schultern und schüttelte sie unsanft.
„Verdammt, wach auf, Danielle“, rief er. „Du gehörst zu mir, das wissen wir beide, und deshalb wirst du sofort mit diesem Blödsinn aufhören und mit mir nach Hause zurückkommen!“
„Nimm deine Hände von ihr!“
Mitch war unbemerkt hinzugetreten, hatte sich mit bedrohlicher Miene beschützend wie ein Bodyguard neben Danielle aufgebaut und warnend die Arme vor der Brust verschränkt. „Wer ist der Kerl und was will er von dir?“, fragte er sie, während er Brendon drohend fixierte.
„Halten Sie sich gefälligst da raus“, fauchte dieser, ließ aber augenblicklich die Hände sinken.
Danielle warf Mitch einen vielsagenden Blick zu.
„Darf ich dir Brendon Finley vorstellen, meinen Ex- Verlobten aus Oklahoma?“
Mitch atmete tief ein und maß den jungen Mann vor sich mit finsterem Blick.
„Du bist also dieser Mistkerl aus Oklahoma?“
„Was zum Teufel geht dich das an? Verschwinde!“
„Okay, ich werde mich nur kurz vorstellen. Ich bin Mitch Capwell. Merk dir den Namen gut, mein Junge, denn wenn du sie noch einmal anfasst, wirst du ihn hinterher heulend buchstabieren.“
Brendon brauchte einen Augenblick, um das eben Gehörte zu verdauen, doch dann ging er mit einem Wutschrei wie ein Besessener auf Mitch los. Der wiederum schien nur auf eine derartige Reaktion gewartet zu haben. Blitzschnell wich er dem Angriff aus und versetzte Brendon seinerseits einen Kinnhaken, der diesen aus den Schuhen hob. Er taumelte rückwärts, suchte vergebens irgendwo nach einem Halt und ging recht unspektakulär zu Boden.
„So, das wäre erledigt. Der macht heute garantiert keinen Ärger mehr“, meinte Mitch und rieb sich die Hände. „Entschuldige, Dani, aber ich konnte nicht anders. Alles klar?“
Sie stand wie erstarrt und schaute auf Brendon, der am Boden saß und fassungslos sein misshandeltes Kinn betastete. Ihre eigene Stimme klang fremd in ihren Ohren, als sie schließlich ohne jede Gefühlsregung sagte:
„Verschwinde Brendon. Ich will dich hier nie mehr sehen.“
Mitch warf ihr einen einigermaßen erstaunten Blick zu. Er hatte sie noch nie so erlebt und ihre Reaktion zeigte ihm deutlich, wie sehr dieser Mann sie mit seinem Verhalten damals verletzt haben musste.
„Komm“, sagte er leise und nahm ihren Arm. „Vergiss, was war. Hier in Sunset City ist deine Zukunft. Du wirst schon sehen.“
Sie nickte nur stumm, ohne Brendon noch eines Blickes zu würdigen.
Und während sie Mitch wieder hinein zu den anderen folgte, dachte sie plötzlich daran, dass Matt sich immer noch nicht gemeldet hatte.
*
Bobby Hughes, der zufällig vorbeikam und die kleine Szene mitbekommen hatte, trat neugierig näher. Der junge Mann hier schien neu in der Stadt zu sein, er hatte ihn jedenfalls noch nie vorher hier gesehen. Wer weiß, vielleicht konnte der ihm noch von Nutzen sein...
„Wie ich sehe, bist du ebenfalls ein Fan von Mitch Capwell?“, meinte er und trat näher, während er ihm die Hand zum Aufstehen bot.
Ächzend erhob sich Brendon, die Hilfe Bobbys ignorierend.
„Was willst du?“, knurrte er unfreundlich und begann umständlich, seine vom Straßenstaub beschmutzten Hosen zu säubern.
„Bobby Hughes“, stellte dieser sich vor und hielt ihm immer noch die Hand hin, die Brendon schließlich zögernd ergriff.
„Brendon Finley“, erwiderte er und beäugte sein Gegenüber misstrauisch, während er vorsichtig seine schmerzende Kinnlade befühlte.
„Dieser Capwell hat einen ziemlich harten Schlag drauf“, kommentierte Bobby.
Brendon lachte abfällig.
„Ach was, wäre ich darauf vorbereitet gewesen, hätte der Typ keine Chance gehabt.“
Bobby maß ihn mit einem abschätzenden Blick und grinste breit.
„Na, wie auch immer“, lenkte er ein. „Jedenfalls gehörst du nach dieser Attacke offiziell zum Capwell-Fanclub. Genauso wie ich.“ Er biss grimmig die Zähne zusammen, als er an den Vorfall vor Annis Haustür dachte. „Ich habe nämlich auch noch eine Rechnung mit dem Kerl offen.“
„Ach ja?“ Brendon fuhr sich über die Stirn und tat, als interessiere ihn die Sache nicht weiter. „Dann solltest du deine Schulden begleichen. Ich für meinen Teil pflege meine Rechnungen immer so bald wie möglich zu bezahlen.“
„Genau wie ich“, meinte Bobby. „Wir sollten uns zusammentun, dann bekommt er seine Quittung und noch ein paar Extra-Zinsen obendrauf. Was hältst du davon?“
„Nicht viel“, knurrte Brendon argwöhnisch. „Wer sagt mir, dass du mich nicht auch reinlegen willst?“
Bobby hob scheinbar gleichgültig die Schultern.
„Warum sollte ich? Ich meine, was hätte ich davon, dich in eine Falle zu locken? Ich will dem Kerl nur zu gern den Denkzettel verpassen, den er verdient, weil er sich ständig in Dinge einmischt, die ihn nichts angehen. Und zu zweit macht die Sache doch viel mehr Spaß!“
Brendon fuhr sich mit den Fingern durch sein kurzes, honigblondes Haar. Die Wut über die eben erlebte Blamage saß tief. Dieser Kerl sollte ihn ganz sicher nicht umsonst vor Danielle gedemütigt haben.
„Also gut, warum nicht“, stimmte er schließlich zu.
„Dann sollten wir die Angelegenheit vielleicht bei einem Drink besprechen“, meinte Bobby und klopfte Brendon einladend auf die Schulter. „Komm, mein Freund, ich gebe einen aus.“ Mit einer abfälligen Kopfbewegung wies er auf das OCEANS. „Aber nicht in dieser Spelunke. Gehen wir woanders hin, wo es gemütlicher ist.“
Brendon warf noch einen letzten finsteren Blick auf die verschlossene Eingangstür der Tanzbar und folgte Bobby Hughes die Straße hinunter.
*
Seufzend ließ sich Danielle auf einem der Barhocker nieder und nickte Chelsea, die ihr eine Tasse Kaffee eingegossen hatte, dankend zu.
Mitch setzte sich zu ihr und betrachtete sie prüfend.
„Alles in Ordnung mit dir?“
Sie lächelte kopfschüttelnd.
„Ja… nein…ist schon okay. Danke, dass du mir geholfen hast.“
„Kein Ding. Für dich immer. Er hatte es mehr als verdient.“
Nachdenklich rührte Danielle in ihrem Kaffee.
„Weißt du, eigentlich war Brendon gar kein so übler Kerl, nie hinterhältig oder gemein, bei allen beliebt, der nette Kerl, den jeder mochte. Na ja, bis auf diese eine Sache. Aber wer weiß, vielleicht hat er mich ja auch vorher schon die ganze Zeit belogen und betrogen.“
Mitch zog die Stirn in Falten.
„Ich dachte, du bist inzwischen darüber hinweg.“
Danielle seufzte.
„Das bin ich auch, aber die Art und Weise, wie er nach allem, was zwischen uns geschehen ist, so siegessicher vor mir stand und meinte, es sei doch alles nur ein Missverständnis gewesen... Ich hätte ihn erwürgen können! Hoffentlich verschwindet er so bald wie möglich wieder aus der Stadt, damit ich ihm nicht dauernd begegnen muss.“
„Das hoffe ich auch, für ihn“, erwiderte Mitch und rührte nun seinerseits in seinem Kaffeepott. „Ach übrigens, Matt hat vorhin angerufen und wollte dich sprechen. Auf dem Handy hat er dich nicht erreicht.“
Danielle sah ihn mit großen Augen an.
„Oh stimmt, das liegt noch in meinem Zimmer. Hast du ihm gesagt, wo er mich findet?“
„Ja, aber er schien es sehr eilig zu haben und meinte nur, er müsse zu einem dringenden Geschäftstermin. Ich soll dich grüßen. Er meldet sich bei dir, wenn er wieder zurück ist.“
„Mehr hat er nicht gesagt?“
Mitch hörte die Enttäuschung in ihrer Stimme und schüttelte bedauernd den Kopf.
„Leider nicht. Aber so wie ich ihn kenne, würde ich sagen, das ist eine typische Reaktion von ihm.“
„Wie meinst du das?“
„Na ja, wie soll ich sagen…“ Vorsichtig suchte Mitch nach den richtigen Worten. „Matt ist seit der Trennung von Marina keine feste Beziehung mehr eingegangen. Es schien fast so, als hätte er Angst davor, wieder verletzt zu werden. Aber an dir scheint ihm eine Menge zu liegen, denn er ist richtig aufgetaut, seitdem er dich kennt.“
„Und weshalb zieht er sich dann immer wieder zurück?“
„Mit euch beiden, das ging alles ziemlich schnell. Vermutlich hat er so eine Art Panik bekommen und muss sich erst über seine Gefühle klar werden.“
„Bist du sicher, dass sein Verschwinden nichts damit zu tun, dass seine Ex- Frau plötzlich wieder aufgetaucht ist?“
„Nein, sicher nicht. Er hat ihr zwar lange nachgetrauert, aber ich glaube kaum, dass er wieder mit ihr leben will. Er vertraut ihr nicht mehr.“
„Aber vielleicht liebt er sie noch.“
„Danielle“ Mitch beugte sich vor, legte seine Hände auf ihre Schultern und sah sie eindringlich an. „Glaub mir, ich kenne Matt schon, seitdem er damals von England hierhergezogen ist. Er ist ganz sicher keiner von der Sorte, der einer Frau falsche Hoffnungen machen würde.“
„Ich hoffe, du hast Recht.“
Sie drehte den Kopf, als sie Stimmen von der Eingangstür hörte. Erschrocken griff sie nach Mitchs Arm.
„Wir haben Besuch“, sagte sie leise und blickte bedeutungsvoll in die Richtung, aus der die Stimmen kamen. „Wenn man vom Teufel spricht...“
Auf der Treppe stand die Reporterin Alena und neben ihr, mit einer Staffelei unter dem Arm, Marina Cortez-Shelton.
*
„Na sieh mal einer an, die kleine Kimmy“, meinte der ungepflegt wirkende, leicht untersetzte Glatzkopf mittleren Alters, schob das sichtlich erschrockene junge Mädchen mit einem bösartigen Grinsen einfach zur Seite und trat unaufgefordert ins Zimmer.
Er trug eine abgewetzte Jeansjacke, ausgebeulte, dreckige Jeans und roch nach abgestandenem Zigarettenrauch und Alkohol.
„Dad...“, stammelte Kim fassungslos und klammerte sich Hilfe suchend an den Türrahmen. „Was tust du hier... und ... Wie hast du... mich gefunden?“
„Tja, das war gar nicht so einfach, und es hat mich eine Menge Zeit und Geld gekostet, herauszufinden, wo du kleines Miststück dich verkrümelt hast. Allerdings hättest du es besser wissen müssen: Niemand entkommt Roger Thorne ...“ Er ließ sich in den Sessel fallen und streckte die Beine von sich.
Scout spürte mit seinem sicheren Instinkt die Gefahr. Er umkreiste den Eindringling und kläffte ihn dabei wütend an.
„Hau ab, du blödes Vieh!“, rief dieser genervt und trat nach dem Hund.
„Lass ihn in Ruhe!“ Kim sprang hinzu und nahm Scout schützend in den Arm. Sie zitterte mindestens ebenso wie er, als sie atemlos fragte: „Was hast du jetzt vor?“
Ein hämisches Lachen war die Antwort.
„Gute Frage... Was meinst du wohl, was ich jetzt vorhabe?“
Mit einer Geschwindigkeit, die man ihm gar nicht zugetraut hätte, schnellte er aus dem Sessel hoch und packte Kim derart grob an den Schultern, dass sie Scout vor Schreck fallen ließ.
Winselnd verkroch sich der kleine Hund unter dem Bett.
„Du wirst ohne großes Theater mit mir nach Hause kommen, wo du hingehörst, aber vorher solltest du erst einmal eine ordentliche Tracht Prügel beziehen für die Frechheit, einfach abzuhauen!“, brachte er knurrend zwischen den Zähnen hervor. Seine Hände hielten sie wie Schraubstöcke und taten ihr weh, und von seinem Atem, der widerlich nach billigem Fusel und Bier stank, wurde ihr ganz schlecht.
„Dad, bitte nicht...“ flehte sie, als sie der erste Schlag erbarmungslos im Gesicht traf. Mit einem Aufschrei flog sie rückwärts gegen die Wand und kauerte sich dort wimmernd zusammen, die Hände schützend über den Kopf haltend. Doch mit zwei Schritten war der ungebetene Besucher bei ihr und zog sie brutal wieder hoch.
„Nein!“ schrie Kim und versuchte sich zu wehren, aber sie hatte gegen seine ungezügelte Wut keine Chance.
„Das hättest du dir früher überlegen sollen, du Früchtchen, ich werde dir das Streunen ein für alle Mal austreiben! Wen hast du eigentlich vorhin erwartet, du kleine Schl... “, fauchte er und holte bereits zum nächsten Schlag aus, als ihm plötzlich eine ihm unbekannte Stimme Einhalt gebot.
„Schluss damit! Sie sollten sich genau überlegen, was Sie als Nächstes tun, Mister! Es könnte Sie sonst teuer zu stehen kommen!“
Er hielt mitten in seiner Bewegung inne und fuhr herum.
In der Tür stand Becky, und Kims Stiefvater starrte geradewegs in die Mündung einer doppelläufigen Schrotflinte, die sie drohend in Anschlag hielt.
*
„Schaut mal, wen ich euch zur Unterstützung mitgebracht habe“, rief Alena und kam mit Marina im Schlepptau zum Tresen herüber. „Darf ich vorstellen: Marina Cortez- Shelton, die Künstlerin, von der ich euch erzählt habe. Ich habe ihr von den Renovierungsarbeiten erzählt und sie hat sich bereiterklärt, euch zu helfen. Sie wird die Wand hinter der Bar so gestalten, wie ihr es vorgeschlagen habt.“
„Hey, super!“ Dean trat hinzu und reichte Marina die Hand. „Dean Lockwood, freut mich sehr, Sie kennenzulernen! Vielen Dank, dass Sie uns helfen wollen. Wir können momentan jede Hilfe gebrauchen, vor allem von einer echten Künstlerin.“
Marina lächelte geschmeichelt.
„Keine Ursache, das mache ich doch gerne. Ich fürchte nur, Alena hat etwas übertrieben, was meine künstlerischen Fähigkeiten angeht. Ich male ausschließlich in meiner Freizeit, sozusagen als Hobby und zur Entspannung.“
Dean erwiderte ihr Lächeln.
„Ich bin vollkommen sicher, Alena hat genau die richtige Auswahl getroffen. Möchten Sie einen Kaffee?“
„Lieber einen Eistee, wenn es keine Umstände macht.“ Marina setzte sich auf einen der Barhocker und schaute freundlich in die Runde. Als sie Danielle erblickte, zog ein Lächeln des Wiedererkennens über ihr Gesicht. „Hallo... schön Sie wiederzusehen.“
„Ja, freut mich auch“, antwortete Danielle etwas zurückhaltend.
„Ihr beide kennt euch?“, wunderte sich Dean.
Marina nickte.
„Die junge Dame hat einen hervorragenden Geschmack, was Mode, Farben und Eleganz betrifft. Sie hat mir neulich wirklich sehr geholfen.“
„Ach was, das war doch kaum der Rede wert“, wehrte Danielle hastig ab und wechselte heimlich einen bedeutungsvollen Blick mit Mitch.
Chelsea, der nicht entgangen war, dass Dean von dieser vermeintlichen Malerin ziemlich angetan zu sein schien, goss Eistee in ein Glas und schob es über den Tresen.
„Bitteschön, bedienen Sie sich. Und danke, dass Sie Dean und mir helfen wollen. Ich bin übrigens Chelsea, Deans Partnerin.“
„Meine Geschäftspartnerin“, ergänzte er sofort, was ihm einen äußerst giftigen Blick aus Chelseas grünen Augen einbrachte.
Marina, der diese Reaktion ebenfalls nicht entgangen war, unterdrückte mühsam ein Lachen. Stattdessen nippte sie an ihrem Tee und wandte sich dann erneut an Dean.
„Vielleicht könnten Sie mir nachher ausführlich beschreiben, wie Sie sich die Gestaltung der Wandseite vorstellen. Ich mache mir eine Skizze dazu, und wenn Sie damit einverstanden sind, werde ich mit dem Bild beginnen. Alena sagte mir, dass Sie das OCEANS bereits am Wochenende eröffnen wollen. Daher sollten wir keine Zeit verlieren, damit noch alles rechtzeitig fertig wird.“
„Hört sich gut an“, nickte Dean. „Allerdings wäre es besser, wenn Chelsea Ihnen das Bild beschreiben würde. Ich denke, sie hat da genauere Vorstellungen als ich.“
„Keine Zeit", erwiderte diese abweisend. „Ich habe noch zu tun."
Dean zog peinlich berührt von dieser offensichtlichen Abfuhr die Stirn in Falten, sagte jedoch nichts, sondern wandte sich hilfesuchend an Danielle.
„Könntest du dann vielleicht...?"
„Natürlich.“ Danielle erhob sich und nickte Marina zu. „Sagen Sie mir einfach Bescheid, wenn Sie anfangen möchten.“
Sie ging hinüber zu Chelsea, die sich plötzlich sehr intensiv mit dem Abreißen der alten Tapeten beschäftigte.
„Warum hast du dich so schnell verkrümelt?“, fragte sie leise.
Chelsea schnaufte ärgerlich und verdrehte die Augen.
„Ich kann diese Künstlerseele nicht ausstehen! Irgendwie sagt mir mein Instinkt, dass ihr rühriges Lächeln nicht echt ist. Hast du bemerkt, wie sie Dean angeschmachtet hat? Ich bin sicher, sie hat es auf ihn abgesehen!“ Wütend fetzte sie ein langes Tapetenstück von der Wand, hielt dann nachdenklich inne und blickte ihre Freundin prüfend an. „Und was ist mit dir, Schätzchen? Wie fühlst du dich gemeinsam in einem Raum mit Matts Ex?“
„Befangen“, gestand Danielle und hob etwas ratlos die Schultern. „Marina weiß nicht, dass Matt und ich uns kennen.“
Chelsea zog bedeutungsvoll die Augenbrauen hoch.
„Und du möchtest, dass das auch so bleibt, habe ich recht?“
„Ja, zumindest vorerst.“
„Klar“, nickte Chelsea verständnisvoll. „Ich werde es ihr bestimmt nicht auf die Nase binden! Aber sei vorsichtig und denk an meine Worte. Trau ihr nicht!“
*
Marina machte sich mit Feuereifer an die Arbeit. Nach Danielles Beschreibung entstand im Handumdrehen auf ihrer Staffelei eine sehr eindrucksvolle Skizze.
„Und, was meinen Sie?“, fragte sie, als sie fertig war.
„Sehr schön“, urteilte Danielle, die nebenbei eifrig Gläser und Tassen polierte. „Genauso habe ich mir das vorgestellt. Ich glaube, wenn Sie das Wandbild auch so hinbekommen, werden sich die Gäste wie verrückt um die Musikanlage drängen.“
Marina lachte.
„Wie gefällt es Ihnen eigentlich in Sunset City?“, fragte sie interessiert, während sie ihre Farbutensilien auspackte und mit einigen Punkten die Einteilung der Wand markierte.
„Eine schöne Stadt“, erwiderte Danielle vage. „Mit einer äußerst verheißungsvollen Legende.“
„Oh ja, da haben Sie recht. Glauben Sie an solche romantischen Geschichten?“
„Ja, manchmal schon.“
Marina warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu.
„Ich auch. Deshalb hat es mich wahrscheinlich auch wieder hierher zurückgezogen. Ich liebe Sun City! Meine Mutter und mein älterer Bruder leben hier, und ich selbst bin nach einer längeren Europareise zurückgekehrt und habe mir eine Wohnung am Ocean Drive gemietet, mein eigenes kleines Reich.“
„Das freut mich für Sie“, erwiderte Danielle mit etwas verhaltener Begeisterung.
„Bei mir hat die Legende übrigens vor Jahren funktioniert“, fuhr Marina im Plauderton fort. „Ich traf damals bei Sonnenuntergang am Strand tatsächlich den Richtigen. Er war meine erste große Liebe.“
`Matt!`, dachte Danielle und schluckte.
„Was ist daraus geworden?“, fragte sie vorsichtig.
„Wir haben uns getrennt“, antwortete Marina und rührte ihre Farben um. „Aber momentan erlebe ich die Liebe wieder neu.“ Ihre Augen nahmen einen eigenartigen Glanz an, der Danielle zutiefst verunsicherte.
„Und... haben Sie Ihre neue Liebe in Europa kennengelernt?“, fragte sie gespannt.
Marina lachte fröhlich.
„Oh nein. Er und ich, wir waren zwar eine Zeitlang getrennt, aber ich liebe ihn inzwischen umso mehr. Er ist mein Ex- Mann, meine erste große Liebe, von der ich vorhin sprach.“
Es gab einen Knall, der für einen Moment alle verstummen ließ.
Danielle hatte die Tasse, die sie gerade mit dem Tuch bearbeitete, fallen lassen. Klirrend zersprang sie in tausend Stücke.
„Wie dumm von mir…“, murmelte sie erschrocken und rang sich ein müdes Lächeln ab, während sie sich hastig hinunterbückte, um die Scherben aufzusammeln. So fiel es keinem auf, dass von einem Moment zum nächsten alle Farbe aus ihrem Gesicht gewichen war.
„Wenn wir mit den Vorbereitungen soweit fertig sind, werde ich erst einmal eine kleine Pause machen“, meinte sie kurz darauf, nickte Marina kurz zu und eilte hinaus.
Chelsea hatte die Szene beobachtet und folgte ihrer Freundin besorgt nach draußen.
„Alles in Ordnung mit dir?“
Danielle nickte.
„Ja, ist schon okay. Bei Farbgeruch wird mir immer etwas mulmig. Ich werde mir ein bisschen die Beine vertreten, dann geht es wieder.“
„Soll ich dich begleiten?“, bot Chelsea an.
„Nein, geh nur wieder zu den anderen. Ich bin gleich zurück.“
Sie verharrte noch einen Moment lang vor dem Eingang, dann schlug sie den Weg zum Strand ein. Marinas letzte Worte hallten in ihren Ohren wider und verursachten tief in ihrem Inneren ein unbehagliches Gefühl der Verunsicherung.
`Nur keine Aufregung!`, versuchte sie sich einzureden, während sie hastigen Schrittes die Strandpromenade überquerte und dann begann, ziellos am Strand entlang zu laufen. `Noch ist nichts verloren. Zu so einer Sache gehören bekanntlich immer zwei.`
Aber das eigenartige Gefühl in ihrer Magengegend, das einfach nicht verschwinden wollte, signalisierte ihr leider etwas anderes.
*
Zitternd beobachtete Kim, wie Becky mit einer entschiedenen Bewegung das Gewehr durchlud.
„Glauben Sie mir, Mister... Das ist kein Scherz. Ich werde Sie nicht verfehlen, wenn Sie nicht sofort aufhören und sie loslassen!“
Zögernd ließ Roger Thorne die Arme sinken und trat einen Schritt zurück. Mit abschätzendem Blick fixierte er die Frau an der Tür, deren entschlossene Miene keinen Zweifel daran ließ, dass sie ihn sofort in Fetzen schießen würde, wenn er noch einmal zuschlug.
„Hören Sie, Lady...“, begann er umständlich und hob abwehrend die Hände.
Becky winkte energisch mit dem Gewehrlauf.
„Gut so, lassen Sie Ihre Arme gleich oben. Ich rate Ihnen, keine Dummheiten zu machen. Ich bin ziemlich nervös und mein Finger am Abzug ebenfalls.“
Sie sah kurz zu dem völlig verängstigten Mädchen hinüber.
„Komm zu mir, Kim. Keine Angst, es kann dir nichts mehr passieren.“
Sie wartete angespannt, bis Kim ihrer Aufforderung nachkam, während ihre sonst so sanftmütigen Augen den Feind regelrecht zu durchbohren schienen.
„Und nun zu Ihnen“, wandte sie sich in energischem Tonfall an den fremden Mann, der noch immer unschlüssig auf derselben Stelle stand, die Arme halb erhoben. „Wer sind Sie und was wollen Sie hier?“
„Mein Name ist Roger Thorne, ich bin...“
„Er ist mein Stiefvater“, flüsterte Kim, die sich hinter Becky in Sicherheit gebracht hatte. „Er will mich zwingen, mit ihm nach Hause zurückzugehen.“
Becky nickte.
„Ich verstehe.“ Sie ließ den Mann keine Sekunde aus den Augen. „Damit das klar ist, sie wird nirgendwohin gehen, Mister. Und Sie werden sie ganz sicher nie wieder schlagen! Das ist ja wohl das Letzte!“ Sie holte tief Luft. „Kim wohnt hier, dagegen können Sie nichts unternehmen. Lassen Sie sie in Ruhe und verschwinden Sie, anderenfalls hole ich sofort die Polizei.“
Roger Thorne begann urplötzlich hämisch zu grinsen.
„Das können Sie gerne tun, Lady, ich habe denen nämlich auch allerhand zu erzählen. Unter anderem, dass Sie meine minderjährige Tochter hier festhalten und mich widerrechtlich mit einer Waffe bedrohen und daran hindern, das Kind wieder nach Hause zu bringen, wo sie bis zu ihrer Volljährigkeit gesetzlich hingehört!“
Becky schnappte nach Luft.
„Minderjährig? Das ist ein Scherz!“
Wieder dieses eiskalte Lachen.
„Das hätten Sie wohl gerne, wie?“ Er schnaufte zufrieden. „Hat Ihnen das kleine Biest etwa erzählt, sie sei über Achtzehn? Das kann ich mir vorstellen, die lügt nämlich wie gedruckt! Los Kimmy, sag der netten Lady, wie alt du wirklich bist!“
Kims Augen füllten sich augenblicklich mit Tränen.
„Es tut mir leid… Ich habe es zu Hause nicht mehr ausgehalten, deshalb musste ich lügen“, schluchzte sie leise.
„Und wie alt bist du wirklich?“, fragte Becky mit einem sehr unguten Gefühl im Magen.
„Siebzehn, seit einem halben Jahr.“
„Du liebe Güte, Kim”, stöhnte Becky, doch als sie sah, dass Thorne Anstalten machte sich zu bewegen, brachte sie das Gewehr sofort wieder in Anschlag. „Bleiben Sie gefälligst, wo Sie sind!“
„Und was wollen Sie jetzt tun?“, fragte er mit hämischem Grinsen. „Sie können das kleine Miststück nicht behalten, ohne sich strafbar zu machen.“
„Das kann ich sehr wohl“, erwiderte Becky mit fester Stimme. „Sie befinden sich hier in meinem Haus, in welches Sie widerrechtlich eingedrungen sind. So etwas nennt man für gewöhnlich „Hausfriedensbruch“, und glauben Sie mir, der Chef des örtlichen Polizeidepartements versteht in solchen Fällen überhaupt keinen Spaß. Noch dazu, wenn der Eindringling meine Gäste tätlich angreift! Und Kim ist mein Gast.“ Sie sah ihn grimmig an. „Also raus hier!“
Roger Thorne stutzte einen Moment, doch dann schien er zu begreifen, dass er momentan keine Chance hatte, seine Forderungen durchzusetzen.
„Das werden Sie bereuen“, fauchte er wütend und ging langsam zur Tür. Dort drehte er sich um und durchbohrte die beiden Frauen mit drohenden Blicken. „Ich komme wieder, darauf könnt ihr euch verlassen! Bald, Kimmy, sehr bald. Versprochen!“
Mit einem Knall flog die Tür hinter ihm zu.
*
Während bei H&S Enterprises die drei Archäologen noch bei einer Tasse Kaffee in Edwards Büro saßen, eilte Anni nach Hause, um sich umzuziehen und so die anstößigen Spuren auf ihrem Rockhinterteil zu beseitigen. Um den Weg abzukürzen, lief sie, ihre High Heels vorsorglich in der Hand haltend, direkt am Strand entlang.
So sehr sie sich auch bemühte, dieser Alex Franklyn ging ihr einfach nicht aus dem Kopf.
„Was für ein Idiot“, schimpfte sie in Gedanken, „Dieser aufgeblasene Typ hält sich anscheinend für Supermann! Ich fasse es nicht! Wenn er nur nicht so wahnsinnig attraktiv wäre... Aber mit Matt war er natürlich nicht zu vergleichen, überhaupt nicht...“
Auf einmal stutzte sie.
Wer kam denn da ganz allein am Strand entlang geschlendert?
„Na so ein Zufall! Da versuche ich mich gerade ein wenig zu entspannen, und wen muss ich erblicken? Matts ach so süße, neue Herzdame“, knurrte sie angriffslustig. „Na warte, Früchtchen! Niemand schnappt mir meinen Traummann ungestraft weg...“
Danielle war noch immer tief in Gedanken versunken und hatte Anni gar nicht bemerkt.
Umso erschrockener war sie, als diese sich plötzlich mit angriffslustigem Grinsen vor ihr aufbaute und ihr den Weg versperrte.
„Aber hallo… Haben die Zugvögel heute Wandertag? Dann sollten Sie sich beeilen, Gänschen, weil ich Ihnen nämlich sonst die Federn rupfe!“
„Sie schon wieder“, entgegnete Danielle sichtlich genervt und musterte Anni dann amüsiert. „Sehr passendes Outfit für einen Strandbummel.“
„Wenn ich so angezogen wäre wie Sie, würde ich mich überhaupt nicht auf die Straße wagen“, giftete Anni mit einem geringschätzigen Blick auf Danielles ausgewaschene Jeans und die blaukarierte Hemdbluse, die sie locker zusammengeknotet über einem weißen Top trug, sofort zurück.
Danielle hob nur gleichgültig die Schultern.
„Nicht, dass Sie das etwas anginge oder dass Sie irgendetwas davon verstehen würden, aber es gibt Leute, die arbeiten nebenbei, und dafür finde ich diese Kleidung sehr passend.“
Anni warf den Kopf zurück und ihre Augen blitzten angriffslustig.
„Arbeiten? Wohl an Ihrer neuen Wohnung am Ocean Drive?“
„Wie bitte?“, fragte Danielle und zog irritiert die Augenbrauen zusammen.
Anni lachte spöttisch.
„Jetzt tun Sie bloß nicht so unschuldig, Sie kleines Biest! Ich weiß genau, dass Matt die ganze Nacht bei Ihnen war, ich habe doch heute Morgen sein Auto dort in der Straße gesehen! Und erzählen Sie mir jetzt bloß nicht, ihr beide hättet die ganze Zeit über gearbeitet! Aber wenn Sie denken, Sie hätten es nun endgültig geschafft, ihn in Ihre Krallen zu bekommen, dann haben Sie sich gewaltig getäuscht, meine Liebe! Sie werden mich noch kennenlernen... Matt gehört mir, schon seit langer Zeit!“ Sie wies mit dem Zeigefinger auf ihre Rivalin, als wolle sie diese mit der Spitze ihres rotlackierten Fingernagels aufspießen. „Sie haben doch überhaupt nicht das Format, einen Mann wie ihn zu halten!“ Damit drehte sie sich schwungvoll auf der Ferse um und stolzierte siegessicher durch den Sand davon.
Danielle stand sprachlos da und starrte ihr nach.
*
„Ich m… möchte diesem Kerl so richtig eins auswischen“, meinte Brendon nach dem dritten Tequila, den er mit dem Inhalt aus einer Dose Bier nachspülte.
„Ganz meine Meinung, Freund“, grinste Bobby und winkte der Bedienung im Internetcafé. „Nochmal dasselbe!“
„Aber wie fangen wir`s an, hä?“, überlegte Brendon, dem der ungewohnte Alkoholgenuss langsam zu Kopfe stieg. „W… wollen wir seine Freundin kidnappen?“
Bobby verschluckte sich fast an seinem Drink.
„Ähm... Vielleicht später“, beeilte er sich zu sagen und dachte an Wes Parker und seine finsteren Pläne, Suki Yamada betreffend. „Zuerst mal würde ich eher ein paar schlagkräftige Argumente vorziehen, damit er sich nicht mehr in die Angelegenheiten anderer Leute einmischt. Wir müssen ihn dazu nur allein erwischen, am besten abends, wenn es dunkel ist und uns keiner erkennt.“
„Wir locken ihn irgendwo hin...“, lallte Brendon und grinste die Bedienung, eine junge blonde Frau Mitte Zwanzig dümmlich an, was ihm einen missbilligenden Blick ihrerseits einbrachte.
„Bei der hast du keine Chance, mein Freund, die ist schon vergeben“, lachte Bobby.
Brendon verzog nur geringschätzig das Gesicht.
„Das ist vielleicht ein Grund, aber noch lange kein Hindernis!“ Er hob sein Glas. „Prost, und nenn` mich nicht immer „Freund“, ich heiße Brendon! Außerdem habe ich hier in der Stadt ganz andere Chancen als die da...“
Er stürzte das hochprozentige Getränk in Sekundenschnelle hinunter und schüttelte sich.
Bobby grinste. Der Bursche aus Oklahoma würde gleich unter dem Tisch liegen, der war ja kein bisschen trinkfest.
„Ich denke, du bist hergekommen, um deine Verlobte zurückzuholen?“, fragte er scheinheilig.
„Danielle?“ Brendon winkte ab. „Kleinigkeit, die frisst mir bald wieder aus der Hand. Nein, ich meine eine andere, eine für sonntags, du verstehst?“ Er lachte anzüglich. „Ein echtes kalifornisches Mädchen vom Feinsten. Sogar aus gutem Hause.“
„Wie heißt sie denn?“ Interessiert spitzte Bobby die Ohren und schob Brendon unbemerkt seinen eigenen Tequila hin.
„Ca… Caroline... Hamilton“, lallte dieser und leerte das Glas mit einem Zug.
„Edward Hamiltons Tochter?“, flüsterte Bobby ungläubig. “Wow, da hast du aber einen ganz schön dicken Fisch an Land gezogen!“
„Wi- wieso?“
„Die Hamilton sind unwahrscheinlich reich, und Carolines Vater ist mit Abstand der einflussreichste und mächtigste Mann in Sunset City und Umgebung.“
„Aha...“, machte Brendon, bekam einen heftigen Schluckauf und verdrehte die Augen. „Ich glaube, ich muss an die Luft...“
Bobby sprang auf und warf einen Geldschein auf den Tisch. Dieser Dummkopf hier konnte ihm wirklich von großem Nutzen sein, dessen war er sicher.
„Langsam, Freund, ich begleite dich noch ein Stück“, lachte er, als er sah, wie Brendon schwankte. „Sonst machst du dir noch einen Knoten in die Beine und landest irgendwo in der Fischsuppe!“
*
´Matts Auto stand heute Morgen am Ocean Drive?´, überlegte Danielle angestrengt, als sie nach der Begegnung mit Anni weiter den Strand entlangging. ´Was wollte er denn dort? Sein Büro liegt doch in entgegengesetzter Richtung...´
Aber… Marinas neue Wohnung befand sich in dieser Straße!
Und was, wenn er wirklich die Nacht dort verbracht hatte? Wenn er wieder mit seiner geschiedenen Frau zusammenleben wollte, so, wie sie es vorhin im OCEANS gesagt hatte?
Bei diesem Gedanken schnürte sich Danielles Kehle schmerzhaft zusammen.
Vielleicht war das der Grund dafür, dass er sich nicht meldete?
Sie atmete tief durch und bemerkte, dass sie fast an den Felsen angelangt war, vor denen sie kürzlich alle am Lagerfeuer gesessen hatten.
Das war ein so phantastischer Abend gewesen!
Vor allem der Spaziergang danach mit Matt am nächtlichen Strand, dieses unbeschreiblich schöne Gefühl, als er plötzlich ihre Hand ergriffen hatte...
Sie lächelte versonnen und strich sich ganz in Gedanken das Haar aus der Stirn.
Plötzlich bemerkte sie, dass dort hinten auf den Steinen vor den Felsen jemand saß und sie beobachtete.
Das war doch...
„Matt!“, rief sie überrascht und winkte ihm voller Freude zu.
Er starrte einen Moment lang zu ihr herüber, bevor er sich schließlich etwas zögernd von seinem Platz erhob. Die Lederjacke, die er trug, hatte sie bisher noch nie an ihm gesehen. Er wirkte darin sehr lässig und… unwahrscheinlich sexy. Während er langsam näher kam, zeichnete sich auf seinem Gesicht ein vorsichtiges Lächeln ab.
Voller Freude und Erleichterung über das unerwartete Wiedersehen lief ihm Danielle entgegen. Er breitete die Arme aus und sie warf sich ohne zu zögern hinein. Sicher fing er sie auf und hielt sie einen Augenblick lang fest, während sie ihren Kopf an seiner Brust barg.
„Matt... ich habe dich vermisst“, flüsterte sie glücklich.
Als sie kurz darauf zu ihm aufblickte, musterte er sie mit offensichtlichem Erstaunen, fast so, als sähe er sie zum ersten Mal.
„Matt, was tust du hier? Mitch sagte, du wärst auf einer Geschäftsreise.“
„Ich war etwas früher zurück und musste ein wenig nachdenken“, erwiderte er nach kurzem Zögern, während er langsam und bedächtig mit den Fingerspitzen über ihr Haar strich.
„Worüber? Über sie… Marina?“, entfuhr es ihr.
Erstaunt hielt er in seiner Bewegung inne.
„Über Marina? Wie kommst du denn darauf?“
Danielle lächelte gequält.
„Nun, ich vermute, ihr plötzliches Auftauchen hat dich ziemlich durcheinandergebracht. Immerhin ist sie… ich meine, sie war…“
„Hey“, unterbrach er sie zärtlich lächelnd und begann damit, eine ihrer langen, goldbraun schimmernden Locken spielerisch um seinen Finger zu wickeln. „Nein, ich habe ganz sicher nicht an Marina gedacht. Weder an sie, noch an irgendeine andere Frau. Glaub mir, das wäre reine Zeitverschwendung.“
Bevor sie etwas erwidern konnte, beugte er sich vor und küsste sie. Zärtlich, lockend und sanft suchten seine Lippen nach ihrem Mund, dann jedoch wurde er zusehends leidenschaftlicher, so dass sie kaum Luft bekam.
`Meine Güte...`, schoss es ihr durch den Kopf, als sie sich atemlos von ihm löste. `Er muss mich auch vermisst haben, ganz sicher!`
Sie sahen sich einen Augenblick lang stumm in die Augen, dann küsste er sie erneut, diesmal stürmisch und fordernd.
„Matt... warte...“, bat sie, doch seine Lippen fuhren seitlich über ihre Wangen bis hinunter zu ihrem Hals. „Hör auf, wir müssen reden!“
„Reden? Ich hätte da einen ganz anderen Vorschlag.“
„Matt!“
Er hob ergeben die Hände und trat sichtlich widerwillig einen Schritt zurück.
„Okay, schon gut. Also, worüber willst du mit mir reden?“
„Über dich und Marina.“
Erstaunt hob er die Augenbrauen.
„Aber ich sagte doch bereits…“
„Warst du gestern bei ihr?“, fiel ihm Danielle ungeduldig ins Wort und musterte ihn prüfend. „Habt ihr die letzte Nacht zusammen verbracht?“
Matt starrte sie einen Moment lang erstaunt an. Dann, nach einer Weile, die ihr wie eine Ewigkeit erschien, schüttelte er lachend den Kopf.
„Nein, natürlich nicht! Wer zum Teufel hat dir denn solchen Blödsinn erzählt?“
„Marina selbst... und Anni Parker!“
Wieder schien er angestrengt zu überlegen.
„So?“, meinte er dann und wich ihrem Blick für einen Moment scheinbar irritiert aus. „Und was genau haben die beiden behauptet?“
„Marina sagte, sie erlebt zurzeit die große Liebe wieder neu, und der Glückliche wärst du, ihr Ex- Mann.“ Sie sah ihn mit großen Augen an. „Und vorhin habe ich Anni am Strand getroffen und sie erzählte irgendetwas von einer Wohnung am Ocean Drive, wo sie angeblich dein Auto heute Morgen gesehen hätte. Sie glaubte wohl, ich würde dort wohnen und du hättest die Nacht bei mir verbracht. Sie hat mich gewarnt, ich solle die Finger von dir lassen!“
„Anni... dieses kleine, rothaarige Biest…“, grinste Matt und strich sich nachdenklich übers Kinn. „Nun, was sie sagt, solltest du wirklich nicht ernst nehmen, das Luder lügt doch wie gedruckt! Schon seit Jahren streckt sie ihre rotlackierten Krallen nach mein… ähm, nach mir aus. Und was Marina betrifft: ich vermute, sie will dich mit ihrem Gerede nur eifersüchtig machen und sich wichtig tun.“
„Schon möglich“, erwidert Danielle, noch immer nicht so recht überzeugt. „Aber aus welchem Grund sollte Marina mich eifersüchtig machen wollen? Sie weiß doch noch gar nichts von uns! Und warum sollte Anni behaupten, sie hätte heute Morgen dein Auto am Ocean Drive stehen sehen? Marina hat dort ihre Wohnung, nicht ich!“
„Schön für sie. Davon wusste ich bisher noch gar nichts. Aber wie dem auch sei, für meinen Wagen gibt es eine einfache Erklärung: er ist mir gestern Abend, als ich von einem Geschäftstermin nach Hause fuhr, am Ocean Drive kaputtgegangen. Der Motor streikte und ich konnte keinen Meter mehr fahren. Deshalb habe ich ihn dort stehengelassen und bin nach Hause gelaufen.“ Er sah ihr skeptisches Gesicht und nahm ihre Hände. „Was soll denn das, vertraust du mir denn gar nicht?“
„Doch, natürlich... es ist nur...“ Sie blickte nervös zu Boden. Er trat dicht an sie heran, hob mit einem Finger sacht ihr Kinn und zwang sie auf diese Art, ihn anzusehen.
„Glaub mir, ich will weder Marina noch sonst irgendwen! Ich will nur dich!“
Danielle sah in seine unergründlich wirkenden, dunklen Augen und lächelte.
„Ist das wirklich wahr?“
„Wenn wir uns hier nicht mitten am Strand befinden würden, dann würde ich es dir auf der Stelle beweisen!“ Er zog sie in seine Arme und küsste sie erneut, und sie erwiderte seinen Kuss. Aber sie konnte sich dem Gefühl nicht so hingeben wie sonst, irgendetwas war heute anders. Lag es daran, wie er sie ansah und sie im Arm hielt, oder war es die Art, wie er sie küsste, sie vermochte es nicht zu erklären.
`Mitch hat sicher recht, mit uns ging alles ziemlich schnell, und vielleicht ist Matt genauso durcheinander wie ich...`, beruhigte sie sich in Gedanken, als sie sich von ihm löste.
„Ich muss zurück ins OCEANS, die anderen warten auf mich“, erklärte sie, nicht ohne Bedauern. „Dean und Chelsea wollen die Bar am Wochenende bereits eröffnen, und bis dahin gibt es noch eine Menge zu tun.“
Matt strich ihr übers Haar.
„Na gut. Ich werde noch ein wenig hierbleiben, bevor ich nach Hause gehe. Es war ein langer, anstrengender Tag.“
„Sehen wir uns später?“, fragte Danielle hoffnungsvoll.
„Ich rufe dich an“, versprach er vage.
Sie nickte etwas enttäuscht.
„Okay, ich werde dann sicher zu Hause sein.“
Sie winkte ihm zum Abschied noch einmal zu und ging eiligen Schrittes den Weg zurück.
`Eigenartig...`, dachte sie irritiert. `Matt hat überhaupt nicht danach gefragt, woher ich Marina kenne!`
„Glaub mir, ich will weder Marina, noch sonst irgendwen! Ich will nur dich...“, klang ihr seine Stimme noch im Ohr, und die Erinnerung an diese Worte verdrängten für den Augenblick alle Zweifel.
„Ich sollte einfach abwarten“, beruhigte sie sich in einem Anflug von Optimismus. „Ich glaube, er liebt mich wirklich!“
„Matt“ sah ihr nach, wie sie am Strand entlang davonging.
„Wow, mein Bruder ist wirklich ein Glückspilz!“, meinte er kopfschüttelnd zu sich selbst. „Die tollsten Frauen fliegen auf ihn... und landen schließlich bei mir.“ Ein hinterhältiges Grinsen überzog sein attraktives Gesicht und seine nachtblauen Augen wurden noch eine Spur dunkler, als er nachdenklich hinzufügte: „Aber die hier, die könnte mir wirklich gefallen. Danke Matthew, dass du die für mich gefunden hast!“
Und mit einem heimtückischen Lachen verschwand Mason Shelton auf dem Weg zwischen den Felsen, der zum anderen Ende der Stadt zurückführte.