Stefano hatte gegen Abend dienstlich in der Nähe der Baustelle der H&S ENTERPRISES Ferienanlage zu tun gehabt und war auf dem Weg zurück zu seinem Wagen, den er zuvor am Ende der Umzäunung abgestellt hatte. Er blieb stehen und sah hinüber zu den Höhlen, deren Eingänge sich versteckt zwischen den Felsen befanden.
Er kannte diese geheimnisvollen Gänge, seit er denken konnte. Schon damals als Kinder und Jugendliche hatten Manuel und er hier gespielt und sich heimlich in den sagenumwobenen dunklen Grotten versteckt. Sogar ein unterirdischer See sollte hier irgendwo verborgen sein. Sie hatten ihn zwar nie gefunden, aber diese geheimen Orte zogen sie trotzdem magisch an, und obwohl es ihnen von jeher streng verboten gewesen war, waren sie doch immer wieder hergekommen und hatten sich mit ihren Taschenlampen jedes Mal ein Stückchen weiter vorgewagt.
Dabei war Manuel stets wagemutiger gewesen als sein älterer Bruder.
Später hatten sie die Höhlen sogar für ihre ersten heimlichen Rendezvous genutzt, hatten sich mit ihren Freundinnen hier verabredet, bei Sekt und Kerzenschein Arm in Arm unter den Felsen gesessen und sich wie Helden gefühlt.
Stefano lächelte.
Und nun war die Erforschung solcher geheimnisvollen Höhlen für Manuel sogar zu seinem Beruf geworden, wer hätte das gedacht.
Er wollte schon weitergehen, als er sie plötzlich zwischen den Felsen auftauchen sah – Claudia, seine neue Schwägerin.
Anscheinend kam sie gerade aus einer der Höhlen. Sie trug abgetragene, staubige Jeans, derbe hohe Schnürschuhe, ein Shirt und darüber eine verwaschene Jeansjacke, deren Ärmel sie praktischerweise aufgekrempelt hatte.
Stefano erkannte sie sofort, trotz des Schutzhelms, den sie zur Sicherheit während ihrer Arbeit tragen musste. In ihrem Arbeits-Outfit wirkte sie fast noch zarter und zerbrechlicher als neulich in ihrem eleganten Kostüm. Sie schleppte einen großen Behälter und ein Arbeitsgerät, das aussah wie ein Bohrhammer, hinunter zum Jeep. Dort angekommen, legte sie ihre Utensilien ab und klappte die Ladefläche des Wagens herunter. Dann setzte sie den Helm ab und schüttelte ihr langes schwarzes Haar.
Stefano hatte den Jeep fast erreicht, als sie sich plötzlich umdrehte.
„Hallo Claudia“, sagte er und sein Mund fühlte sich plötzlich staubtrocken an.
Als ihn der Blick aus ihren sanften, dunklen Augen traf, spürte er eine Befangenheit, die er sonst Frauen gegenüber nie empfand.
„Stefano?“, fragte sie etwas unsicher und blinzelte gegen das Licht der untergehenden Sonne, das sie blendete.
Er grinste verlegen.
„Richtig geraten. Störe ich dich bei der Arbeit?“
„Nein, ich bin fast fertig für heute. Nur noch ein paar Proben analysieren, dann ist Feierabend“, erwiderte sie freundlich und musterte ihn erstaunt. „Und was tust du hier?“
„Ich hatte dienstlich in der Gegend zu tun“, antwortete Stefano und wies auf die Gesteinsproben in dem Behälter, den Claudia abgestellt hatte. „Sind die alle aus den Höhlen?“
Sie nickte.
„Alle, aus der einen dort oben“, erklärte sie und wies in die Richtung, aus der sie eben gekommen war.
„Ja, die kenne ich“, meinte Stefano. „Manuel und ich haben sie schon als Kinder erforscht.“
Claudia lachte.
„Er hat mir davon erzählt. Ganz schön mutig!“
„Es war wohl eher die Neugier, die uns hineingetrieben hat“, erwiderte er. „Und wie ist das mit dir? Du scheinst ja auch nicht gerade ängstlich zu sein, wenn du dort drin im Dunkeln herumkletterst.“
„Tja“ Claudia verzog das Gesicht zu einem Lächeln, während sie ihr langes Haar mit einem Seidentuch zusammenband, „Mich treibt eben auch die Neugier voran. Aber außer ein paar Fledermäusen bin ich in der Höhle noch keinem lebenden Wesen begegnet.“
Sie drehte sich um und wollte den Behälter mit den Gesteinsproben auf die Ladefläche des Jeeps heben. Geistesgegenwärtig sprang Stefano hinzu und nahm ihn ihr ab.
Damit hatte sie wohl nicht gerechnet und hielt erstaunt inne. Diesen kurzen Moment lang kamen sie sich plötzlich unerwartet nah. Ihre Blicke hielten einander für Sekunden fest, bevor sich beide verlegen abwandten.
„Wo ist Manuel eigentlich?“, fragte Stefano schnell, um von dieser etwas verfänglichen Situation abzulenken.
„Er nimmt mit Alex Proben aus der Höhle weiter drüben“, erwiderte Claudia und trat einen Schritt zurück. „Das Gestein dort ist härter und sie brauchen größere Bohrer.“ Sie musterte ihn mit einem Blick, den er nicht definieren konnte. „Ich fahre jetzt hinüber zu ihnen. Möchtest du mitkommen?“
Schnell schüttelte er den Kopf.
„Nein, ich muss wieder los. Im Revier warten sie auf mich.“
Er wandte sich schon zum Gehen, als ihm noch etwas einfiel.
„Hat Mama bei euch angerufen?“
Claudia nickte.
„Ja, das hat sie. Sie hat uns mitten in der Nacht erklärt, dass wir unbedingt bei euch wohnen sollen, solange wir in der Stadt sind.“
Er lachte.
„Typisch unsere Mutter. Und… werdet ihr das tun?“
Sie atmete tief durch und Stefano schien es, als ob ihr die Antwort nicht leicht fiel.
„Manuel wollte ihr diesen Wunsch nicht abschlagen. Allerdings befürchte ich, dass wir euch damit ziemliche Umstände machen werden, denn so groß scheint das Haus nun auch wieder nicht zu sein.“
Stefano lächelte.
„Keine Sorge, es ist Platz genug“, erklärte er. „Marina hat ihre eigene Wohnung, und ich bin sowieso die meiste Zeit über auf dem Revier.“
Claudia sah ihn etwas nachdenklich an und erwiderte dann sein Lächeln.
„Also gut, warum nicht“, meinte sie schließlich. „Immerhin hat Manuel seine Familie lange Zeit nicht gesehen. Sicher habt ihr euch eine Menge zu erzählen.“ Sie winkte ihm kurz zu, bevor sie in den Wagen stieg. „Wir sehen uns.“
Stefano nickte.
„Bis später“, sagte er heiser und sah ihr nachdenklich hinterher, als sie davonfuhr.
*
Als Sophia am nächsten Morgen die Augen aufschlug, musste sie sich erst einen Moment lang besinnen.
Wo zum Teufel befand sie sich?
Sie richtete sich auf und sah sich um.
Oh Gott, natürlich!
Die Erkenntnis traf sie wie ein Hammerschlag.
Diese Penthouse-Suite im PACIFIC INN war momentan ihr neues Zuhause, nachdem sie gestern auf der Fahrt zurück nach Sunset City erfahren musste, dass ihre große prachtvolle Villa einem verhängnisvollen Feuer zum Opfer gefallen war.
Fast alles war verbrannt. Möbel, Bilder, Wertgegenstände, persönliche Erinnerungen... Nicht auszudenken!
Sie war nach der schockierenden Nachricht mit Caroline sofort ins Hotel gefahren. Von dort aus hatte sie dann mit Edward telefoniert. Er war zwar etwas kurz angebunden, aber nicht unfreundlich gewesen, als er ihr noch einmal über die Geschehnisse der letzten Nacht berichtete. Umso erstaunter war Sophia, als sie jetzt registrierte, dass sein Bett neben ihr unbenutzt geblieben war. Anscheinend hatte er die Nacht woanders verbracht.
Seufzend stand sie auf und begab sich unter die Dusche. Nachdem sie zuerst heißes und dann kaltes Wasser über ihren Körper hatte laufen lassen, fühlte sie sich einigermaßen erfrischt und bereit, dem Tag ins Auge zu sehen, was immer er auch bringen möge.
Sie kleidete sich an und ging die Wendeltreppe hinunter in das geschmackvoll eingerichtete Wohnzimmer. Dort öffnete sie die schweren Samtvorhänge und blinzelte gegen die hereinfallenden Sonnenstrahlen, als sie plötzlich merkte, dass sie nicht allein war.
Erstaunt drehte sie sich um.
Edward lag zusammengerollt auf dem Sofa und schlief.
Ein nachdenkliches Lächeln zog über Sophias Gesicht. Er war also doch heimgekommen…
Leise, um ihn nicht aufzuwecken, ging sie hinüber zu ihm und betrachtete sein schlafendes Gesicht. Er wirkte so entspannt und friedlich.
Sie dachte an all das Schöne, was sie miteinander erlebt hatten, und plötzlich durchflutete sie ein wohliges Gefühl von Wärme und Zuneigung. Schlagartig wurde ihr etwas klar, woran sie bereits seit geraumer Zeit zu zweifeln begonnen hatte: sie liebte diesen Mann noch immer, trotz allem oder auch gerade wegen seiner großen und kleinen Schwächen. Sie liebte ihn, und zwar von ganzem Herzen.
Noch bevor ihr richtig klar war, was sie tat, beugte sie sich hinunter und hauchte ihm vorsichtig einen Kuss auf seine Wange.
Genau in diesem Augenblick schlug er die Augen auf und sah sie an…
*
Während Chelsea am Morgen unter der Dusche stand, dachte sie mit Wehmut daran, dass sich Mason seit dem Abend im OCEANS nicht wieder hatte blicken lassen, weder hier noch in der Bar. Angerufen hatte er auch nicht, was sie zutiefst enttäuschte.
„Vielleicht ist er geschäftlich unterwegs oder hat viel zu tun“, versuchte sie sich zu trösten. Oder sollte Danielle am Ende doch Recht behalten mit ihrer Behauptung, Mason sei an einer Beziehung mit ihr überhaupt nicht interessiert?
„Verdammt, ich habe weder seine Handynummer, noch weiß ich, wo er wohnt“, fluchte sie und fühlte sich nun restlos frustriert. Schließlich beschloss sie, einen Morgenlauf zu machen. Vielleicht bekam sie dadurch ihren Kopf wieder ein wenig frei.
An der Haustür begegnete ihr Dean, der, nur mit Badeshorts bekleidet, vom Surfen kam.
„Na, willst du ausnahmsweise auch mal was für die Gesundheit tun?“, fragte er mit diesem frechen Grinsen, das ihn so unwiderstehlich sympathisch wirken ließ.
Chelsea betrachtete ihn, wie er das Board an die Hauswand lehnte. Er sah gut aus, das musste sie eingestehen, muskulös und braungebrannt. Der Aufenthalt hier tat ihm ganz offensichtlich gut.
Leider schienen das gewisse andere Frauen inzwischen ebenfalls bemerkt zu haben.
„Ich will nur ein wenig laufen“, erwiderte sie schnell, als er sich umdrehte und ihren Blick bemerkte. „Bis später.“
Ohne sich noch einmal umzuschauen lief sie los und versuchte auf diese Art ihren Frust über Deans offensichtliche Gleichgültigkeit und Masons merkwürdige Zurückhaltung loszuwerden. Konsequent verbannte sie die trüben Gedanken aus ihrem Gedächtnis und verlangte stattdessen ihrem Körper alles ab, indem sie zügig und ohne Pause den gesamten Strand entlang joggte.
Erst weitab der Strandpromenade, wo die letzten Häuser standen und die Felsen begannen, blieb sie endlich stehen und ließ sich erschöpft in den Sand fallen.
Hier war der Strand fast menschenleer, nur wenige Touristen hielten sich so weitab des Piers auf.
Chelsea atmete tief durch und blickte interessiert hinüber zu den Strandhäuschen, die malerisch und verträumt zwischen den Dünen lagen. Sie stellte sich vor, wie es wäre, wenn ihr ein solches Haus gehören und sie für immer hier leben würde, vielleicht sogar mit dem Mann ihrer Träume, wie auch immer der aussehen möge.
Während sie ihrem Tagtraum nachhing, bemerkte sie, wie jemand eines der Häuser verließ. Ein großer, schlanker, dunkel gekleideter Mann, der ihr sofort seltsam bekannt vorkam. Matt?... Mason!
Sofort war sie hellwach und reckte den Hals.
Wohnte er etwa hier am Rande der Stadt?
War das sein Zuhause?
Sie beobachtete, wie er etwas aus dem Wagen lud, der vor der Tür geparkt war.
Während Chelsea noch überlegte, ob sie einfach hinübergehen und ihm „Hallo“ sagen sollte, kam er schon wieder heraus, sah sich kurz um und stieg dann in sein Auto.
Noch ehe sie irgendwie reagieren konnte, hatte er schon den Motor angelassen und fuhr zügig davon, in Richtung der nordöstlichen Interstate, die in die Berge hinaufführte.
Enttäuscht sah sie ihm nach.
„Na wenigstens weiß ich jetzt, wo ich ihn finden kann“, dachte sie schließlich, bevor sie aufstand und sich im leichten Dauerlauf und deutlich langsamer als zuvor auf den Rückweg machte.
*
Danielle wachte ausgeruht und völlig entspannt auf. Einen Moment lang musste sie überlegen, wo sie war, doch das fröhliche Vogelgezwitscher, das von draußen durch die Fenster drang und die Sonnenstrahlen, die das Zimmer in ein helles freundliches Licht tauchten, erinnerten sie schnell daran, dass sie gestern mit Matt hierhergefahren war, um mit ihm gemeinsam ein paar schöne Tage verbringen zu können.
Nach einem Spaziergang am späten Nachmittag und einem köstlichen Abendessen hatten sie am Abend eng umschlungen mit einem Glas Wein vor dem Kamin gesessen und sich anschließend ein weiteres Mal leidenschaftlich geliebt, bevor sie schließlich irgendwann eng umschlungen und glücklich miteinander eingeschlafen waren.
Jetzt war das Bett neben ihr leer, doch der würzige Kaffeeduft, der durchs Haus zog, ließ sie ahnen, dass Matt bereits dabei war, Frühstück zu machen.
Und tatsächlich erschien er Minuten später mit einem Tablett voller Köstlichkeiten.
„Sie haben Frühstück am Bett bestellt?“, fragte er augenzwinkernd und ließ sich neben ihr nieder. Gemeinsam ließen sie sich den heißen Kaffee, die noch warmen Pancakes und den frisch gepressten Orangensaft schmecken.
Viel später brachen sie erneut zu einem Spaziergang auf, der sie diesmal direkt zu dem kleinen Bergsee führte.
Nach der morgendlichen Kühle hier in den Bergen schickte die Sonne nun ihre warmen Strahlen durch die Blätter der hohen Bäume und hatte den Zenit bereits überschritten, als sie am Ufer des im Sonnenlicht märchenhaft schimmernden kristallklaren Sees auf einer kleinen Lichtung Rast machten. Matt breitete die mitgebrachte Decke aus und stellte den kleinen Picknickkorb ab. Er setzte sich und beobachtete Danielle, die in einiger Entfernung eifrig etwas aufzusammeln schien.
„Was tust du denn da?“, fragte er belustigt.
„Lass dich überraschen“, rief sie zurück und lachte. „Du musst dich allerdings noch etwas gedulden.“
Matt streckte die Beine aus und verschränkte die Arme unter dem Kopf. Gedankenversunken betrachtete er die wenigen weißen Wolken, die wie zarte Federbällchen über den azurblauen Himmel schwebten. Alles war noch genauso wie vor ein paar Jahren, als er ab und zu mit seiner jungen Ehefrau hier hinaufgefahren war, um gemeinsam dem Alltag zu entfliehen. Und obwohl sich scheinbar nichts an diesem Ort verändert hatte, schien es ihm so, als wäre die Zeit, die er mit Marina hier verbracht hatte, in einem anderen Leben gewesen.
Er wollte jedoch nicht mehr an dieses andere Leben denken, denn er hatte damit abgeschlossen. Heute war er mit der Frau hier, die sein Herz im Sturm erobert und ihn zurück ins Leben geholt hatte. Danielle…Es war so schön hier, gemeinsam mit ihr. Alles war perfekt. Fast alles.
Bis auf eine Kleinigkeit, die ihm nach wie vor zu schaffen machte.
Er hatte ihr noch immer nichts von dieser Nacht erzählt, der Nacht, die er mit Marina verbracht hatte, oder genauer gesagt, bei Marina, denn noch immer konnte er sich mit keiner Sekunde daran erinnern, was in diesen Stunden zwischen Abendessen und dem Aufwachen am anderen Morgen in ihrem Bett geschehen war.
Eines jedoch wusste er ganz genau: Er musste Danielle endlich die Wahrheit sagen, denn er wollte diese einmalige Beziehung, die so wunderbar und verheißungsvoll begonnen hatte, nicht auf einer Lüge aufbauen. Gleichzeitig aber verspürte er eine unbändige Angst davor, wie sie wohl auf sein Geständnis reagieren würde. Schließlich hatte sie erst vor ein paar Monaten erleben müssen, wie ihre bevorstehende Hochzeit zu Hause in Oklahoma an der Untreue ihres Verlobten gescheitert war, und er wusste, wie tief sie das verletzt hatte.
Aber es musste sein, sie sollte es von ihm selbst erfahren, bevor Marina ihm vielleicht sogar zuvorkam und Danielle aus Eifersucht davon berichtete, was sich in jener Nacht angeblich zwischen ihm und seiner Exfrau abgespielt hatte.
Am besten brachte er es sofort hinter sich, hier und jetzt, sonst würde er daran ersticken.
Danielle kam strahlend auf ihn zu und ließ sich neben ihm nieder.
„Mach die Augen zu“, bat sie und Sekunden später spürte er etwas zuckersüßes, sehr wohlschmeckendes auf seiner Zunge… Walderdbeeren!
Danielle beugte sich zu ihm hinunter und überraschte ihn gleich danach mit einem leidenschaftlichen Kuss.
„Na, was ist süßer?“, fragte sie etwas atemlos.
„Mmh…“ Er tat so, als würde er angestrengt überlegen. „Ich glaube, die Erdbeeren.“
„Na warte!“ Danielle stürzte sich übermütig auf ihn und die beiden wälzten sich lachend im Gras.
Entspannt lagen sie wenig später nebeneinander auf ihrer weichen Picknickdecke und fütterten sich gegenseitig mit den köstlichen Beeren, während sie sich zwischendurch immer wieder verliebt küssten.
„Ich weiß auch nicht“, meinte Danielle plötzlich, während sie den Kopf hob und sich nachdenklich umsah. „Ich habe hier draußen ständig das eigenartige Gefühl, als würde uns jemand beobachten.“
Matt lachte.
„Natürlich beobachten sie uns“, flüsterte er geheimnisvoll.
„Wen meinst du?“, fragte Danielle mit angehaltenem Atem.
„Die Hasen, die Rehe, die Wildkaninchen, vielleicht ist sogar ein Grizzlybär dabei, der eine Mahlzeit wittert.“
„Du machst dich über mich lustig, Matthew Shelton“, schimpfte Danielle und stimmte in sein Lachen ein. Beharrlich versuchte sie dieses dumme Gefühl zu ignorieren, welches sie bereits in Sunset City ab und zu gespürt hatte. Damals an dem Abend am Lagerfeuer, auf Matts Veranda und nun auch hier…
´Schluss damit´, befahl sie sich in Gedanken, ´ich werde mir diese schönen Stunden hier nicht mit irgendwelchen dummen Gefühlen kaputtmachen!´
Entschlossen legte sie ihren Kopf auf Matts Brust, während er ihr zärtlich ihr Haar streichelte.
„Es ist so schön hier, mit dir“, sagte sie leise.
„Das finde ich auch“, erwiderte er. Und ich muss dir etwas gestehen, Danielle.“
Neugierig hob sie den Kopf.
„Ja?“
„Ich habe mich in dich verliebt. Als ich dich das erste Mal in diesem Flugzeug sah, da war mir bereits klar, dass du mein Leben verändern würdest.“
„Und das hat dir Angst gemacht“, erwiderte sie lächelnd, in Erinnerung an jenen Vorfall im Cockpit.
„Zunächst ja, denn es war ein ungewöhnlich starkes Gefühl und ich war damals noch nicht bereit, es zuzulassen.“
„Und bist du jetzt bereit dazu?“
„Das bin ich.“
Sie lächelte und betrachtete ihn mit verklärtem Blick.
„Ich habe das auch gespürt, obwohl ich nie geglaubt hätte, dass es sie wirklich gibt, diese Liebe auf den ersten Blick.“
„Doch, es gibt sie. Wir sind das beste Beispiel.“
Sie kuschelte sich erneut wohlig in seinen Arm, spürte sein Herz schlagen, genoss die warme Sonne auf der Haut, das fröhliche Zwitschern der Vögel in den Baumwipfeln und das wundervolle Glücksgefühl in ihrer Brust.
Sie wusste nicht, wie lange sie so gelegen und entspannt ihren Gedanken nachgehangen hatte, als sie plötzlich Matts leise Stimme vernahm.
„Aber ich muss dir noch etwas sagen, Danielle. Etwas, das dir sicher nicht gefallen wird.“
„Lass mich raten“, schmunzelte Danielle, die seine Worte zunächst gar nicht ernstnahm. „Du willst mir sagen, dass du mich hier in der Wildnis aussetzen wirst, wenn ich mich weigere, weiter Erdbeeren zu sammeln!“
Er richtete sich auf und zwang sie dadurch, ihn anzusehen.
„Danielle, bitte hör mir zu“, bat er ungeduldig.
Sie lächelte noch immer und er hasste sich dafür, dass er ihr diesen Glücksmoment nun sicher zerstören würde.
„Was könnte es denn noch sein, was mir nicht gefällt? Warte, vielleicht…“
„Danielle!“
Sie hörte den Nachdruck in seiner Stimme und verstummte erstaunt.
Er atmete tief durch.
„Erinnerst du dich daran, als dieser Mechaniker mir meinen Wagen nach Hause brachte, nachdem ich ihn zwei Tage zuvor wegen eines platten Reifens stehen lassen musste?“
Sie überlegte einen Moment etwas irritiert, nickte dann jedoch.
„Das war der Morgen, als du mir zum ersten Mal von Mason erzählt hast.“
„Genau. Du glaubtest, Mason hätte dich belogen, als er dir erzählte, der Wagen hätte die ganze Nacht am Ocean Drive gestanden.“
Danielle schaute Matt fragend an.
„Worauf willst du hinaus?“
„Wie du sicher inzwischen weißt, hat sich Marina am Ocean Drive eine Wohnung gemietet. Sie hatte mich an dem Abend zuvor zum Essen eingeladen. Ich hielt es für eine ehrliche Geste der Versöhnung ihrerseits. Sie wünschte sich, dass wir künftig einfach nur Freunde bleiben könnten.“
Verständnislos zog Danielle die Augenbrauen hoch.
„Ja… Und?“
Er wandte sich ab und suchte nach den richtigen Worten.
„Ich kann mir bis heute nicht erklären, wie es so weit kommen konnte, aber…“
„Aber was?“, fragte Danielle voller böser Vorahnungen.
Verzweifelt suchte er ihren Blick.
„Ich bin am nächsten Morgen in ihrem Schlafzimmer aufgewacht.“
Danielles Gesicht wurde von einer Sekunde auf die nächste aschfahl.
„Du bist… was?“, fragte sie und starrte Matt fassungslos an, inständig hoffend, sich soeben verhört zu haben.
„Lass es mich erklären“, bat er eindringlich. „Wir haben ein Glas Champagner getrunken und danach hatte ich einen totalen Blackout. Keine Ahnung, was mit mir los war, ich kann mich an überhaupt nichts mehr erinnern. Allerdings habe ich Marina am nächsten Morgen sofort gesagt, dass diese Nacht, was immer auch geschehen sein mag, rein gar nichts zwischen uns ändern wird.“ Er holte tief Luft und griff instinktiv nach Danielles Hand. „Bitte, du musst mir glauben, sie bedeutet mir nichts mehr. Es ist nicht so, wie es momentan für dich aussieht.“
Danielle zog ihre Hand weg, als habe sie sich verbrannt und sprang blitzschnell auf die Beine.
„Für mich sieht es allerdings ziemlich eindeutig aus“, rief sie, und er konnte erkennen, wie sie vor Wut und Enttäuschung zitterte.
Schnell stand er auf und wollte sie in seine Arme nehmen, um sie zu beruhigen, doch sie wich sofort zurück und sah ihn nur warnend an.
„Fass mich nicht an, Matt!“
„Danielle, hör mir doch bitte zu…“
Fassungslos schüttelte sie den Kopf und trat noch weiter zurück.
„Also deshalb hat Marina im OCEANS herumerzählt, sie würde die große Liebe wieder ganz neu erleben. Und als ich sie fragte, wer der Glückliche sei, sprach sie von dir, ihrem Ex- Mann! Ich habe ihr Gerede nicht ernst genommen.“ Sie griff sich mit beiden Händen an die Schläfen. „Großer Gott, war ich naiv!“
Matt ließ die Arme, die er ihr entgegengestreckt hatte, resigniert sinken.
„Sie hat sich da etwas zusammengesponnen, denn ich hatte ihr schon an dem ersten Abend, als sie plötzlich bei mir aufgetaucht war, unmissverständlich erklärt, dass es zwischen uns ein für alle Mal aus ist.“
„Anscheinend warst du nicht überzeugend genug“, erwiderte Danielle sarkastisch. „Und dann lässt du dich von ihr einladen, bleibst gleich über Nacht und versteckst deine wahren Gefühle jetzt hinter einem angeblichen und völlig lächerlichen Blackout!“ Sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen in die Augen schossen.
„Warum, Matt? Warum hast du mir nicht gleich davon erzählt?“, fragte sie anklagend. „Warum ausgerechnet hier, wo wir beide gerade eine so schöne Zeit haben?“
„Ich wollte es dir erzählen, an dem Abend am Pier, erinnerst du dich? Als wir aus dem YACHT CLUB kamen und der Mord am Strand geschehen war. Von da an habe ich ständig nach einer Gelegenheit gesucht, es dir zu sagen.“
Verzweifelt presste Danielle die Fingerspitzen an ihre vor Erregung pochenden Schläfen. Plötzlich dachte sie wieder an Brendon und den Grund dafür, weshalb sie an ihrem Hochzeitstag Hals über Kopf aus ihrer Heimatstadt davongelaufen war. In diesem Augenblick fühlte sie eine Eiseskälte in ihrem Inneren emporsteigen.
„Ich weiß auch nicht, aber das alles kommt mir seltsam bekannt vor“, sagte sie bitter, drehte sich um und ging davon.
Mit wenigen Schritten hatte Matt sie eingeholt und versuchte, sie festzuhalten, doch sie riss sich mit einer Kraft los, die er ihr gar nicht zugetraut hatte.
„Lass mich einfach in Ruhe!“
Eilig lief sie den Weg zurück, den sie gekommen waren.
Er raffte die mitgebrachten Sachen zusammen und folgte ihr schweigend.
An der Blockhütte angekommen, legte er seine Hand auf ihren Arm.
„Danielle, lass uns reden.“
„Nein!“
„Komm schon…Bitte!“
Es kostete sie alle Kraft nicht hemmungslos loszuheulen. In ihrem Inneren kämpften Wut, Verzweiflung und Enttäuschung über Matts vermeintlichen Verrat.
„Lass mich allein“, sagte sie tief verletzt und warf die Tür zum Schlafzimmer mit Nachdruck vor seiner Nase zu.
*
„Sophia, was… was soll das?“, murrte Edward schlaftrunken und total irritiert von ihrem Kuss.
Schnell trat sie einen Schritt zurück.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken.“
Er schlug das Laken zurück, mit dem er sich notdürftig zugedeckt hatte und rappelte sich auf.
„Ich werde erst einmal duschen gehen“, meinte er mürrisch, mit einem Blick auf sein zerknautschtes weißes Hemd und seine dunkle Anzughose, die nicht viel besser aussah. Er angelte nach seinem Jackett und der Krawatte, die er am Abend zuvor achtlos über die Sessellehne geworfen hatte und fuhr sich mit den Fingern der anderen Hand durch sein zerzaustes Haar.
Sophia begann plötzlich laut zu lachen.
Erstaunt wandte Edward sich um.
„Was zum Teufel ist so lustig?“
„Du!“, kicherte sie. „Du siehst so… menschlich aus.“
Er stutzte einen Moment und kam dann zurück. Kurz vor ihr blieb er stehen und maß sie mit einem undefinierbaren Blick.
„Und das gefällt dir?“
„Ja“, erwiderte sie leise und ihr Gesicht wurde ernst. „Leider habe ich dich in der letzten Zeit kaum noch so erlebt.“
„Und um dich über diese Tatsache hinwegzutrösten, bist du nach L.A. abgehauen und hast dich dem erstbesten, supereleganten Schnösel an den Hals geworfen“, erwiderte Edward in abfälligem Ton. „Warum tust du das, wenn du es doch angeblich so menschlich liebst!“
„Ich habe mich niemandem an den Hals geworfen, merk dir das“, zischte Sophia, drehte sich um und wollte davonlaufen, doch Edward packte sie grob am Arm.
„Ich bin noch nicht fertig mit dir“, knurrte er wütend.
„Aber ich mit dir, nach allem, was du mir ständig unterstellst“, fauchte sie zurück und versuchte vergeblich, sich loszureißen. „Lass mich gefälligst los, du tust mir weh!“
Sie rangen einen Moment lang miteinander, doch plötzlich merkten beide, wie nahe sie einander dadurch gekommen waren. Überfordert von der ungewöhnlichen Situation und ihren eigenen zwiespältigen Gefühlen hielten sie wie erstarrt inne, aus Angst, durch eine unbedachte Bewegung den Zauber dieses Augenblickes zu zerstören. Ihre Lippen waren plötzlich nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt und ihre Blicke ließen einander nicht los, fast so, als sähen sie sich nach unendlich langer Zeit zu ersten Mal.
Dann beugte sich Edward vor und küsste Sophia.
Aufseufzend begann sie, seinen Kuss zu erwidern, während sie ihre Arme um seinen Hals schlang und ihre Hände hungrig über seinen Rücken wandern ließ. Er zog sie dicht zu sich heran, und als mit den immer intensiver werdenden Zärtlichkeiten auch der letzte Zweifel beseitigt schien, fielen sie beide in ungezügelter Leidenschaft völlig ausgehungert übereinander her.
Sie liebten sich gleich auf dem Sofa und es machte ihnen rein gar nichts aus, dass dieses Möbelstück eigentlich viel zu schmal und zu unbequem für Aktivitäten dieser Art war.
Sophia schloss die Augen und genoss jede Sekunde ihres überraschenden Zusammenseins. Fast schien es ihr, als hätte sie nach einer langen, trostlosen Zeit endlich wieder heimgefunden.
*
Nachdenklich schüttelte Suki den Kopf.
„Ich bin sicher, dass die Flasche mit dem Beruhigungsserum noch auf den Tisch stand, als mein Beeper losging.“
Dr. Arthur Mendes saß am Schreibtisch in seinem Büro und warf einen Blick in die Krankenakte des Patienten, für den das besagte Medikament bestimmt gewesen war.
„Sie haben doch selbst hier drin vermerkt, dass Sie Mister Greene die Spritze verabreicht haben. Wo ist das Problem?“
„Ich habe es vermerkt, das ist richtig“, erinnerte sich Suki stirnrunzelnd. „Und zwar unmittelbar nachdem ich ihm das Medikament verabreicht hatte. In dem Augenblick, als ich die Flasche im Ärztezimmer zurück in den Medikamentenschrank stellen wollte, wurde ich ans Telefon gerufen. Und als ich kurz danach wieder zurückkam, war sie weg. Angeblich hat keine der diensthabenden Schwestern das Serum weggeräumt, während ich draußen war. Ich habe alle gefragt. Und der Medizinschrank war ebenfalls nicht wieder abgeschlossen worden.“
Ihr Vorgesetzter lächelte nachsichtig.
„Und steht das Medikament jetzt im Schrank?“
„Dort stehen ungefähr ein Dutzend solcher Flaschen, ich kann es also nicht mit Sicherheit sagen.“
„Suki, wir wissen alle, dass Sie sehr gewissenhaft sind. Niemand macht Ihnen einen Vorwurf, dass Sie das Zimmer verlassen mussten, um einen Telefonanruf entgegenzunehmen. Vermutlich hat die Schwester, die das Medikament weggeräumt hat, einfach vergessen, den Schrank abzuschließen. Ich befürchte allerdings, die Betreffende wird solch ein Versehen nur ungern zugeben wollen.“
Suki atmete tief durch.
„Okay, dann wollen Sie die Sache also auf sich beruhen lassen?“
Arthur Mendes nickte.
„Aber natürlich. Es ist ja nichts abhandengekommen.“
„Zumindest nehmen wir das an“, entfuhr es Suki.
Ihr Vorgesetzter, der sich bereits wieder seinen Krankenberichten zugewandt hatte, blickte erneut auf.
„Das klingt fast so, als würden Sie das bezweifeln.“
„Nun ja, ich kann zumindest nicht mit Sicherheit sagen, ob etwas in dem Medikamentenschrank fehlt.“
„Das kann ich auch nicht. Aber ich gehe davon aus, dass es so gut wie unmöglich gewesen sein dürfte, dass sich jemand während Ihrer kurzen Abwesenheit hier hereingeschlichen hätte. Also, meine Liebe, lassen Sie es gut sein und widmen Sie sich wieder ihren Patienten. Der Fall ist erledigt.“
Einigermaßen erleichtert verließ Suki das Büro ihres Vorgesetzten. Auf dem Weg in ihr Sprechzimmer dachte sie daran, dass Mitch gestern Abend ähnlich reagiert hatte wie ihr Kollege, als sie ihm bei einem gemeinsamen Abendspaziergang am Strand von dem Vorfall erzählte.
´Wahrscheinlich mache ich mir wirklich zu viele Gedanken´, schalt sie sich insgeheim und nahm sich fest vor, nicht mehr darüber nachzugrübeln.
Viel angenehmer empfand sie die Erinnerung daran, wie sie gestern gemeinsam mit Mitch am Meer gestanden und der Abendsonne zugesehen hatte, als diese langsam in ihrem immer wieder aufs Neue spektakulären Farbenspiel am fernen Horizont im Meer versunken war. Mitch hatte irgendwann wortlos ihre Hand ergriffen und nicht mehr losgelassen, bis sie schließlich wieder zu Hause waren.
Ihre heimlichen Erwartungen auf einen Gutenachtkuss wurden allerdings enttäuscht, denn kaum waren beide von ihrem Ausflug zurück, wurde Mitch von seinen männlichen Mitbewohnern in Beschlag genommen. Die jungen Männer hatten alles für einen nächtlichen Angelausflug vorbereitet und warteten bereits ungeduldig vor dem Haus auf ihn.
Keine Chance auf Romantik.
Oder doch?
„Es war schön mit dir am Strand“, hatte Mitch leise zu ihr gesagt, bevor er zu den anderen in den Wagen stieg. Und mit einem verheißungsvollen Lächeln auf den Lippen hatte er hinzugefügt: „Das sollten wir beide sehr bald wieder tun.“
*
Ohne richtig zu wissen, was sie tat, zog Danielle ihre Sachen aus und drehte die Dusche auf. Zugleich mit dem Wasser begannen die Tränen hemmungslos zu laufen. Es waren bittere Tränen der Wut und Enttäuschung, aber auch der Angst um ihre Liebe zu Matt. Sie war so glücklich gewesen, hatte sich bei ihm so unendlich geborgen gefühlt, und nun das…
Nach all dem, was sie damals in Oklahoma mit Brendon erleben musste, hatte sie sich geschworen, sie würde es nie wieder zulassen, dass ein Mann ihr so wehtat.
Was aber, wenn Matt die Wahrheit gesagt hatte, wenn er sich wirklich nicht daran erinnerte, was geschehen war, als er bei Marina war? Vielleicht hatte diese hinterhältige Hexe ihm ja etwas ins Essen gemischt oder so…
´Kompletter Unsinn´, schalt sie sich.
Andererseits musste sie sich widerwillig eingestehen, dass er ehrlich gewesen war und ihr von sich aus alles erzählt hatte. Er wollte und konnte sie nicht belügen, und das unterschied ihn doch ganz erheblich von Brendon!
Danielle war total durcheinander.
Als sie später aus dem winzigen Badezimmer in den Schlafraum zurückkam, hätte sie nicht einmal mehr mit Sicherheit sagen können, ob sie kalt oder heiß geduscht hatte.
Zitternd nahm sie frische Unterwäsche, eine Hose und einen Pullover aus dem Schrank, zog alles an und rollte sich auf dem Bett zusammen.
Tief im Zwiespalt ihrer Gefühle gefangen wollte sie für den Moment nur noch schlafen und vergessen…
*
Matt wusste nicht, was er tun sollte.
Obwohl er alles andere als Hunger verspürte, begann er, eine kräftige Hühnersuppe zu kochen. Danielle musste sich beruhigen und etwas essen, vielleicht konnten sie danach noch einmal in Ruhe miteinander reden.
Während er in der Küche hantierte, sah er immer wieder hinüber zur Schlafzimmertür und hoffte inständig, dass sie nicht vielleicht ihre Sachen packen und ihn auffordern würde, sie heimzufahren. Aber im Raum nebenan blieb es still.
Als die Suppe fertig war, hielt er es vor Unruhe nicht mehr aus.
Leise öffnete er die Tür.
Sie lag zusammengerollt auf dem Bett und drehte ihm den Rücken zu, so dass er nicht sehen konnte, ob sie schlief.
„Danielle? Möchtest du etwas essen?“, fragte er leise, doch es kam keine Antwort.
Er trat vorsichtig ans Bett heran, deckte sie behutsam mit einer Wolldecke zu und strich ihr liebevoll übers Haar.
„Na gut, dann schlaf noch ein wenig, Liebling“, flüsterte er, obwohl er sich nicht sicher war, ob sie ihn hörte. „Ich fahre kurz ins Dorf hinunter und hole uns noch etwas Leckeres zum Abendwessen.“
Als noch immer keine Reaktion kam, wandte er sich um und schloss leise die Tür hinter sich.
*
Danielle lag da und unterdrückte mühsam das Schluchzen, das ihr die Kehle schmerzhaft zusammenschnürte. Als Matt ihr übers Haar streichelte, hätte sie am liebsten nach seiner Hand gefasst und sie nie wieder losgelassen. Sie wollte seine Wärme spüren und den zärtlichen Ausdruck in seinen Augen sehen, doch ihr verletzter Stolz hinderte sie daran, auch nur eine Bewegung in seine Richtung zu machen.
Sie schloss ihre Augen, in denen erneut Tränen brannten und fiel schließlich in einen unruhigen Schlaf.
Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie so gelegen und geschlafen hatte, aber von irgendeinem merkwürdigen Geräusch, das von draußen aus der Küche zu kommen schien, wurde sie mit einem Mal hellwach.
´Er ist zurück´, dachte sie mit einer gewissen Erleichterung und ihr Herz schlug sogleich schneller, als sie hörte, wie sich die Tür zum Schlafraum leise öffnete.
„Matt?“
Sie richtete sich auf und wollte sich gerade umdrehen, als sie neben sich plötzlich eine Bewegung wahrnahm und ihr im selben Augenblick jemand mit starker Hand etwas Weiches, Stoffartiges erbarmungslos fest aufs Gesicht drückte.
Panisch versuchte sie sich zu wehren und die unbekannte Hand wegzuschieben, doch ihr Angreifer war stärker. Während ihr der typische, beißende Geruch von Chloroform in die Nase fuhr und ihr den Atem nahm, sah sie für Bruchteile von Sekunden Matts Gesicht, bevor sie in tiefe Bewusstlosigkeit versank…