Caroline stöhnte.
Seit Stunden versuchte sie sich auf ihre Studienunterlagen zu einer unmittelbar bevorstehenden Klausur zu konzentrieren, doch ihr ging einfach zu viel im Kopf herum, um sich auch nur einen Bruchteil dessen zu merken, was für diese schriftliche Prüfung wichtig war.
Und dann dieses verflixte Telefon nebenan...
Unaufhörlich klingelte es im Arbeitszimmer ihres Vaters in der Penthouse Suite des PACIFIC INN, die vorübergehend ihr Zuhause ersetzte, nachdem das prächtige Anwesen der Hamiltons vor ein paar Wochen durch einen heimtückischen Brandanschlag fast vollständig vernichtet worden war.
Caroline lächelte nachdenklich.
So schmerzlich der Verlust ihres Elternhauses für sie auch gewesen war, umso mehr freute sie sich auf die neue Villa, die ihr Vater bauen ließ und die in Rekordzeit fertig sein würde, nachdem Edward die besten Firmen für dieses Projekt verpflichtet hatte. Größer und schöner als das alte Haus würde sie sein. Darin konnte Caroline den gesamten Westflügel der oberen Etage ihr eigen nennen und durfte dann hoffentlich endlich ihre lang entbehrte Privatsphäre genießen.
Das Klingeln des Telefons riss sie erneut aus ihren Gedanken.
Rosita hatte ihren freien Tag, und vermutlich war der Anrufbeantworter mal wieder nicht eingeschaltet.
Seufzend klappte Caroline ihre Unterlagen zu und ging hinüber, um den hartnäckigen Anrufer an Edwards Büro in der H&S ENTERPRISES zu verweisen.
Eine Männerstimme war am anderen Ende der Leitung, und der Anrufer behauptete, Mr. Hamilton hätte ihn ausdrücklich gebeten, ihn nur auf seinem Privatanschluss anzurufen.
„Nun, das mag ja sein, aber mein Vater ist den ganzen Tag außer Haus“, erklärte Caroline so geduldig wie möglich. „Nein, tut mir leid, Sir, wenn er nicht an sein Handy geht, kann ich Ihnen auch nicht helfen. Sicher hat er eine wichtige Besprechung und will momentan nicht gestört werden. Möchten Sie ihm eine Nachricht hinterlassen?... Ja, einen Augenblick, ich werde es mir notieren...“
Eilig zog Caroline die oberste Schublade von Edwards Schreibtisch auf und kramte nach einem Stift. Dabei fiel ihr einer dieser kleinen Sticks in die Hände und sie stutzte erstaunt. Auf dem Stick stand mit roter Schrift ein Name, der augenblicklich ihre Neugier weckte:
„Bobby Hughes“
Hughes? Das war doch der Kerl, der Dr. Yamada entführt hatte und dabei kürzlich ums Leben gekommen war!
Was hatte denn ihr Vater mit diesem Kriminellen zu tun?
Schnell notierte sie die Telefonnummer des hartnäckigen Anrufers und legte auf.
Gedankenverloren betrachtete sie den Stick in ihrer Hand.
Bobby Hughes... War er vielleicht ein Klient von Onkel Andrew gewesen?
Damals, als sie die Schlagzeilen von Bobbys Tod in der Zeitung las, hatte sie ihren Vater gefragt, was genau passiert sei, aber er hatte nur abgewinkt und gemeint, Hughes sei lediglich ein primitiver Schurke gewesen, der mit der Entführung der Ärztin von jemandem Geld erpressen wollte.
Erpressung... Hatte Hughes vielleicht auch versucht, ihren Vater mit irgendetwas zu erpressen?
Nachdenklich drehte sie den Stick in ihren Händen und zögerte. Sofort begann ihr Gewissen Alarm zu schlagen. Noch nie hatte sie in Edwards Sachen herumgeschnüffelt! Einem ersten Impuls folgend wollte sie das Teil schon zurücklegen, doch dann siegte die Neugier.
Kurzentschlossen nahm sie das kleine Teil und verband es im Nachbarzimmer mit ihrem Laptop. Sekunden später öffneten sich zahlreiche Audiodateien. Caroline öffnete eine davon und lauschte gespannt.
Bereits nach den ersten Worten nahm ihr Gesicht einen ungläubigen Ausdruck an.
Diese Stimme kannte sie doch irgendwoher...
Die Erkenntnis traf sie wie ein Faustschlag, und es schien ihr, als würde ihr das Blut in den Adern gefrieren.
Natürlich!
Der anonyme Telefonanruf in Brendons Hotelzimmer!
Ein Irrtum war ausgeschlossen, diese Stimme, deren Klang ihr noch immer kalte Schauer über den Rücken jagte, würde sie unter Hunderten wiedererkennen.
Das war... Bobby Hughes!
Aber was hatte er mit Brendon zu tun? Warum nannte er ihn einen gemeinen Verräter und sprach ihn gleichzeitig mit „Partner“ an?
Caroline hatte den genauen Wortlaut immer noch im Gedächtnis:
„DAFÜR WIRST DU BITTER BEZAHLEN; PARTNER...“
„WIR RECHNEN NOCH MITEINANDER AB...“
Ohne Zweifel! Es war Bobby Hughes Stimme, die sie damals gehört hatte.
Zutiefst beunruhigt kopierte sie die Dateien auf ihren Laptop und legte anschließend den Stick zurück in die Schublade.
Brendon hatte sich seit jenem Vormittag, als sie zu ihm ins Hotel gekommen war und sie beide beinahe miteinander geschlafen hatten, nicht wieder gemeldet. Sein Zimmer im Motel hatte er gekündigt, und er selbst schien wie vom Erdboden verschwunden zu sein. Caroline fragte sich, ob er sich überhaupt noch in Sunset City aufhielt. Irgendetwas musste geschehen sein, etwas Schwerwiegendes. Etwas, was nach ihren neusten Erkenntnissen ganz sicher mit Bobby Hughes zu tun hatte.
Sobald Brendon hier irgendwann wieder aufkreuzen sollte, und sie war sicher, dass er das tun würde, musste sie unbedingt herausfinden, was es war.
Sie hatte da so eine Idee.
*
Brendon war bester Laune, als er seinen Mietwagen über die Küstenstraße lenkte.
Vor ein paar Stunden war seine Maschine aus Oklahoma in L.A. gelandet, und nach einigen kurzen Besorgungen fuhr er nun schnurstracks Richtung Süden, zurück nach Sunset City, zurück zu Danielle.
Und zu Caroline.
Er grinste und pfiff übermütig einen Song mit, der aus dem Autoradio tönte.
Bobby Hughes war tot! Die beste Nachricht seines Lebens!
Nun konnte ihm nichts mehr geschehen. Klar, es war überaus feige gewesen, einfach abzuhauen und Caroline total im Ungewissen zu lassen. Vermutlich hatte sie ihn überall gesucht und sich große Sorgen gemacht, und bestimmt schmollte sie wegen seines Verschwindens, aber das würde sich in Anbetracht des prächtigen Rosenstraußes, der neben ihm auf dem Beifahrersitz lag, bestimmt schnell geben. Ab heute würde er die Zeit mit ihr genießen.
Aber er durfte dabei den eigentlichen Grund seiner Rückkehr nicht aus den Augen verlieren. Dieses Mal wollte er alles richtigmachen. Er wollte Danielle zurückhaben, mit allen Mitteln, und wenn es erst soweit war, dass er es geschafft hatte, sie mit diesem Matt Shelton zu entzweien, dann würde er mit ihr zurückkehren nach Crawford. Sie würden heiraten, wie es geplant gewesen war und Sunset City würde nur noch eine Erinnerung für sie beide sein. Zugegeben, für Danielle eine eher bittere Erinnerung, aber für ihn dank Caroline eine überaus reizvolle.
Er war gespannt darauf zu erfahren, wie es seiner Ex-Verlobten inzwischen ging. Ob sie nach ihrer Entführung durch diesen verrückten Shelton-Bruder schon wieder aus dem Koma erwacht war?
Vorhin, als er auf dem Flughafen auf sein Gepäck gewartet hatte, schien es ihm für eine Sekunde, als habe er Danielle mit ihrer Mutter und ihrer Schwester gesehen, wie sie die Aussichtsplattform verließen. Aber inzwischen war er sicher, dass ihm seine Fantasie nur einen üblen Streich gespielt hatte, denn die drei Frauen waren verschwunden, noch bevor er genauer hinschauen konnte.
Auf der nächsten Hinweistafel wurde die Abfahrt nach Sunset City angezeigt, und Brendon bog vom Highway ab. Er beschloss, erst einmal zum BEACHWOOD-Motel zu fahren und sich dort wieder ein Zimmer zu nehmen.
Vielleicht sollte er gleich nach seiner Ankunft bei Caroline anrufen? Er konnte es immer noch nicht fassen, dass er ihr verführerisches Angebot in einem Anflug von Ehrenhaftigkeit, oder was auch immer, abgelehnt hatte.
Du lieber Himmel, sie hätte fast mit ihm geschlafen! Und er Riesentrottel war davongelaufen!
Daran war nur diese Sache mit Hughes schuld gewesen.
Okay, nun waren die Karten neu gemischt! New game – new luck!
Wenn er sich nicht wieder so blöd anstellte und die kleine süße Caroline noch ein bisschen um den Finger wickelte, dann würde sie ihn später vielleicht sogar eine Zeitlang in einem der Gästezimmer des schönen, neu erbauten Hamilton-Hauses wohnen lassen. Zumindest so lange, bis er die Beziehung zu ihr beenden und mit Danielle nach Hause zurückkehren würde.
Brendon lachte.
Halleluja! Der Himmel auf Erden bot sich ihm. Er brauchte nur zuzugreifen!
*
Edward betrat das OCEANS und sah sich interessiert an.
Um diese Zeit waren noch nicht sehr viele Besucher da, und Chelsea, die eben einige junge Leute an einem der Tische bedient hatte, bemerkte ihn sofort.
Freundlich lächelnd trat sie auf ihn zu.
„Mister Hamilton! Welch ein seltener Besucher in unserer bescheidenen Hütte! Möchten Sie an der Bar Platz nehmen oder erwarten Sie noch jemanden?“
Edward musterte sie kurz. Sie war sehr hübsch, das musste er zugeben, aber ihre kesse, fast provozierende Art missfiel ihm. Bei ihr wusste man nie genau, ob sie etwas ernst meinte oder einen vielleicht nur auf den Arm nahm.
Nun, mit diesem kleinen Luder würde er schon fertig werden.
„Weder noch, meine Liebe. Eigentlich wollte ich mit Ihnen und Ihrem Partner etwas besprechen. Haben Sie kurz Zeit?“
„Oh!“ Chelsea schien überrascht. „Dean ist momentan nicht da. Aber ich unterhalte mich natürlich gern mit Ihnen.“
Da war wieder dieses schwer zu deutende Lächeln, das ihn auf die Palme brachte. Er mochte keine emanzipierten Frauen. Für ihn musste eine Frau schön und intelligent sein, sich jedoch vor allem durch ein gewisses Maß an Gehorsam, vornehmer Zurückhaltung und Anpassungsfähigkeit auszeichnen. So wie Sophia lange Zeit gewesen war.
„Mel, übernimmst du mal für mich?“, wies Chelsea mit einem kurzen Blick über die Schulter ihre junge Aushilfskellnerin an und unterbrach damit seine Gedanken. Mit einer einladenden Geste in Richtung der Treppe wandte sie sich ihm wieder zu. „Gehen wir hinauf ins Büro, Mister Hamilton, dort sind wir ungestört.“
„Würden Sie mich bitte beim Vornamen nennen, Chelsea?“, bat er so charmant wie möglich, während er ihr nach oben folgte. „Wenn Sie Mr. Hamilton sagen, komme ich mir uralt vor.“
„Das sind Sie aber nicht“, lächelte Chelsea und öffnete die Tür. „Im Gegenteil, Sie sind ein sehr attraktiver Mann.“
`Miststück!`, dachte Edward, erwiderte jedoch ihr Lächeln.
Das Büro war geräumig und sehr viel geschmackvoller eingerichtet, als er erwartet hatte. Diskret ließ er seine Augen herumwandern und wog in Gedanken bereits ab, was er so belassen könnte, und was verändert werden müsste, wenn ihm diese Bar erst gehörte.
Er nahm in einem der schweren Clubsessel Platz.
„Darf ich Ihnen einen Drink anbieten?“, fragte Chelsea und trat an einen kleinen, aber reichhaltig gefüllten Barschrank.
„Gerne“, lächelte Edward angenehm überrascht. „Ich nehme einen Cognac.“
Er beobachtete sie, wie sie den Drink einschenkte. Sie hatte eine tolle Figur und ihre blonde Mähne war nur lose aufgesteckt. In dem kurzen, dunkelgrünen Sommerkleid wirkte sie sehr sexy, und der Blick aus ihren smaragdfarbenen Augen verriet, dass sie sich dieser Wirkung auch voll bewusst war. Sie reichte Edward das gefüllte Glas, setzte sich ihm gegenüber und schlug die langen, schlanken Beine übereinander.
„Trinken Sie nichts, Chelsea?“, fragte er, doch sie schüttelte entschieden den Kopf.
„Ich trinke kaum Alkohol, und im Dienst schon gar nicht.“
Sie musterte ihn ohne Scheu und mit unverhohlener Neugier, während er einen Schluck von seinem Drink nahm.
„Also, was kann ich für Sie tun, Mister Ham.. ähm, Edward?“
Er stellte das Glas auf dem kleinen runden Tisch ab und beugte sich etwas vor.
„Das ist relativ einfach erklärt, und ich möchte auch nicht lange um den heißen Brei herumreden.“
„Okay“, nickte Chelsea mit der ihr eigenen Selbstsicherheit. „Dann mal raus mit der Sprache!“
„Ich möchte das OCEANS kaufen.“
*
Matt stoppte den Wagen am Hintereingang seines Hauses und bat Danielle herein.
Sie betrat das große, helle Wohnzimmer und sah sich um. Seit jener Sturmnacht damals, als sie nach ihm gesucht und schließlich total durchnässt vor seiner Tür gestanden hatte, war sie nicht mehr hier gewesen, aber sofort fühlte sie wieder diese geheimnisvolle und gleichzeitig vertraute Atmosphäre, die bereits bei ihrem allerersten Besuch in seinem Haus von ihr Besitz ergriffen hatte.
Matt hatte ihr nichts von seinen Plänen verraten, sie wusste nur, dass sie beide den heutigen Abend und die darauffolgende Nacht nicht hier verbringen würden.
Er öffnete weit die Verandatüren. Sofort spürte Danielle den frischen Wind, der vom Meer herüberwehte. Sie trat hinaus und atmete tief durch. Er folgte ihr und legte fürsorglich den Arm um ihre Schultern.
„Setz dich, und ruh dich ein wenig aus.“
„Es geht mir gut“, widersprach sie lächelnd. „Du musst dir keine Sorgen mehr machen!“
Ein Glücksgefühl durchströmte sie, als er sie zärtlich in seine Arme nahm.
„Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dich endlich wiederzuhaben“, flüsterte er. „Ich hoffe, der heutige Abend wird unvergesslich für uns beide.“
Schelmisch blinzelte sie ihn an.
„Was haben Sie denn vor, Mister Shelton?“
„Das ist eine Überraschung“, erwiderte er geheimnisvoll. „Ich will...“ Fast hätte er gesagt, er wolle sie entführen. Erschrocken wurde ihm die Bedeutung dieser Worte klar, und er konnte sie eben noch herunterschlucken.
„Ich will dich heute ganz für mich.“
„Klingt gut“, meinte Danielle. „Wohin gehen wir?“
„He, nicht so eilig“, lachte Matt. „Ich muss schnell noch ein paar Sachen holen. Mach es dir auf dem Sofa gemütlich, es dauert nicht lange.“
Als sie ins Zimmer zurücktraten, klingelte sein Handy, das er auf dem Tisch abgelegt hatte.
„Marina“ stand gut lesbar auf dem Display. Mit einem unwilligen Knurren drückte Matt den Anruf weg.
„Willst du nicht rangehen?“, erkundigte sich Danielle, die neben ihm stand und den Namen der Anruferin ebenfalls gelesen hatte.
„Nein“, erwiderte Matt und legte das Handy zurück auf den Tisch. Er sah Danielles skeptischen Blick und zog sie lächelnd in seine Arme.
„Ich wüsste nicht, was ich mit meiner Ex-Frau zu besprechen hätte. Nicht heute und auch in Zukunft nicht.“
„Dann ist es ja gut“, erwiderte sie und bemühte sich um ein Lächeln. „Na los, ich kann es kaum erwarten, mehr über deine Überraschung zu erfahren.“
Während Matt nach oben ging, nahm Danielle auf dem Sofa Platz und schaute finster auf das Handy, das vor ihr auf dem Tisch lag.
Warum konnte diese Frau nicht endlich Ruhe geben? Was wollte sie noch von Matt? Ging dieser Albtraum etwa schon wieder los?
Wie auf Befehl begann das Handy kurz darauf erneut zu klingeln und Marinas Name erschien abermals auf dem hellerleuchteten Display. Einen Augenblick lang war Danielle versucht, das Gespräch anzunehmen und der Teilnehmerin klar und deutlich zu erklären, dass ihre Anrufe nicht erwünscht waren. Doch die Vernunft siegte und Danielle begnügte sich damit, das Handy wie einen Feind anzustarren, bis es endlich verstummte.
„So, wir können los!“, vernahm sie plötzlich Matts Stimme dicht hinter sich. Sie war derart in Gedanken gewesen, dass sie überhaupt nicht gehört hatte, wie er die Treppe heruntergekommen war. Erschrocken fuhr sie herum.
„Was hast du denn?“, fragte er irritiert. „Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“
„Nicht gesehen, sondern vielmehr gehört“, murmelte sie und versuchte sich mühsam zu fassen. „Die Geister der Vergangenheit, Matt. Scheint so, als sei es deiner Exfrau ziemlich wichtig dich zu sprechen.“
„Marina?“, fragte er erstaunt. „Hat sie etwa nochmal angerufen?“
„Vielleicht solltest du sie zurückrufen“, erwiderte Danielle und beobachtete aufmerksam seine Reaktion, doch sein Gesicht blieb ausdruckslos.
„Darauf kann sie lange warten“, knurrte er, nahm das Handy, schaltete es aus und steckte es in seine Hosentasche. Dann griff er nach Danielles Händen und zog sie sanft vom Sofa hoch in seine Arme. Er bemerkte, wie sie sich versteifte und sah ihr fest in die Augen.
„Hör zu, dieser Abend gehört nur dir und mir. Nichts ist mir wichtiger als du. Ich werde heute ganz sicher niemanden mehr zurückrufen, schon gar nicht meine Exfrau.“
Danielle nickte nur stumm und befreite sich aus seiner Umarmung.
„Okay“, sagte sie und atmete tief durch. „Dann lass uns gehen.“
„Moment..“ Lächelnd zog er sie erneut zu sich heran. „Nicht so schnell.“
„Was ist?“, fragte sie blinzelnd.
„Ohne einen Kuss von dir tue ich keinen einzigen Schritt!“
*
„Wie bitte?“ Chelsea glaubte sich verhört zu haben. „Sie wollen... Was?“
„Sie haben richtig gehört, meine Liebe. Ich möchte diese Bar kaufen. Nennen Sie Ihren Preis und wir sind im Geschäft.“
„Moment..“ Chelsea hob abwehrend beide Hände. Sein Angebot überraschte sie wirklich. Damit hätte sie nicht gerechnet. „Was wollen Sie denn mit einer Tanzbar?“
„Nun, sagen wir mal, ich brauche eine geeignete Lokalität für meine Firma, und das OCEANS erfüllt alle Voraussetzungen dafür.“
„So so... tut es das...“, murmelte Chelsea nachdenklich. Während sie äußerlich völlig ruhig wirkte, spürte sie, wie eine zunehmende innere Unruhe langsam von ihr Besitz ergriff.
Was hatte dieser Mann vor? Worauf lief das Gespräch hinaus?
Chelsea war zwar noch nicht allzu lange in Sunset City, doch sie hatte sich umgehört. Edward Hamilton galt allgemein als ein Fuchs, gerissen und gefährlich. Warum wollte er plötzlich unbedingt das OCEANS kaufen? Diese Bar gab es schon seit Ewigkeiten, und die ehemaligen Besitzer hätten Freudensprünge gemacht, ein Kaufangebot von einem Mann wie Hamilton zu erhalten.
Aber nein, ausgerechnet jetzt zeigte er Interesse, wo der Laden so gut lief wie nie zuvor.
„Wir haben das OCEANS gerade erst neu renoviert, es wäre schade, wenn...“, begann sie zögernd, doch Edward unterbrach sie sogleich:
„Keine Sorge, die Kosten für die Renovierung werde ich natürlich in mein Angebot mit einrechnen.“
Sie sah ihn an und dachte unwillkürlich an eine gefährliche Giftschlange.
Oh ja, er lächelte überaus freundlich und charmant, doch es waren seine Augen, die ihr einen Schauer über den Rücken jagten. Sie blieben kalt und berechnend. Er zog sein Scheckheft aus der Innentasche seiner Jacke und zückte einen teuer aussehenden Stift. In aller Ruhe schrieb er eine Zahl auf den Scheck und sah Chelsea dann wieder an.
„Hier ist mein Angebot.“
„Einen Dollar?“, rief Chelsea ärgerlich. „Soll das ein Scherz sein, oder was?“
Edward schob ihr den Scheck und den Stift über den Tisch.
„Kein Scherz. Sie bestimmen die Anzahl der Nullstellen hinter dieser Ziffer, Chelsea“, sagte er langsam und bedeutungsvoll. Sein Lächeln vertiefte sich, als ihren Gesichtsausdruck sah. Zumindest für den Augenblick war ihre Selbstsicherheit dahin.
Er lehnte sich in dem Sessel zurück und führte langsam sein Glas wieder an die Lippen, ohne sie dabei jedoch aus den Augen zu lassen.
Chelsea schluckte und starrte ungläubig auf den Scheck vor sich.
Sie sollte... Waaas?
Kaum zu glauben! Sie hatte nie viel Geld besessen und musste in Gedanken nachrechnen, wie viele Nullen welche Summe ergaben.
Unsicher sah sie ihn an.
„Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder?“
Edward drehte das Glas abwartend in der Hand.
„Wenn es um irgendwelche Geschäfte geht, scherze ich niemals, meine Liebe. Also…“ Er wies auf den Scheck. „Nur zu.“
Chelsea starrte auf das Stück Papier vor sich, das vielleicht ihre ganze Zukunft verändern konnte. Ihre und Deans.
Wie im Trance griff sie nach dem Stift.
„Vier Nullen?“ Edward schnalzte missbilligend mit der Zunge und schüttelte den Kopf. „Vier? Also ich muss schon sagen, ich hätte mehr Geschäftssinn von Ihnen erwartet, meine Liebe.“
Wie meinte er das? Hatte sie den Bogen überspannt? War eine fünfstellige Zahl zu unverschämt?
Okay, soviel hatten sie nicht für die Übernahme des OCEANS bezahlen müssen, und die Renovierungskosten hatten sich auch in gewissen Grenzen gehalten, aber immerhin..
„Ich, ich würde doch ganz gern erst einmal mit meinem Partner über die Angelegenheit sprechen“, sagte sie hastig und schob den Scheck von sich weg, als hätte sie plötzlich Angst davor.
Edward grinste, beugte sich wieder vor und nahm den Stift. Matt sollte ihm später nicht vorwerfen, er hätte dessen so genannte Freunde in irgendeiner Weise übers Ohr gehauen. Außerdem würde er die Summe, die er für den Kauf des OCEANS ausgab, bald wieder doppelt und dreifach zurückbekommen, wenn der Laden hier erst einmal lief.
Und er würde laufen, dessen war er sich sicher.
„Sie sollten als Geschäftsfrau lernen, sich niemals unter Ihrem Wert zu verkaufen“, sagte er ruhig und bestimmt. Dann schrieb er die Anzahl der Nullstellen wie selbstverständlich in die vorgegebene Zeile, und Chelsea konnte nur mit Mühe einen Aufschrei unterdrücken.
Er schrieb tatsächlich noch eine Null mehr!
„Voila.“ Edward reichte ihr den Scheck. „Das ist mein Angebot. Sprechen Sie mit Ihrem Partner und geben Sie mir bis morgen Abend Bescheid, wie Sie sich beide entschieden haben.“
Chelsea starrte ihn mit offenem Mund an, als er sich erhob und zur Tür ging.
„Vergessen Sie nicht, Chelsea. Morgen Abend. Einen schönen Tag noch.“
*
Matt lenkte den Wagen zum Yachthafen hinunter, hielt auf einem der privaten Parkplätze und stellte den Motor ab.
„Bitteschön, wir sind da.“
Während er ihr galant die Tür öffnete, stieg sie aus und blickte sich neugierig um.
„Was hast du vor, Matt? Fahren wir mit der „Sunrise“?“
Lächelnd schüttelte er den Kopf.
„Nein, nicht mit der „Sunrise“. Du solltest deine Jacke anziehen, es wird etwas frisch auf unserem kleinen Ausflug!“
Er nahm die Taschen aus dem Wagen und nickte ihr aufmunternd zu. „Aber bei den Booten sind wir richtig.“
An einem der weiter hinten liegenden Bootsstege wartete ein älterer Mann auf sie.
„Hallo Mister Shelton“, grüßte er und verzog sein sonnengegerbtes, faltiges Gesicht zu einem freundlichen Grinsen. „Schön, Sie zu sehen!“
„Hallo Carlos!“ Lachend klopfte Matt ihm auf die Schulter. „Alles klar?“
„Natürlich, Sir. Ich komme eben von drüben. Sie werden bereits erwartet.“ Er reichte Matt einen Schlüsselbund und nickte Danielle freundlich zu.
„Willkommen auf der „Delphin“, Miss! Einen schönen Abend Ihnen beiden!“
Mit einem Kopfnicken verabschiedete er sich und ging schlurfend davon.
Matt reichte seiner Begleiterin die Hand. „Bist du bereit?“
„So bereit, wie man nur sein kann, wenn man nicht weiß, wo es hingeht“, erwiderte sie etwas zögernd.
Lachend wies er auf das kleine, schnittige Kabinenmotorboot namens „Delphin“, das schaukelnd auf den Wellen am Bootssteg lag.
„Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht, dass wir nicht mit der „Sunrise“ fahren. Aber das hier ist einfach zweckmäßiger für unseren kleinen Ausflug. Wir brauchen keine Yacht, um dorthin zu kommen, wo wir den heutigen Abend verbringen werden.“
„Und wo ist das?“
„Das wird noch nicht verraten.“
Sie sah ihn an und in ihren Augen spiegelte sich das Licht der untergehenden Sonne.
„Du schaffst es immer wieder, mich zu überraschen.“
Er half ihr ins Boot, zog sie dicht zu sich heran und flüsterte ihr verheißungsvoll zu:
„Ich liebe es, wenn du das sagst!“
Kurz darauf startete er das Boot.
Der schneeweiße Bug erhob sich durch die Kraft des Motorenantriebs halb aus dem Wasser und teilte in rasantem Tempo die Wellen, die wie ein endloser, mit unzähligen Goldfäden durchwirkter glitzernder Teppich im Licht des Sonnenunterganges funkelten. Hinter sich ließ die „Delphin“ einen langen Schweif schäumenden Wassers zurück.
Wenig später war sie bereits hinter der nächsten Bucht verschwunden.
*
Als Dean später das OCEANS betrat, wunderte er sich, Chelsea nicht wie üblich unten in der Bar vorzufinden. Auf seine Frage hin rollte Mel, die junge Aushilfskellnerin, verärgert mit den Augen.
„Seitdem Seine Hoheit vor zwei Stunden hier plötzlich erschienen war, habe ich sie nicht wieder zu Gesicht bekommen.“
„Seine Hoheit?“, wunderte sich Dean belustigt. „Von wem sprichst du, Mel?“
„Dieser Baulöwe, Edward Hamilton. Keine Ahnung, was der hier wollte, aber sie ist mit ihm ins Büro gegangen, und nach einer Viertelstunde verschwand er dann wieder.“ Unwirsch wies sie auf die inzwischen gut gefüllten Tische hinter der Tanzfläche. „So langsam könnte sie aber wieder herunterkommen, ich renne mir nämlich inzwischen fast die Hacken ab!“
Dean nickte und legte ihr versöhnlich die Hand auf die Schulter.
„Sorry, Mel. Ich werde nachsehen, was los ist. Du bekommst hier unten gleich wieder Unterstützung.“
Beunruhigt ging er nach oben.
Was wollte Edward Hamilton hier? Und vor allem, was wollte er von Chelsea?
Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend riss er die Tür zum Büro auf.
Sie saß hinter dem Schreibtisch und starrte wie hypnotisiert ein Blatt Papier an, das auf den ersten Blick wie ein Bankauszug aussah.
„Alles in Ordnung mit dir?“, fragte er unsicher.
Sie blickte auf und sah ihn zwei Sekunden später strahlend an.
„Und ob, Dean!“, rief sie und sprang von ihrem Stuhl hoch, während sie übermütig begann, mit dem Papier vor seiner Nase herumzuwedeln. „Alles ist bestens! Wir brauchen uns keine Sorgen mehr zu machen! Ab heute sind alle unsere finanziellen Probleme Vergangenheit!“
„Was ist los?“, fragte er, leicht verärgert über die Tatsache, dass sie hier einen unverständlichen Freudentanz aufführte, anstatt Mel unten zu helfen. Kopfschüttelnd wies er auf das leere Cognacglas auf dem Tisch. „Hast du getrunken?“
„Ich doch nicht. Edward Hamilton war hier. Er hat einen Drink genommen“, verbesserte Chelsea aufgeregt. „Und dann hat er uns diesen großzügigen Scheck ausgestellt. Er will nämlich das OCEANS kaufen.“
Mit einem äußerst argwöhnischen Blick auf das mysteriöse Papier in ihrer Hand ließ sich Dean in den Sessel hinter dem Schreibtisch fallen.
„Was sagst du da? Du machst Scherze, oder?“
Chelsea hielt ihm mit euphorisch glänzenden Augen den Scheck direkt unter die Nase.
„Sieh her, Dean, sieh auf die riesige Summe, die Edward Hamilton uns für das OCEANS geboten hat! Wir verkaufen den Laden und fangen irgendwo ganz neu an!“
Er schob ihre Hand mit dem Scheck achtlos beiseite.
„Was redest du denn da? Wieso sollten wir das OCEANS verkaufen?“
„Weil wir so eine Chance niemals wieder bekommen werden, Dummkopf!“ Übermütig schnippte sie mit den Fingern in die Luft. „Nur eine Unterschrift, und voila - wir sind reich!“
Ungläubig zog er die Augenbrauen zusammen.
„Ich verstehe gar nicht, was plötzlich in dich gefahren ist, Chelsea? Warum willst du unbedingt irgendwo neu anfangen? Ich dachte, du bist hier genauso glücklich wie ich! Immerhin haben wir in der kurzen Zeit so viel erreicht, ich finde, wir können sehr stolz auf uns sein, und auf unsere Freunde, die uns geholfen haben.“
Er sah die Zweifel in Chelseas Augen und schüttelte verständnislos den Kopf.
„Zählt das denn alles gar nicht für dich, nur weil so ein machthungriger Immobilienhai daherkommt und dir einen lächerlichen Scheck auf den Tisch legt?“
„Lächerlich?“, rief sie empört. „Was erzählst du für einen Schwachsinn, Dean? Edward will das OCEANS kaufen, und er bietet uns eine Summe dafür an, die weit über dem tatsächlichen Wert der Bar liegt. Wo ist da für dich das Problem?“
Dean erhob sich und trat, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, zu dem breiten Panoramafenster, von dem aus man die ganze Bar unten überblicken konnte.
„Das Problem ist, dass ich das alles hier nicht aufgeben will! Macht es dich denn gar nicht stolz, was wir geschafft haben?“ Er drehte sich um und sah sie abwartend an. Da jedoch keine Reaktion kam, fuhr er schließlich fort: „Chelsea, wir haben uns endlich gefunden, wir lieben uns, und wir sind auf dem besten Weg, das OCEANS wieder zu dem zu machen, was es einmal war: eine gut besuchte, gemütliche Tanzbar, wo Leute jeden Alters sich wohlfühlen!“
„Ja schon“, gab sie zögernd zu, „Aber was ist mit uns, mit unseren Bedürfnissen und Wünschen? Wir brauchen schließlich irgendwann auch einen Platz, wo wir uns wohlfühlen. Und da könnte ich mir gut vorstellen, dass ein kleines Haus irgendwo im Grünen...“
„Also was mich betrifft, Schatz, ich fühle mich hier absolut wohl“, unterbrach Dean sie, ging zu ihr hinüber und zog sie lächelnd in seine Arme. „Ein eigenes Geschäft und eine tolle Frau wie dich an meiner Seite, das war schon immer mein Traum. Und für eine eigene Bleibe wird es auch bald reichen.“
Chelsea wand sich unwillig aus seiner Umarmung und marschierte zur Tür.
„Glaubst du vielleicht, ich habe keine Träume? Ich will doch nicht mein ganzes Leben lang hinter irgendeiner blöden Theke stehen, Gläser polieren und die Kellnerin spielen!“, knurrte sie verärgert und drehte sich noch einmal zu ihm um, bevor sie hinausging. „Ich werde Mel unten helfen. Überleg dir inzwischen genau, was du tun willst, Dean. Das Geld wäre eine einmalige Chance für uns. So eine Gelegenheit kommt garantiert nicht wieder!“
Resigniert setzte sich Dean zurück in den Sessel. So verharrte er eine Zeitlang und starrte wortlos auf die Tür, lange nachdem Chelsea sie hinter sich geschlossen hatte.
„Verdammt, Hamilton!“, stieß er schließlich wütend hervor und hieb mit der Faust auf den Tisch. Da spazierte dieser widerliche Geldsack hier einfach so herein und knallte einen Scheck von immensem Ausmaß auf den Tisch, und plötzlich war nichts mehr so wie vorher.
Dean schüttelte den Kopf.
Nein, für ihn war die Antwort klar. Er war auf dem besten Weg, sich mit dem OCEANS seinen Lebenstraum zu erfüllen, und er hatte in den wenigen Wochen, in denen er hier war, ein neues Zuhause gefunden. Er würde nicht verkaufen, auf gar keinen Fall!
Aber was war mit Chelsea?
War ihre Liebe zu ihm wirklich stark genug, um gegen Edwards finanzielle Argumente zu bestehen?
Dean schloss die Augen.
Er wollte Chelsea nicht verlieren, aber wenn ihr das OCEANS nicht genauso viel bedeutete wie ihm und sie nur scharf auf das Geld war, dann würde sie sich entscheiden müssen.
So oder so.
Bleiben… oder gehen.
*
Die „Delphin“ war etwa eine halbe Stunde gefahren, als sie auf eine kleine Insel zusteuerte, die einige Kilometer vor der Bucht von Santa Monica lag.
„Von diesen kleinen Inseln gibt es hier mehrere“, erklärte Matt, als sie näherkamen. „Allesamt sind in Privatbesitz. Deshalb auch die Absperr-Schranke am Steg. Hier dürfen nur die Eigentümer und die Angestellten mit ihren Booten anlegen. Und gelegentliche Besucher.“
Danielle nickte und sah sich neugierig um, während Matt das Boot sicher an die Anlegestelle steuerte. Sie konnte kein weiteres Boot entdecken, außer einem kleinen, unscheinbaren Fischerkahn, der hier einsam auf den Wellen schaukelnd vor Anker lag.
„Verstehe. Und wen besuchen wir hier?“
„Wie kommst du darauf, dass wir jemanden besuchen wollen?“, erkundigte sich Matt schmunzelnd und warf dem älteren Mann, der am Steg erschienen war, das Tau zu.
„Herzlich willkommen auf Paradise Island“, begrüßte der Mann sie beide freundlich und half Danielle aus dem Boot, bevor er Matt das Gepäck abnahm. „Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Überfahrt?“
„Ja, die hatten wir“, erwiderte Matt und drehte sich zu Danielle um. „Ich möchte dir Vincent vorstellen. Er ist sozusagen die gute Seele dieser Insel.“
„Sie wohnen hier?“, fragte Danielle und musterte den Älteren erstaunt. Er trug Jeans und ein kariertes Holzfällerhemd und hatte sonnenverbrannte, vom Wind und Salzwasser gegerbte Haut. Sie schätzte ihn auf weit über sechzig. Er war schlank und nicht sehr groß, und sein freundliches Gesicht war gezeichnet von hunderten Fältchen, die das Leben hier draußen, ganz sicher aber auch sein sympathisches Lachen tief in sein Gesicht gezeichnet hatten. Sein weißgraues Haar glänzte in der Abendsonne wie Silber.
„Ja Miss, meine Frau und ich leben seit über vierzig Jahren auf dieser Insel“, nickte er und blinzelte ihr freundlich zu.
„Ihre Frau?“, fragte Danielle neugierig. Matt lächelte bedeutungsvoll und nahm ihre Hand.
„Komm mit, du wirst sie gleich kennenlernen.“
Sie folgten Vincent, der sie einen Weg zwischen Palmen und Oleanderbüschen entlang bis zu einer Treppe führte, die kunstvoll in die Felsen eingeschlagen und befestigt war.
Staunend sah sich Danielle um.
„Es ist wunderschön hier“, sagte sie andächtig.
Matt lächelte.
„Komm mit, es wird noch besser.“
Die Treppe führte bis hinauf auf die Felsen. Von dort aus schlängelte sich ein weiterer Weg etwa fünfzig Meter durch einen Palmenhain.
Dahinter bot sich ein atemberaubendes Bild.
Eingebettet in einem herrlichen Garten aus Palmen, Zypressen, exotischen Blumen und endlosem Grün stand dort eine kleine weiße Villa mit großen verspiegelten Glasfenstern und einer breiten Terrasse, von der man direkt aufs Meer hinunterblickte, wo die Sonne vom Horizont aus mit ihren letzten Strahlen des Tages die Welt ringsum in ein märchenhaftes Licht tauchte.
„Meine Güte“, entfuhr es Danielle. „Das ist ja traumhaft!“
Bevor Matt etwas erwidern konnte, verließ eine recht füllige, ältere Dame das Haus und kam mit ausgebreiteten Armen strahlend auf sie zugeeilt.
„Señor Matthew... Bienvenido! Schön, Sie zu sehen”, rief sie in schönstem mexikanischen Akzent und begrüßte den Ankömmling stürmisch.
„Hallo Mama Evita”, lachte Matt. „Du siehst aus wie ein junges Mädchen! Wie machst du das nur?”
Sie lachte geschmeichelt und strich sich eine Strähne ihres schwarzen, mit grauen Strähnen durchwirkten Haares, das sie zu einem kunstvollen Knoten am Hinterkopf zusammengesteckt hatte, zurück.
„Oh, Sie sind ein charmanter Mann, Señor Matthew!“ Dann wandte sich Danielle zu. „Ist das die Señorita, von der Sie uns erzählt haben?“ Spontan lief sie auf die junge Frau zu und ergriff deren Hände.
„Herzlich willkommen!“, rief sie herzlich. „Ich habe immer zu meinem Vincent gesagt, die Frau, der Matt Shelton sein Herz schenkt, muss etwas ganz Besonderes sein! Und ich hatte Recht.“ Sie betrachtete Danielle voller Begeisterung. „Eine wunderschöne Señorita!“
„Vielen Dank“, erwiderte Danielle verlegen und warf Matt einen fragenden Blick zu. Er trat näher und legte seinen Arm um ihre Schultern.
„Danielle, das ist Evita. Sie und Vincent wohnen schon sehr lange auf dieser Insel und haben unterhalb der Villa am Fuße des Felsens ein kleines Häuschen. Vincent kennt hier jeden Stein und sorgt für Ordnung im Paradies, und Mama Evita...“ Er lachte, als er die erwartungsvoll funkelnden Augen der Señora sah. „Tja, was soll ich sagen, keine in ganz Kalifornien kocht so gut wie sie!“
Evita lachte geschmeichelt. Dieses Kompliment gefiel ihr gut.
„Oh, verstehe“, sagte Danielle und lächelte. „Dann gehört Ihnen beiden diese Insel und Sie haben uns heute hierher eingeladen!“
Vincent und Evita sahen sich einen Moment lang irritiert an, doch bevor einer von ihnen etwas erwidern konnte, zwinkerte Matt ihnen zu und schmunzelte geheimnisvoll.
„Nun, ganz so ist die Sache nicht, Liebling. Ich muss dir etwas erklären.“
„Erklären Sie es nachher, Señor Matthew“, unterbrach ihn Evita in resolutem Tonfall. „Jetzt wartet das Abendessen auf Sie beide. Kommen Sie bitte, sonst wird noch alles kalt.“
Sie warf sich in die Brust und marschierte allen voran ins Haus.
Matt und Danielles folgten ihr zusammen die weiße Villa.
„Wow!“ Danielle sah sich staunend um.
Der große Vorraum war mit perlmuttfarbenem Parkettfußboden ausgelegt. Tapeten und Möbel waren in einem dazu passenden sehr hellen Farbton gehalten. Moderne Strahler zierten die Zimmerdecke und die in Mandarin gehaltenen Wände erinnerten Danielle sofort an die Sonnenuntergänge, die sie so liebte. Einen wirkungsvollen Effekt zu dieser Kombination schaffte eine komplett verspiegelte Wand, und die davor angeordneten, prächtigen exotischen Einpflanzungen rundeten das Bild ab.
Das riesige Wohnzimmer war ebenfalls sehr hell und modern, aber gleichzeitig überaus gemütlich eingerichtet und durch zwei Stufen seitlich des Raumes von einer kleinen typisch amerikanischen Einbauküche getrennt. Auch hier gab es in jeder Ecke saftig grüne Pflanzen, die einen wunderbaren Kontrast zur übrigen perfekt aufeinander abgestimmten Ausstattung boten.
An der Seite, direkt hinter der Couchgarnitur aus weichem Leder, führte eine Treppe nach oben. Die gesamte gegenüberliegende Wandfläche bestand aus zwei riesigen Glastüren, die ein fantastisches Panorama auf die Terrasse und den dahinterliegenden Ozean boten.
Im Kamin neben der Tür flackerte bereits ein wärmendes Feuer.
„Und… wie gefällt es dir hier?“, fragte Matt lächelnd.
Danielle blickte sich fasziniert um.
„Ich dachte, so etwas gibt es nur im Film“, sagte sie und trat hinaus auf die riesige, von der saftig grünen Vegetation der Insel eingesäumten Terrasse, die ebenfalls mit passend weißem Mobiliar ausgestattet war. Ringsherum erleuchteten kleine weiße Laternen die allmählich hereinbrechende Dunkelheit.
Ein sanfter Wind kühlte die heiße Luft des sich seinem Ende neigenden Tages angenehm ab und spielte mit den nimmermüden Wellen des weiten Ozeans, der zu ihren Füßen lag. In der Ferne flimmerten die ersten Lichter von Malibu und Santa Monica am Horizont.
Danielle lehnte sich aufseufzend an Matts Schulter.
„Bevor ich noch glaube, ich träume nur, solltest du mir vielleicht endlich verraten, wieso wir beide hier sind? Sind Vincent und Evita unsere Gastgeber?“
„Nein, das sind sie nicht.“ Er legte seine Hände auf ihre Schultern und drehte sie sacht zu sich herum. „Ich habe dich heute eingeladen, schon vergessen? Und ich habe dir eine besondere Überraschung versprochen.“
Sie sah ihn irritiert an.
„Hast du dieses Anwesen etwa für den heutigen Abend gemietet?“
„Nein, auch das ist nicht ganz richtig“, lächelte er und zwinkerte ihr verheißungsvoll zu. „Ich möchte, dass du dich hier wie zu Hause fühlst, denn diese Insel ist auch mein Zuhause. Sie gehört mir.“