Schmutzige Kinder
Geld beschmutzt den Charakter
Reine Armut
Ryūgū warashi (jap. 竜宮童子 (Kanji) りゅうぐうわらし (Hiragana)) ist ein Yōkai aus der japanischen Mythologie. Sein Name bedeutet sinngemäß übersetzt "Kind aus dem Drachenpalast". Alternativ sind sie auch als Ryūgū dōji bekannt.
Merkmale
Ryūgū warashi sehen aus wie Menschenkinder, sind aber schrecklich unattraktiv – entweder weil sie sehr hässliche Gesichter haben oder weil sie völlig schmutzig sind und sich weigern zu baden.
Sie sind stark magisch und talentiert in allem, was sie tun. Ihre Kochkunst übersteigt alles, was Menschen jemals kochen könnten.
Verbreitung
Ryūgū warashi besiedeln Seen, Flüsse, Bäche und Meere in weiten Teilen Japans. Eine verstärkte Häufigkeit ist in der Region Tōhoku nachgewiesen.
Lebensweise
Über die Lebensweise ist nicht viel bekannt.
Kulturelle Bedeutung
Interaktionen mit Menschen
Haushalte mit Ryūgū warashi gehen nie an Nahrung oder Geld aus und werden schnell wohlhabend und reich. Die Hässlichkeit dieser Kinder wird jedoch irgendwann zu viel für ihre Menschen. Unweigerlich werden Ryūgū warashi zum Baden gezwungen oder von ihren menschlichen Eltern hinausgeworfen – danach kehren sie ins Meer zurück und die Familie verliert all den Reichtum, den die Ryūgū warashi mitgebracht haben.
Mythologie
Das alte Paar
Ein verarmtes älteres Ehepaar lebte in einer Hütte in den Bergen. Jeden Winter hackte der alte Mann Bambus, um daraus Kadomatsu (Neujahrsdekorationen) zu machen und diese von Tür zu Tür zu verkaufen. Es war hart, aber sie schafften es, sich so ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ein Jahr lang hatte der alte Mann nur noch einen einzigen Kadomatsu, den er nicht verkaufen konnte. Da er nach Neujahr nichts mehr nützen würde, warf er ihn in einen Fluss und nannte ihn ein Geschenk für Ryūgū. Als er nach Hause ging, rief eine Stimme aus dem Fluss: "Ryūgū dankt dir für dein Geschenk. Bitte komm und feier mit uns."
Der alte Mann wurde zu einem prächtigen Fest im Drachenpalast geführt. Er bekam eine Führung durch den Palast und dessen magischen Gärten der Jahreszeiten. Ihm wurden so viele köstliche Speisen serviert, wie er essen konnte. Aber er dachte an seine Frau, die zu Hause auf ihn wartete, und bat darum, in die Erdwelt zurückgebracht zu werden. Die Diener von Ryūgū nahmen ihn mit zurück, und da das alte Paar keine Kinder hatte, sagten sie, sie würden ihm als Dank für seine Gabe ein Kind schenken.
Als der alte Mann nach Hause kam, wartete seine Frau mit einem kleinen Jungen auf ihn. "Schau, wie wunderbar dieses Kind ist!", sagte sie. "Er wird dir alles geben, was du dir wünschst!" Sie bat den Jungen um Essen und im Nu quollen ihre Küchenvorräte über vor Reis. Der alte Mann bat um Geld und sein Geldbeutel war plötzlich mit Goldmünzen gefüllt. Es war wie ein Wunder. Alles, was sie sich jemals wünschen konnten, gehörte ihnen. Sie wünschten sich Land, ein großes Haus, teure Kleidung und all den Komfort, den die Reichen genießen.
Eine Zeit lang waren die drei eine glückliche Familie. Das alte Paar gewöhnte sich daran, in seinem schicken Haus zu leben, fabelhafte Kleidung zu tragen und das beste Essen zu essen. Irgendwann bemerkten sie Dinge, die sie nicht gestört hatten, als sie arm waren. Zum Beispiel bemerkten sie, wie hässlich das kleine Kind aus Ryūgū war. Und sie bemerkten, wie schmutzig es war. Das Kind passte nicht zu ihrem schönen und sauberen, neuen Lebensstil.
Obwohl sie nichts gegen das Gesicht des Kindes tun konnten, versuchten sie, ihm schönere Kleider anzuziehen. Er weigerte sich, sie zu tragen. "Du musst zumindest baden!", beharrte das alte Paar. Doch so sehr sie auch drängten, das Kind weigerte sich auch zu baden. Schließlich verloren sie die Fassung. Sie sagten: "Wenn du nicht einmal baden willst, solltest du einfach nach Ryūgū zurückkehren!"
Genau wie sie es sich gewünscht hatten, verschwand der Junge wie ein Rauchwölkchen. Und als er das tat, verschwanden auch das riesige Haus, das Gold, die feinen Kleider und all der Luxus, den das Kind dem alten Paar geschenkt hatte. Sie waren schmutzig, kalt und arm; genau wie zuvor.
Und die Moral von der Geschicht: Wer seine Dankbarkeit verliert, nachdem er reich geworden ist, verliert am Ende alles.
Der Blumenverkäufer (Stadt Mitsuke, Präfektur Niigata)
Ein armer Blumenverkäufer warf jeden Tag unverkaufte Blumen in den Fluss. Eines Tages versuchte er auf dem Heimweg vom Blumenverkauf eben jenen Fluss zu überqueren, konnte ihn aber aufgrund des starken Wassers nicht überqueren. Während er ratlos am Ufer stand, erschien ihm eine große Schildkröte und lud ihn ein, auf ihren Panzer zu klettern. Als der Blumenverkäufer auf die Schildkröte klettert, wurde er zu Otohime geführt, welche ihm als Dank dafür, dass er ihr jeden Tag Blumen anbot, einen Sohn schenken wollte.
"Ich gebe dir einen Jungen. Seine Nase ragt heraus. Er sabbert, aber wenn du ihn behältst, wird er dir gewähren, was immer du willst. Tu es."
Der Blumenverkäufer brachte das Kind, welches er Tohou nannte, auf dem Rücken der Schildkröte zurück in die Menschenwelt.
Als er Tohou bat, "das Haus zu renovieren", schloß Tohou die Augen, klatscht dreimal in die Hände und das Haus war zu einer Villa renoviert worden. Je nach Wunsch des Blumenverkäufers stellte er Möbel, Kimonos und 1.000 Ryo Gold zur Verfügung, und der arme Blumenverkäufer wurde praktisch über Nacht zum Millionär.
Fünf Jahre waren seit jenem Treffen vergangen und der Blumenverkäufer zählte inzwischen zu den angesehensten und feinsten Männern im gesamten Land. So verwundert es nicht, dass er auch eine Ehefrau aus eben solchen Kreisen gefunden hatte. Doch wenn das Paar in den elitären Kreisen eingeladen wurde, nahm der ehemallige Blumenverkäufer immer Tohou mit. Das störte die Ehefrau sehr und langsam, aber sicher setzte sie dieses Missfallen auch im Kopf ihres Mannes fest. Der ehemallige Blumenverkäufer mochte Tohous hässliches Aussehen nicht mehr und agte ihm, er solle sich die Nase putzen, seinen Speichel abwischen und seinen schmutzigen Kimono ausziehen, aber Tohou lehnte ab.
Gereizt erwiderte der Blumenverkäufer zu Tohou: "Suke Kuresuke hat Zeit, warum kommst du jetzt nicht nach Hause?"
Tohou verließ darauf den Blumenverkäufer mit den Worten: "Ich habe keine Wahl", und mit verschwanden augenblicklich die Villa, die luxuriösen Kimonos, die Möbel und alles Geld. So war der Blumenverkäufer wieder ein armer Mann.
Taxonomische Stellung
Ryūgū warashi sind Hausgeister, dabei handelt es sich aber um eine paraphyletische Einordnung, vergleichbar mit den "Wirbellosen" im Tierreich. Sie stellen sehr wahrscheinlich eine Art innerhalb einer Gruppe von humanoiden Hausgeistern dar, welche es in Japan in mehreren Variationen gibt und als Zashiki warashi, im Sinne einer Sammelbezeichnung, bezeichnet werden. Es ist daher auch anzunehmen, dass eine nähere Verwandtschaft zu der Art Zashiki warashi und den Makuragaeshi vorliegt.
Da Ryūgū warashi aber auch Kinder von Ryūgū darstellen und dies der Sitz der Drachenfürsten ist, könnte es sich auch um humanoide Drachen handeln. Eine Möglichkeit, welche an Mangel an Daten aber nicht gesichert geprüft werden kann.
Nachweise
- Kazuhiko Komatsu: The Dragon Palaca Childe An Anthropological and Sociohistorical Approach CURRENT ANTHROPOLOGY Volume 28, Number 4, August - Oktober 1987 https://www.journals.uchicago.edu/doi/pdfplus/10.1086/203576 Abgerufen am 3.01.2024
- Yokai.com – the online database of japanese ghosts and monsters (Matthew Meyer) Suche nach "Ryūgū warashi" https://yokai.com/ryuuguuwarashi/ Abgerufen am 3.01.2025
- 関敬吾『日本昔話大成6 本格昔話五』角川書店、1978年。ISBN 978-4045304064。
- 関敬吾『日本昔話大成11 資料編』角川書店、1980年。ISBN 978-4045304118。
- 柳田国男『柳田國男全集5(『日本昔話集』)』筑摩書房、1998年。ISBN 4-480-75065-7。