Prompt 11: Zerbrechlichkeit
Wie ein Gott hatte ich mich damals gefühlt. Nichts und niemand konnte mich verletzen und ich lebte, als hätte ich die ganze Welt zum Untertan. Alles richtete sich nach meinem Willen – alle Hindernisse wurden aus meinem Weg geräumt. In meinem kleinen Universum war ich immer der Stärkste, der Klügste, der Beste, kurz gesagt: Das Ideal. Und wie ich mich selbst sah, behandelte mich auch der Rest der Menschheit – vielleicht aus Sympathie heraus, vielleicht auch deshalb, weil mein selbstbewusstes Auftreten sie blendete und mich in ihren Augen zu etwas machte, was ich nur glaubte zu sein.
Ich war so dumm und naiv damals. Wenn überhaupt gibt es nur einen Gott und stellt man sich mit ihm als einfacher Sterblicher auf eine Stufe, bezahlt man einen Preis, den kein eitler Höhenflug wieder aufwiegen kann.
Ich wollte zu einer Party – das war alles, was ich von dieser schicksalhaften Nacht wusste. Der Rest war in Nebel gehüllt, der sich nur lichtete, wenn ich mich schlafen legte. Dann war ich in Albträumen gefangen, bis der neue Tag erwachte und alle Angst und bösen Erinnerungen verrauchen ließ. Immer wieder sah ich im Traum grelle Lichter vor mir, quietschende Reifen und knirschendes Metall schmerzten in meinen Ohren und ich konnte nicht atmen, weil mein Körper förmlich zerquetscht und alle Luft aus diesem herausgepresst wurde. Und immer wieder wachte ich dann im Krankenhaus auf, wie in dieser dunklen Nacht, die einfach nicht aufhören wollte, mich zu quälen.
Die Ärzte hatten mir gesagt, dass ich wirklich Glück gehabt hatte, dass ich noch lebte. Der Geisterfahrer, dessen Wahnsinn mir beide Beine gebrochen und für immer Narben in meinem Gesicht hinterlassen wurde, wo die Frontscheibe beim Aufprall splitterte und das Glas sich in meine Haut bohrte. Ich hatte wirklich Glück, dass meine Augen nicht verletzt worden waren.
Doch dem anderen Fahrer erging es nicht besser. Er war wohl nicht angeschnallt gewesen und durch die Scheibe geflogen, wodurch meine erst brach. Er starb direkt vor meinen Augen – auf der Motorhaube und ganz langsam, während ich einfach nur dasitzen und nichts tun konnte, da ich selbst gefangen in dem zusammengequetschten Metallhaufen war. Doch auch daran erinnerte ich mich nur in meinen Träumen. War wohl auch besser so. Ich wollte diesen alten Mann nicht auch noch im wachen Zustand immer und immer wieder sterben sehen.
Das Einzige, was mich jetzt noch hoffen ließ, dass bald alles besser werden würde, war meine Freude darüber, überhaupt noch zu leben. Ich musste diese zweite Chance nutzen und erkennen, dass ich weder göttlich noch in irgendeiner Weise unverwundbar war. Das Leben ist kostbar und Menschen sind so zerbrechlich. Das war wohl etwas, was ich niemals wieder vergessen würde. Selbst dann nicht, wenn meine Wunden verheilt, das Trauma begraben und mein altes Ich wieder eine Gefahr für mich war.