Prompt 27: Sonnenfinsternis
Nur in der Nacht wagte er sich hinaus. Nur in der Dunkelheit konnte er er selbst sein – das Licht des Tages vertrieb Cyrians wahre Natur einfach und so brauchte es diese finsteren Stunden, um das Monster in seiner Brust erwachen zu lassen.
Seine Frau ließ er in dieser Zeit getrost allein mit den Kindern – im Haus war es in der Nacht einfach sicherer und so sehr Cyrian Gina auch vertraute, sie würde niemals verkraften können, was ihr Mann so in der Zeit tat, wenn sie seelig im warmen Ehebett schlief.
So ging der junge Mann die nur vom kalten Licht der Laternen erleuchtete Straße entlang und pfiff sogar leise vor sich hin, so gut gelaunt war er in dieser Nacht. Es war Sommer, jedoch recht kühl und es war zudem Neumond, womit nur die Sterne am Himmel schwach funkelten. Allein die grausam hässlichen Leuchtreklamen verhinderten mit ihrem grellen Strahlen, dass die Stadt in vollkommene Schwärze getaucht wurde.
Es dauerte nicht lange, bis Cyrian beim nächsten Bordell ankam. Zu Beginn seiner Wanderungen hatte er immer nach Prostituierten am Straßenrand Ausschau gehalten, die eh niemand vermisst hätte, um sie dann mit ins nächste Hotel zu nehmen. Doch seit der Mann einen Deal mit dem Besitzer dieses Etablissements vor sich abgeschlossen hatte, der oft verbrauchte oder auch aufmüpfige Nutten zu beseitigen hatte, war Cyrian erleichtert, Geld mit seiner kleinen Leidenschaft verdienen zu können, anstatt sein Vermögen Nacht für Nacht zu vermindern, Gefahr laufend, dass Gina herausfand, was er hier tat.
Empfangen wurde der junge Mann im Bordell wie ein Ehrenmitglied eines ganz exklusiven Clubs, sogar mit einem wirklich schmierig wirkenden Grinsen von seinem treuen Geschäftspartner selbst, der ihn sofort in einen der hinteren Räume führte.
»Rose wartet bereits auf dich.«
Cyrian nickte und ging wortlos an dem Zuhälter mit wuchtiger Statur vorbei und schlüpfte beinahe ungeduldig in das Separee, wo bereits das Mädchen wartete, das ihm heute Nacht zum Opfer fallen würde. Lächelnd musterte er sie, mit ihren schokoladenbraunen Haaren, der recht blassen Haut und dem Elfengesicht, was sich gut mit ihrem zierlichen Körperbau paarte. Doch am besten gefielen Cyrian ihre runden blauen Augen, die vor Angst beinahe zerflossen. Wie dieses Kind seinen Zuhälter verärgert hatte oder überhaupt in dieser schäbigen Szene gelandet war, war dem Mann gleichgültig. Es ging ihm nur um den Spaß und das Ausleben seiner wahren Natur.
So setzte sich der junge Mann zu dem Mädchen und nahm ihre Hand in seine. »Keine Angst. Es wird noch mehr wehtun, als du dir überhaupt vorstellen kannst.«